Titelkatalog: z

20.000 Meilen unter dem Meer von Jules VerneAls Ende des 18. Jh. die Meldung von einem ,,riesigen Seeungeheuer” durch die Weltpresse geht, schließen sich der Naturkundler Pierre Arronax zusammen mit seinem Diener und der Walfänger Ned Land einer Expedition an, die das Tier finden und zur Strecke bringen soll. Bald ist das Objekt ausgemacht, doch als die Jagd beginnt, setzt sich der vermeintliche Wal heftig zur Wehr; die drei Freunde werden über Bord gespühlt. So gelangen sie an Bord des unglaublichen Unterseebootes “Nautilus”, mit dem sie sich, gemeinsam mit dem rätselhaften Kapitän Nemo und seiner Mannschaft, auf eine phantastische Kreuzfahrt durch die sieben Weltmeere begeben …

-Eine seltsame, unerklährliche Naturerscheinung erregte im Jahr 1866 großes Aufsehen.
Die Bevölkerung war durch Gerüchte beunruhigt; Matrosen und Kapitäne, Kaufleute und Reeder sowie Offiziere der Kriegsmarine gerieten in Aufregung, ja sogar die Regierungen in Europa und Amerika schalteten sich ein.-

Eines vorweg: Wer actiongeladene, rasante Unterwassergefechte und ergreifende Romantik erwartet, der wird von diesem Buch enttäuscht sein. In weiten Teilen gleicht es nämlich eher einer utopischen Studie als einem Roman.
Jules Verne schickt den Leser mit seinen Helden auf eine Entdeckungsreise in die Welt unter Wasser, bei der sein Gespür für Zukunftstrends deutlich wird. Es ist schon erstaunlich, wie die beschriebenen Technologien den heutigen ähneln, obgleich Autor und Gegenwart über ein Jahrhundert trennen.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Forschers Pierre Arronax, der eher ein Mittel zum Zweck denn ein echter Charakter zu sein scheint. Die Ereignisse werden meist (wie für die damalige Literatur üblich) recht neutral und unbeteiligt geschildert, so dass auch der Leser stets eine gewisse Distanz wahrt. Nur gelegentlich sind dramatische oder emotionale Momente zu spüren. Zumal ist Arronax ein Forscher, das heißt, er interessiert sich meist nur für die naturwissenschaftliche Komponente der Reise.
Und hier liegt auch einer der Schwachpunkte der Geschichte: Viel von dem, was Jules Verne erdachte, ist heute entweder wissenschaftlich belegt und bekannt, sodass der Leser eher gelangweilt ist, oder es ist widerlegt, was die auf Realitätsnähe ausgelegte Geschichte unglaubwürdig werden lässt. Was heutzutage ebenfalls befremdlich anmutet, ist der Umgang mit Natur und Tierwelt. Da werden schonmal die “bösen” Pottwale herdenweise von der “guten” Nautilus abgeschlachtet, weil sie ja so fies sind. Damals sicher ein verbreiteter Standpunkt, heute eher empörend.

Aber das Buch hat durchaus auch seine guten Seiten. Gerade am Anfang kann man sich unglaublich gut in die Geschichte hineinträumen, in die einmalige Atmosphäre unter dem Meer und an Bord der Nautilus. Jules Verne beschreibt das Panorama der unterseeischen Wildnis und die barock anmutende Borddeko des Bootes oft so lebendig (wenn auch sparsam), dass man sich sehnsüchtig dorthin wünscht. Der zweite grosse Pluspunkt ist die Figur des Kapitän Nemo. Geheimnisvoll und verschlossen, aber dennoch höflich, wird der Leser bis zuletzt im Unklaren über dessen Identität gelassen. Der Kapitän ist das Mysterium, das Unbekannte, das die Spannung stets aufrechterhält.
Gegen Ende wiederholt sich der Autor dann oft; das Buch bietet wenig neues mehr, nur zum Showdown wird’s nochmal spannend. Ab und an werden seitenweise unwichtige geschichtliche Zusammenhänge erörtert, was der Spannung auch nicht gerade gut tut. Dennoch habe ich die Lektüre dieses Buches nicht bereut; am Ende überwogen doch die positiven Aspekte.
Wer ein wenig vom Ozean träumt, der sollte einen Blick riskieren.

Zauberbann von James BarclayDer Rabe ist eine legendäre Söldnergruppe, die aus einer handvoll Krieger und einem Elfen-Magier besteht. Bei ihrem jüngsten Auftrag geht allerdings einiges schief, und so beschließen die Söldner, in den Ruhestand zu gehen.
Doch hatte der Auftrag mehr Tücken als vorgesehen: Inzwischen sind Meuchelmörder auf den Fersen des Raben. Der Magier Denser – eigentlich ein Feind der Veteranen, da er vom gefürchteten Magier-Kolleg Xetesk stammt – macht ihnen ein Angebot, das sie trotz ihres Ruhestandes nicht ausschlagen können, denn es geht um die Verteidigung ihres Heimatlandes Balaia, das von einem alten Übel bedroht wird. Und so muß der Rabe mit dem wenig vertrauenswürdigen Zauberer zusammenarbeiten, um einen gefährlichen Zauberspruch zu bergen…

-Eine Hand wurde auf ihren Mund gedrückt und erstickte ihre Schreie, als sie erwachte. Neben ihr schlief Alun, ahnungslos und still.-
Prolog

Sie wünschen sich Fantasy, die man schnell mal an einem Feierabend durchlesen kann? Mit ordentlich Gemetzel drin? Und ohne poetischen Singsang und langwierige Beschreibungen? Willkommen in den Chroniken des Raben
In einer Fantasy-Welt, die man auch ohne großartige Einführung sofort verstehen kann (und die, nebenbei bemerkt, zumindest in diesem Auftakt-Band wirkt, als wäre sie in einer halben Stunde am Reißbrett entworfen worden) läßt es die Söldnertruppe Rabe ordentlich krachen. Sechs Menschen-Krieger und ein Elfen-Magier haben sich hier zur natürlich  besten, moralisch auch noch integren (Metzeln im Kampf : ja – Morden: nein) und bekanntesten Söldnertruppe des Landes Balaia zusammengetan.
Mit viel Vorstellungskraft kann man sich aus den spärlichen Andeutungen des Autors auch ungefähr ausmalen, wie Balaia so sein könnte, aber viel Energie wurde weder in die Entwicklung noch in die Umsetzung gesteckt. Elfen? Ach ja, das sind die mit den spitzen Ohren. Nö, sonst haben sie keine eigene Kultur oder Eigenart. Selbst bei den Charakteren hat der Autor so viele Worte gespart, daß man manchmal raten muß, wer von den sieben Kampfmaschinen den letzten coolen Spruch gerade geäußert hat. Aber die Mitglieder des Raben sind ohnehin – auch im wahrsten Sinne des Wortes – austauschbare Figuren. Zusammengebastelt aus ein paar Klischees und selten mal einer netten Eigenheit treten sie in Erscheinung, und am Ende des Buches weiß man kaum mehr über sie als zu Beginn. Immerhin ist auf diese Weise die rasante Rate, mir der sie das Zeitliche segnen, besser erträglich – man vermißt nicht viel.

Die garstigen Wytchlords, gegen die die Helden in letzter Konsequenz ins Feld ziehen, sind ebenfalls Standardbösewichte aus der Mottenkiste der Fantasy – in der Vergangenheit wurden sie bereits einmal geschlagen, sind aber einfach nicht totzukriegen und nun auf Rache aus …
Aber mit alldem könnte man in einem Fantasy-Quickie, der nicht mehr sein will als ein ausformuliertes Rollenspiel, vielleicht noch leben. Leider hat der Autor aber auch sprachlich kein gutes Händchen bewiesen: Mit Sätzen wie “Ich habe schon meinen neuen Job als Barkeeper angetreten” und eine ganzen Reihe weiterer flapsiger Wendungen schafft er bisweilen eine völlig unpassende Stimmung, wie man sie vielleicht in der humorvollen Fantasy erwarten würde. In diesem bierernsten Umfeld, in dem der Tod eines Hauptcharakters mitunter auch in einem kurzen Satz abgehandelt wird, wollen sie nicht ganz passen.
Ein schnelles, testosterongetränktes Vergnügen ganz ohne künstlerische Kapriolen – wenn man diese Art von Fantasy mag, ist Zauberbann sicher eine Abwechslung zu Drizzt do’Urden und anderen Actionhelden, für alles andere müßte es etwas mehr sein.

Cover von Das Zaubergift von Martin ScottEigentlich möchte Thraxas Ferien machen. Im Sommer ist es in Turai viel zu heiß, um zu arbeiten. Doch dann stürzt ein junger Mann in Thraxas’ Büro, der beschuldigt wird, einen stadtbekannten Bildhauer umgebracht zu haben und der den Privatdetektiv anfleht, seine Unschuld zu beweisen. Ein Hippiemädchen will Thraxas unbedingt engagieren, damit er ein paar Delphinen hilft und zwei Mönche beauftragen ihn, nach einer Statue zu suchen. Was bleibt unserem Helden übrig? Thraxas wirft seine Ferienpläne über Bord.

