Category: Reaktionen

Bibliotheka Phantastika gratuliert Eileen Kernaghan, die heute 75 Jahre alt wird. Dass früh mit dem Schreiben anzufangen und schon in sehr jungen Jahren veröffentlicht zu werden keineswegs zwangsläufig zu einer großen schriftstellerischen Karriere oder auch nur zu einem umfangreichen Oeuvre führt, beweist die am 06. Januar 1939 in Grindrod in der kanadischen Provinz British Columbia geborene Eileen Kernaghan. Sie war gerade mal zwölf Jahre alt, als die Vancouver Sun eine ihrer Kurzgeschichten druckte – doch es sollte zwanzig Jahre bzw. bis 1971 dauern, bis mit “Starcult” in Galaxy ihre nächste, dieses Mal phantastische Geschichte erschien. Auch danach ist die Zahl ihrer Veröffentlichungen überschaubar geblieben, was einerseits damit zu tun hat, dass sie laut eigener Aussage ziemlich langsam schreibt, andererseits damit, dass sie immer nur nebenberuflich geschrieben hat.
Eileen Kernaghans erster Roman Journey to Aprilioth (1980) bildet den Auftakt der Grey Isles Trilogy und erzählt von den Nachkommen der Zauberer des versunkenen Atlantis (der Grey Isles), die sich im vorkeltischen Britannien angesiedelt haben und es dort erneut mit den Alten Göttern zu tun bekommen, die für den Untergang ihrer alten Heimat verantwortlich waren und deren Macht sie nun mit einem Steinkreis binden wollen. Doch da viel vom alten Wissen verlorengegangen ist, muss sich der junge Nhiall auf die Reise nach Aprilioth (dem antiken Thera, heutzutage besser bekannt als Santorin) begeben, denn dorthin soll sich eine andere Gruppe Überlebender geflüchtet haben, die sich vielleicht mehr altes Wissen bewahrt hat. Der zweite Band Songs from the Drowned Lands (1983) ist weder ein Roman noch eine Fortsetzung, sondern Songs From the Drowned Lands von Eileen Kernaghanein aus fünf Erzählungen bestehendes, in die letzten Tage vor dem Untergang von Atlantis zurückführendes Prequel, in dessen Mittelpunkt die Schicksale von fünf unterschiedlichen Personen angesichts der drohenden Katastrophe stehen. The Sarsen Witch schließt – etliche Jahre später – wieder an Journey to Aprilioth an. Britannien wurde mittlerweile von den Horse Lords erobert, und Nhialls Volk ist gezwungen, sich im Hügelland zu verstecken. Als die junge Naeri vom Horse Lord Ricca gefangengenommen wird, sieht ihr Vetter Daui darin die Chance, sich vom Joch der fremden Eroberer zu befreien, denn in Naeri fließt das alte zauberkräftige Blut der Grey Isles, sie beherrscht die Erdmagie; nun gilt es nur noch, die Horse Lords dazu zu bringen, einen Steinkreis zu bauen …
Die Grey Isles Trilogy ist in erster Linie aufgrund ihres bronzezeitlichen Settings interessant, denn diese Epoche wird nur selten als Hintergrund eines Fantasyzyklus benutzt. Journey ließe sich zudem auch recht problemlos als historischer Roman lesen, denn im Gegensatz vor allem zum zweiten, 1985 mit dem Aurora Award ausgezeichneten Band finden sich in ihm kaum phantastische Elemente.
Seither hat Eileen Kernaghan fast ausschießlich Jugendbücher verfasst; Dance of the Snow Dragon (1995) erzählt von einer Reise durch einen mythischen Himalaya und greift auf tibetanische Mythen zurück, The Snow Queen (2000) ist eine feministische Nacherzählung des bekannten gleichnamigen Andersen-Märchens, in die Elemente aus der Kalevala und den Mythen der Samen eingeflossen sind (und die ebenfalls mit dem Aurora Award ausgezeichnet wurde), The Alchemist’s Daughter (2004) spielt ein Jahr vor dem Auftauchen der Armada im elisabethanischen England und erzählt die Geschichte eines Mädchens, das die Zukunft vorhersehen kann, und in Wild Talent (2008) führt ihre so bezeichnete Begabung die junge Schottin Jeannie Guthrie zunächst in den Dunstkreis der Theosophischen Gesellschaft Madama Blavatskys, dann ins Paris des fin de siècle – und schließlich über die Grenzen unserer Welt hinaus.
Der einzige nicht für Jugendliche geschriebene Roman aus dieser Zeit wartet ebenfalls mit einem interessanten, bislang selten genutzten Setting auf: Winter on the Plain of Ghosts: a novel of Mohenjo-daro (2004) spielt in einer der beiden wohl wichtigsten Städte der bronzezeitlichen Indus- oder Harappa-Kultur, die – neben dem antiken Ägypten und Mesopotamien – als eine der frühesten Zivilisationen der Welt gilt, und deren Geheimnisse bis heute kaum ansatzweise entschlüsselt wurden. Interessanterweise haben sich in letzter Zeit auch mehrere indische Autoren dieses Teils ihrer Vergangenheit erinnert und Fantasyromane vorgelegt, die vor dem Hintergrund der Indus-Kultur spielen.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Midori Snyder, die heute 60 Jahre alt wird. Die am 01. Januar 1954 in Santa Monica, Kalifornien, geborene Midori Madeleine Snyder ist aufgrund des universitären Hintergrunds ihrer Eltern in mehreren amerikanischen Universitätsstädten aufgewachsen, hat afrikanische Sprachen und afrikanische Literatur – mit dem Schwerpunkt auf mündlichen Erzähltraditionen – studiert, ihren Masterabschluss aber in englischer Literatur und Literaturtheorie gemacht. Sie hat einige Jahre ihres Lebens in Afrika und Italien verbracht und lebt heute in Tucson, Arizona. Am Anfang ihrer Autorenkarriere steht die Veröffentlichung der Erzählung “Demon” in der von Terri Wildling und Mark Alan Arnold herausgegebenen Anthologie Bordertown (1986) – dem zweiten von insgesamt drei Bänden mit frühen Geschichten zum Shared-World-Konzept Chronicles of the Borderlands –, die zugleich den Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit mit bzw. freundschaftlichen Beziehung zu Terri Wildling markiert, zu deren Anthologien Midori Snyder auch in Zukunft noch etliche Stories beisteuern sollte.
Ein gutes Jahr später erschien mit Soulstring (1987) ihr erster Roman, in dem sie Elemente der schottischen Ballad of Tam Lin mit Motiven aus der südafrikanischen Folklore verwebt und die Geschichte der ungeliebten Tochter eines Magiers erzählt, der ihr übelnimmt, dass sie seine magischen Fähigkeiten geerbt hat, obwohl sie nur ein Mädchen ist. Deshalb versucht ihr Vater, sie möglichst schnell zu verheiraten, damit sie einen männlichen Erben hervorbringen kann. Die entsprechenden, recht zahlreich auftretenden Bewerber müssen sich allerdings einer Reihe von Prüfungen unterziehen – und sterben, wenn sie scheitern. Und als einer es dann tatsächlich schafft, fangen die Probleme erst richtig an … Nicht zuletzt bedingt durch seine Nähe zu alten Sagen und Legenden ist Soulstring ein märchenhafter High-Fantasy-Roman, der trotz seines geringen Umfangs von noch nicht einmal 200 Seiten mit einem interessanten Setting, größtenteils überzeugenden Figuren und einer Reihe cleverer Plot-Twists aufwarten kann und vor allem als Erstling aller Ehren wert ist.
Dass dieser Erstling keine Eintagsfliege war, bewies Midori Snyder mit New Moon (1989), dem Auftakt der Trilogie The Queens’ Quarter: Einst herrschten vier Schwestern über das Land Oran, die nicht nur jeweils eines der klassischen Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft repräsentierten und damit den Queens’ Knot bildeten, sondern auch für ein Gleichgewicht der Kräfte sorgtenSadar's Keep von Midori Snyder und die Mächte des Chaos im Zaum hielten. Doch vor rund 200 Jahren tötete Zorah, die Feuerkönigin, ihre drei Schwestern und vereinte damit alle magischen Kräfte auf sich, was ihr unter anderem ewige Jugend garantiert. Um einen Aufstand zu unterdrücken, holte sie kurz darauf Soldaten aus dem Nachbarland nach Oran – doch diese Sileans sind immer noch da und halten Oran mehr oder weniger besetzt. Zorah selbst herrscht vor allem in der Hauptstadt Beldan mit absoluter Macht; sie lässt alle Kinder darauf untersuchen, ob sie Spuren der alten magischen Kräfte in sich tragen – und lässt alle diejenigen töten, bei denen es entsprechende Anzeichen gibt. Aber die alte Magie des Landes ist stark, und Zorah kann nicht alle magisch begabten Kinder erwischen, doch nur, wenn sich vier finden, die die vier Elemente repräsentieren, können sie einen neuen Queens’ Knot bilden – und vielleicht der Gewaltherrschaft der Feuerkönigin ein Ende setzen … Ob bzw. vor allem wie diese vier Mädchen sich finden, mit welchen Mitteln Zorah ihre Macht zu erhalten versucht und welche Rolle die sileanischen Besatzer bei alledem spielen, wird in New Moon und den Folgebänden Sardar’s Keep (1990) und Beldan’s Fire (1993) erzählt. Interessanterweise enthält The Queens’ Quarter zwar einige Elemente aus der keltischen Mythologie, wirkt jedoch völlig anders als viele vergleichbare Trilogien, da der größte Teil der Handlung in einem in der High Fantasy selten benutzten Setting stattfindet: der Stadt Beldan. Allerdings wirkt Beldan mit seinen im Untergrund lebenden, von gewissenlosen Menschen wie dem Upright Man als Diebesbanden eingesetzten Waisenkindern (die von ihren Eltern verstoßen wurden, weil sie vielleicht über magische Kräfte verfügen) weit mehr wie eine mittelalterliche Version von Dickens’ London als eine typische High-Fantasy-Stadt.
