One vision to rule them all …

Peter Jacksons Hobbit-Verfilmung ist erst kürzlich auf DVD erschienen, aber man hat dennoch den Eindruck, dass die allgemeine Begeisterung schneller nachgelassen hat als bei den Herr-der-Ringe-Filmen und anderen Franchises und Blockbustern. An den kommerziellen Erfolg der vorausgehenden Trilogie wird sie wohl schon allein aufgrund der Ausmaße anknüpfen, mit denen sie auf allen Kanälen präsent ist; der zweite und dritte Film werden es zeigen.
The Hobbit. An Unexpected JourneyEines ist jedoch bereits jetzt klar: Die allergrößte Freude, die Peter Jackson den Fans gemacht hat, ist zugleich das größte Problem der Hobbit-Verfilmung. Es gibt beim Hobbit in erster Linie mehr von Peter Jacksons Mittelerde zu sehen, eine Rückkehr zum Herr der Ringe und ein Fest von Anspielungen auf die Trilogie, die nicht nur in den direkten Verknüpfungen (etwa durch die Rahmengeschichte mit Frodo) offenbar werden. Monumentale Minen, angeschmutzte, aber edle Helden, ätherische Elbenheime, der Zwergenwitz in zwölffacher Ausführung – sie sind alle wieder da, sogar noch ein bisschen größer und glänzender als zuvor. Konnte man beim Herr der Ringe durchaus von einem Gesamtkunstwerk sprechen (ob es in allen Aspekten gelungen ist, ist eine andere Frage – aber ohne Zweifel hat die Trilogie den Fantasy-Film maßgeblich beeinflusst), brüht der Hobbit schlicht ein zweites Mal auf, was erprobt ist und beim Publikum ankommt.
Das Traurige an der Tatsache, dass Peter Jackson den Hobbit einfach als ein weiteres episches Mittelerde-Heldenstück ausgeführt hat, für das keine neue Bildsprache und Erzählweise vonnöten waren, ist die Allgegenwart seiner Interpretation, die durch den Hobbit so zementiert wurde, dass Mittelerde für Künstler nun vermutlich jahrelang verbrannte Erde sein wird.

Betrachtet man dagegen die Vielzahl an künstlerischen Interpretationen, die in der Vergangenheit allein nur der Hobbit angeregt hat, erkennt man, dass Mittelerde viel mehr hergibt als den hyperrealistischen, häufig zwischen bierernst und albern changierenden Stil von Peter Jackson.
Aber wer kann sich jetzt noch von den omnipräsenten Filmbildern freimachen? Wer eigene, neue finden (oder sich noch an die alten erinnern, die man vor den Filmen hatte)?
Ganz besonders bedauerlich ist, dass wir von Guillermo del Toros Interpretation wohl so gut wie gar nichts zu Gesicht bekommen. Vielleicht hätte sein Einfluss dem Hobbit die dringend nötige Eigenständigkeit und jene spielerisch-zauberhafte, aber auch leicht unheimliche Atmosphäre angedeihen lassen können, auf die Peter Jackson zugunsten einer realistischeren und mit aufgeblasener Dramaturgie aufgemotzten Darstellung verzichtet hat. Hellboy (vor allem der zweite Teil) und Pans Labyrinth wären auf jeden Fall Hausnummern gewesen, nach deren Beispiel man sich auch einen anderen Hobbit gut hätte vorstellen können.

So aber weiß Mittelerde eigentlich nicht mehr zu überraschen, auch nicht im Aufbau, der ohne Rücksicht auf Verluste bewährte Muster abspult. Wohl auch der Aufspaltung in drei Filme geschuldet wird nicht einmal der Versuch unternommen, die allmähliche und fast unmerkliche Steigerung vom beschaulichen Hobbitdasein über erst eher burleske bis groteske Abenteuer bis hin zur Katastrophe der epischen Schlacht nachzuzeichnen. Nicht zuletzt durch die Einführung bedrohlicher und durchaus ernstzunehmender Dauergegner in Gestalt von Azog und seinem Gefolge herrscht in Peter Jacksons Filmfassung schon früh fast durchgehend munteres Kampfgetümmel, das unabhängig vom kurzfristigen Unterhaltungsfaktor Figurenzeichnung und Gesamtaussage in sehr konventionelle Bahnen verschiebt.
Der in diese Rachefehde eingebundene Thorin ist von seiner Buchvorlage ohnehin ein gutes Stück entfernt, da es ihm weit weniger auf die Rückgewinnung des Schatzes (die ja erst die Mitnahme eines vorgeblichen Meistereinbrechers auf die Queste motiviert) als auf den patriotischen Kampf um die verlorene Heimat anzukommen scheint. Kein Wunder, dass Bilbo sich bemüßigt fühlt, einem solchen Ersatz-Aragorn seine Heldenqualitäten zu demonstrieren und sich mit seiner hochdramatischen Rettungstat einen Respekt zu verdienen, der in dieser Version von Mittelerde anscheinend nur arg stereotypen echten Kerlen gebührt. Wie Thorin aus dieser Konstellation heraus noch glaubwürdig zu seiner Erkenntnis gelangen soll, dass man das Kind des freundlichen Westens vielleicht gerade für seine unkriegerischen Seiten würdigen sollte, erschließt sich nicht ganz, und so wird zumindest in diesem ersten Teil eine potentiell differenzierte Geschichte einem recht beliebigen Actionspektakel geopfert. Dagegen können auch liebevolle Anspielungen und seelenvolle Zwergengesänge nur sehr begrenzt ankommen.

