Bibliotheka Phantastika gratuliert Susan Cooper, die heute ihren 80. Geburtstag feiert. Ihre ersten Romane wurden erst nach ihrem Umzug in die USA veröffentlicht, aber auf die eine oder andere Weise ist die am 23. Mai 1935 in Burnham, Buckinghamshire, England, als Susan Mary Cooper geborene Autorin ihrer Heimat in fast jedem ihrer Romane treu geblieben.
Coopers Spezialität ist das phantastische Jugendbuch, daher ist ihr Debutroman Mandrake (1964) als an 1984 angelehnter SF-Roman für Erwachsene, der eine dystopische Zukunft Englands behandelt, eher ungewöhnlich für sie.
Einem typischen Fantasy-Stoff, nämlich der keltischen Mythenwelt, wandte sie sich mit ihrem bekanntesten Zyklus The Dark ist Rising zu. Dort werden gewöhnliche Kinder in einen Kampf zwischen Licht und Dunkelheit gezogen, in dem magische Fähigkeiten und das Wissen um alte Riten und Bräuche genauso wichtig sind wie Familienzusammenhalt und Menschlichkeit. Der erste Band Over Sea, Under Stone (1965) kommt noch sehr kindlich daher und bietet auch die jüngsten Protagonisten der ganzen Serie, die sich im Cornwall-Urlaub animiert von alten Karten und Sprüchen auf Schatzsuche begeben – nach dem heiligen Gral. Der zweite Band The Dark Is Rising (1973) ließ einige Jahre auf sich warten und spricht dann auch etwas ältere Leser und Leserinnen an: Wieder wird ein Jugendlicher, Will Stanton, in die Suche nach mächtigen Artefakten im Kampf gegen die Dunkelheit verwickelt, den fünf Zeichen. Er muss im Wechsel Abenteuer in einer archaischen Anderwelt und dem Hier und Jetzt bestehen und darf sich nicht von den durchaus grusligen Dienern der Finsternis aufhalten lassen. Die Beschreibungen des ländlichen England und der nahtlos eindringenden, aber trotzdem verstörenden Magie und die in den örtlichen Gegebenheiten verwurzelte Queste machen The Dark Is Rising zu einer zeitlosen, sehr lebendigen klassichen Fantasy-Geschichte. In den weiteren Fortsetzungen Greenwitch (1974), The Grey King (1975) und Silver on the Tree (1977) weitet sich der Kampf zwischen Licht und Dunkel dann in den walisischen Sagenstoff und schließlich die Artussage hinein aus, und alle Protagonisten müssen zusammen kämpfen, um die Bedrohung abzuwenden. Die Reihe erschien auf Deutsch in den Bänden Bevor die Flut kommt (1984), Wintersonnenwende (1977), Greenwitch (1985), Der Graue König (1986) und Die Mächte des Lichts (1986), und wurde als Sammelband namens Lichtjäger 2008 neu aufgelegt.
Dieser Verknüpfung von Gegenwart und Vergangenheit, von Mythen und Normalität blieb Susan Cooper weiterhin verhaftet, auch wenn sie an den Erfolg von The Dark Is Rising nicht mehr anknüpfen konnte. Ein wie ein Sekundärweltroman anmutendes Jugendbuch hat sie mit Seaward (1983, dt. Am Ende das Meer (1987)) verfasst, das den Weg zweier verwaister Jugendlicher durch eine surreale Landschaft zum Meer verfolgt. Green Boy (2002) kehrt dagegen mit einem Umweg über die Bahamas wieder in den keltischen Sagenkreis zurück.
Mit Zeitreisen (Victory (2006), dt. Victory (2007)), zum Leben erwachenden Geschichten oder Theaterstücken (King of Shadows (1999), dt. Pucks Traum (2002) und The Magician’s Boy (2005)) und in die Moderne katapultierten Monstern (The Boggart (1993), dt. Boggart (1998)) hat sich Susan Cooper mit recht typischen Jugendbuchstoffen beschäftigt, man darf aber davon ausgehen, dass auch darin ihre Menschlichkeit und ihr geerdeter Umgang mit dem Übernatürlichen zum Einsatz kommen.