2005 wurde die Trilogie neu aufgelegt, dieses Mal als Jugendbuch aufgemacht und unter dem neuen Titel The Oran Trilogy (“… because not a single publisher put the apostrophe in the correct place the first time around”, sagt Midori Snyder dazu). Das lässt sich im Hinblick auf die zumeist zurückgenommene Gewaltdarstellung und das jugendliche Alter der Hauptfiguren auch problemlos rechtfertigen und sorgt darüber hinaus möglicherweise dafür, dass diese vielschichtige Trilogie, die Entwicklungsgeschichten, gesellschaftliche Themen und die Kraft der Mythen überzeugend miteinander vermischt, in der Umgebung präsentiert wird, in die sie gehört: nämlich in direkter Nachbarschaft zu den großartigen Young-Adult-Trilogien einer Ursula K. Le Guin oder einer Patricia McKillip.
Mit The Flight of Michael McBride (1994) betrat Midori Snyder dann gänzlich neues Terrain, denn der Roman greift auf folkloristische Motive Nordamerikas zurück – oder, anders gesagt: es ist eine Art Fantasy-Western, in dem der Titelheld mit seinem Erbe (er ist der Sohn einer Sidhe, die sein Vater von ihrem Vater in einer Schachpartie gewonnen hat) zurechtkommen muss und eine Reise durch ein Amerika beginnt, in dem das Phantastische hinter jeder Ecke lauern kann.
Innamorati von Midori SnyderNach Hatchling (1995), einem in Jim Guerneys Dinotopia-Universum angesiedelten Jugend- bzw. Kinderbuch, folgte mit The Innamorati (1998) Midori Snyders wohl anspruchsvollster Roman, der 2001 mit dem Mythopoeic Fantasy Award ausgezeichnet wurde. Das Setting ist Italien etwa zur Zeit der Renaissance, aber ein alternatives Italien, in dem Magie existiert und Flüche den Menschen das Leben schwermachen können. Aber es gibt einen Ort, an dem man angeblich von den Flüchen, unter denen man leidet, erlöst werden kann, wenn man ihn voller Vertrauen betritt: das Große Labyrinth im Herzen der Stadt Labirinto. Und daher begeben sich Anna Forsetti, die beste Maskenmacherin Venedigs, die keine Masken mehr machen kann, und Hauptmann Rinaldo Gustiano, der tödlichste Duellant Mailands, der sein Schwert am liebsten für immer aus der Hand legen würde, ebenso in das geheimnisvolle magische Labyrinth wie Fabrizio, der Stotterer, der so gerne Schauspieler bei der Commedia dell’arte wäre, und Erminia, die Sirene, die zu einem stummen Exil fern vom Meer und ihrer heimatlichen Insel verdammt ist. Diese vier Personen begleiten wir zusammen mit ihren Geliebten und ihren Feinden, ihren Trinkkumpanen und ihren zufälligen Bekanntschaften zunächst durch Italien und dann durch das Labyrinth, wo sie lustige und gefährliche, absurde und beunruhigende Abenteuer erleben, bis sie – oder diejenigen, die noch übrig sind – das Zentrum des Labyrinths erreichen und dort herausfinden, ob die Legende tatsächlich stimmt. The Innamorati ist ein ebenso faszinierender wie sperriger Roman, der Elemente der italienischen, sprich: der römischen und etruskischen Mythologie und der Commedia dell’arte nutzt und dessen Figuren bei ihrer Reise durch das Labyrinth auch eine Reise zu sich selbst bzw. durch ihr Inneres machen. Darüber hinaus spürt man, dass Midori Snyder in Mailand gelebt hat, während sie ihn verfasst hat, denn das Setting und die vermittelte Lebensart wirken auf absolut überzeugende Weise “italienisch”.
Mit Hannah’s Garden (2002) folgte ein paar Jahre später ein Jugendbuch, das sich um – durchaus magische – Familiengeheimnisse dreht, während der gemeinsam mit Jane Yolen verfasste, aus der gleichnamigen Erzählung hervorgegangene Roman Except the Queen (2012) von zwei Faeries handelt, die plötzlich getrennt von ihrer magischen Sphäre in unserer Welt stranden, wo ihre unsterbliche Schönheit dahinwelkt und sie sich mit Falten und Schlimmerem konfrontiert sehen.
Zwischenzeitlich hat Midori Snyder immer wieder Geschichten zu Anthologien beigesteuert, die zumeist von Terri Windling herausgeben wurden, mit der zusammen sie nicht nur seit vielen Jahren das Endicott Studio of Mythic Arts betreut, sondern auch das Journal of Mythic Arts herausgegeben hat. Dass es noch nicht einmal einer ihrer Romane aus den 80er und 90er Jahren zu einer deutschen Übersetzung gebracht hat, ist mehr als nur bedauerlich.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Amadeus Firgau, der heute 70 Jahre alt wird. Der am 31. Dezember 1943 in Graz geborene Amadeus Firgau arbeitete noch hauptberuflich als Lehrer, als er sich mit Erscheinen seines ersten Romans in die alles andere als überwältigend große Schar derjenigen Autoren und Autorinnen einreihte, die bereits vor dem im Kielwasser der Herr-der-Ringe-Verfilmung einsetzenden entsprechenden Boom erfolgreich deutschsprachige Fantasy veröffentlicht haben. Interessanterweise ist Sorla Flusskind (1990) nicht bei einem der einschlägigen großen Genreverlage sondern beim kleinen Stendel Verlag erschienen – der allerdings vermutlich das optimale Umfeld geboten hat, denn man war dort damals mit modernen Märchen sehr erfolgreich, und die Wurzeln von Firgaus Erstling liegen deutlich stärker in der mitteleuropäischen Märchen- und Volkssagentradition als in der angloamerikanischen Genrefantasy.
Sorla Flusskind erzählt die Geschichte von Sorle-a-glach, dem “Molch ohne Vater”, einem Menschenkind, das von seiner leiblichen Mutter als Dank für ihre Rettung vor den grausamen Chrebil schon vor seiner Geburt dem Flusstrollweib Squompahin-laschre versprochen wurde. Und so wächst Sorla – wie der Junge am liebsten genannt werden will – fernab von den Menschen unter den Fittichen der ebenso streitbaren wie fürsorglichen Laschre am Gnomfluss auf, lernt in der Wildnis zu überleben und Fische zu fangen. Als Sorla neun Jahre alt wird, schickt Laschre ihn zu den Gnomen im Berg Pelkoll, um noch mehr zu lernen. Im Pelkoll findet Sorla nicht nur in Gwimlin seinen ersten Freund, sondern erlebt mit ihm zusammen auch aufregende und alles andere als ungefährliche Abenteuer. Doch so wohl er sich bei den Gnomen auch fühlt – er spürt immer deutlicher, dass er eigentlich nicht zu ihnen gehört …
Sorla Schlangenei von Amadeus FurgauDie Welt, in der Sorla heranwächst, ist klein und überschaubar, und wir sehen sie durch seine Augen – das heißt durch die Augen eines Kindes, das naiv, unbefangen und neugierig seine Umgebung erkundet. Dass diese Welt weit größer ist als das, was Sorla von ihr kennenlernt, wird bereits zu Anfang des Romans und auch zwischendurch immer wieder deutlich, und in Sorla Schlangenei (1995) zieht Sorla auf der Suche nach anderen Menschen – vor allem seinen Eltern – in die große weite Welt hinaus, die allerdings zunächst einmal ganz klein und eng für ihn wird, als die grausame Hexe Markreske ihn gefangennimmt. Seine weiteren Begegnungen mit anderen Menschen verlaufen weniger schmerzhaft, doch auch wenn Sorla unter Menschen und somit eigentlich Seinesgleichen ist, spürt er, dass er “anders” ist – und das hat nicht nur mit der Schlange zu tun, die ihm gelegentlich im Traum erscheint und kluge Ratschläge erteilt …
Während Sorla Flusskind über weite Strecken das Gefühl vermittelt, ein Jugendbuch vor sich zu haben – was natürlich dem Alter und der damit verbundenen Weltsicht der Hauptfigur geschuldet ist, obwohl auch die Idylle am Gnomfluss nicht vor den gelegentlichen Härten des Lebens gefeit ist –, wirkt Sorla Schlangenei deutlich düsterer und erwachsener. Das liegt einerseits daran, dass Sorla es nun mit Menschen zu tun bekommt, auch wenn die nicht alle so böse wie Markreske sind, andererseits aber vor allem daran, dass immer klarer wird, dass auf Sorla ein besonderes Schicksal wartet – aber wie wird dieses Schicksal wohl aussehen?
Auf die Beantwortung dieser Frage mussten die Leser und Leserinnen ziemlich lange warten, denn die Sorla-Reihe wurde nach dem zweiten Band vom Stendel Verlag nicht weitergeführt. Was bedauerlich ist, schließlich dürften Sorla Flusskind und Sorla Schlangenei zu den eigenständigsten und originellsten deutschsprachigen Fantasyromanen der 90er Jahre zählen; darüberhinaus überzeugen sie nicht nur inhaltlich, sondern auch, was ihre Ausstattung angeht: das fängt bei den ungewöhnlichen, so gar nicht generischen Titelbildern an und setzt sich bei den Innenillustrationen, den mitwachsenden Karten und dem ebenso mitwachsenden Glossar fort. Und es ist erstaunlich, denn die beiden Romane waren – gemessen an den Möglichkeiten eines kleinen Verlags im Prä-Internetzeitalter – durchaus erfolgreich, auch wenn sie weit entfernt von den enormen Auflagen waren, die der Stendel Verlag mit seinen modernen Märchen erzielt hat.
2008 hat Amadeus Firgau die Sache schließlich selbst in die Hand genommen und die noch ausstehenden Romane des Sorla-ZyklusSorla Drachenvetter, Sorla Feuerreiter und Sorla Drachenkaiser – bei Lulu veröffentlicht. Leider entspricht der Satz dieser drei Romane so gar nicht dem, was man auch schon zu diesem Zeitpunkt von Print-on-Demand-Produkten erwarten konnte (und normalerweise geboten bekommen hat), was das Lesevergnügen, Sorla auf der Suche nach seinem Platz in der Welt der Menschen zu begleiten, deutlich mindert. Und das ist schade, denn auch wenn anhand der Titel bereits zu erahnen ist, wohin Sorlas Lebensreise ihn letztlich führen wird, gäbe es unterwegs vermutlich noch viel zu entdecken.
Insofern wäre es wünschenswert, dass vielleicht irgendwann einmal eine satztechnisch etwas überzeugender gestaltete Neuauflage der letzten drei Romane erscheint, denn inhaltlich und erzählerisch muss Amadeus Firgau sich mit seinem Sorla-Zyklus – gerade, weil er so anders ist, aus anderen Wurzeln schöpft und sich anderer Bilder bedient – vor der zeitgenössischen deutschsprachigen Konkurrenz absolut nicht verstecken. Im Gegenteil …