Es drängt sich (wie bei vielen Blockbustern) der Verdacht auf, das Überbemühte, das jedes Haar im Zwergenbart sichtbar macht und eine dramaturgische Formel umsetzt, die das Publikum dort abholt, wo es gerade zu eigenen Überlegungen ansetzen könnte, soll nur einen Mangel an Charme und Phantasielosigkeit übertünchen. Wo ideenreicher und risikofreudigerer visueller Zauber Mittelerde als lebendiges und vielseitiges Setting hätte vertiefen können, ist lediglich solides Handwerk herausgekommen, ebenso wie erzählerisch das gewünschte “more of the same” geliefert wurde. Was der Hobbit letztlich in keiner Form aufweist, ist eine künstlerische Vision, und damit wird Mittelerde, das in der Vergangenheit so viele zu eigenen Geschichten, Bildern und Musik inspiriert hat, zu einem Kontinent der Einfallslosigkeit.

18 Kommentare zu One vision to rule them all …

  1. Pogopuschel sagt:

    Guter Artikel. Der Argumentation kann ich mich nur anschließen, und habe den Film im Kino genauso empfunden.

  2. rabenkriegermarc sagt:

    Ich kann mich dem nur anschließen. Zusätzlich muss ich sagen, dass mich die ganze Zeit etwas am Hobbit gewurmt hat und ich den Finger einfach nicht drauf legen konnte und das ist genau dieses “bewährte Muster”, dass schon vom Herrn der Ringe bekannt ist. Bitte versteht mich nicht falsch, ich mag den Hobbit sehr, aber ein wenig eigenes für diesen Film hätte ich mir schon gewünscht, vor allem im Hinblick darauf, dass ja noch zwei Filme kommen.

  3. Schön zu sehen, dass es auch noch Leute gibt, die sich nicht vom künstlich erzeugten Hype anstecken lassen. Ich sehe die Folgen für das Mittelerde-Universum ähnlich – verbrannte Erde, die sich in ständiger Wiederholung der Jackson-Bilder darstellen wird. Schade, wenn man bedenkt, wie viel Tolkien bis zum Jahr 2000 bewegen konnte… in der gesamten Phantastik. So wird der “Gründervater” blockbustertechnisch zu Grabe getragen.

  4. Raskolnik sagt:

    Ich halte ja nun wirklich gar nichts von Peter Jackson, aber glaubt ihr wirklich, dass seine Filme eine so verheerende Auswirkung auf die Tolkienrezeption haben werden? Oder bereits haben? Sicher, vor allem für all jene, die von den Filmen zu den Büchern gekommen sind, wird Jacksons “Vision” von Mittelerde schwer abzuschütteln sein. Aber sollte man Tolkiens Werk nicht doch zutrauen, dass es auf lange Sicht seinen eigenen Zauber entfalten wird – jenseits der in Hollywood (bzw. Neuseeland) vorgefertigten Bilder? Ein sehr viel größeres Problem sehe ich persönlich in Jacksons Einfluss auf den Fantasyfilm. Und besonders gut war es um den ja eigentlich noch nie bestellt …