– Makri betritt die “Rächende Axt” mit dem Schwert an der Hüfte und einem Bündel Notizen aus ihrem Philosophiekurs in der Hand. Der Schweiß rinnt ihr in Bächen den Hals hinunter.-
1. Kapitel

Die englische Originalausgabe trägt den Titel Thraxas and the Warrior Monks. Dieser Titel entbehrt auch nicht einer gewissen Logik, denn der ganze Fall dreht sich um zwei rivalisierende Mönchsorden, die sich nach Art der Shaolin heftig bekämpfen. Wahrscheinlich haben sich aus diesem Grund die europäischen Verlage dazu entschlossen, diesen Titel in der jeweiligen Landessprache beizubehalten. Ob in Frankreich, den Niederlanden, in Rußland oder Polen, in ganz Europa stehen die kriegerischen Mönche auf der Titelseite. In ganz Europa??? Nein!!! Ein kleines starrsinniges Völkchen im Herzen Europas wehrt sich standhaft gegen einleuchtende Titel und verteidigt stur seine eigenartige Auffassung, daß der Titel und das Cover eines Buches mit dem Inhalt nichts, aber auch rein gar nichts, zu tun haben dürfen. Richtig geraten lieber Leser, das kleine aufrechte Völkchen, das sich so energisch der europäischen Einheit verweigert, ist der Blanvalet bzw. Goldmann-Verlag in Deutschland, der sich in seiner unerforschlichen Weisheit dazu entschlossen hat, als Titel des Romans ausgerechnet Das Zaubergift zu wählen. Kein Mensch in diesem Buch hat irgend etwas mit Zaubergift zu tun. Aber ich will nicht lügen: Sarin, die gnadenlose Mörderin, ist wieder am Werk. Sarin ist auch der Name eines Nervengiftes, das im zweiten Weltkrieg entwickelt, aber dann doch nicht als chemische Waffe eingesetzt wurde. Also wenn man es so sieht…

Für die Umschlaggestaltung ist das Design Team München verantwortlich, für die Umschlagillustration Schlück/Maitz. Es wäre interessant zu erfahren, warum man sich auch für ein Cover entschieden hat, das mit dem Roman nichts zu tun hat. Was haben die Drachen und dieser Jung-Siegfried-Verschnitt auf dem Titelbild zu suchen? Um Thraxas kann es sich nicht handeln, denn der ist fett und trägt sein blondes Haar zu einem Zopf gebunden. Und Drachen kommen in dem Buch genauso oft vor wie Zaubergift, eher seltener.

Die Namensgebung hat sich gegenüber dem ersten Band ebenfalls nicht verbessert. Neu sind der ermordete Bildhauer Rodinaax (ja, man bemüht sich auch das Bildungsbürgertum als Leser zu gewinnen), der des Mordes Verdächtige Gesox, die Jugendbande Kuul-Tiens und besonders geschmacklos ist die einmalige Erwähnung des hohen Bonzen des Gaststättengewerbes namens Juhnkar. Dem Fischhändler Iglox ist sein Name mittlerweile anscheinend so peinlich, daß er sich in Tranox umbenannt hat.
Schade, schade, schade. Wenn man das Glück hat, zehn zusammenhängende Zeilen lesen zu können, ohne daß man auf diese ach so originellen Namen stößt, dann merkt man, daß Martin Scott dem Leser eigentlich eine gelungene Parodie auf die alten Detektivromane der Schwarzen Serie bietet. Diese Reihe könnte dem Leser gute leichte Unterhaltung bieten, wenn der Verlag nicht mit aller Gewalt darauf hinarbeiten würde, das Lesevergnügen zu ruinieren.
Nehmen Sie es dem Autor nicht übel, der kann nichts dafür. Wenn es Ihnen möglich ist, lesen Sie das Original (obwohl die englischen Cover auch eine Qual für das Auge sind) und irgendwie habe ich den diffusen Verdacht, daß Sie mit der französischen, niederländischen, polnischen und russischen Ausgabe auch besser bedient sind als mit der deutschen. Deutsche Leser, bildet Euch weiter: Lernt Fremdsprachen!

Das Zauberhaus von Peter S. BeagleAls die Mutter der 13jährigen Jenny erneut heiratet, steht ein Umzug ins ländliche England an. Jenny ist außer sich vor Wut, denn das ohnehin mit sich und der Welt  unzufriedene Mädchen muß New York verlassen, ihre geliebte Katze Herr Kater muß für Monate in Quarantäne und sie hat überhaupt keine Lust auf ein Leben auf dem Bauernhof mit einem Stiefvater und zwei neuen Stiefbrüdern.
Doch kein Wutanfall hilft – Jenny findet sich bald auf dem alten, halb verfallenen Gut wieder. Und obwohl sie gewillt ist, den Rest ihrer Tage zu schmollen, kann sie sich der unheimlichen Magie des alten Anwesens nicht entziehen: Seltsame Dinge geschehen, und alte Sagen von Boggarts, Pookas und Geistern scheinen wahr zu werden…

-Als ich ganz klein war, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als unsichtbar zu sein. Ich saß im Klassenzimmer und träumte mit offenen Augen davon, so wie andere Kinder davon träumten, Filmstar oder ein berühmter Basketballspieler zu sein.-
Eins

Peter S. Beagle glänzt nach wie vor mit einer der schönsten Erzählstimmen des Fantasy-Genres. Er war allerdings nie ein Vielschreiber, und thematisch hat er sich in den letzten Jahren eher in unserer Welt eingefunden, deren magische Aspekte er wie kein zweiter herausstellen kann, als in anderen Fantasy-Welten. In Das Zauberhaus (Tamsin) ist er wieder auf der Höhe dieser Kunst, und mit seiner jugendlichen Protagonistin wirkt der Roman vielmehr wie eine Anknüpfung an He! Rebeck!, die auch für jüngere Leser von Interesse sein könnte, als daß es Parallelen zu Beagles anderem großen Erfolg Das letzte Einhorn gäbe.
Dennoch kann man wortwörtlich vom ersten bis zum letzten Satz in einer anderen Welt aufgehen – der Welt von Jenny Glücksstein. Mit der Stimme der Protagonistin berichtet Beagle die Ereignisse auf der Stourhead Farm, und mit einer geradezu sensationellen Einfühlungsgabe bringt er dem Leser die Ängste, Leidenschaften, Fehler und Heldentaten einer Dreizehnjährigen nahe, die man schon nach wenigen Seiten persönlich zu kennen glaubt. Das macht vielleicht sogar sehr viel mehr Spaß, wenn man mit einem Augenzwinkern auf die Zeit des Dreizehn-Seins zurückblicken kann. Durch ihren meistens gegen sich selbst gerichteten Humor und vor allem ihre verschämte Ehrlichkeit wächst Jenny dem Leser recht schnell ans Herz.

Die Stourhead-Farm ist ein erstaunlich mystischer Erzählort, der dennoch ganz fest im ländlichen England und seiner Geschichte verwurzelt ist. Ohne Bruch und ganz natürlich tut sich die Welt der Geister auf und zieht Jenny und den Leser in ihren Bann, und die netten (und weniger netten) englischen Fabelwesen sind liebevoll in die Geschichte eingefügt. Wichtige Rollen in diesem Roman sind Themen zugedacht, die auch in Beagles früheren Werken eine Rolle spielen – Katzen, Musik und natürlich Geistern. Eine gute Recherche in der englischen Geschichte und viele Anspielungen auf das Werk Thomas Hardys (die aber keine Voraussetzung zum Verständnis der Handlung sind – über die englische Sagenwelt sollte man dagegen schon das ein oder andere gehört haben) komplettieren die Geschichte um einen Geist, der wegen eines alten Greuels noch an diese Welt gebunden ist. Die Auflösung dieses Fluchs erfolgt Puzzelstück um Puzzlestück.

Daß Beagle seine poetische Sprachkunst auch in den Worten eines jungen Mädchens ausspielen kann, ohne unglaubwürdig zu wirken, ist beeindruckend, dabei springen gerade auch in der deutschen Übersetzung an einigen Stellen geschickte Lösungen regelrecht ins Auge (auch wenn man nach dem Drachen auf dem Cover der deutschen Ausgabe im Text vergeblichen Ausschau halten wird).
Das Ende des Romans sticht noch einmal besonders hervor – es ist sozusagen ein Geschenk an alle Liebhaber erfundener Geschichten und des Märchenhaften im Alltag.

Cover von Der Zauberhut von Terry PratchettZauberer Allesweiß floh in jungen Jahren aus der Unsichtbaren Universität, heiratete und bekam viele Söhne, deren achter ein kreativer Magus ist. Ein kreativer Magus ist so ziemlich der mächtigste Zauberer, der auf der Scheibenwelt herumläuft. Leider ist er nicht unbedingt der liebenswürdigste. Dieser achte Sohn macht sich also als Knabe auf zur Unsichtbaren Universität und fordert zwei der besten Zauberer zum Duell. Das schreckliche Gör gewinnt, richtet ein einziges Chaos an und wünscht Erzkanzler zu werden. Dies hohe Amt erfordert aber eine Zeremonie, in der der Zauberhut eine Rolle spielt. Ganz zufällig ist dieser wichtige Hut gerade nicht zu Hause, sondern auf Reisen mit einem gewissen Rincewind sowie Conina, der Tochter Cohens des Barbaren, und Truhe.

