Das Kaeferl schaut Filme von gestern: Silent Running

Da ich letztens die Gelegenheit hatte, einen meiner alten Lieblingsfilme im Kino zu sehen, gibt es heute eine wilde Verknüpfung zweier Blogkategorien – der Nostalgie-Nagelprobe und des Blicks über den Tellerrand in Filmgefilde.
In den frühen 70ern gab es eine kurze Welle von SF-Filmen mit ökologischem und gesellschaftskritischem Hintergrund, und in diese Zeit fällt auch Silent Running*, die Geschichte der letzten Wälder, die auf riesigen Raumschiffen für eine Zukunft bewahrt werden, in der die verwüstete Erde wieder begrünt werden soll, und so lange durchs All schweben, bis der Regierung das Geld ausgeht und die Schiffe wieder kommerziellen Zwecken zugeführt werden sollen. Freeman Lowell, der von Anfang an die Wälder und ihre tierischen Bewohner gehegt und gepflegt hat, kann die Entscheidung nicht akzeptieren und geht schließlich bis zum Äußersten.

Die ersten Szenen des Films – Naturidyll mit hoppelnden Kaninchen, kriechenden Schnecken und ätherischer Musik – stimmen darauf ein, dass die Science Fiction, die nun folgt, andere Akzente setzt als im Genre üblich. Raumschlachten, Aliens, Actionhelden und dergleichen mehr tauchen auch später nicht auf, und spätestens wenn die Hauptfigur ins Bild kommt, wird sich entscheiden, ob man den Film liebt oder hasst: Vorstellen kann man es sich heute eigentlich gar nicht mehr, dass ein Film tatsächlich von einem Weltraumgärtner getragen wird, dessen pazifistischer Attitüde eine zu harte Prüfung bevorsteht.
Filmplakat Silent RunningZu Beginn muss man noch das ein oder andere Auge zudrücken, denn 1972 war die Ökobotschaft noch nicht so weit verbreitet wie heute und ist dementsprechend dick aufgetragen. Silent Running entwickelt allerdings sehr schnell seine wahren Stärken in der feinen Charakterisierung der Hauptfigur in einer Extremsituation, was auch nicht zuletzt einer großartigen Schauspielleistung von Bruce Dern zu verdanken ist. Auffallend sind auch die für heutige SF-Sehgewohnheiten völlig ungewohnten künstlerischen Akzente in der Bild- und Metaphernsprache des Films, die die One-Man-Show spannend und atmosphärisch dicht werden lassen, aber vor allem offen für Interpretationen. Dadurch bleibt es den ZuschauerInnen überlassen, die Ereignisse und die Figur zu bewerten. Die inneren Kämpfe des Helden muss man stets mitdenken, nichts wird vorgekaut oder ist bereits fix und fertig festgelegt. Dadurch und durch die Interaktion mit den drei Robotergefährten nähert man sich (wie in vielen guten SF- und allen guten Robotergeschichten) dem Menschlichen an.
Die drei Drohnen (später Huey, Louie, Dewey – also Tick, Trick und Track) sind ohnehin eines der am liebevollsten umgesetzten Details des Films – da hat bestimmt George Lucas sehr genau hingeschaut, ehe er sich an die Schöpfung von R2D2 gemacht hat. Ebenso detailverliebt und überzeugend ist der Soundtrack (u.a. mit Songs von Joan Baez – muss man nicht mögen, aber in seiner Gesamtheit trägt der Soundtrack einiges zur melancholisch-gravitätischen Atmosphäre des Films bei).
Weniger genau schaut man am besten bei den Fragen der Technik hin, denn diesbezüglich hat Silent Running sicher nicht das beste aller Drehbücher. Wenn es dagegen dem radikalen Ende entgegen geht, einem weiteren Element, das in einem aktuellen SF-Film nahezu undenkbar wäre, bleibt an der Klasse und am Klassikerstatus nichts mehr zu rütteln – vor allem nicht nach dem starken Schlussbild, bei dem man von allen Waldwelten der Fantasy und SF träumen möchte.

Ist Silent Running also ein naives Stück SF-Geschichte, ein vergessener Auswuchs aus einem kurzlebigen Subgenre? Vielleicht in der Grundaussage, im Rettet-die-Wälder-Apell, aber nicht in der Ausführung. Es bietet mehr Tiefgang als das meiste, was man in letzter Zeit an SF zu sehen bekommen hat, hat künstlerisch um einiges mehr versucht und geht mit den wenigen Andeutungen auf eine verheerte Erde, die kein Grün mehr nötig hat, auch heute noch unter die Haut. Wer Angst vor Ökokitsch hat, wird damals wie heute enttäuscht sein von diesem Vorläufer von so unterschiedlichen Filmen wie Wall-E oder Moon. Wer dagegen auch nur ein wenig Resonanz spürt bei dem Gedanken, die letzten Wälder lautlos durchs Weltall schweben zu sehen, dem sei versichert, dass diese Saite gehörig zum Schwingen gebracht wird: Staub runterpusten und unbedingt anschauen!

*Silent Running, dt. Lautlos im Weltraum (1972); Regie: Douglas Trumbull (zum Film bei imdb)

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