  5. Timpimpiri sagt:

    Ich kann mich der Argumentation nun gar nicht anschließen. Aber nicht, weil ich die Hobbit-Verfilmung für so genial hielte oder Opfer der Blockbuster-Industrie geworden wäre (obwohl ich bekenne, den Film zu mögen und Peter Jackson für einen großartigen Regisseur halte).
    Mich wundert das mangelnde Vertrauen in die Fähigkeit des Menschen zu differenzieren (z.B. zwischen Film und Buch), den eigenen Geist zum Denken zu benutzen (bei den eigenen Bildern zu bleiben). Die ganze Welt zum wehrlosen Opfer von Hollywood zu machen, finde ich reichlich übertrieben. Es ist eine Frage des geistigen Trainings und des Willens, sich von Bildern, die man nicht haben will, nicht überschwemmen oder bestimmen zu lassen, und die eigenen Visionen zu bewahren.
    Aber das geht letztlich nur, wenn man sich damit versöhnt, dass man nicht bekommen hat, was man gern gehabt hätte. Den persönlichen Frust darüber kann ich verstehen, die heraufbeschworenen dramatischen Folgen nicht.
    Und was die verheerende Auswirkung der Jackson-Filme auf die Tolkien-Rezeption betrifft, möchte ich mit einem (aus dem Gedächtnis hervorgekramten) Zitat des jüngst wieder-gesehenen Films “Lone Star” antworten: Ach, der Mann ist eine Legende, der wird auch das überstehen.

  6. Elric sagt:

    Hm, ich kann den Artikel gut verstehen, ja!
    Allerdings mag ich “den Hobbit” sehr gerne! Ich fand den Film toll und hab mich sehr gut unterhalten. Dass der Film nicht so super zum Buch passt, war doch zu erwarten, oder? Das hätte ich PJ nicht zugetraut. Ehrlich gesagt ist mir wichtig, dass er keine Charaktere völlig verfälscht (und über Faramir hab ich mich damals sehr, sehr aufgeregt!). Bisher hat er das nicht gemacht.
    Mit den Bildern… je nun, sind wir mal ehrlich: Alan Lee hat für HdR ja schon vieles gemalt und der Film passt zu seinen Bildern. Für mich – als jemand, der eigentlich bei Büchern selten “Kopffernsehen” hat (ausgiebige Umgebungsbeschreibungen sind bei mir verlorene Liebesmühe) – passen die Figuren zur Stimmung des Buches. (ich bin “Stimmungsleser”: ich brauch keine Bilder, ich brauch das richtige Gefühl bei der Geschichte!)
    Und wenn mal etwas verfilmt wurde, dann hat man immer die Assoziation zu einer Person: wer von euch hat bei dem Namen “Thor” nicht Chris Hemswworth oder den Marvel-Comic-Thor im Kopf? Deswegen denke ich, dass es normal ist, oder?

  7. Wulfila sagt:

    Vielen Dank euch allen für die rege Beteiligung!

    Was die mehrfach angesprochene Frage nach dem Einfluss der Filminterpretation angeht, gehe ich davon aus, dass eine Verfilmung gerade dann, wenn sie erfolgreich und auch über das Kino hinaus überall präsent ist, durchaus eine große Wirkmacht entfalten kann, und zwar auch bei einem ohnehin schon hohen Bekanntheitsgrad der Vorlage (wenn ich z.B. Dschungelbuch sage, möchte ich fast wetten, dass die erste Bildassoziation, die den meisten dazu kommt, entweder aus der Disney- oder der Sabu-Verfilmung stammt).

    @Timpimpiri: Ich weiß nicht, ob du das Buch inzwischen gelesen hast oder weiterhin nur den Film kennst, könnte mir aber vorstellen, dass die Reihenfolge, in der man sich beides zu Gemüte führt, eben nicht ohne Auswirkungen auf die eigene Einschätzung bleibt. Wenn man vom Buch her kommt, ist einem der Aspekt der Literaturverfilmung, mithin der Adaptation von etwas einem schon Bekannten, wahrscheinlich wichtiger, als wenn man den Film erst einmal nur als solchen betrachtet (siehe zu dem Thema auch meine Antwort auf Elrics Anmerkungen).

    @Elric: Ehrlich gesagt ist mir wichtig, dass er keine Charaktere völlig verfälscht Gut, die Veränderungen mögen im HdR unmittelbarer ins Auge stechen – im Hobbit hat zugegebenermaßen niemand Glorfindels Pferd gestohlen. 😉 Aber eine gewisse Umdeutung – m.E. hin zu einem konventionelleren Heldenbild – ist doch z.B. bei Bilbo durchaus vorhanden; deshalb auch im Artikel der Hinweis auf seine Rettungstat, die ihm Thorins Respekt einträgt.

    Wenn man Bilbos Entwicklung im Buch betrachtet, dann ist für mich ein sehr auffälliger Zug, dass sein Wandel zum durchaus auch kriegerisch ernstzunehmenden Helden sehr “privat” verläuft – man denke etwa an seinen Spinnenkampf (der ihn ja motiviert, seinem Schwert in klassischer Kriegermanier einen Namen zu verpassen). Was ihm die Achtung seiner Reisegefährten einträgt, sind ganz andere Dinge (und ironischerweise bisweilen welche, die er gar nicht geleistet hat – etwa wenn er vorgibt, sich ganz unauffällig angeschlichen zu haben, was er nur dank des Rings konnte). Die Momente, in den er über sich hinauswächst, finden nicht unbedingt öffentlich statt.
    Im Film dagegen erfolgt die Veränderung, die er durchmacht, vor aller Augen, und der Aspekt der äußeren Anerkennung dafür ist stärker betont. Auch das ist eine Geschichte, die man erzählen kann, keine Frage – aber in meinen Augen eben doch eine Uminterpretation hin zum Gewohnteren und Gewöhnlicheren.