-Vor vielen Jahren sah ich in Bath eine wohlbeleibte amerikanische Dame, die einen riesigen karierten Koffer hinter sich herzog. Die kleinen, quietschenden Räder blieben immer wieder in den Pflasterrissen stecken und verliehen dem Ding ein höchst interessantes Eigenleben. In jenem Augenblick wurde Truhe geboren. Ich danke jener Frau und allen anderen Leuten in Orten wie Ichweißnichtwo, Nebraska. Vermutlich können sie ein wenig Zuspruch vertragen.-
Widmung

Zuerst darf jeder einmal raten, woher Joanne K. Rowling die Idee hat, daß es Zauberhüte gibt, die sprechen, wenn man sie sich auf den Kopf setzt. Nun, ich werde die Antwort ganz gewiß nicht geben, sonst werde ich noch wegen Verleumdung oder Geheimnisverrat mit einer Millionenklage vor Gericht gezerrt und dabei weiß ich noch nicht einmal, wie ich mein Bafög zurückzahlen soll. Also von mir kein Wort zu diesem Thema. Widmen wir uns statt dessen dem Buch: Dieser Roman hat zwei Handlungsstränge: Einmal wird erzählt, wie dieser freundliche Knabe (jedem, der sich unfreundlich über das liebe Kind äußert, bekommt dies außerordentlich schlecht) die Unsichtbare Universität auf den Kopf stellt und wie unfähig die Zauberer sind, dies zu verhindern, ja einige lassen sich sogar korrumpieren. Kreative Magie ist so gefährlich, weil sie sich an keine Gebote hält und eigentlich den Göttern vorbehalten ist. Der andere Handlungsstrang erzählt von Rincewind, der wieder einmal die Scheibenwelt vor dem Untergang retten muß, indem er den Hut, der das Zeichen des obersten magischen Amtes ist und das Symbol für eine Zauberei, die sich an gewisse Werte hält, in Sicherheit bringt. Dabei wird er von Piraten, orientalischen Straßenkindern, Großwesiren und anderen ungemütlichen Herrschaften stark behindert. Falls irgend jemand immer noch nicht verstanden hat, wie prekär die Lage ist, dem sei gesagt, daß Tod, Krieg, Hunger und Pestilenz irgendwo auf der Scheibenwelt in einer Kneipe sitzen und warten, sehr geduldig warten … Glücklicherweise hat Rincewind Conina an seiner Seite. Die wollte eigentlich Barbarenfriseuse werden, aber nun kämpft sie mit ihm für die gute Sache, wobei sie meistens Schwerter, manchmal aber auch Scheren und Kämme benutzt. Achtung: Jetzt kommt der Satz, der zwangsläufig so oder ähnlich in jeder Pratchett-Rezension steht. Dank Pratchetts Sprachwitz ist die Geschichte ungeheuer komisch. Besonders geeignet dürfte der Roman für Kinderhasser sein. Sie finden ihr Vorurteil voll bestätigt, daß diese kleinen Ungeheuer nichts als Ärger anrichten.

Cover des Buches "Das zehnte Königreich" von Kathryn WesleyVirginias Leben ist todsterbenslangweilig ohne jede Aussicht auf Besserung. Zur gleichen Zeit flieht die böse Königin in den neun Königreichen aus dem Schneewittchen-Gedächtnis-Gefängnis, um die Herrschaft an sich zu reißen. Zu diesem Zweck verwandelt sie ihren Stiefsohn, Prinz Wendell, in einen Golden Retriever und lässt den Hund die Gestalt des Prinzen annehmen. Bei einem Fluchtversuch  springt Prinz Wendell durch einen Zauberspiegel und landet direkt im New York der Gegenwart vor Virginias Fahrrad, die gerade auf dem Weg zur Arbeit ist. Sie kümmert sich um den angefahrenen Hund und ahnt nicht, dass sie sich damit in große Gefahr begibt. Die Königin hat ein paar Trollen und einem gefährlichen menschlichen Wolf befohlen, Prinz Wendell zurückzubringen.

-Virginia stützte ihre Ellbogen auf den Fenstersims und beugte sich hinaus in die Brise. Wenn sie die Augen halb geschlossen hielt, erweckten die Bäume vor ihrem Fenster den Eindruck einer ausgedehnten Waldfläche: schattig, grün und angefüllt mit neuen Möglichkeiten und Abenteuern.-
Teil 1 Der Hund, einst bekannt als Prinz Kapitel 1

Das zehnte Königreich (The Tenth Kingdom) ist eine witzige Parodie auf sämtliche Märchen, angefangen bei Schneewittchen über Aschenputtel und Rotkäppchen bis hin zu Rapunzel.

Besonders gut ist das Autorenehepaar jedoch immer dann, wenn es sich über die westliche, insbesondere die amerikanische, Kultur lustig macht: Die Trolle beanspruchen in Kolumbus-Manier New York als das zehnte Königreich und rauben zuerst einmal die Einheimischen aus. Wolf versucht seine tierische Natur zu überwinden, indem er sich durch einen Stapel Lebenshilfe-Bücher liest und Virginia stützt sich als Verteidigerin in einem Prozess auf das juristische Wissen, das sie sich durch Anschauen der Perry-Mason-Serie erworben hat, was dem Angeklagten dann auch prompt die Todesstrafe einbringt.

Allerdings hätte es dem Buch gut getan, wenn die Geschichte etwas gestrafft worden wäre. Manche Szenen sind nur mäßig amüsant und werden auch nicht benötigt, um die Handlung voranzutreiben. Sie scheinen nur geschrieben worden zu sein, um Seiten anzuhäufen oder besser gesagt, um Sendezeit zu füllen. Denn Das zehnte Königreich ist das Buch zum Film, bzw. zur Fernsehserie und wurde, wie die Redaktion durch aufwendige Recherchen herausgefunden hat, offensichtlich erst nach der Serie verfasst.

Kushiel: Das Zeichen von Jacqueline CareyDas Volk der D’Angelines hat das Engelblut in den Adern, das sie mit überirdischer Schönheit ausstattet. Phèdre ist eine von ihnen, sie steht im Dienste der Ahngöttin Namaah, deren Anhänger die Kunst der Liebe zelebrieren. Der Adlige Delaunay erkennt an einem Makel in ihrem Auge, dem Zeichen des Engels Kushiel, dass Phèdre eine Anguisette ist – sie erfährt Lust durch Schmerz. Er kauft das Mädchen und bildet sie zusammen mit seinem anderen Schüler in Sprachen, Künsten und Spionage aus, damit sie ihm als Konkubine dient, die bei ihren Freiern Staatsgeheimnisse ausspioniert. Tatsächlich gibt es Verschwörungen, die das ganze Land Terre D’Ange gefährden.

– Damit niemand annimmt, ich sei ein Kuckuckskind, das von lüsternem Bauernvolk unehelich gezeugt und in einem schlechten Erntejahr in die Leineigenschaft verkauft wurde, will ich vorausschicken, dass ich einem der Dreizehn Häuser entstamme und im Nachtpalais selbst großgezogen wurde, auch wenn es mir nicht viel genützt hat. –
1. Kapitel

Zu Das Zeichen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Zeit der Krähen von George RR MartinDer Krieg hat sie Sieben Königreiche verwüstet und nun versucht Cersei ihrem Sohn Tommen die Macht über das Reich zu sichern. Die Aufgabe ist keine Leichte, denn überall im Land werden Pläne geschmiedet, diese Macht ins Wanken zu bringen. Einzig siegreich sind die Krähen, die sich an den Folgen der Konflikte zwischen Adelshäusern, religiösen Fanatikern und umherziehenden Banden laben.

– »Drachen«, sagte Mollander –
Prolog

Zu Zeit der Krähen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Zeit der Krähen und Die dunkle Königin.

Zeit und Welt genug von James KahnAls der junge Mensch Josh eines Tages seine Familie grausam von einem Vampir und seinen Spießgesellen ermordet vorfindet – die jüngeren Verwandten sind entführt – schwört er, die unglückseligen Wesen zur Strecke zu bringen. Sein bester Freund Beauty, ein Zentaur, dessen Frau ebenfalls entführt wurde, begleitet ihn auf die Jagd. Unterwegs treffen sie in einer Welt, die der unseren nur noch entfernt ähnelt und von Fabeltieren bewohnt ist, auf seltsame Weggefährten und geraten an skurrile Orte. Schließlich stoßen sie auf ein Gerücht von einem “neuen Tier”, das die Entführung ihrer Liebsten angezettelt haben soll. Verzweifelt versuchen sie, in den Süden zu gelangen, und haben Unterstützung durch die Neuromenschenfrau Jasmine und den Vampir Lon…

-Ein voller, tiefer Schrei des Wahnsinns zerriß die Nacht. Es war ein blinder, nicht menschlicher Laut, grauenhaft und abgerissen.-
Prolog

Das Einbringen des Öko-Gedankens in die Fantasy ist ein wiederkehrendes Motiv; unter den deutschen Autoren hat jüngst Tobias O. Meißner mit seiner Mammut-Reihe Lob für seine originelle Verbindung des phantastischen Genres mit der Thematik Umweltschutz eingeheimst. Dabei ist er längst nicht der erste, der diese Idee verfolgt, denn in der ersten Hochphase eines sich neu entwickelnden Umweltbewußtseins in den 80ern haben schon allerlei Autoren beide Themen verknüpft, und einer von ihnen ist James Kahn, dessen Roman Zeit und Welt genug (World Enough and Time) man seine Entstehungszeit in einer Epoche von Atom-Ängsten und langsam aufkommenden Fragen rund um das Thema Bioethik mehr als deutlich anmerkt.
Die Neue Welt ist eine post-apokalyptische Version Kaliforniens, in der die Menschheit seit den 1960er Jahren degenerierte und sich nun mit Fabelwesen und intelligenten Tieren in einem trügerischen Frieden befindet – eher auf dem Rückzug als auf dem Vormarsch.

