Bibliotheka Phantastika gratuliert Eileen Kernaghan, die heute 75 Jahre alt wird. Dass früh mit dem Schreiben anzufangen und schon in sehr jungen Jahren veröffentlicht zu werden keineswegs zwangsläufig zu einer großen schriftstellerischen Karriere oder auch nur zu einem umfangreichen Oeuvre führt, beweist die am 06. Januar 1939 in Grindrod in der kanadischen Provinz British Columbia geborene Eileen Kernaghan. Sie war gerade mal zwölf Jahre alt, als die Vancouver Sun eine ihrer Kurzgeschichten druckte – doch es sollte zwanzig Jahre bzw. bis 1971 dauern, bis mit “Starcult” in Galaxy ihre nächste, dieses Mal phantastische Geschichte erschien. Auch danach ist die Zahl ihrer Veröffentlichungen überschaubar geblieben, was einerseits damit zu tun hat, dass sie laut eigener Aussage ziemlich langsam schreibt, andererseits damit, dass sie immer nur nebenberuflich geschrieben hat.
Eileen Kernaghans erster Roman Journey to Aprilioth (1980) bildet den Auftakt der Grey Isles Trilogy und erzählt von den Nachkommen der Zauberer des versunkenen Atlantis (der Grey Isles), die sich im vorkeltischen Britannien angesiedelt haben und es dort erneut mit den Alten Göttern zu tun bekommen, die für den Untergang ihrer alten Heimat verantwortlich waren und deren Macht sie nun mit einem Steinkreis binden wollen. Doch da viel vom alten Wissen verlorengegangen ist, muss sich der junge Nhiall auf die Reise nach Aprilioth (dem antiken Thera, heutzutage besser bekannt als Santorin) begeben, denn dorthin soll sich eine andere Gruppe Überlebender geflüchtet haben, die sich vielleicht mehr altes Wissen bewahrt hat. Der zweite Band Songs from the Drowned Lands (1983) ist weder ein Roman noch eine Fortsetzung, sondern ein aus fünf Erzählungen bestehendes, in die letzten Tage vor dem Untergang von Atlantis zurückführendes Prequel, in dessen Mittelpunkt die Schicksale von fünf unterschiedlichen Personen angesichts der drohenden Katastrophe stehen. The Sarsen Witch schließt – etliche Jahre später – wieder an Journey to Aprilioth an. Britannien wurde mittlerweile von den Horse Lords erobert, und Nhialls Volk ist gezwungen, sich im Hügelland zu verstecken. Als die junge Naeri vom Horse Lord Ricca gefangengenommen wird, sieht ihr Vetter Daui darin die Chance, sich vom Joch der fremden Eroberer zu befreien, denn in Naeri fließt das alte zauberkräftige Blut der Grey Isles, sie beherrscht die Erdmagie; nun gilt es nur noch, die Horse Lords dazu zu bringen, einen Steinkreis zu bauen …
Die Grey Isles Trilogy ist in erster Linie aufgrund ihres bronzezeitlichen Settings interessant, denn diese Epoche wird nur selten als Hintergrund eines Fantasyzyklus benutzt. Journey ließe sich zudem auch recht problemlos als historischer Roman lesen, denn im Gegensatz vor allem zum zweiten, 1985 mit dem Aurora Award ausgezeichneten Band finden sich in ihm kaum phantastische Elemente.
Seither hat Eileen Kernaghan fast ausschießlich Jugendbücher verfasst; Dance of the Snow Dragon (1995) erzählt von einer Reise durch einen mythischen Himalaya und greift auf tibetanische Mythen zurück, The Snow Queen (2000) ist eine feministische Nacherzählung des bekannten gleichnamigen Andersen-Märchens, in die Elemente aus der Kalevala und den Mythen der Samen eingeflossen sind (und die ebenfalls mit dem Aurora Award ausgezeichnet wurde), The Alchemist’s Daughter (2004) spielt ein Jahr vor dem Auftauchen der Armada im elisabethanischen England und erzählt die Geschichte eines Mädchens, das die Zukunft vorhersehen kann, und in Wild Talent (2008) führt ihre so bezeichnete Begabung die junge Schottin Jeannie Guthrie zunächst in den Dunstkreis der Theosophischen Gesellschaft Madama Blavatskys, dann ins Paris des fin de siècle – und schließlich über die Grenzen unserer Welt hinaus.
Der einzige nicht für Jugendliche geschriebene Roman aus dieser Zeit wartet ebenfalls mit einem interessanten, bislang selten genutzten Setting auf: Winter on the Plain of Ghosts: a novel of Mohenjo-daro (2004) spielt in einer der beiden wohl wichtigsten Städte der bronzezeitlichen Indus- oder Harappa-Kultur, die – neben dem antiken Ägypten und Mesopotamien – als eine der frühesten Zivilisationen der Welt gilt, und deren Geheimnisse bis heute kaum ansatzweise entschlüsselt wurden. Interessanterweise haben sich in letzter Zeit auch mehrere indische Autoren dieses Teils ihrer Vergangenheit erinnert und Fantasyromane vorgelegt, die vor dem Hintergrund der Indus-Kultur spielen.
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