  8. Timpimpiri sagt:

    @Wulfila
    Nein, habe ich nicht. Deshalb habe ich mich zum konkreten Verhältnis Buch/Film auch nicht geäußert. Aber ich kenne natürlich andere Literaturverfilmungen, daher ist mir das Problem an sich durchaus bekannt.
    Ich kann nach wie vor den persönlichen Frust verstehen, die große Katastrophe oder “Verbrannte Erde” aber nicht erkennen. Peter Jackson hat seine Version geliefert (bzw. den ersten Teil); wer weiß, zu welchen Inspirationen das noch führt?
    Eine Anmerkung aus der Nur-Film-Seherin-Perspektive habe ich jetzt aber doch: es wäre mir ziemlich seltsam vorgekommen, wenn Mittelerde oder Bruchtal ein völlig anderes Aussehen bekommen hätten, als ich es aus den HdR-Filmen kenne.

  9. Wulfila sagt:

    @Timpimpiri: Eine Anmerkung aus der Nur-Film-Seherin-Perspektive habe ich jetzt aber doch: es wäre mir ziemlich seltsam vorgekommen, wenn Mittelerde oder Bruchtal ein völlig anderes Aussehen bekommen hätten, als ich es aus den HdR-Filmen kenne.

    Bestätigt das aber nicht die Annahme, dass Jacksons Bildsprache sehr prägend ist und künftige Experimente eher verhindert? Wenn dir nach Kenntnis der HdR-Filme ein anders dargestelltes Mittelerde, wie es vielleicht Guillermo del Toro geboten hätte, “seltsam” vorgekommen wäre, widerspricht das doch eigentlich deiner oben geäußerten These, dass man darauf vertrauen sollte, dass die Menschen differenzieren und zwischen verschiedenen Bildwelten locker wechseln können.

  10. Timpimpiri sagt:

    Nein, gar nicht. Beim gleichen Regisseur halte ich es für unklug, drastische Veränderungen einzubringen, erst recht wenn einige Schauspieler die gleichen sind und ganz offenbar in mancher Hinsicht auf Konsistenz und Kontinuität Wert gelegt wird.
    Ich habe überhaupt kein Problem damit, mir den Film in einer anderen Version von einem anderen Regisseur oder einer anderen Regisseurin mit einer anderen Herangehensweise anzusehen, fände das, wenn es so etwas geben sollte, sogar reizvoll.

  11. mistkaeferl sagt:

    Eine Anmerkung aus der Nur-Film-Seherin-Perspektive habe ich jetzt aber doch: es wäre mir ziemlich seltsam vorgekommen, wenn Mittelerde oder Bruchtal ein völlig anderes Aussehen bekommen hätten, als ich es aus den HdR-Filmen kenne.
    Das ist für mich aber Teil des Problems. Dadurch, dass PJ jetzt eine zweite Trilogie genauso wie die erste realisiert, wird das Ganze endgültig auf einen “corporate identity”-Look festgenagelt. Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass wir in absehbarer Zeit nochmal ein filmisches Mittelerde zu sehen bekommen, das anders aussieht als dieses (mal unabhängig von den ganzen rechtlichen Fragen, die dem sowieso im Wege stehen). Hätte das jemand anderes umgesetzt (oder PJ mit einer anderen Handschrift, aber das entzieht sich meiner Vorstellungskraft), hätten sich mehr Räume aufgetan. So hat sich das Ganze eher verengt.

    Davon wird man natürlich nicht zwangsweise vereinnahmt, das sehe ich auch so. Aber ich glaube, dass Filmbilder (auch für den Fantasy-Film an sich, wie Raskolnik ja ins Spiel gebracht hat) schon sehr dominant sein können, auch wenn der von Elric heraufbeschworene Marvel-Thor vor meinem inneren Auge nicht steht. 😉

    Ich persönlich habe nicht mal so sehr dieses Film/Buch-Problem. Für mich war z.B. dieser alte Zausel, der zufällig Radagast heißt, eines der gelungeneren Elemente des Films.
    Aber ich kreide dem bisherigen “Hobbit” halt an, dass es nötig gewesen wäre, ihm eine markante erzählerische und optische Atmosphäre zu geben (oder sich dann gleich ganz von den Ansätzen des Buches zu lösen). So, wie er jetzt ist, ist es Malen nach (HdR-)Zahlen ohne eigenes Konzept, und das hat Konsequenzen.

