Bibliotheka Phantastika erinnert an John James, der heute 90 Jahre alt geworden wäre. Wer diesen Namen nicht kennt, sollte nicht allzu überrascht sein, schließlich haben wir für diese Beiträge schon einige generell oder auch nur hierzulande kaum bekannte bzw. vollkommen unbekannte Autoren und Autorinnen ausgegraben, und der am 30. November 1923 in Aberavon, Wales, geborene David John James ist gewiss ein Autor der etwas obskureren Art.
Was mehr als nur ein bisschen bedauerlich ist, denn gleich mit seinem ersten Roman Votan (1966) hat er einen wirklich originellen Fantasyroman geschrieben hat, der sich auf ziemlich einzigartige Weise bekannter Themen und Motive annimmt. Votan erzählt die Geschichte des griechischstämmigen römischen Bürgers Photinus, eines reisenden Händlers, der im ersten oder zweiten nachchristlichen Jahrhundert auf einer seiner Reisen in Germanien mit der falschen – nämlich einer verheirateten – Frau anbändelt und überstürzt gen Norden fliehen muss. Er taucht in einem kleinen Dorf unter und wird dort aus einer Reihe von Gründen für einen Gott gehalten. Photinus erkennt natürlich die Vorteile, die ihm das bringen kann, und hat verständlicherweise kein Interesse, den Irrtum aufzuklären. Was letztlich dazu führt, dass seine Taten und Erlebnisse als die Votans (bzw. Odins) in die nordische Mythologie eingehen. Das Ganze ist auf überaus humorvolle Weise erzählt, und auch wenn der Humor manchmal ein bisschen platt ist, macht das vergleichsweise dünne Buch – das man vielleicht als eine Art nordisches (und deutlich vorweggenommenes!) Äquivalent des Monthy-Python-Films Life of Brian bezeichnen könnte – mehr als ein bisschen Spaß.
Zwei Jahre später verschlägt es Photinus in Not for All the Gold in Ireland (1968) nach Irland, wo es natürlich alles, nur kein Gold zu finden gibt, und er sich auf ähnliche Weise im Mabinogion verewigt. Außer diesen beiden Romanen – deren TB-Ausgaben in den frühen 70er Jahren als “normale” historische Romane und keineswegs in einer Genrereihe erschienen sind – hat John James noch eine Handvoll weiterer historischer Romane verfasst, von denen nur noch zwei im weitesten Sinne phantastisch (oder phantastisch angehaucht sind): Men Went to Cattraeth (1969) basiert auf dem Y Gododdin (einem mittelalterlichen walisischen Gedicht) und kommt ohne Photinus aus – was dazu passt, dass der Roman wesentlich düsterer sein soll als Votan und Not for All the Gold in Ireland – und in The Bridge of Sand geht es um eine geheimnisvolle entsprechende Brücke, die die römischen Truppen für die Invasion Irlands benutzen wollen.
John James’ Romane waren auch in England trotz einer Neuauflage in den 80ern lange Zeit ziemlich vergessen; in den USA ist ohnehin nur Votan jemals veröffentlicht worden. Neil Gaiman, der ein großer Fan der Photinus-Romane ist, wollte diesen Roman 2009 in seiner bei Dark Horse erscheinenden Reihe Neil Gaiman Presents der amerikanischen Leserschaft wieder zugänglich machen, allerdings scheint diese Ausgabe nie erschienen zu sein. Da trifft es sich gut, dass man sich bei Gollancz plötzlich wieder an John James erinnert hat, denn dort wird nächstes Jahr im Rahmen der Fantasy Masterworks der Sammelband Votan and Other Novels erscheinen. Ursprünglich war das Buch (in dem Votan, Not for All the Gold in Ireland und Men Went to Cattraeth enthalten sein werden) sogar bereits für diesen November geplant gewesen, was irgendwie wunderbar zu James’ 90. Geburtstag gepasst hätte – aber da der Autor bereits am 02. Oktober 1993 verstorben ist, hätte er selbst von dieser Art Geburtstagsgeschenk nichts mehr gehabt.
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