Die Handlung an sich ist schnell erklärt und macht nicht viel her: Ihre Queste – die Befreiung der von Vampiren verschleppten Angehörigen – führt den Zentauren Beauty und den Menschen Josh durch das ganze Land, immer auf der Spur der Entführer, und unterwegs reihen sich die Abenteuer in der teils ursprünglich-natürlichen, teils technisch geprägten Welt aneinander.
Diese Welt hat in der Tat einige interessante Aspekte zu bieten: Nach und nach kommt heraus, daß die Menscheit ihren Fall höchstselbst verursacht hat, und die ganzen skurillen Geschöpfe und Fabeltiere Resultate einer bedenkenlos angewandten Gentechnik sind – nur ist dieses Wissen fast verloren gegangen, als das Schreiben und Lesen verboten wurde – und all die neuen Lebewesen haben eigene Schöpfungsmythen erfunden und reagieren höchst ungehalten auf diese Erkenntnisse.
Das sind durchaus interessante Ansätze, die hin und wieder auch sehr charmant fortgeführt werden, aber in weiten Teilen schafft Kahn es nicht, wirklich aus diesem Potential zu schöpfen – zu viele verschiedene und zu schnell aufeinanderfolgende Aspekte spielen in die stark dem Reisemotiv verpflichtete Handlung hinein, als daß auf Einzelheiten eingegangen werden könnte. Wenn man aber grundsätzlich an post-apokalyptischen Weltentwürfen interessiert ist, lohnt sich ein Blick in das Buch (und auch in die darin enthaltene Zeitleiste – will man sich nicht zu viel der Handlung vorweg nehmen, allerdings am besten erst nach der Lektüre des Romans).

Daß Kahn so viel Stoff in nicht einmal 300 Seiten gepackt hat, hindert ihn auch daran, dicht an die Figuren zu kommen; überhaupt wirkt die ganze Geschichte wie eine etwas unausgegorene und zerfahrene Aneinanderreihung von Ereignissen, mehr der Idee als der Handlung verpflichtet. Man könnte meinen, der Hauptprotagonist des Romans sei das neue Kalifornien selbst, denn das Vorstellen von Schauplätzen nimmt mehr Raum ein als der schwache Handlungskern, aus dem nie ein richtiger Lesefluß erwächst.
Trotzdem hat der Autor sowohl der Welt als auch den Figuren auch noch einen psychologischen Überbau verpaßt, so daß alle Charaktere im Laufe der Abenteuer auch eine Reise zur Selbsterkenntnis unternehmen – aufgrund der Fülle der Ereignisse eben auch ein eher dünnes Konstrukt, das vielleicht der Entstehungszeit geschuldet ist: Der erhobene Zeigefinger im Hintergrund läßt sich auf jeden Fall nicht leugnen.

Bis auf ein paar charmante Ideen und einen streckenweise interessanten, aber in der Ausführung nicht so recht überzeugenden Weltentwurf bleibt also nicht viel übrig, das richtig Freude beim Lesen macht. Und wer sich ob des lyrischen Titels (aus der ersten Zeile eines Gedichts von Andrew Marvell) eine sprachlich lohnende Lektüre erwartet, muß sich auf eine Enttäuschung gefaßt machen: Zumindest in der deutschen Übersetzung holpern die Sätze meistens eher vor sich hin und lassen an Rotstifte statt an Poesie denken…
Der Zahn der Zeit hat rundum ordentlich an diesem Roman genagt, daher dürfte er in erster Linie für Nostalgiker und unerschrockene Weltentdecker von Interesse sein.

Cover des Buches "Der Zensor" von Marcus Hammerschmitt Ironie der Geschichte: Die Conquista verlief andersherum, die Maya haben durch ihre nanotechnische Überlegenheit die Spanier besiegt und kontrollieren nun den Südwesten Europas. Die iberische Bevölkerung, technologisch und wirtschaftlich an den Rand der neuen Mayagesellschaft gedrängt, dämmert in Hilflosigkeit und Armut dahin. Einige wenige aber, wie Enrique, lehnen sich gegen die Usurpatoren auf und kämpfen einen hoffungslosen Guerillakrieg.

-Weiter draußen, wo die bewässerten Felder aufhörten, wo die Spanier lebten, war alles anders. Die Straßen waren schlechter, die Häuser nicht nur einfach, sondern primitiv, und das Wellblech, der Standartbaustoff der Armut, war hier allgegenwärtig. Die Spanier, faul wie immer, hatten wieder einmal viel zu früh mit der Siesta angefangen.-
16. Juni 2136
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Marcus Hammerschmitt hat eine spannende und innovative Utopie geschaffen, in der die Mayas Spanien erobert haben, und nun den iberischen Bewohnern ihre Kultur mit Hilfe von technologischen Errungenschaften auf dem Gebiet der Nanotechnologie gewaltsam aufzwingen. Die spanischen Städte wie auch jeder Spanier bekamen Mayanamen (Madrid heißt Nadz Caan), Mais ist das Hauptnahrungsmittel und die Hauptstadt Nanotikal wird von einem künstlich erschaffenen Urwald umringt.
Hammerschmitt kehrt die Geschichte um und schafft so eine interessante Mischung aus Geschichtsgedankenspiel und Science Fiction. Die opponierenden Seiten (Maya und Spanier) werden aus Sicht von Yaqui Ahau, dem obersten Zensor von Naotikal, und Enrique, einem spanischen Guerillero geschildert. Beide Protagonisten werden facettenreich und farbig charakterisiert, so dass sie dem Leser, obwohl sie durchaus nicht sympathisch sein müssen, ans Herz wachsen.

Der Einstieg in die Geschichte fällt dem Leser leicht, da anfangs ein wenig der Alltag des Ahau Yaqui geschildert wird und man sich auf diese Weise behutsam mit der Welt der technisierten Mayagesellschaft vertraut machen kann. Dann wird die Handlung zügig vorangetrieben und die Spannung bis zum Ende aufrecherhalten. Mit 221 Seiten ist dieses Werk nicht gerade umfangreich, dennoch schafft es Hammerschmitt, die Kultur der futuristischen Maya und Spanier anschaulich und in vielen Aspekten zu beschreiben. Hammerschmitt setzt futuristische technologische Ideen gekonnt sparsam ein und schafft es, diese glaubwürdig in seine Welt zu integrieren.
Wer sich allerdings noch mehr für die politischen Auswirkungen dieser geschichtlichen Wendung interessiert, wird im Dunkeln gelassen. Der Leser erfährt kaum etwas über die Welt außerhalb Südamerikas und des eroberten Spaniens. Auch bleiben die Umstände um die Conquista durch die Maya nebelhaft. Sicherlich wäre es Hammerschmitt möglich gewesen, den Leser stärker über diese Aspekte zu informieren, aber er hat sich auf die wesentlichen Inhalte seiner Utopie konzentriert. Dieses kommt dem Werk sehr zugute, da auf Nebenhandlungsstränge, langatmige Schilderungen und “Geschwafel” verzichtet wird. Die Handlung ist daher knackig und wirkt sehr durchdacht, ist aber keinesfalls vorhersehbar.
Hammerschmitt hat eine flüssige Sprache. Sein Schreibstil ist prägnant und auf positive Art “erfrischend” deutsch, weshalb die Seiten unter den Augen nur so dahingleiten.

Ein gutes Buch will man meist irgendwann nochmals lesen, aber der volle Lesespaß würde dem Leser beim zweiten Mal nur zuteil, falls er sich die überraschende Auflösung mit einer nanotechnologischen “Gedächtnisbombe” aus dem Gedächtnis löschen könnte. Denn sonst wird der Leser das geniale Ende wohl kaum vergessen.

Zentaurengelichter von Glen CookPrivatdetektiv Garrett soll die Erbin eines beträchtlichen Vermögens ausfindig machen. Das gefällt einigen Herrschaften gar nicht und so pflastern bald Leichen Garretts Weg.