  12. Raskolnik sagt:

    @Wulfila
    Natürlich ist die Wirkmacht populärer Verfilmungen nicht zu unterschätzen, da stimme ich dir vollkommen zu. Mit Conan haben wir dafür in der Fantasy ja ein ganz wunderbares Beispiel. Den werden sich die meisten vermutlich auch als ein monströses Muskelpaket im Lendenschurz nach dem Vorbild des guten alten Arnie vorstellen. Mit Robert E. Howards Cimmerier hat das eher wenig zu tun, Milius’ Film bezog seine Inspiration wohl in erster Linie aus Frank Frazettas Illustrationen. Den Unterschied zu Jacksons Filmen sehe ich allerdings darin, dass Howard zumindest hierzulande kaum noch gelesen wird. (So ist zumindest mein Eindruck.) Und damit besitzt der Milius-Streifen faktisch die “Deutungshoheit”. Auf Tolkien trifft das jedoch nicht zu. Und so hoffe ich zumindest, dass “Der Herr der Ringe” und “Der Hobbit” eine größere Widerstandskraft beweisen werden.
    Interessant fände ich es, einmal zu hören, wie jemand über diese Fragen denkt, der vom Film zum Buch gekommen ist. (Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass das beim “Herr der Ringe” für dich nicht der Fall war, Timpimpiri.) Wie groß war der Einfluss des Films auf die Leseerfahrung tatsächlich? Hat er oder sie beim ersten Auftreten von Streicher wirklich das Gesicht von Viggo Mortensen vor sich gesehen?
    Auf keinen Fall glaube ich, dass Jacksons Blockbuster Mittelerde für andere Künstler & Künstlerinnen zu “verbrannter Erde” gemacht haben, solange diese nicht für ein Massenpublikum arbeiten wollen. Niemand zwingt sie dazu, sich an der Filmversion zu orientieren. Und so mächtig ist Hollywoods Bilderfabrik meiner Meinung nach wirklich nicht, dass es ihr gelingen würde, unsere eigene Vorstellungskraft mit Stumpf und Stiel auszurotten.

  13. mistkaeferl sagt:

    Mist, zu lange gebraucht, da waren jetzt schon zwei neue Antworten dazwischen. Aber ich lasse es mal so, mir ging’s ja eher um einen anderen Aspekt.
    Man kann sich darüber hinaus durchaus Möglichkeiten vorstellen, Kontinuität und Wandel in einem Film unterzubringen (ok, natürlich nicht mehr, wenn mal das Marketing alles aufpoliert hat 😉 – so ist halt die Welt, in der wir uns Geschichten erzählen lassen).

  14. gero sagt:

    Ach, ich weiß nicht, ich weiß nicht … mir ist dieser Blick auf die Hobbit-Verfilmung bzw. die Auswirkungen, die diese Hobbit-Verfilmung haben wird (vielleicht? bestimmt?), ein bisschen zu sehr einer durch eine Brille mit ganz, ganz dunkel gefärbten Gläsern. Und spätestens, wenn wir zur verbrannten Erde kommen, macht der Artikel genau das, was er Peter Jackson vorwirft: er überdramatisiert. Darüberhinaus ist mir immer noch nicht so recht klar, ob euer Hauptproblem jetzt auf der erzählerischen oder der visuellen Ebene liegt.

    Natürlich kann man sich die Frage stellen, inwieweit ein Guillermo del Toro sich auf der visuellen Ebene von Peter Jacksons Mittelerde-Darstellung entfernt hätte (und einige Hinweise, die man im Netz findet, klingen zumindest interessant), und möglicherweise hätte die veränderte visuelle Darstellung auch eine veränderte Dramaturgie nach sich gezogen, die andere Schwerpunkte gesetzt hätte. Bloß … hätte, hätte, Fahrradkette. Man mag es bedauern, dass durch die Verzögerung des Projekts jetzt eben nicht Guillermo del Toro auf dem Regiestuhl sitzt, sondern (wieder) Peter Jackson. Aber daraus abzuleiten, dass wir jetzt nur more of the same bekommen haben (und das ist ja langweilig und nicht vorlagenkonform), während del Toro uns etwas ganz Wunderbares und vor allem Neues beschert hätte, ist schon eine sehr eigenwillige Sicht der Dinge, die die kommerziellen Zwänge einer Blockbuster-Produktion völlig ignoriert. (Nur so zum Vergleich: Pans Labyrinth hatte Produktionskosten von 19 Millionen Dollar.)

