Nachdem es beim Buch des Monats nun ein Weilchen eher gepflegt zur Sache ging, ist es mal wieder an der Zeit für ein richtiges Fantasy-Gemetzel. Und wer könnte das besser liefern als David Gemmell, der 2006 verstorbene Bewahrer der heroischen Fantasy?
Die Legende, der in sich abgeschlossene Auftaktband seiner Drenai-Saga, ist so etwas wie die Mutter aller Belagerungsgeschichten: Dros Delnoch, eine einst stolze und unbezwingbare Feste, die den Zugang zum Land der Drenai bewacht, ist ungünstigerweise unterbesetzt und verkommen, als sich die wilden Stämme der Nadir unter einem Banner vereinen. Niemand will recht daran glauben, dass der windige neue Graf lange gegen den Feind bestehen kann, auch nicht seine Soldaten, die scharenweise desertieren, um ihrem Schicksal zu entgehen. Verbündete für den aussichtslosen Kampf finden sich lediglich bei den Ausgemusterten und den Fanatikern: Der Kriegertempel der Dreißig und schließlich der gealterte und lebensmüde Kriegsheld Druss mit seiner Axt Snaga.
Damit ist auch schon fast alles über die Handlung von Die Legende gesagt. Aber haben wir nicht alle eine Schwäche für Underdogs, die sich doch irgendwie durchbeißen?
Die Überraschungen in Die Legende finden sich weniger im geradlinigen Handlungsverlauf als in der Tatsache, dass Gemmell es schafft, sein düsteres Szenario, in dem das Scheitern unvermeidlich und der Tod niemals fern ist, mit Prisen von Humor und unerwarteten erhebenden Augenblicken zu viel mehr zu machen als nur einer zynischen Gewaltorgie. Mit Spannung verfolgt man die Aufbauarbeit, die an der maroden Truppe von Dros Delnoch geleistet wird, und schließlich die Schlacht um die Festung, bei der man vielen Verteidigern (und sogar den Angreifern) über die Schulter schauen darf und so eine große Bandbreite an Heldentum miterlebt: Nicht nur das des glorifizierten (aber gealterten) Übermenschen oder der Kriegsspezialisten, die sich ein Leben lang darauf vorbereitet haben, sich in einem solchen Moment hinzugeben und möglichst viele Feinde mitzunehmen, sondern auch das des “Kanonenfutters”, der einfachen Soldaten, die über sich hinauswachsen (oder auch nicht).
Mit einer Pathos-Allergie sollte man von Die Legende freilich tunlichst die Finger lassen, denn das ist die Kehrseite der Tragik, die den Roman durchzieht, und eben auch ein Standbein der heroischen Fantasy, die in dieser Form heute eigentlich nicht mehr erscheint und deren gealterter Held sich hier vielleicht schon im Transit zu seiner gebrochenen und verbitterten neueren Inkarnation befindet, aber bei Die Legende eindeutig eher zurück in die Vergangenheit als nach vorne blickt.
Die Legende (Legend, 1986, dt. 1994) ist Gemmells Debut-Roman und fährt trotz einiger ungeschliffener Kanten alle Stärken auf, die sein Werk auszeichnen, womit er sich auch sehr gut eignet, wenn man den Autor kennenlernen möchte. Die deutsche Übersetzung von Irmhild Seeland (ISBN: 3-404-20307-0) ist aktuell nur antiquarisch zu beziehen.
Hrm, ich muss tatsächlich endlich mal meine Gemmells anfangen! Aber die Zeit… Er steht ganz fest auf meiner Leseliste, aber leider recht weit hinten…
Dank deiner Begeisterung wird sich das wohl ändern. Danke Käferl! 😀
“Legende” war nach den beiden Parmenion-Bänden dritter Gemmell. Hermke hat mir den damals in die Hand gedrückt und viel Spaß gewünscht (kann ich mich noch gut dran erinnern). Und er hat recht behalten – ebenso wie mistkäferl mit ihrer Vorstellung des Buches richtig gut liegt, finde ich. Ein richtiges Schmankerl für Schlachtenfans, wo nicht das Blut das Wichtigste ist. Einfach so wie ein guter alter Ritterfilm aus vergangenen Tagen. Für mich einer der unterhaltsamsten Romane von David Gemmell.