-Bamm!Bamm!Bamm! Es klang, als klopfe jemand mit einem Vorschlaghammer gegen die Tür. Ich rollte zur Seite und schlug ein dickes Auge auf.-
1. Kapitel

Wer Philip Marlowe mag oder sein politisch unkorrekteres Pendant Mike Hammer, der wird auch an Detektiv Garrett Gefallen finden. Garrett ist der typische einsame Wolf, hartgesotten, cool, mit einer lakonisch-zynischen Sprache, der so herrliche Macho-Sprüche vom Stapel läßt wie: “Normalerweise schlag ich Frauen nicht den Schädel ein”, erklärte ich dem winzigen Wesen, als ich die Tür öffnete. “Aber in Ihrem Fall könnte ich mal eine Ausnahme machen.”
Vielleicht fragen Sie sich langsam, was das denn nun bitte mit Fantasy zu tun haben soll. Die Antwort ist einfach. Garrett ermittelt nicht in irgendeiner amerikanischen Großstadt, sondern in TunFaire, der Hauptstadt von Karenta. Diesmal verschlägt es ihn allerdings ins Cantard, das ist ein Kriegsgebiet mit einer Stadt namens Full Harbor. Offensichtlich handelt es sich um eine Anspielung auf Pearl Harbour, die aber nicht weiter ausgeführt wird. Unterstützt bei seiner Suche wird Garrett von Morpheus Ahrm, einem elfischen Killer, drei Grollen, die eine Mischung zwischen Mensch, Troll und dem “Sprechenden Tier” sind und ziemlich schnell die Geduld verlieren und natürlich von dem “Toten Mann”, der tatsächlich so tot ist, wie es nur geht, was ihn aber nicht daran hindert, mit Garrett zu kommunizieren. Seine Gegner sind Einhörner, Vampire und ein Zentaur.

Der Knackpunkt des Romans ist wie so oft die Sprache. Einerseits ist es spaßig, daß Cook genau den Ton seiner Vorbilder trifft, andererseits verhindert dieser lakonisch-zynische Ton, daß Spannung aufkommt. Cook erliegt offensichtlich wie viele andere Fantasy-Autoren dem Irrtum, daß das Hinmetzeln von möglichst vielen Ungeheuern per se spannend ist. Und so witzig ist das Buch nicht, daß die Komik die fehlende Spannung wettmachen würde. Auch die Wahl der Namen könnte bei sensiblen Gemütern zu Zahnschmerzen führen, wenn z.B. ein Riese Lou Latsch genannt wird.

Cover des Buches "Zeppelins West" von Joe R. LandsdaleBullen, Pferde, Planwagen und hunderte von Statisten verschiedener Nationen befinden sich an Bord einer Staffel von Zeppelinen, mit denen Buffalo Bills Wild West Show gen Japan schwebt, um dort vor dem Shogun aufzutreten. Buffalo Bill Cody selbst war allerdings schon einmal besser in Schuss: Nach einem fatalen Zwischenfall ist von ihm nur noch ein Kopf in einem Einweckglas voller Schweine-Urin geblieben, an dem gelegentlich eine Kurbel bedient werden muss, um Cody wach zu halten. Davon lässt er sich jedoch nicht abhalten, nebst der Show noch einen Geheimauftrag bei den Japanern auszuführen.

-If viewed from below, the twelve of them appeared to be brightly colored cigars. It seemed God had clumsily dropped them from his humidor. But fall they didn’t. They hung in the sky, floated on, and from time to time, as if smoked by invisible lips, they puffed steam.-

Zeppelins West stammt aus der Zeit vor der Steampunk-Schwemme, als noch nicht auf jedem dritten Cover ein Luftschiff prangte, und es zelebriert das Genre auf eine Weise, wie es kaum ein aktuelles Werk wagt: Joe Lansdale stürzt sich auf alles, was die Ära hergibt, schert sich nicht um Konventionen oder gutes Aussehen und nimmt seine LeserInnen mit auf eine Achterbahnfahrt, bei der die ganze Maschinerie ein dampfgetriebenes Ungetüm ist, und nicht nur ein paar steampunkige Kulissen herumstehen.
Lansdale beginnt – für die Begriffe dieses Romans noch völlig harmlos –, indem er die ganze Kuriosität der ohnehin schon überkandidelten Wild West Show auf Zeppeline packt und damit auf die Spitze treibt (aber gar nicht mal so sehr, wenn man sich die Dimensionen dieses Spektakels im historischen Kontext zu Gemüte führt). Stück um Stück eröffnet sich alsbald, wie sehr das Szenario von der realen Geschichte abweicht, und über die immer kühneren Entwürfe und Verflechtungen historischer, literarischer und neu erfundener Figuren und Ereignisse wird man Seite um Seite mehr ins Staunen geraten. Bis in kleinste Nebenrollen hinein begegnet man mehr oder weniger bekannten Gestalten, und keine Ikone der Ära ist davor sicher, von Lansdale mitgerissen und auf eine Art präsentiert zu werden, wie man sie bestimmt noch nie erlebt hat: Stoker, Wells, Verne, Shelley und Baum sind die bekanntesten Beiträger für die Episoden von Zeppelins West.

Nur ein famoser Erzähler wie Lansdale kann ein solches Konglomerat sämtlicher Steam-Fantasien durchziehen, ohne den Faden der Erzählung, die in schneller Folge von einem Abenteuer ins nächstgrößere stolpert, gänzlich zu verlieren. Die Wild West Show wird schnell zum Nebenereignis, und nur bei den perfekt sitzenden Dialogen zwischen der Action am laufenden Band und den stetigen Schauplatz- und Perspektivwechseln kehrt manchmal ein Hauch von Ruhe ein.
Mit den Helden der Erzählung – vor allem den Stars der Wild West Show – pflegt Lansdale einen erdig-dreckigen Umgang – Buffalo Bill Codys in Schweinepisse und Whisky eingelegter Kopf ist bei weitem nicht die größte Absurdität des Romans. Nicht nur diesbezüglich, sondern auch in der Bandbreite der Anspielungen und der (wenn auch nicht geographischen) Verortung der Handlung im wilden Westen könnte Zeppelins West ein Seelenverwandter von Jack Yeovils Dark-Future-Romanen sein.

Star des Romans ist neben dem herrlich wortkargen und nur manchmal fragwürdige indianische Weisheiten von sich gebenden, aber stets pragmatischen Sitting Bull vor allem Ned der Seelöwe, ein tierischer Gefährte von Kapitän Bemo (mit solcherlei gutgelaunt-saloppen Verfremdungen ist jederzeit zu rechnen), ein eigenwilliger Charakter, der nicht zuletzt dank der wunderbaren Illustrationen von Mark A. Nelson (die dem Band überhaupt ein sehr gediegenes Äußeres geben) Lesern und Leserinnen schnell ans Herz wachsen wird.
Mit einem guten Schuss Horror sollte man leben können, wenn man Zeppelins West genießen will – es werden mitunter Leute verspeist, zerlegt oder anderweitig unschön aus dem Dasein befördert, aber stets mit einem Hang zum Bizarren statt zum Bösartigen. Der Body-count ist allerdings von Anfang an hoch, und auch sonst geht es immer wird derb zur Sache – im Bett, bei Tisch und an ungewöhnlicheren Orten. Dem gegenüber steht eine der sicher ungewöhnlichsten Romanzen der phantastischen Literatur, die nicht weiter von heteronormativen Zuschreibungen entfernt sein könnte.

Nach x Abenteuern wird es jedoch sichtlich schwer, Zeppelins West mit einem adäquaten Ende auszustatten – irgendwann lassen sich die sich überschlagenden Ereignisse nicht mehr toppen, noch können sie auf simple Weise zum Abschluss gebracht werden; das relativ desolate Finale erscheint jedoch (auch wenn es in Teilen für die Fortsetzung Flaming London revidiert wurde) nach den rauen, aber beinahe naiv übersteigerten Ereignissen zuvor ein wenig hart.
Insgesamt kann aber auch diese Einschränkung nur ein klein wenig an den herrlich bizarren Abenteuern kratzen, die die ohnehin übertrieben-heroischen Lebensläufe der Wild-West-Stars krönen – Freunde des Steampunk und der viktorianischen Abenteuerliteratur sollten also zusehen, ob sie eine Ausgabe auftreiben können (wenn nicht die illustrierte limitierte, dann vielleicht die Gesamtausgabe beider Bände der Reihe, die unter dem Titel Flaming Zeppelins erschienen ist).

Ziemlich viele Prinzessinnen von Diana Wynne JonesAbdullah, ein gewöhnlicher Teppichhändler und Waise mit Verwandten, die nicht wirklich viel von ihm halten, gibt sich oft und gerne seinen Tagträumen hin, wo er als Prinz eine wunderschöne Prinzessin trifft. Die Träume werden allzu real, als Abdullah einen Teppich erwirbt, der angeblich fliegen kann. Zunächst scheint der Kauf ein Reinfall zu sein, doch als Abdullah darauf einschläft, wacht er wenig später im Garten des Sultans auf und trifft dort dessen Tochter, Flower-in-the-Night, in die er sich prompt verliebt. Schlecht für ihn, dass gerade ein Djinn auf Streifzug ist und Scharen von Prinzessinen, inklusive Flower-in-the-Night, entführt. Zusammen mit seinem Teppich und einem eigenwilligen Flaschengeist macht sich Abdullah daran, seine Geliebte zu befreien.