    Es mag daran liegen, dass ich den Hobbit relativ spät (und lange nach dem Herr der Ringe) gelesen habe, aber für mich war und ist das ein ganz nettes, aber keineswegs großartiges Kinderbuch. Wenn der Hobbit Tolkiens einziges erzählerisches Werk geblieben wäre, wäre sein Autor heute möglicherweise genauso “vergessen” wie ein Edward Wyke-Smith (dessen The Marvellous Land of Snergs der Hobbit die eine oder andere Inspiration verdankt). Klar, auch wieder nichts als Spekulation … Sei’s drum, mir zumindest war immer klar, dass eine Verfilmung des Hobbit aufgrund der buchimmanenten Probleme entweder ein skuriller Autorenfilm (dann auch gerne mit als solchen erkennbaren Pappkulissen) wird, oder sich – wenn man ein Massenpublikum für den Film gewinnen will – sehr deutlich von der Vorlage entfernen muss. Und spätestens, als die Verfilmung des Herr der Ringe zu dem Erfolg wurde, der sie nun einmal war, war eigentlich auch klar, dass von den beiden o.g. Möglichkeiten vermutlich nur die zweite übrig bleiben wird.

    Insofern ist es zumindest fraglich, ob ein Hobbit von Guillermo del Toro den Weg “vom beschaulichen Hobbitdasein über eher burleske bis groteske Abenteuer bis hin zur Katastrophe der epischen Schlacht” nachgezeichnet hätte (ja, ich weiß, das steht nicht explizit im Artikel, aber es scheint das zu sein, was ihr euch gewünscht habt). Und bei Filmen mit einem Produktionsbudget im dreistelligen Millionenbereich auf “risikofreudigen visuellen Zauber” zu hoffen, wenn man bereits einen nicht nur funktionierenden, sondern überaus erfolgreichen visuellen Ansatz hat, ist natürlich nicht verboten, aber doch recht blauäugig.

    Andererseits ist es nicht nur blauäugig, sondern irgendwo ein bisschen fies, von Peter Jackson – der ja eine Vision von Mittelerde hat, jetzt mal ganz unabhängig davon, ob bzw. wie sie einem gefällt – zu erwarten, er würde die Verfilmung des Hobbit ganz anders angehen (visuell und dramaturgisch) als den Herr der Ringe. Würde er denn seine Vision nicht verraten, wenn er Mittelerde ein paar Jahrzehnte – nicht Jahrhunderte oder Jahrtausende – vor dem Handlungszeitraum des Herr der Ringe visuell ganz anders inszenieren würde als dort? Und natürlich setzt er auf die bewährten Erzählmuster und dramaturgischen Elemente und macht Thorin sympathischer und Bilbo mutiger, und ebenso braucht er für seine Dramaturgie einen Dauergegner wie Azog (der mir auch nicht gefällt – wobei mich weniger die Funktion als die Umsetzung bzw. Darstellung stört). Aber diese Veränderungen auf der Handlungsebene sind filmimmanent (und im Hinblick auf den Erzählkosmos der Filme!) nachvollziehbar und zumindest nicht völlig unlogisch.

    Kleiner Exkurs: Ich mag Watchmen von Alan Moore und Dave Gibbons vermutlich genau so sehr, wie ihr den Hobbit mögt, und ich hatte mehr als ein bisschen Bauchweh, als ich gehört habe, dass ausgerechnet Zack Snyder – von dem ich als Regisseur nach der in meinen Augen missglückten Verfilmung von 300 nicht mehr besonders viel gehalten habe – den Comic verfilmen wird. Das Ergebnis war dann besser als befürchtet, aber schlechter als möglich, was nicht nur, aber vor allem daran liegt, dass Snyder ein ganz zentrales Plotelement verändert hat, so dass die “Lösung” mMn weder von außen betrachtet noch filmimmanent funktioniert. Für mich ist ein solcher Eingriff problematischer als die Veränderung einiger Figuren im Hobbit. Trotzdem habe ich Watchmen gerne gesehen und werde ihn mir gelegentlich wieder einmal ansehen (und mich nicht nur, aber vor allem über die Änderung ärgern).