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Sanders Anne Laubenthal, die heute 70 Jahre alt geworden wäre. Wer mit diesem Namen nichts anfangen kann, befindet sich – vor allem in Deutschland – in guter Gesellschaft, denn die am 25. Dezember 1943 in Mobile, Alabama, geborene Sanders Anne Laubenthal hat gerade einmal eine Handvoll Veröffentlichungen vorzuweisen (genauer: drei Sammelbände mit Gedichten, zwei Romane und ein Sachbuch), von denen nur der Roman Excalibur (1973) zur Phantastik bzw. Fantasy zu zählen ist, und dieser Roman wurde nie übersetzt.
Excalibur von Sanders Anne LaubenbenthalExcalibur erschien erstmals als eine der wenigen Originalausgaben in der von Lin Carter herausgegebenen Ballantine-Adult-Fantasy-Taschenbuchreihe und dreht sich – nomen est omen – um König Artus’ bekanntes Schwert, spielt allerdings im zeitgenössischen Mobile der 70er Jahre. Wie aber ist Excalibur in die amerikanischen Südstaaten gekommen? Um das zu erklären, greift Sanders Anne Laubenthal auf eine alte walisische Legende zurück, derzufolge der in ihrer Version von Artus abstammende Prinz Madoc im 12. Jahrhundert den Atlantik überquert, die Neue Welt entdeckt und dort, wo heute Mobile liegt, ca. um 1170 n.Chr. eine walisische Kolonie gegründet haben soll. Im Gepäck hatte er nicht nur Excalibur, sondern auch den heiligen Gral, und beide Artefakte haben unentdeckt und unbeschadet bis ins 20. Jahrhundert überdauert.
Die Geschichte beginnt damit, dass ein junger walisischer Archäologiestudent namens Rhodri Meyrick nach Mobile kommt, um eine angeblich aus dem 12. Jahrhundert stammende Mauer auszugraben. Er freundet sich mit Linette, der Nichte der Grundstückseigentümerin an, die ihm bei seinen Ausgrabungen behilflich ist und dadurch binnen kürzester Zeit in einen Strudel unerklärlicher Ereignisse gerät. Denn Rhodri ist kein einfacher Archäologiestudent, sondern in Wirklichkeit der neue Pendragon – Artus’ Erbe –, der eigentlich auf der Suche nach Excalibur ist. Allerdings ist er nicht der Einzige, der nach dem mächtigen Schwert sucht: Auch Morgan le Fay und ihre Schwester Morgause tauchen in Mobile auf, um sich Excalibur für ihre eigenen – keineswegs übereinstimmenden – Ziele nutzbar zu machen, und um die Angelegenheit zusätzlich zu verkomplizieren, gibt es außerdem auch noch einen modernen Gralssucher, der gute Gründe hat, den Gral um jeden Preis vor den Machenschaften der Zauberinnen zu retten …
Was anfangs wie ein wilder Mischmasch aus Elementen der Artus-Legende, keltischer und christlicher Mythologie und ein bisschen Tarot-Mystizimus wirkt, funktioniert erstaunlich gut und macht aus Excalibur eine der wenigen gelungenen modernen Versionen des Artus-Mythos. So betrachtet, ist es bedauerlich, dass Sanders Anne Laubenthal nur diesen einen Fantasyroman geschrieben hat. Und das Ganze wird noch bedauerlicher, wenn man bedenkt, dass sie – nachdem sie nach mehr als zwanzig Jahren in der USAF Mitte der 90er aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war – eigentlich vorgehabt hatte, sich wieder dem Schreiben zu widmen und in ihr Excalibur-Universum zurückzukehren. Einerseits mit einer im Mittelalter angesiedelten Trilogie, die sich um die Abenteuer Madocs und der walisischen Kolonie drehen und deren Auftaktband Somerled’s Daughter heißen sollte, andererseits mit einer Fortsetzung zu Excalibur, in der sich einige der Hauptfiguren des Romans rund eine Generation später erneut begegnen. Leider konnte sie keines dieser Vorhaben in die Tat umsetzen, denn am 15. Mai 2002 ist sie im Alter von 58 Jahren an im Rahmen ihrer langjährigen Diabetes-Erkrankung auftretenden Komplikationen gestorben.