Zu Ziemlich viele Prinzessinnen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Zweite Legion von Richard SchwartzHavald und seine Gefährten beschließen, nach den Ereignissen im Wirtshaus Hammerkopf die magischen Tore zu benutzen, um in das legendäre Reich Askir zu reisen, und dort um Hilfe gegen die Invasoren zu bitten. Doch ein seltsamer Wanderer, der im Gasthaus eintrifft, erzählt Havald, daß die Länder, aus denen Askir bestand, inzwischen uneins sind. Trotzdem bekräftigt er Havald in seinem Vorhaben, in Askir vorzusprechen.
Um eines der Tore benutzen zu können, müssen die Gefährten hoch in das eisige Gebirge reisen, wo ihnen etliche Gefahren drohen – denn schon ist der Feind auf ihrer Spur, ohne daß sie es ahnen …
Nach etlichen Strapazen gelangen sie in das Wüstenreich Bessarein und etliche politische Verstrickungen.

-Ich lehnte mich zufrieden in meinen Stuhl zurück, Eberhard, der Wirt des Gasthofs Zum Hammerkopf, hatte sich in der Küche selbst übertroffen, und ich fühlte mich angenehm gesättigt.-
1. Tore und Steine

Nachdem Das Geheimnis von Askir mit Das Erste Horn im Auftakt als eisiges, atmosphärisches Kammerspiel fesseln konnte, geht es nun aus dem beklemmenden Wirthaus für die Gefährtengruppe hinaus in die weite Welt – die Queste, Verstärkung gegen die einfallenden Feinde zu holen, wartet. Und kaum ist man ein Stück weit unterwegs, präsentiert Richard Schwartz ganz gelassen und selbstverständlich einen actionlastigen Universal-Fantasy-Mischmasch, in dem unsere Helden Unterweltpanther, Riesenkakerlaken, Lindwürmer und eine Spinnenkolonie bekämpfen müssen – als wären im Hintergrund die Würfel unter der Prämisse gerollt, nur ja kein Höhlengewürm auszulassen, das man in einer “best of”-Sammlung eines beliebigen Rollenspiels finden könnte.
Daß das Geschnetzel – verglichen mit ähnlichen Werken – tatsächlich leidlich unterhaltsam ist (und nach der ersten ermüdenden Höhlenpartie sogar einigermaßen mitreißend wird), liegt an Schwartz’ unbestreitbarem Erzähltalent: Die Erzählperspektive des alten Recken Havald geht ihm derart gut von der Hand, daß man auch das knietiefe Waten im Klischeesumpf ertragen kann, und der Stil liest sich flüssig und schön (von ein paar Macken wie einer häufig verschusselten Zeitenfolge, wenn in der Vorvergangenheit berichtet wird, einmal abgesehen). Um den jovial vorgetragenen Sexismus, in dem der Erzähler sich häufig ergeht, zu ertragen, muß man allerdings schon mehr als ein Auge zudrücken.

Die einzelnen Kurzkapitelchen machen meistens Spaß, lesen sich locker und flott und lassen Die Zweite Legion zu einer soliden Unterhaltungslektüre werden, doch aus dem Mittelfeld würde die Reihe nur herauskommen, wenn man in den Ideen in Sachen Setting und Handlung endlich einmal Schwartz’ eigene Hand erkennen würde und nicht das Gefühl hätte, alles wäre etwas lieblos aus Versatzstücken zusammengepinselt. Die Handschrift des Autors in Welt und Ideenfindung gehört mit zur eigenen “Poesie” der Fantasy und ist oft Teil des Lesevergnügens – hier leider mehr als blaß umgesetzt.

Und man muß davon ausgehen, daß dies genau so Absicht ist, denn in anderen Gebieten zeigt sich Schwartz durchaus erfinderisch: Kann man die Ansprüche an Weltenbau & Konsorten etwas herunterschrauben, wird man nämlich prächtig von den humorigen Streitigkeiten innerhalb der Gefährtengruppe unterhalten – in diesem Band hat sich Schwartz besonders der spröden Dunkelelfe Zokora angenommen, deren trockener Humor fast in jedem Kapitel Lacher garantiert. Damit präsentiert der Autor seine Helden auf warme und trotz der Klischees eigene Art, so daß man mit den Schwächen Nachsicht üben kann.
Mag auch die Handlung kein Knüller sein, ebensowenig die Welt, aber die Charaktere und ihre Interaktionen sind meistens ein herrlicher, lebendiger Spaß und sorgen für ein kurzweiliges Lesevergnügen.

Cover von Die Zwerge von Markus HeitzDas Tote Land ist auf dem Vormarsch – immer mehr Völker fallen ihm zum Opfer. Viel ist passiert, seit die Zwerge einst die Zugänge zum Geborgenen Land schützten.
Tungdil, ein junger Zwerg, ist fernab von seinem eigenen Volk als Findelkind bei dem Magier Lot-Ionan aufgewachsen. Nur über Bücher und alte Schriften erfährt er Einzelheiten über die Zwerge. Eines Tages wird er von seinem Ziehvater auf einen Botengang geschickt – der Anfang eines großen Abenteuers. Durch viele Irrungen und Wirrungen findet sich Tungdil als Thronanwärter des Zwergenvolkes und Retter des Geborgenen Landes wieder, gerät in allerlei Bedrängnis und erlebt viele Abenteuer, deren Ausmaß er sich vorher nie vorzustellen vermochte.

-Weißer Nebel füllte die Schluchten und Täler des Grauen Gebirges. Die Gipfel der Großen Klinge, der Drachenzunge und der anderen Berge erhoben sich trotzig aus dem Dunst und reckten sich der Abendsonne entgegen.-
Prolog

Markus Heitz hat ohne Zweifel eine gute Schreibe. Sein Stil ist ansprechend und die verwendeten Formulierungen wissen zu gefallen. Die Zwerge lässt sich dementsprechend flüssig lesen und bietet gute Hausmannskost.
Thematisch widmet er sich dem “kleinen” Volk der Zwerge, die er in ein interessantes Szenarion versetzt. Die Idee der verschiedenen Zwergenclans mit den unterschiedlichen Fähigkeiten und dem Auftrag der gesamten Zwergenheit, für den Schutz des Geborgenen Landes Sorge zu tragen, sorgt von Anfang bis Ende für spannende Unterhaltung.
Allerdings zeigt das vorliegende Werk bei näherer Betrachtung deutliche Schwächen. Die Story ist, wenn man den neuen Aspekt “Zwerg” mal außen vor lässt, dem alten Kampf von Licht und Schatten, Gut und Böse gewidmet. Für Schattierungen bleibt kaum Platz.
Die Idee, die LeserInnen an der Gedankenwelt der ProtagonistInnen teilhaben zu lassen, ist immer gefährlich. So ist es beispielsweise seltsam bzw. schwer zu erklären, dass, wenn der Blick auf einen Bösewicht fokussiert wird, man trotz des Einblicks in seine Gedanken nichts über die Dimensionen seiner Bösartigkeit erfährt, obwohl er gerade eine Abscheulichkeit sondergleichen plant. Heitz hätte hier besser früher weggeblendet oder eine andere Figur herangezogen. Auch an anderen Stellen läuft er in diese Falle, in denen z.B. sein Held in bestimmten Situationen viel zu kühl und rational wirkt.
An anderen Stellen wird seine Erzählung nicht der Situation gerecht, wenn sich beispielsweise ein 298jähriger Thronfolger durch einen 63jährigen Mitbewerber verunsichern und wie ein kleines Kind behandeln lässt.
Außerdem kommt es zu Logikfehlern. Wenn der eine Zwergenclan z.B. seit 200 Jahre keinen Kontakt mehr unterhält, weil er in den letzten 30 Jahren von der Tradition abgewichen ist. Dafür verfügt er aber noch über das Wissen über bestimmte Transporteinrichtungen, die auch regelmäßig gewartet werden, die bei anderen Zwergenclans schon seit mehreren Jahrhunderten vergessen sind und erst wiederentdeckt werden müssen.
Die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen im Geborgenen Land sind kaum zu erklären, wenn man sich die Dimensionen vor Augen führt. Auch die skizzierten kulturellen Unterschiede lassen sich kaum mit den Distanzen erklären, und Heitz bietet leider auch keine geeigneten Erklärungsmuster an. Die Welt erweckt den Eindruck eines Flickenteppichs, wo von allem was dabei ist/sein muss.
Insgesamt ist Die Zwerge leider ein durchschnittliches Buch geworden. Es weiß zu fesseln, aber die vielen kleinen Detailfehler haben den Lesespaß ein ums andere Mal deutlich beschnitten. Ich habe es mit der Hoffnung beiseite gelegt, daß es Heitz beizeiten nochmal gründlich überarbeitet.