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Bibliotheka Phantastika gratuliert Rob Chilson, der heute 70 Jahre alt wird. Der am 19. Mai 1945 in Ringwood, Oklahoma, geborene Robert Dean Chilson zählt zu den Autoren, die viele Jahre lang mit einer gewissen Regelmäßigkeit immer wieder Stories und gelegentlich auch den einen oder anderen Roman zur SF beigetragen haben, ohne dabei sonderlich bekannt zu werden oder gar den großen Durchbruch zu schaffen. Bei Chilson dürfte das mit daran liegen, dass er hauptsächlich als Kurzgeschichtenautor aktiv war bzw. ist – seinen gerade einmal sieben Romanen stehen mehr als 70 Stories gegenüber –, und die letztgenannte, auf den ersten Blick beeindruckende Zahl relativiert sich, wenn man bedenkt, dass seine schriftstellerische Karriere bereits 1968 mit der Veröffentlichung von “The Mind Reader” in der Juni-Ausgabe des eher der Hard SF zuneigenden Magazins Analog begonnen hat. Die nächsten Jahre schrieb Chilson ausschließlich für Analog, wo bis August 1973 insgesamt zwölf Stories von ihm erschienen. Umso erstaunlicher ist es, dass sein erster Roman so gar nicht zu der Art von SF passt, die in Analog gepflegt wurde und wird – ganz im Gegenteil.
As the Curtain Falls (1974) spielt viele Millionen Jahre in der Zukunft auf einer Erde, auf der die Meere längst verschwunden sind und die Menschen auf dem nun größtenteils trockenen ehemaligen Meeresgrund leben, da die Kontinente öde und unfruchtbar geworden sind. Einst sind die Menschen ins All aufgebrochen, sind zurückgekehrt und dann erneut zu den Sternen geflogen, doch von dieser glorreichen Vergangenheit sind nur ein paar Erinnerungen und Artefakte geblieben; kulturell und politisch herrschen pseudo-mittelalterliche Verhältnisse. Durch diese von miteinander verfeindeten Reichen und Stadtstaaten dominierte Welt zieht der vergleichsweise gebildete Trebor of Amballa auf der Suche nach den Resten einer besonders mächtigen Hochzivilisation, mit deren Hilfe sich die Menschheit vielleicht zu neuer Größe aufschwingen könnte – doch um sein Ziel zu erreichen, muss er wieder und wieder zum Schwert greifen, um sich der Angriffe von Stammeskriegern, Hexen und Zauberern und seltsamen Tieren zu erwehren …
Mit As the Curtain Falls (dt. Wo die letzten Menschen hausen (1979)) ist Rob Chilson ein ungemein lesbarer Abenteuer- bzw. Sword-&-Planet-Roman gelungen, der weniger durch seinen mäandernden Plot, sondern vor allem durch das mit leichter Hand skizzierte und dennoch detailreiche und überaus plastische Setting und die sich rasch abwechselnden farbigen Szenen überzeugt – und der sich im Nachhinein viel umfangreicher “anfühlt” als er tatsächlich ist. Darüberhinaus lassen sich – nicht zuletzt bedingt durch die Tatsache, dass Trebor kein so richtig sympathischer Held ist – gewisse Parallelen zu Jack Vance (oder genauer: zu den Erzählungen um Cugel) entdecken, auch wenn die beiden Autoren sich stilistisch deutlich unterscheiden.
Chilsons andere Romane aus den 70ern – The Star-Crowned Kings (1975) und The Shores of Kansas (1976) – sind ebenso eindeutig der SF zuzurechnen wie Refugee (1988; Teil der Reihe Isaac Asimov’s Robot City) und Men Like Rats (1989), wohingegen in Rounded with Sleep (1990) und Black as Blood (1998) wieder Fantasy- bzw. phantastische Elemente zu finden sind. Von diesen Romanen wurde nur Refugee (als Die Zuflucht (1989)) übersetzt, und auch von den mehr als 70 Stories, die Robert (ab etwa Anfang der 80er Jahre nur noch Rob) Chilson geschrieben hat, haben es gerade mal eine Handvoll nach Deutschland geschafft.
Bibliotheka Phantastika gratuliert Courtney Schafer, die heute 40 Jahre alt wird. Die am 25. April 1975 in Atlanta, Georgia, geborene Courtney Schafer studierte Elektrotechnik am California Institute of Technology (Caltech) und an der University of Colorado und arbeitet hauptberuflich in der Luft- und Raumfahrtindustrie. Schon seit ihrer Studienzeit begeistert sie sich fürs Klettern und Bergsteigen, Skifahren und Tauchen, und ihre Begeisterung vor allem fürs Klettern und Bergsteigen merkt man ihrem Debut The Whitefire Crossing (2011) auch deutlich an.