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Wenn Büchertürme unter dem Weihnachtsbaum verhindern, dass dieser umkippt; wenn man verschämt zwischen Weihnachten und Neujahr in den Buchladen schleicht, um Tantes liebgemeintes, aber verstörendes Geschenk 50 Shades of Grey gegen den neuen Abraham/Sanderson/Okorafor einzutauschen, wenn man sich vornimmt, in den Feiertagen nur zu lesen und dann doch nur isst – dann ist es wieder da, das Weihnachtsfest!

Eine der schönsten Weihnachtstraditionen ist sicherlich das Verfassen eines Wunschzettels von der Länge von Pats Bart und mit Wünschen von ähnlicher Bodenständigkeit wie “Bitte ein (Einhorn)-Pony”. Wir vom eab haben uns mit unserer Wunschliste auseinander gesetzt und folgendes aufgetan:

Wulfila wünscht sich eine liebevollere sprachliche Gestaltung der Fantasy, im Englischen wie im Deutschen! Wenn Romane überwiegend aus schlichter Umgangssprache und Kraftausdrücken bestehen, mag das vielleicht im ersten Moment noch als Milieuschilderung durchgehen, aber letztendlich wird so viel zu viel von den Möglichkeiten und dem Zauber verschenkt, die einem wirklich kunstvollen und bewussten Sprachgebrauch innewohnen.

Ganz oben auf Mistkaeferls Liste steht eine schicke Röntgenbrille für eBooks, die ihr (vielleicht mit einem irisierenden Schimmer oder so) anzeigt, wenn sich hinter dem Cover eine Perle verbirgt, damit sie endlich ein bisschen von der ganzen Fülle profitieren kann, die da vermutlich veröffentlicht wird, ohne Stunden ihres Lebens mit Müll-Leseproben verbringen zu müssen.

Gero greift nach den Sternen und wünscht sich mehr Mut von den deutschen Verlagen und Autoren. Mut, mal etwas Außergewöhnliches zu versuchen, Mut, selbst neues Terrain zu erkunden und nicht immer vermeintlichen oder echten Trends hinterherzuhecheln oder Trittbrettfahrer des Erfolgs zu spielen. Die Fantasy sei schließlich ein Genre, das unglaublich viele Möglichkeiten bietet, spannende, nachdenklich machende, berührende, verstörende, tröstliche etc.pp. Geschichten zu erzählen – man möge diese Möglichkeiten doch bitte ein bisschen mehr nutzen! Und natürlich wünscht er sich dann von den Lesern und Leserinnen auch mehr Offenheit und Neugier, mehr Bereitschaft, Unbekanntes zu entdecken und sich auch einmal auf eine Reise zu begeben, deren Ende nicht schon anhand der Covergestaltung absehbar ist.

Colophonius hätte gegen ein Einhornpony nichts einzuwenden, würde sich aber auch schon mit einfallsreichen, mutigen Jungautoren begnügen, welche abseits der zahlreichen Normativitäten neue Wege beschreiten und auch in ihrer Literatur auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren. Anders gesagt: was die Welt jetzt braucht, ist ein SF-Bestseller eines afrikanischen, transsexuellen und muslimischen Autors über eine Parallelwelt, in der diese drei Attribute keine Rolle spielen.

Nicht eindeutig entscheiden zwischen zwei Wünschen kann sich moyashi, die sich einerseits wünscht, Jugendbücher würden wieder mehr Abenteuer und Abwechslung zum Inhalt haben als die ewig gleichen schmachtenden Teenager in einer unnötigen Dreiecksliebelei. Andererseits hätte sie gerne eBooks ohne hartes DRM, damit es für die Käufer (und sie selbst) nicht immer so eine elende Plackerei ist mit dem Sichern der Bibliothek (die Raubkopierer haben eh keine Schwierigkeiten DRM zu umgehen, daher hält sie das aktuelle System für großen Schwachsinn).

Wir sind voller Hoffnung, dass die jeweils präferierte weihnachtliche Ausliefer- und Wunscherfüllungsfigur sich diese Liste hier zu Herzen nimmt und wir im neuen Bücherjahr 2014 reichlich beschenkt werden! In diesem Sinne wünschen wir euch ein lichthelles, freudebringendes Fest und schöne Feiertage, einen guten Start ins neue Jahr und viele, viele neue Welten, die sich unter eurem Weihnachtsbaum tummeln!