Die Zwerge von Amboss von Thomas PlischkeDer Zwergen-Ermittler Garep Schmied muß zusammen mit seinem Assistenten einen Mordfall aufklären: Ein Komponist wurde ermordet, und alle Indizien deuten darauf hin, daß sein menschlicher Diener den Mord begangen hat. Garep hat jedoch seine Zweifel.
Als allerdings ein weiterer Übergriff von Menschen auf Zwerge stattfindet, kocht die ohnehin geladene Stimmung über: Im Wahljahr der Zwerge haben diese Fälle, die augenscheinlich von den als Flüchtlingen im Zwergenreich lebenden Menschen begangen wurden, auch politische Bedeutung. Nachdem Garep endlich eine Verdächtige an der Hand hat, wird ihm der Fall entzogen.
Derweil laufen im Hintergrund schon längst die Vorbereitungen für einen Krieg…

-Garep Schmied hätte nie erwartet, im Zuge seiner Arbeit einmal eine Silberflöte aus dem Rücken eines Zwergs ragen zu sehen.-
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Sollte einmal eine Wahl zum unoriginellsten aller Fantasy-Völker stattfinden, so hätten die Zwerge wohl nicht die schlechtesten Chancen darauf, den Titel zu ergattern. Seit einst der erste Zwerg tolkienesker Ausprägung seinen Kopf aus einem Felsenschacht strecken durfte, bevölkern sie als wandelndes Klischee mit Bart, Spitzhacke und einem Hang zur Derbheit diverse Fantasywelten. Individuelle Charakterzüge sind meist eine Fehlanzeige, man begegnet stets Abgüssen des „Urzwergs“.
Auch in Thomas Plischkes Zerrissenen Reichen schimmert dieser klassische Fantasy-Zwerg hin und wieder durch – immer dann, wenn seine umtriebigen Nachfahren auf ihre ferne Vergangenheit blicken. Für Die Zwerge von Amboss wurde der Klassiker aber konsequent und auf sehr authentische Art und Weise weiterentwickelt, in eine industrialisierte, säkularisierte und zutiefst bürgerliche Zwergengesellschaft, so daß man sich als Leser in einer phantastischen Version des wilhelminischen Zeitalters wähnt, in dem Zwerge plötzlich einen Alltag und Familien haben (aber auch Feuerwaffen und Eisenbahn) und beinahe ein wenig beschämt auf ihre vergangenen Tage als Buddler und Krieger zurückblicken.

Schon diese augenzwinkernde Betrachtung liebgewonnener Klischees spricht für eine originelle Bearbeitung des Zwergenstoffs (oder auch Rollenspielstoffs, denn man begegnet noch Halblingen und Elfen, Diebesgilden, höhlenbewohnenden Ungeheuern und weiteren Ingredenzien, die an rollende Würfel denken lassen), doch trotz der Anlehnung ans wilhelminische Kaiserreich stechen vor allem brandaktuelle Themen aus der Romanhandlung hervor: So sind in diesem Szenario etwa die Menschen aufgrund einer Art verschärfter Variante der Reformationskriege Flüchtlinge, und die Zwerge sind wenig angetan von den vielen schmarotzenden Ausländern, die in ihre Städte strömen. Daß einem bei den Debatten, ob und wie diese Menschen besser zu integrieren seien, deutsche Politiker diverser Couleur in den Sinn kommen, ist vielleicht ein nicht ungewollter Nebeneffekt, und dem Roman tun die unverbrauchten Themen und der Gegenwartsbezug gut. Daß solcherlei Konflikte meistens durch die Sichtweise der Zwerge vermittelt werden, macht sie um so interessanter.
Zudem erinnern stets viele liebevoll gestaltete Details daran, es nicht nur mit kleingeratenen Menschen, sondern einer eigenen, wie gewachsen wirkenden Kultur zu tun zu haben: Zwergische Bräuche, Sprachbilder und Eigentümlichkeiten gibt es zu Hauf zu entdecken, alle ideenreich vom Urzwerg abgeleitet und durch den Fleischwolf einer geschichtlichen Entwicklung gedreht. Sprachlich sind diese Dinge gekonnt eingebunden, etwa wenn Körperteile zwergisch benannt werden.
Nebst verschiedenen (tatsächlich sehr individuellen) Zwergen, die Teestuben besuchen, Moden nacheifern oder sich alldem traditionalistisch verweigern und politische Debatten führen, darf man allerdings auch noch Halblingen, die hier eine Art bürokratische Aufseherkaste stellen und sich als ein fremdartiges, eigentümliches Volk entpuppen, und den auf die ein oder andere Weise von ihrer Religion bestimmten Menschen über die Schultern schauen. Sowohl die Charaktere als auch das politische Szenario, das im Laufe der Handlung bedenklich ins Wanken gerät, werden kontinuierlich entwickelt und sorgen dafür, daß es kaum Leerlauf gibt und Spannung groß geschrieben wird.

Einen Großteil der Faszination dieses Auftaktbandes macht dennoch das Entdecken der gut ausgearbeiteten Welt aus, hinzu kommt die spannende Mischung aus Krimi-Elementen, politischer Verschwörung und eines sich anbahnenden Konflikts zwischen Glauben und Vernunft. Nachdem die Handlung mit Garep Schmied anfangs vor allem auf eine Figur setzt, die sich nahe am Hardboiled detective bewegt – ein desillusionierter Ermittler mitsamt verlorener Liebe, halb geheimen Süchten und Schnüfflermentalität – dreht der Plot später eher in die Abenteuer- und Thrillerecke ab, in der die Charaktere nicht ganz so gut auftrumpfen können. Zusammen mit dem Nachlassen der entdeckerischen Aha-Effekte ergibt sich ein für das interessante Szenario doch etwas konventionelles Ende, das leider auch mehr als offen bleibt. Ähnliches geschieht in einem zweiten Handlungsstrang rund um medizinische Experimente an den Insassen einer Heilanstalt, der beeindruckend beginnt und mit einem Traum aufwarten kann, der zu den stärksten Szenen des Romans zählt, dessen Ende aber vorhersehbar ist und den Erwartungen nicht ganz gerecht wird.
Doch selbst wenn die Spannungskurve zum Ende hin etwas abflacht, liegt doch ein Roman vor, der gleichzeitig ein hohes Tempo und einen bisher in Zwergenreichen ungekannten Tiefgang an Themen und Charakteren – und durchaus auch Humor – zu bieten hat. Da sich der Wirkungsradius der Handlung in den finalen Szenen erhöht, darf man gespannt erwarten, was es im nächsten Band zu entdecken geben wird und wie die vielen, teilweise erst ansatzweise eingebrachten Themen fortgeführt werden.
Die Zwerge sind also rehabilitiert!

Zwischen neun und neun von Leo PerutzStanislas Demba muß dringend Geld auftreiben. Aus diesem Grund läuft er seit dem Morgen durch das kaiserlich-königliche Wien und trifft dabei auf alle möglichen Leute. Doch warum benimmt er sich ihnen gegenüber so merkwürdig? Unterhält er sich zunächst freundlich mit Fremden und Bekannten, wechselt sein Ton aus heiterem Himmel und Demba wird ausfallend und aggressiv, einmal tritt er sogar einen Hund, der ihm nichts getan hat. Gibt es einen Grund für Dembas Stimmungsschwankungen? Und was noch wichtiger ist: Wird es ihm gelingen, an das benötigte Geld zu kommen?

-Die Greislerin in der Wintergasse, Frau Johanna Püchl, trat an diesem Morgen gegen halb acht Uhr aus dem Laden auf die Straße. Es war kein schöner Tag. Die Luft war feucht und kühl, der Himmel bewölkt.-
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Stellen Sie sich vor, ein Hollywood-Produzent möchte den Kinohit des Jahres produzieren. Er hat ein großartiges Drehbuch, er engagiert die besten Schauspieler und damit der Clou der Geschichte nicht vorzeitig verraten wird, müssen alle am Film beteiligten eine Geheimhaltungsklausel unterschreiben. Der Produzent tut alles, was ihm möglich ist, um den Zuschauern einen spannenden und überraschenden Film zu präsentieren. Und wenn dann der Film in Deutschland anläuft, engagiert der Filmverleih viele, viele Studenten, stellt sie vor die Kinos, stattet sie mit Megaphonen aus und läßt sie den gespannt an den Kinokassen wartenden Zuschauern zwar nicht das Ende der Geschichte, aber immerhin ein entscheidendes Detail lautstark verraten.
Sie meinen, das ist völlig irrsinnig und das macht doch keiner??? Sie haben vollkommen recht, Filmverleiher sind viel zu intelligent, um ihre Zuschauer auf diese Weise zu verärgern. Nur, warum ist dieses irrationale Verhalten gängige Praxis bei den Buchverlagen? Der Rezensent redet von dem Klappentext, bzw. von den Inhaltsangaben, die Verlage auf/in ihre Bücher drucken und in wenigen Zeilen so viel von der der Geschichte verraten, daß man sich die Lektüre sparen kann. Um so ägerlicher ist dies, wenn es einen so hervorragenden Schriftsteller wie Leo Perutz trifft.

