Bibliotheka Phantastika erinnert an Sanders Anne Laubenthal, die heute 70 Jahre alt geworden wäre. Wer mit diesem Namen nichts anfangen kann, befindet sich – vor allem in Deutschland – in guter Gesellschaft, denn die am 25. Dezember 1943 in Mobile, Alabama, geborene Sanders Anne Laubenthal hat gerade einmal eine Handvoll Veröffentlichungen vorzuweisen (genauer: drei Sammelbände mit Gedichten, zwei Romane und ein Sachbuch), von denen nur der Roman Excalibur (1973) zur Phantastik bzw. Fantasy zu zählen ist, und dieser Roman wurde nie übersetzt.
Excalibur erschien erstmals als eine der wenigen Originalausgaben in der von Lin Carter herausgegebenen Ballantine-Adult-Fantasy-Taschenbuchreihe und dreht sich – nomen est omen – um König Artus’ bekanntes Schwert, spielt allerdings im zeitgenössischen Mobile der 70er Jahre. Wie aber ist Excalibur in die amerikanischen Südstaaten gekommen? Um das zu erklären, greift Sanders Anne Laubenthal auf eine alte walisische Legende zurück, derzufolge der in ihrer Version von Artus abstammende Prinz Madoc im 12. Jahrhundert den Atlantik überquert, die Neue Welt entdeckt und dort, wo heute Mobile liegt, ca. um 1170 n.Chr. eine walisische Kolonie gegründet haben soll. Im Gepäck hatte er nicht nur Excalibur, sondern auch den heiligen Gral, und beide Artefakte haben unentdeckt und unbeschadet bis ins 20. Jahrhundert überdauert.
Die Geschichte beginnt damit, dass ein junger walisischer Archäologiestudent namens Rhodri Meyrick nach Mobile kommt, um eine angeblich aus dem 12. Jahrhundert stammende Mauer auszugraben. Er freundet sich mit Linette, der Nichte der Grundstückseigentümerin an, die ihm bei seinen Ausgrabungen behilflich ist und dadurch binnen kürzester Zeit in einen Strudel unerklärlicher Ereignisse gerät. Denn Rhodri ist kein einfacher Archäologiestudent, sondern in Wirklichkeit der neue Pendragon – Artus’ Erbe –, der eigentlich auf der Suche nach Excalibur ist. Allerdings ist er nicht der Einzige, der nach dem mächtigen Schwert sucht: Auch Morgan le Fay und ihre Schwester Morgause tauchen in Mobile auf, um sich Excalibur für ihre eigenen – keineswegs übereinstimmenden – Ziele nutzbar zu machen, und um die Angelegenheit zusätzlich zu verkomplizieren, gibt es außerdem auch noch einen modernen Gralssucher, der gute Gründe hat, den Gral um jeden Preis vor den Machenschaften der Zauberinnen zu retten …
Was anfangs wie ein wilder Mischmasch aus Elementen der Artus-Legende, keltischer und christlicher Mythologie und ein bisschen Tarot-Mystizimus wirkt, funktioniert erstaunlich gut und macht aus Excalibur eine der wenigen gelungenen modernen Versionen des Artus-Mythos. So betrachtet, ist es bedauerlich, dass Sanders Anne Laubenthal nur diesen einen Fantasyroman geschrieben hat. Und das Ganze wird noch bedauerlicher, wenn man bedenkt, dass sie – nachdem sie nach mehr als zwanzig Jahren in der USAF Mitte der 90er aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war – eigentlich vorgehabt hatte, sich wieder dem Schreiben zu widmen und in ihr Excalibur-Universum zurückzukehren. Einerseits mit einer im Mittelalter angesiedelten Trilogie, die sich um die Abenteuer Madocs und der walisischen Kolonie drehen und deren Auftaktband Somerled’s Daughter heißen sollte, andererseits mit einer Fortsetzung zu Excalibur, in der sich einige der Hauptfiguren des Romans rund eine Generation später erneut begegnen. Leider konnte sie keines dieser Vorhaben in die Tat umsetzen, denn am 15. Mai 2002 ist sie im Alter von 58 Jahren an im Rahmen ihrer langjährigen Diabetes-Erkrankung auftretenden Komplikationen gestorben.
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