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Chris Bunch, der heute 70 Jahre alt geworden wäre. Auf sich aufmerksam machte der am 22. Dezember 1943 in Fresno, Kalifornien, geborene Christopher Renshaw Bunch zunächst als Autor mehrerer gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Allan Cole geschriebener Romane, womit die beiden eine Zusammenarbeit fortsetzten, die zuvor schon zu einer Vielzahl gemeinsam verfasster Drehbücher geführt hatte. Diese Bücher – oder genauer: die vier Bände der zur Fantasy zählenden Anteros Saga – wurden bereits im Text zu Allan Coles Geburtstag kurz vorgestellt, weshalb es an dieser Stelle nur um Chris Bunchs Autorenkarriere nach dem Zerbrechen der langjährigen Freundschaft mit Allan Cole und dem Ende der gemeinsamen Projekte gehen wird.
The Demon King von Chris BunchDenn fortgesetzt hat Chris Bunch seine Autorenkarriere durchaus und dabei allein deutlich mehr Bücher geschrieben als sein ehemaliger Kollege. Sein erstes im Alleingang realisiertes Projekt war eine SF-Trilogie mit dem Titel Shadow Warrior (1996/97), ehe er sich mit der Seer King Trilogy der Fantasy zuwandte. Auch in ihr erzählt ein alter Kämpe rückblickend sein Leben, doch wer auf Fantasy von der Qualität der Saga um die Fernen Königreiche gehofft hatte, sah sich rasch bitter enttäuscht, denn außer ihrer Struktur haben die beiden Werke wenig gemeinsam. In The Seer King und den beiden Fortsetzungen The Demon King (1998) und The Warrior King (1999) erzählt Damastes a Cimabue von seinem Aufstieg und Fall als rechte Hand, Freund, General und schließlich erbitterter Feind des Magiers und zeitweiligen Imperators Tenedos – nur leider bleibt der Ich-Erzähler dabei ein Unsympath, dessen viel zu häufige, detailliert geschilderte und nichts zur Handlung beitragende sexuelle Abenteuer ein zumindest fragwürdiges Frauenbild sichtbar werden lassen. Dass das Setting wie ein wahllos zusammengesuchtes Sammelsurium aus den unterschiedlichsten Epochen und Kulturen wirkt, trägt auch nicht unbedingt zur Lesefreude bei, da nützen noch nicht einmal Bunchs unbestreitbar vorhandene Fähigkeiten bei der Schilderung militärischer – auch taktischer – Aktionen und Kämpfe etwas. Von daher war die Trilogie, die auf Deutsch als Der Magier von Numantia mit den Einzeltiteln Der dunkle Thron (1999), Der Preis der Macht und Fluch der Wiederkehr (beide 2000) erschienen ist, eine herbe Enttäuschung, die von Locus-Rezensentin Faren Miller einst nicht zu Unrecht als “Jackie Collins for the epic-fantasy set” bezeichnet wurde.
Auch der zwergenhafte Juwelenhändler Peirol, der Held des Einzelromans The Empire Stone (2000; dt. Der Stein der Macht (2000)), ist ein ein bisschen zu sehr von sich selbst überzeugter großartiger Kämpfer, gewitzter und betrügerischer Händler und überragender Liebhaber, um so richtig sympathisch zu sein, weswegen seine Suche nach dem mächtigen, Empire Stone genannten Juwel, die den weitaus größten Teil des Buches einnimmt, den Leser trotz einzelner origineller Ideen kalt lässt.
Überraschenderweise findet sich im nächsten Einzelroman Corsair (2001; dt. Der Pirat von Saros (2001)) dann doch noch zumindest ansatzweise ein bisschen was von dem Zauber, der den Reiz der Romane um die Fernen Königreiche ausgemacht hatte. Was möglicherweise mit Setting und Plot zusammenhängt, ganz sicher aber auch damit, dass Chris Bunch in diesem Roman dankenswerterweise darauf verzichtet, die Handlung mit wahllos eingestreuten Sex-Szenen aufzupeppen. Held der Geschichte ist der junge Gareth, der zum Piraten wird, nachdem seine Eltern von geheimnisvollen Sklavenhändlern getötet wurden, und der nun vor Corsair von Chris Bunchallem die Schiffe der verhassten Mörder seiner Eltern ausraubt. Als er sich allerdings ihrer großen Schatzflotte bemächtigen will, muss er feststellen, dass sich hinter den Sklavenhändlern weitaus mehr verbirgt, als er geahnt hat … Corsair ist ein in weiten Teilen gelungener Entwicklungs- und Abenteuerroman, und Gareth die mit Abstand sympathischste Figur, die Chris Bunch für seine allein verfassten Fantasyromane geschaffen hat. Dass am Ende des Buches noch etliche lose Handlungsfäden übrig sind und ein paar Fragen allenfalls angerissen wurden, deutet darauf hin, dass Gareth nach dem Willen seines Schöpfers vielleicht noch weitere Abenteuer hätte erleben sollen, doch dazu ist es – und in diesem Fall kann man durchaus “leider” sagen – nicht gekommen.
Stattdessen folgte mit Storm of Wings (2002; dt. Herrscher der Lüfte (2004)), Knighthood of the Dragon (2003; dt. Dunkle Schwingen (2005)) und The Last Battle (2004; dt. Dämonenfänge (nur im Sammelband)) die Dragonmaster Trilogy (dt. Die Drachenkrieger (und unter diesem Titel 2007 auch als Sammelband mit den Teilen 1, 2 und 3)), in der der Bauernjunge Hal, der anfags davon träumt, eines Tages auf dem Rücken eines Drachen zu reiten, bei Ausbruch des Krieges die Chance bekommt, diesen Traum zu verwirklichen und zum Drachenreiter zu werden. Allerdings stimmt das, was er sich zuvor erträumt hat, nicht unbedingt mit der Wirklichkeit überein …
Außer diesen Fantasyromanen und -zyklen hat Chris Bunch noch zwei SF-Serien verfasst: The Last Legion (1999-2001) und Star Risk (2002-20005). Letztere ist nicht nur sein einziges SF- oder Fantasywerk, das nie auf Deutsch erschienen ist (was insofern bedauerlich ist, als Star Risk die beste seiner allein verfassten SF-Serien ist), sondern auch das einzige, das er nicht selbst zum Abschluss bringen konnte. Denn am 04. Juli 2005 ist Chris Bunch nach langer Krankheit gestorben, und zu diesem Zeitpunkt hatte er nur die Outline des geplanten fünften Bandes verfasst, der schließlich kurze Zeit später von Steve und Dal Perry auf der Basis dieser Outline geschrieben wurde.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Sean McMullen, der heute seinen 65. Geburtstag feiert. Der am 21. Dezember 1948 in Sale, Victoria, Australien geborene Sean Christopher McMullen zählte zu der Reihe von SF- und Fantasy-Autoren vom fünften Kontinent, die sich ab Mitte der 1990er auf dem internationalen Markt etablieren konnten.
Sein erster in den USA veröffentlichter Roman war The Centurion’s Empire (1998), in dem der römische Centurio Vitellan Bavalius dank eines venenum immortale vom ersten nachchristlichen bis ins 21. Jahrhundert überlebt und – unterbrochen von langen, durch das Mittel erzwungenen Schlafpausen – immer wieder Anteil an geschichtlichen Ereignissen hat. Deutlich mehr Eindruck als dieser Roman machte allerdings Souls in the Great Machine (1999), die überarbeitete Ausgabe von McMullens australischem Debüt Voices in the Light (1994) und dessen Fortsetzung Mirrorsun Rising (1995) und zugleich der Auftakt der Greatwinter-Sequenz. Souls in the Great Machine (dt. Seelen in der Großen Maschine (2006) führt in ein Australien, das gut anderthalb Jahrtausende nach einem weltumspannenden Atomkrieg und dem nachfolgenden “Großen Winter” in unzählige Stadtstaaten zerfallen ist und in dem es weder Elektrizität noch Dampfmaschinen gibt, sondern stattdessen Lichtfunkverkehr, Galeerenzüge – und den Kalkulor, einen Eyes of the Calculor von Sean McMullenriesigen Computer aus menschlichen Komponenten. Natürlich gibt es auch in dieser Welt die anscheinend unvermeidlichen Machtkämpfe, und zudem droht der nächste “Große Winter”; darüber hinaus ergeht in regelmäßigen Abständen der geheimnisvolle “Ruf”, der Menschen und Tiere gleichermaßen wie in Trance zu einem tödlich endenden Marsch gen Süden aufbrechen lässt. Auch wenn die Folgebände The Miocene Arrow(2000) und Eyes of the Calculor (2001) dem Zyklus nicht zuletzt durch das Auftreten von Aliens einen deutlicheren SF-Touch verleihen, hat McMullen mit der Greatwinter Saga bewiesen, dass er nicht nur mit postapokalyptischen Szenarien etwas anfangen bzw. ihnen neue Impulse verleihen kann, sondern auch in der Lage ist, eine in sich stimmige vorindustrielle Gesellschaft zu entwerfen und zu schildern.
Für seine Fantasy-Reihe The Moonworlds Saga arbeitete er nicht nur eine Welt aus, die von den üblichen Versatzstücken der Fantasy sehr stark abweicht und nicht unmittelbar auf eine historische Epoche oder Landschaft zurückgreift, sondern machte sich mit den Gegebenheiten vertraut, denen er seine Figuren aussetzen wollte, indem er zum Beispiel in Rüstung durch die australische Wüste stapfte. Dass er auf Genre-Konventionen pfeift, wird schon im ersten Band der Reihe klar, The Voyage of the Shadowmoon (2002, dt. Die Fahrt der Shadowmoon und Der Fluch der Shadowmoon (beide 2006)), wenn gleich zu Beginn eine Katastrophe über den Kontinent Torea hereinbricht, deren Verhinderung Stoff für so manche Queste geboten hätte. Auch im Nachfolger Glass Dragons (2004, dt. Die Rache der Shadowmoon und Die Schlacht der Shadowmoon (beide 2007)) ist sich McMullen nicht zu schade, den magischen Super-GAU, der sich anbahnt, auch wirklich eintreten zu lassen und seine liebevoll entworfene Welt, in der sich etliche religiöse und magische Orden, personifizierte Schicksalsmächte und verschiedenste Staatengebilde tummeln, ordentlich zu verwüsten. Mit humorvollen Charakterkonstellationen, wie etwa dem philantropen Vampir Laron oder der auf Süßspeisen versessenen Magierin Wensomer, aberwitzigen Abenteuern mit chaotischen Fraktionswechseln und Enthüllungen und einer Magie, die bisweilen an Technik erinnert, bewegt sich die Moonworlds Saga in einem Graubereich zwischen den Subgenres und etablierten Erzählstrukturen, was ein Grund sein könnte, weshalb der Reihe nie der richtig große Erfolg beschieden war. Nach zwei weiteren – diesmal direkt aufeinander aufbauenden – Bänden in der ansonsten eher lose zusammenhängenden Reihe, Voidfarer (2006) und The Time Engine (2008, der erste wurde Glass Dragons von Sean McMullennoch als Der Geist der Shadowmoon und Die Legende der Shadowmoon (2007, 2008) übersetzt), war vorerst Schluss, obwohl man das Gefühl hatte, Verral und seine Bewohner hätten noch eine Menge Geschichten zu bieten.
Bis auf eine nur in Australien veröffentliche Zeitreise-Reihe für junge Leser, von der bislang zwei Bände erschienen sind, scheint sich Sean McMullen mittlerweile vor allem auf Kurzgeschichten und Noveletten verlegt zu haben, die 2013 in den beiden Sammlungen Ghosts of Engines Past und Colours of the Soul versammelt wurden, und man kann es durchaus bedauern, dass damit ein experimentierfreudiger und unkonventioneller Autor mehr oder weniger von der Bildfläche verschwunden ist.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Mária Szepes, deren Geburtstag sich heute zum 105. mal jährt. Als die am 14. Dezember 1908 als Magdolna Scherbach in Budapest geborene Mária Szepes 1946 ihren ersten Roman A Vörös Oroszlán unter dem Pseudonym Mária Orsi veröffentlichte, hatte sie bereits mehrere Karrieren als Schauspielerin, Journalistin, Drehbuch- und Sachbuchautorin hinter sich (und die Heirat mit Béla Szepes). Der während des Zweiten Weltkriegs in einem Versteck geschriebene Roman sollte zu einem Bestseller der esoterischen Literatur werden – allerdings standen seine Chancen dafür anfangs denkbar schlecht, denn A Vörös Oroszlán wurde von den kommunistischen Machthabern als nicht systemkonform eingestuft, verboten und bis auf vier Exemplare vernichtet. Diese wurden von Szepes’ Anhängern abgetippt und vervielfältigt, und schließlich gelangte der Roman fast 40 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung nach Deutschland, wo seine Übersetzung 1984 als Der Rote Löwe auf den Markt kam.
Der Rote Löwe von Mária SzepesWorum geht es nun in diesem Roman, den das stalinistische Rákosi-Regime für so gefährlich gehalten hat, dass es ihn verboten hat und vernichten ließ? Der Rote Löwe erzählt die Geschichte des 1535 geborenen Müllersohns Hans Burger, der nach dem Tod seines Vaters früh sein Elternhaus verlässt und alsbald Schüler des Alchemisten und Wanderarztes Rochard wird. Besagter Rochard besitzt ein großes Geheimnis – ein Pulver namens Der Rote Löwe, das demjenigen, der es zu sich nimmt, die Unsterblichkeit verleiht. Hans Burger will dieses Pulver unbedingt haben, koste es, was es wolle – und er verschafft es sich auch, allerdings zu einem hohen Preis, denn er ist nun zur Unsterblichkeit verflucht. Er kann zwar körperlich sehr wohl sterben, wird aber durch die Jahrhunderte immer aufs Neue mit all seinen Erinnerungen unter den verschiedensten Lebensumständen wiedergeboren, und all seine Versuche, sich von seinem Fluch zu erlösen, scheinen vergebens … Mária Szepes schildert Hans Burgers Streben nach der Unsterblichkeit ebenso wie seine lange vergebliche Suche nach Erlösung in dichten, packenden Bildern, führt ihren Helden dabei durch die europäische Geschichte und lässt ihn Bekanntschaft mit historischen Persönlichkeiten machen. Doch mindestens ebenso wichtig und interessant sind die Einblicke in die dem Normalsterblichen normalerweise verschlossene Welt der Geheimgesellschaften und der über esoterisches oder okkultes Geheimwissen verfügenden Initiierten bzw. in die Welt der Alchemie. Und letztlich erzählt Der Rote Löwe auch davon, wie aus einem niederträchtigen und selbstsüchtigen Menschen ein selbstloser Diener an der Menschheit wird, der schließlich eine deutlich höhere Daseinsstufe erreicht.
Der Rote Löwe war nicht Mária Szepes’ erster Roman auf Deutsch – bereits 1982 war mit Spiegeltür in der See (1982; OT: Tükörajtó a tengerben (1975)) ein SF-Roman mit mehr oder minder starken esoterischen Untertönen erschienen –, aber ihr bei weitem erfolgreichster, der mehrere Auflagen erlebte (2002 bzw. 2004 auch überarbeitet und mit einem informativen Vorwort von Hans Joachim Alpers versehen). Nicht zuletzt dieser Erfolg dürfte dafür gesorgt haben, dass auch danach weitere Romane von Mária Szepes auf Deutsch erschienen sind, die sich entweder – wie Der Zauberspiegel (1988; OT: Varázstükör (ca. 1989)) – ausschließlich um esoterische Themen drehen, oder SF- bzw. phantastische Inhalte mit einer starken esoterischen Komponente bieten. Im Einzelnen waren das Sonnenwind (1986; OT: Napszél (1983)), Märchenland Gondwana (1993; OT: A Meses Gondvana (1992)), Die lebenden Statuen von Surayana (1998; OT: Surayana élö szobrai (1971)) und der von ihr selbst als ihr Hauptwerk bezeichnete Raguel-Zweiteiler Der Berg der Adepten und Weltendaemmerung (beide 1993; OT: Raguel 7 tanítványa (1991)), die allerdings allesamt nicht annähernd so erfolgreich waren wie Der Rote Löwe.
Außer diesen Romanen sind noch mehrere Kinder- und Sachbücher von ihr auf Deutsch erschienen, doch das am leichtesten zugängliche und auch für nicht oder kaum an Esoterik interessierte Leser und Leserinnen lesbarste Werk der am 03. September 2007 im Alter von beinahe 99 Jahren verstorbenen Mária Szepes ist und bleibt zweifellos jener Roman, in dessen Mittelpunkt Hans Burger und sein Streben nach bzw. Hadern mit der Unsterblichkeit stehen.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Janny Wurts, die heute 60 Jahre alt wird. Schon seit ihrer Kindheit hatte die am 10. Dezember 1953 in Bryn Mawr, Pennsylvania, geborene Janny Wurts Interesse am Schreiben und am Zeichnen, von daher ist es kein Wunder, dass sie sich anfangs sowohl als Grafikerin wie auch als Autorin einen Namen gemacht hat. Mittlerweile ist die Grafikerin Janny Wurts zugunsten der Autorin in den Hintergrund getreten, auch wenn sie es sich normalerweise nicht nehmen lässt, die Cover ihrer Romane selbst zu gestalten – was immerhin den Vorteil hat, dass man als Leser davon ausgehen kann, dass das, was man auf dem Cover sieht, auch das ist, was die Autorin da haben wollte.