Mehr als sieben Kapitel hindurch verschweigt Leo Perutz meisterhaft auf sehr originelle und kunstvolle Weise dem Leser, warum Stanislas Demba sich so merkwürdig verhält. Statt dessen schildert Perutz humorvoll die aberwitzigen und skurrilen Situationen, in die Demba gerät. Die Leute, die er trifft, stellen sehr phantasievolle Vermutungen über den Grund seines Benehmens an: Steht er unter Haschischeinfluß, ist er ein Krüppel oder ein schrulliger Gelehrter? Und der Leser spekuliert fröhlich mit. Es sei denn, er hat den Fehler gemacht und die Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches gelesen. Dort steht nämlich die Auflösung, die sozusagen die erste Hälfte der Pointe der Geschichte ist und wenn man die kennt, dann ist das Buch natürlich nur noch halb so vergnüglich und spannend. Also tun Sie sich selbst, Leo Perutz und dem Rezensenten den Gefallen und lesen Sie NICHT die Inhaltsangabe des Buches und da zu befürchten ist, daß Internet-Buchhandlungen die Angaben des Verlages treu und brav übernommen haben, vermeiden Sie es, dieses Buch im Internet zu bestellen. Die Gefahr ist zu groß, daß es Ihnen nicht gelingt, die Inhaltsangabe zu ignorieren. Gehen Sie zum Buchhändler Ihres Vertrauens, betrachten Sie nur den Buchrücken und die Vorderseite und schlagen Sie sofort die Seite fünf auf, dort beginnt das erste Kapitel.

Noch ein Wort an die Leser, die dem Rat des Rezensenten gefolgt sind und schon Nachts unter der steinernen Brücke gelesen haben. Die Sprache, die Perutz in diesem Buch verwendet, ist eine ganz andere. Zwischen neun und neun ist in der modernen, zeitgemäßen Sprache des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts geschrieben und weit entfernt von dem poetischen Stil des Novellenromans. Auch ist die Geschichte realistisch und hat nichts mit der von Mythen und Legenden durchwobenen Erzählung über Kaiser Rudolf und seine Liebe zu der schönen Jüdin gemeinsam. Warum stellt Bibliotheka Phantastika Zwischen neun und neun dann eigentlich vor, wenn es sich doch um einen realistischen Roman handelt? Das, liebe Leser, ist sozusagen die zweite Hälfte der Pointe der Geschichte und wird deshalb nicht verraten…

Zwölf Wasser - Zu den Anfängen von E. L. GreiffBabu, ein Hirte der Merzer, will zunächst nicht mehr vom Leben, als seine Kafur-Herde erfolgreich zu vergrößern. Als er einen Falkner und dessen Szasla genannten Riesenfalken kennenlernt, wird alles anders …
Felt ist Wachhauptmann in Goradt, der letzten Stadt der Welsen, die einst die ganze Welt mit Krieg überzogen haben. Das Volk lebt nun elend in Eis und Schnee, immer am Rande der endgültigen Auslöschung. Doch unter ihrer Stadt beherbergen sie die Undae, heilige Frauen, die sich plötzlich mit einer bedrohlichen Prophezeiung zu Wort melden: Es stimmt etwas nicht mit den Quellwassern der Welt.

-Der Fisch gab auf. Sein Leben lang hatte er das Wasser in sich hineingepumpt und an den Kiemen entlangströmen lassen, jetzt war es vorbei. Erst sank er, dann drehte er sich und trieb langsam trudelnd aufwärts.-
Prolog: Das große Sterben

Deutsche und deutschsprachige AutorInnen, speziell in meinem Leib- und Magengenre, der epischen Fantasy, reißen mich aus nicht ganz geklärten Gründen nur selten zu großen Begeisterungsstürmen hin. Bei der vielen Auswahl, die es in den letzten Jahren gab, habe ich natürlich auch ein paar gefunden, die ich gerne gelesen habe, aber in meine Top 10 hat es keine/r geschafft. In meine Top 25 auch nicht.
Ob E. L. Greiff eine/r dieser LieblingsautorInnen werden könnte, steht nach ihrem Debütroman Zwölf Wasser: Zu den Anfängen noch in den Sternen, aber sie kommt der Kluft, die zwischen den besten deutschen AutorInnen und den besten internationalen immer noch besteht, zumindest sehr nahe, und die Folgebände, für die mit Zu den Anfängen eine Menge Potential geschaffen wurde, werden zeigen, ob sie auch darüberspringen kann.

Zunächst einmal nimmt sich der Auftaktroman jede Menge Zeit, um Figuren und Themen einzuführen, und das auf eine für heutige Maßstäbe ungewohnt sanfte Art und Weise: Weder bekommt man alles bis hin zum letzten Gedankengang haarklein vorgekaut, noch schießt Zu den Anfängen zu Beginn gleich eine ganze Breitseite an Informationen auf Leserinnen und Leser ab: Man hat sowohl beim Plot, aber vor allem auch bei den Figuren Zeit, nach und nach interessante Aspekte zu entdecken. Und das macht sich bezahlt: Beim anfangs (auch durch die Namenswahl) etwas naiv wirkenden Hirten Babu und mehr noch beim unscheinbaren Felt, aber auch der Vielzahl an wichtigen Nebenfiguren erfasst man erst nach etlichen gelesenen Seiten das Heldenformat, das sie mitbringen.
Die wahren Dimensionen des Plots schleichen sich ebenfalls durch die Hintertür herein, und während man sich vom gemächlichen Anfangstempo noch einlullen lässt, findet man sich unversehens in fesselnden Konflikten wieder, die die Welt von Zwölf Wasser radikal zu verändern drohen.

Doch auch bis dahin gibt es viel Interessantes: geradezu nostalgisch mutet die strikte Aufteilung in zwei Handlungsstränge an, die nicht abwechselnd, sondern nacheinander erzählt werden. Der Gegensatz zwischen den beiden Settings und Figurenhintergründen könnte nicht größer sein, wenn man von Babus gerade sesshaft werdender, üppiger Gesellschaft der Steppenhirten, die mit einem guten Blick für Details aus der Sachkultur lebendig dargestellt wird, in die karge Winterwelt des darbenden Volks der Welsen wechselt.
Der Handlungsstrang der Welsen, der sich liest, als würde er Jahre nach dem Punkt einsetzen, an dem Fantasyromane gewöhnlich mit dem Sieg über das Böse ein Happy End finden, ist eines der interessantesten und stärksten Elemente von Zu den Anfängen, in dem unemotional, aber hoch anrührend über ein immer noch gefürchtetes, völlig geschlagenes und verachtetes Volk berichtet wird, das sich an ein elendes Leben klammert.

Das Konzept der Quellen und der Bedeutung des Wassers für das Leben aller stellt sich im Laufe der Handlung nicht nur als erstaunlich innovativ umgesetzt heraus, sondern ist auch sehr offen für Interpretationen und weist von wissenschaftlichen über mythische bis hin zu spirituellen Komponenten eine große thematische Bandbreite auf. Greiff versteht es dabei auch, eine überzeugende Bildsprache zu finden, die im Verlauf des Romans an Intensität zunimmt und zu im besten Wortsinn phantastischen Schauplätzen führt. Hand in Hand damit geht eine sichere, angenehme und experimentierfreudige Sprache, die sich auch in den weltschöpferischen Aspekten bei Orts- und Figurennamen bemerkbar macht und nie die Grenze überschreitet, an der Sprachspielereien nicht mehr im Dienste der Geschichte stehen.

Die Autorenvorstellung des Verlags drückt sich bisher übrigens mehr oder weniger elegant davor, E. L. Greiff ein Geschlecht zuzuordnen – auch auf dem Blog bleibt es unklar. Im Zeitalter des Internets wirkt die Vorgehensweise ein wenig antiquiert und erinnert an Zeiten, als es nicht opportun war, mit einem eindeutig weiblichen Namen epische Fantasy (oder SF) zu veröffentlichen. Denselben Hofknicks vor etablierten Mustern macht Zwölf Wasser im Auftaktband dann auch bei den Geschlechterrollen, denn ein kleiner Schwachpunkt des Romans sind die Frauenfiguren, die zwar nicht nur in Gestalt der Undae mitunter vorhanden sind, aber bei Weitem nicht so viel Wirkmacht haben wie die männlichen Helden, obwohl ihnen vordergründig durchaus starke Rollen auf den Leib geschrieben wurden. Mit den Undae, den Wassermagierinnen und –weisen, ist Greiff allerdings eine faszinierend fremdartige Variante der spirituellen Frauenfigur gelungen, in der für die Folgebände noch einiges an Potential steckt.
Und das lässt sich mit begründeter Hoffnung für den ganzen Roman sagen – die angelegten Grundlagen lassen große Zusammenhänge erahnen, nehmen ein paar Fantasy-Traditionen innovativ auf und machen mit detailfreudiger Weltschöpfung Lust darauf, mehr zu entdecken. Zu den Anfängen ist damit mehr als lediglich ein weiteres solides Fantasy-Abenteuer, denn es schlägt ganz eindeutig in vielerlei Hinsicht eigene Wege ein, statt eine Erfolgsformel abzuarbeiten, und überzeugt als charakterzentrierte Geschichte mit einem starken Plot, die den Figuren ihr Überraschungspotential und ihren Entwicklungsraum lässt und ganz unaufgeregt zu einem beeindruckenden Debut heranwächst.