    Machen wir uns nichts vor: die Verfilmung des Hobbit richtet sich im ersten Teil (und vermutlich auch in den zwei noch folgenden) in erster Linie an diejenigen, die die drei Herr-der-Ringe-Filme gesehen haben, und nicht primär an die Leser des Hobbit. Was aus Sicht der Filmmacher nachvollziehbar bzw. eine sinnvolle Herangehensweise ist. Warum jetzt aber eine Verfilmung, die sich visuell an Peter Jacksons Herr der Ringe anlehnt und sich erzählerisch deutlicher von der Vorlage entfernt als z.B. der erste HdR-Film, Mittelerde für Künstler jahrelang zur verbrannten Erde machen wird, erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht. Ich sehe das ganz anders: Gerade die Veränderungen gegenüber der Vorlage machen es doch viel einfacher, sich hinzusetzen und einen vorlagengetreueren Hobbit-Film zu konzipieren, der dann gerne mit einer veränderten Visualisierung daherkommen darf, nein, eigentlich muss. Das kann man ja auch als Herausforderung betrachten. Und wenn die drei Hobbit-Filme am Ende genug Einnahmen generieren und die technische Entwicklung weiter fortschreitet, würde es mich nicht wundern, wenn wir in zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren (danach könnte es für mich knapp werden) einen neuen, ganz anderen Hobbit-Film zu sehen bekommen.

    Ich kann wirklich nachvollziehen, dass einem Peter Jacksons Umsetzung ganz oder teilweise nicht gefällt. Nicht nachvollziehen kann ich dieses Katastrophenszenario, das als Ausblick entworfen wird. Ich persönlich freue mich auf den zweiten Teil. Nicht so sehr wie beim Herr der Ringe, das stimmt. Aber das liegt wiederum an der Vorlage, die in mehrfacher Hinsicht deutlich weniger hergibt.

    @ Raskolnik: Was Peter Jacksons Einfluss auf den Fantasyfilm angeht, habe ich durchaus ein paar Gedanken. Aber da dieser Kommentar eh schon eine epische Länge hat, kommt das irgendwann später – oder wir diskutieren es gelegentlich im Forum.

  15. Wulfila sagt:

    @Gerd:

    Darüberhinaus ist mir immer noch nicht so recht klar, ob euer Hauptproblem jetzt auf der erzählerischen oder der visuellen Ebene liegt.

    Simones wohl eher auf der visuellen, meines eher auf der erzählerischen Ebene.

    Was das Aussehen von Mittelerde betrifft, hatte ich gegenüber den HdR-Filmen aus den naheliegenden (wirtschaftlichen und sonstigen) Gründen, die du anführst, keine Besserung erwartet (denn, ja, Peter Jacksons Mittelerde trifft eindeutig nicht meine Vorstellung – die Hyänen-Wargs, dieses Bruchtal mit seinem permanenten leichten Rosaschimmer, das irgendwie nach Kooperation zwischen Walt Disney und Viollet-le-Duc aussieht … Oh je!). Immerhin fand ich Bilbo besser besetzt als seinerzeit Frodo, das war ja zumindest eines, wofür man dankbar sein konnte.

    Von der Anpassung an ein allzu bewährtes Erzähl- und Figurenmuster war ich allerdings enttäuscht, auch wenn man, wie du sagst, durchaus damit hätte rechnen können. Wenn du dich an die Vorabdiskussionen im Galerie-Unterforum erinnerst, entsinnst du dich sicher auch, dass ich sogar tatsächlich damit gerechnet habe, einen irgendwie zum zweiten Herrn der Ringe aufgemotzten Hobbit zu erleben. Nur weil eine Entwicklung sich lange abgezeichnet hat, muss man ja noch nicht begeistert darüber sein.

    Dass es mir so geht, liegt vielleicht aber auch daran, dass der Hobbit für mich unter der Oberfläche durchaus mehr zu bieten hat als “ein ganz nettes, aber keineswegs großartiges Kinderbuch”, als das du ihn siehst. Vom reinen Romanaufbau her wirkt er nämlich eigentlich weitaus “runder” und durchdachter als der Herr der Ringe, auch wenn mir vieles davon erst bei der Wiederlektüre als Erwachsene bewusst geworden ist (als Kind habe ich zunächst nur eine spannende und unterhaltsame Geschichte gesehen).

    Zum Aufbau habe ich mich oben ja schon ausgelassen, aber was das Buch eben auch auszeichnet, ist die amüsante Grundidee, eine recht modern und zivilisiert denkende Gestalt wie Bilbo zu nehmen, ganz allmählich in eine Heldensagawelt zu befördern und deren Funktionsweisen teils gelten zu lassen, teils zu hinterfragen und zu ironisieren. Dass Bilbos klassisch “heldenhafte” Augenblicke (wie eben die Sache mit Sting/Stich) dabei häufig etwas sind, das er mit sich selbst abmacht, hat durchaus Methode, und auch, dass Thorin in mancherlei Hinsicht eben eher wie ein sehr makelbehafteter Sagenheld gezeichnet ist.