Janny Wurts’ erste professionelle Veröffentlichung war Sorcerer’s Legacy (1982, rev. 1989), ein nicht weiter bemerkenswerter Roman um eine verwitwete, aber zum Glück schwangere Herzogin, einen zeugungsunfähigen Prinzen, einen altruistischen Magier, einen schurkischen Schurken und die aus diesen und weiteren Ingredienzen resultierenden Palastintrigen. Zwei Jahre später erschien mit Stormwarden der erste Band des Cycle of Fire (unter diesem Titel 1999 auch als Sammelband), der sich einer beispielsweise auch von Marion Zimmer Bradley oder Anne McCaffrey benutzten Prämisse bedient: die Besatzung eines auf einer fernen Welt notgelandeten Raumschiffs hat ihre Herkunft vergessen, und folgerichtig sind die Menschen auf eine mittelalterliche Zivilisationsstufe zurückgefallen. Da sie aber nicht nur ihre Herkunft vergessen haben, sondern auch das, was sie mitgebracht haben, kämpfen sie nun – unterstützt von einem “magischen” Wesen, das einmal der Schiffscomputer war – gegen Dämonen statt Aliens. Die mit Keeper of the Keys und Shadowfane (beide 1988) fortgesetzte und auf Deutsch als Zyklus des Feuers mit den Einzeltiteln Sturmwächter, Schlüsselhüter und Schattentempel (alle 2000) erschienene Trilogie funktioniert als Entwicklungsroman der beiden Hauptfiguren ebenso wie als phantastische Abenteuergeschichte.

