Der heutige Blick über den Tellerrand richtet sich auf die Zeichentrickserie Avatar: Der Herr der Elemente (Avatar: The Last Airbender). In den drei Staffeln, „Bücher“ genannt, Wasser, Erde und Feuer verfolgt man die Abenteuer des Jungen Aang sowie seiner Gefährten, die sich im Verlauf der Serie um ihn scharen. Als Aang in der ersten Folge von dem Geschwisterpaar Sokka und Katara aus einem Eisberg befreit wird, muss er feststellen, dass er 100 Jahre Weltgeschichte darin „verschlafen“ hat. Dabei hätte ihn die Welt gerade jetzt dringend gebraucht, denn er ist die neue Reinkarnation des Avatar, des einzigen Menschen, der alle vier Elemente (Erde, Luft, Wasser, Feuer) beherrschen („bändigen“) kann. Bis vor hundert Jahren hatten die verschiedenen Gesellschaftssysteme, die die BändigerInnen jeweils eines Elements und NichtbändigerInnen aufgebaut hatten, friedlich koexistiert, doch dann startete die Feuernation einen gnadenlosen Expansionskrieg, der immer noch wütet. Unter diesen schwierigen Bedingungen muss Aang lernen, seine Rolle als Avatar zu erfüllen, um den Frieden wiederherzustellen.
Die Serie holt aus dieser Startkonstellation ein Maximum an erzählerischer Tiefe heraus.
Das liegt nicht nur daran, dass man im Verlauf der Staffeln die Welt näher kennenlernt und der scheinbare Elemente-Determinismus in einer Vielfalt von Lebensphilosophien und Gesellschaftsformen aufgelöst wird, sondern vor allem daran, wie viel Wert auf eine tiefe Figurenzeichnung gelegt wird und wie viel Raum der Entwicklung der Pro- wie Antagonisten gegeben wird. Der Figurenzeichnung ist auch zuträglich, dass Avatar: Die Legende von Aang keineswegs davor zurückschreckt, tiefschürfende Themen (von der Frage, ob der Krieg jedes Mittel rechtfertigt über Geschlechterrollen bis hin zu Vergebung) anzusprechen. Durch die enge Verknüpfung des jeweiligen Stoffes mit den auftretenden Figuren schafft die Serie zudem den schwierigen Spagat sowohl jugendliches als auch erwachsenes Publikum anzusprechen. Einerseits bleibt die Darstellung so stets lebendig und schreckt erstere nicht durch „graue Theorie“ ab, andererseits bietet sie für Jugendliche wie Erwachsene genug Anknüpfungspunkte, sich selbst damit auseinanderzusetzen. Die zum Teil erstaunlich leichtfüßige, aber keineswegs seichte Präsentation von Figurenentwicklung und Themen ist aber auch dem wohldosierten Einsatz von Humor geschuldet.
Das Setting selbst ist stark von fernöstlichen Kulturen geprägt, von den Schriftzeichen bis hin zur Philosophie der Kunst des “Bändigens”, die viele Anleihen bei fernöstlichen Lehren aufweist und bei der jedes Element spirituell und optisch einer Kampfkunst zugeordnet ist. Technologisch und gesellschaftlich ist die Welt sehr vielfältig, während man großteils den Eindruck einer (nach unserem Verständnis) mittelalterlichen Welt hat, gibt es auch Anzeichen einer beginnenden Industrialisierung und neben kleineren Dörfern besuchen unsere Helden und Heldinnen auch beeindruckende Metropolen.
Die Serie selbst macht jedoch auch eine deutliche Entwicklung durch, die sich in mutigeren Erzählweisen äußert, sodass das Episoden-Portfolio schließlich ernste, von Rückblicken geprägte und westernhafte ebenso wie herrlich komische und selbstreferentielle Folgen umfasst. Leider wirkt das Finale angesichts der geschilderten Qualitäten sehr hastig und abrupt, schließt die Serie in der letzten Episode aber doch passend ab.
Inzwischen läuft zudem die Fortsetzung Die Legende von Korra (The Legend of Korra), die 70 Jahre nach „Der Herr der Elemente“ angesiedelt ist und nicht nur einen neuen (weiblichen) Avatar, Korra, zu bieten hat, sondern auch ein faszinierend weiterentwickeltes Setting mit Steampunk-Flair sowie ein verändertes erzählerisches Konzept, dessen Vor- und Nachteile sich jedoch erst im Verlauf der weiteren Staffeln erweisen werden – bisher ist lediglich „Buch 1: Luft“ erschienen. Lasst euch also von „Avatar: Die Legende von Aang“ begeistern, für Nachschub ist bereits gesorgt! Für alle, deren Neugier nun hoffentlich geweckt ist: Auf der Website von Nickelodeon kann man sich die erste Episode im Stream anschauen.