    Die im Film erzählte Geschichte ist, wie oben schon angedeutet, dagegen eine, die man durchaus erzählen kann, die mir aber formelhafter und ärmer an Zwischentönen vorkommt. Das bedaure ich eben, ganz gleich, wie erklärlich es sein mag.

  16. Raskolnik sagt:

    @Gerd:
    Was die Chancen für eine eigenwilligere „Hobbit”-Verfilmung angeht, sehe ich das ähnlich wie du. Nach dem gewaltigen kommerziellen Erfolg der „Herr der Ringe” – Filme war es eigentlich so gut wie unvermeidlich, dass man den „Hobbit” zu einer Art Prequel-Saga aufblähen würde. Dabei ergänzten sich ganz ausgezeichnet die Geschäftsinteressen des Studios und Peter Jacksons eigener Hang zum Maßlosen. Guillermo del Toro hätte dem Film sicher hier und da eine individuelle Note verpassen können, im Großen und Ganzen aber wäre auch er gezwungen gewesen, sich den Vorgaben seiner Geldgeber zu beugen: >> Verschaff uns noch einmal so sagenhafte Gewinne, wie der „Herr der Ringe” sie uns beschert hat! << Für risikoreiche künstlerische Experimente hätte es da in der Tat kaum Spielraum gegeben.
    So gesehen wäre es sicher naiv gewesen, mit gar zu hohen Erwartungen in den „Hobbit" zu gehen. Aber auch wenn man damit vor Enttäuschungen hätte gefeit sein sollen, bedeutet das meiner Meinung nach nicht, dass man den Film deshalb weniger kritisch beurteilen sollte.
    Ein kleiner Plausch über Jacksons Einfluss auf den Fantasyfilm würde mir schon gefallen. Der richtige Platz dafür wäre aber wohl tatsächlich das Forum.

    @Wulfila:
    In unserer Einschätzung von Tolkiens „Hobbit" stehen wir uns glaube ich recht nahe. Auch ich halte ihn für weit mehr als ein bloßes Kinderbuch. Und ganz wie du sehe auch ich eines der größten Probleme der Verfilmung in der Akzentverschiebung, die Jackson vorgenommen hat, indem er Bilbo die Anerkennung der Zwerge dadurch gewinnen lässt, dass er unter Beweis stellt, dass auch er kämpfen und töten kann.
    Ich sehe in Bilbo ähnlich wie in den Hobbits im „Herr der Ringe" den Vertreter eines „neuen" Heldentyps, den Tolkien in bewusster Abgrenzung vom klassischen Heroen entwickelt hat. Sein Heldentum beruht auf ganz anderen Werten als das Thorins oder auch Bards. Seine mutigsten Taten entspringen nicht Ehrgefühl und Stolz, sondern simpler Anständigkeit und vor allem Mitgefühl. Seine Entwicklung gipfelt darum auch nicht im Untergang Smaugs (zu dem er praktisch nichts beiträgt, dafür ist der klassische Heroe Bard zuständig), sondern im Diebstahl des Arkensteins. Doch Peter Jackson hat nun einmal eine Vorliebe für blutige Kampfszenen und epische Schlachtgemälde, und so wundert es mich nicht, dass er versucht hat, auch Bilbo irgendwie zum „Krieger" zu machen.
    Was du über den Spinnenkampf und „Sting" geschrieben hast, finde ich sehr interessant. Steckt aber nicht auch in dieser Szene eine Ironisierung des klassischen Heldenbildes? Schließlich ist „Sting" kaum der angemessene Name für die Waffe eines echten Heroen.

  17. Wulfila sagt:

    @Raskolnik: Doch, ich stimme dir durchaus zu, dass auch dort eine gewisse Ironisierung vorliegt. Was ich aber daneben bemerkenswert an der Stelle finde, ist eben der Umstand, dass Bilbo sich hier zwar selbst etwas beweist, es aber nicht zugleich ein Schaulaufen für andere ist, “dass auch er kämpfen und töten kann”, wie du treffend formulierst. Vor allem auf diesen Aspekt wollte ich hinaus, da hier bestimmte Motive des klassischen Helden (die Fähigkeit zur selbstständigen kämpferischen Überwindung eines Untiers, die besondere Waffe) für Bilbo beibehalten werden, ihre Wirkung aber vor allem für sein Selbstbild relevant wird, während die soziale Komponente, sich auch nach außen hin als Krieger zu profilieren, fehlt.

  18. Raskolnik sagt:

    @Wulfila: Ganz deiner Meinung. 🙂
    (Übrigens auch, was die optische Ästhetik von Bruchtal angeht … Schauder … Aber ich fand’ ja schon Jacksons “Herr der Ringe” in dieser Hinsicht [gelinde ausgedrückt] nicht eben überwältigend.)

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