Dass zwischen dem ersten und den beiden nachfolgenden Bänden des Cycle of Fire so viel Zeit verstrichen ist, hat vermutlich damit zu tun, dass Janny Wurts zwischenzeitlich an dem Werk gearbeitet hat, das bis heute ihr bei weitem bekanntestes und erfolgreichstes geblieben ist, denn 1987 erschien mit Daughter of the Empire der gemeinsam mit Raymond E. Feist verfasste erste Band der Kelewan oder auch Empire Trilogy. Im Mittelpunkt dieses Romans und seiner beiden Fortsetzungen Servant of the Empire (1990) und Mistress of the Empire (1992) steht Mara von den Acoma, die auf Kelewan – der von Raymond E. Feist erschaffenen Welt auf der anderen Seite des Spalts, der er in Magician bereits einen Besuch abgestattet hatte – unversehens an die Spitze ihres Hauses gelangt und es gegen Intrigen und militärische Angriffe verteidigen muss. Da Mara aber keine dumme, schwache Frau ist, sondern es versteht, ihre Schwächen in Stärken zu verwandeln, sich die richtigen Verbündeten zu suchen und letztlich das Game of Council – das komplizierte Spiel um die Macht, das die mächtigen Adelshäuser der Tsurani unentwegt spielen – besser zu beherrschen als alle anderen, ist es kein Wunder, dass ihr weit mehr gelingt als nur ihr Haus zu retten. Die Kelewan-Saga – die auf Deutsch in sechs Bänden als Die Auserwählte, Die Stunde der Wahrheit, Der Sklave von Midkemia, Zeit des Aufbruchs, Die schwarzen Roben und Tag der Entscheidung (alle 1998) erschienen ist – erweist sich als gelungenes Beispiel dafür, dass die Zusammenarbeit zweier unterschiedlicher Autoren erstaunliche Synergie-Effekte haben kann, denn die hier vorhandene Mischung aus geradliniger Abenteuerhandlung, nachvollziehbar agierenden Figuren, politischen Intrigen und einem Setting mit mehr als einem Hauch Exotik (in Form der nichtmenschlichen Cho-ja) ergibt ein in jeder Hinsicht lesenswertes Werk.

Parallel zum letzten Band der Empire Trilogy erschien mit The Master of Whitestorm (1992) ein Einzelroman, den Janny Wurts wieder allein verfasst hatte, und den man vielleicht als eine Art Fingerübung zu dem umfangreichen Zyklus betrachten kann, den sie ein Jahr später mit The Curse of the Mistwraith begonnen hat und an dem sie heute noch schreibt: The War of Light and Shadow. In diesem auf elf bzw. zwölf Bände angelegten Zyklus (der eigentliche zweite Band wurde aus Umfangsgründen auch im Original fast immer gesplittet), von dem bisher neben dem bereits erwähnten Auftaktroman acht Bände – nämlich Ships of Merior (1994), Warhost of Vastmark (1995), Fugitive Prince (1997), Grand Conspiracy (1999), Peril’s Gate (2001), Traitor’s Knot (2004), Stormed Fortress (2007) und Initiate’s Trial (2011) – vorliegen, geht es um die im Rahmen des ersten Bandes zu ewiger Feindschaft verfluchten Halbbrüder Arithon, den Master of Shadow, und Lysaer, den Lord of Light, und um die Rolle, die sie beide in einer viel größeren Geschichte spielen, die vor langer Zeit begonnen hat. Wer nun allerdings meint, es ginge um den üblichen Kampf zwischen Licht und Schatten, der befindet sich auf dem Holzweg. Das Ganze ist Dank einer Reihe von Fraktionen und Gruppen, die mit teilweise recht unterschiedlichen Zielen ebenfalls in dem Konflikt mitmischen, und der Tatsache, dass der Zyklus in mehrere Unterzyklen (“Arcs”) aufgeteilt ist, deutlich komplexer als es anfangs scheint. Was zusammen mit dem alles andere als leicht lesbaren, komplizierten Stil, dessen sich Janny Wurts hier bedient, möglicherweise mit dafür verantwortlich ist, dass The War of Light and Shadow auch in den USA und England nicht annähernd den Bekanntheitsgrad hat, den ein Mehrteiler, der von einem Rezensenten einmal nicht ganz unzutreffend als “The Wheel of Time for adults” bezeichnet wurde, eigentlich haben müsste. Inwieweit das auch im Hinblick auf die Spannungsbögen allem Anschein nach stringent durchkonzipierte Werk letztlich gelungen ist, wird sich natürlich erst abschließend beurteilen lassen, wenn die beiden noch ausstehenden Romane (die Destiny’s Conflict und Song of the Mysteries heißen werden) erschienen sind. Deutschsprachigen Leserinnen und Lesern wird das allerdings wieder einmal schwer gemacht, denn hierzulande wurden nur die Bände I-III gesplittet unter dem Zyklustitel Der Fluch des Nebelgeistes (Einzeltitel: Meister der Schatten, Herr des Lichts (beide 1998), Die Schiffe von Merior, Die Saat der Zwietracht, Die Streitmacht von Vastmark, Das Schiff der Hoffnung (alle 1999)) und die Bände IV und V unter dem Zyklustitel Die Schattenkriege (Einzeltitel: Die Rückkehr des Nebelgeistes, Jäger und Gejagte, Die Verschwörung des Lichts (alle 2002) und Spiel der Schatten (2003)) veröffentlicht.

Wer sich deswegen an Janny Wurts im Original versuchen will, dem sei neben dem bereits erwähnten The Master of Whitestorm noch ihr 2002 erschienener Einzelroman To Ride Hell’s Chasm empfohlen. Beide Titel sind einerseits stilistisch und vom Erzählduktus her recht nah an The War of Light and Shadow dran, aber dank der überschaubaren Zahl der Hauptfiguren und des nicht annähernd so üppig ausgestalteten Settings wesentlich zugänglicher. Wer hier mit Janny Wurts’ Stil klarkommt, entdeckt möglicherweise eine Autorin für sich, die dann noch reichlich Lesestoff bietet.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an John James, der heute 90 Jahre alt geworden wäre. Wer diesen Namen nicht kennt, sollte nicht allzu überrascht sein, schließlich haben wir für diese Beiträge schon einige generell oder auch nur hierzulande kaum bekannte bzw. vollkommen unbekannte Autoren und Autorinnen ausgegraben, und der am 30. November 1923 in Aberavon, Wales, geborene David John James ist gewiss ein Autor der etwas obskureren Art.
Votan von John JamesWas mehr als nur ein bisschen bedauerlich ist, denn gleich mit seinem ersten Roman Votan (1966) hat er einen wirklich originellen Fantasyroman geschrieben hat, der sich auf ziemlich einzigartige Weise bekannter Themen und Motive annimmt. Votan erzählt die Geschichte des griechischstämmigen römischen Bürgers Photinus, eines reisenden Händlers, der im ersten oder zweiten nachchristlichen Jahrhundert auf einer seiner Reisen in Germanien mit der falschen – nämlich einer verheirateten – Frau anbändelt und überstürzt gen Norden fliehen muss. Er taucht in einem kleinen Dorf unter und wird dort aus einer Reihe von Gründen für einen Gott gehalten. Photinus erkennt natürlich die Vorteile, die ihm das bringen kann, und hat verständlicherweise kein Interesse, den Irrtum aufzuklären. Was letztlich dazu führt, dass seine Taten und Erlebnisse als die Votans (bzw. Odins) in die nordische Mythologie eingehen. Das Ganze ist auf überaus humorvolle Weise erzählt, und auch wenn der Humor manchmal ein bisschen platt ist, macht das vergleichsweise dünne Buch – das man vielleicht als eine Art nordisches (und deutlich vorweggenommenes!) Äquivalent des Monthy-Python-Films Life of Brian bezeichnen könnte – mehr als ein bisschen Spaß.
Zwei Jahre später verschlägt es Photinus in Not for All the Gold in Ireland (1968) nach Irland, wo es natürlich alles, nur kein Gold zu finden gibt, und er sich auf ähnliche Weise im Mabinogion verewigt. Außer diesen beiden Romanen – deren TB-Ausgaben in den frühen 70er Jahren als “normale” historische Romane und keineswegs in einer Genrereihe erschienen sind – hat John James noch eine Handvoll weiterer historischer Romane verfasst, von denen nur noch zwei im weitesten Sinne phantastisch (oder phantastisch angehaucht sind): Men Went to Cattraeth (1969) basiert auf dem Y Gododdin (einem mittelalterlichen walisischen Gedicht) und kommt ohne Photinus aus – was dazu passt, dass der Roman wesentlich düsterer sein soll als Votan und Not for All the Gold in Ireland – und in The Bridge of Sand geht es um eine geheimnisvolle entsprechende Brücke, die die römischen Truppen für die Invasion Irlands benutzen wollen.
John James’ Romane waren auch in England trotz einer Neuauflage in den 80ern lange Zeit ziemlich vergessen; in den USA ist ohnehin nur Votan jemals veröffentlicht worden. Neil Gaiman, der ein großer Fan der Photinus-Romane ist, wollte diesen Roman 2009 in seiner bei Dark Horse erscheinenden Reihe Neil Gaiman Presents der amerikanischen Leserschaft wieder zugänglich machen, allerdings scheint diese Ausgabe nie erschienen zu sein. Da trifft es sich gut, dass man sich bei Gollancz plötzlich wieder an John James erinnert hat, denn dort wird nächstes Jahr im Rahmen der Fantasy Masterworks der Sammelband Votan and Other Novels erscheinen. Ursprünglich war das Buch (in dem Votan, Not for All the Gold in Ireland und Men Went to Cattraeth enthalten sein werden) sogar bereits für diesen November geplant gewesen, was irgendwie wunderbar zu James’ 90. Geburtstag gepasst hätte – aber da der Autor bereits am 02. Oktober 1993 verstorben ist, hätte er selbst von dieser Art Geburtstagsgeschenk nichts mehr gehabt.

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