Denn in The Whitefire Crossing, dem Auftaktband der Trilogie The Shattered Sigil, spielt die Überquerung der Whitefire Mountains – einer Bergkette, die die Stadt Ninavel von ihrem Nachbarland Alathia trennt – eine zentrale Rolle. Normalerweise ist das keine große Sache für Dev, der sich in den Bergen bestens auskennt und schon oft Karawanen durch das gefährliche Terrain geführt hat – und nebenbei den einen oder anderen magischen Talisman nach Alathia geschmuggelt hat, wo alles, was mit Magie zu tun hat, strengstens verboten ist. Auch dieses Mal geht es um Schmuggel, doch statt irgendeinen magischen Gegenstand unbemerkt über die Grenze zu schaffen, soll Dev einen jungen Mann namens Kiran nach Alathia bringen. Das macht die Sache natürlich deutlich schwieriger; umso mehr, als es sich bei Kiran um den Lehrling eines Blutmagiers handelt, dessen Meister keineswegs beabsichtigt, seinen Lehrling so einfach ziehen zu lassen.
Mit The Whitefire Crossing ist Courtney Schafer ein erfrischendes Debut gelungen, in dem es weder um die sich abzeichnende Vernichtung der Welt noch um einen drohenden großen Krieg geht, sondern in dessen Mittlelpunkt mit Dev und Kiran zwei klar gezeichnete Figuren stehen, die sich zwar einerseits deutlich voneinander unterscheiden, andererseits aber auch Gemeinsamkeiten aufweisen. Dev, der als Dieb auf der Straße aufgewachsen ist, nimmt es mit dem Gesetz meist nicht allzu genau, und er genießt und braucht den Kick, den ihm seine gefährlichen Touren bzw. das Meistern all der dabei auftretenden Gefahren verschaffen. Aber wie so viele Abenteurer hat er ein Herz aus Gold und ein ausgeprägtes Pflichtgefühl. Kiran wiederum ist alles andere als ein Naturbursche; ihm verlangt das Überleben in der wilden Bergwelt alles ab. Außerdem ist er ein Lehrling der gefährlichsten und mächtigsten Magie, die in Ninavel praktiziert wird – doch er hat auch ein Gewissen und wird immer versuchen, das Richtige zu tun, ganz egal, was es ihn kostet. Natürlich können Dev und Kiran einander nicht von Anfang an vertrauen, doch genau das müssen sie lernen, wenn sie Erfolg haben oder auch einfach nur überleben wollen. Wie sie genau das lernen, schildert Courtney Schafer – eingebettet in beeindruckende, ungemein authentisch wirkende Szenen inmitten einer ebenso faszinierenden wie gefährlichen Bergwelt – auf überzeugende Weise.
Die Geschichte von Dev und Kiran – die natürlich Alathia erreichen – wird in The Tainted City (2012) fortgesetzt, und hier erfährt man auch mehr über die bis dahin nur angedeuteten Hintergründe und das Setting, so dass all die Leser und Leserinnen, denen dieser Aspekt im ersten Band zu kurz kam, eigentlich auf ihre Kosten kommen müssten. Die beiden Romane sind als Die Chroniken von Ninavel mit den Einzeltiteln Die Blutmagier (2013) und Stadt der Magier (2014) auch auf Deutsch erschienen. Der dritte Band steht auch im Original noch aus, da Courtney Schafer zu den Autoren und Autorinnen gehört, die vom Debakel von Night Shade Books betroffen waren bzw. sind. Nach einer erst vor kurzem gelaufenen erfolgreichen Kickstarter-Kampagne ist allerdings in den nächsten Monaten mit dem Erscheinen von The Labyrinth of Flame in den USA fest zu rechnen – und man kann hoffen, dass dann auch dieser Roman den Weg nach Deutschland findet.
Bibliotheka Phantastika gratuliert Richard Monaco, der heute 75 Jahre alt wird. Dem am 23. April 1940 in New York City geborenen Komponisten, Dichter, Literatur- und Filmkritiker, Drehbuchautor, Dramatiker, zeitweiligen Literaturagenten und last but not least Romancier Richard Monaco ist etwas höchst Ungewöhnliches gelungen, denn zwei seiner Fantasyromane – genauer: der erste und dritte Band der Saga of Parsival – wurden für den Pulitzer-Preis nominiert. Dennoch dauerte sein erster Ausflug in die Fantasy gerade einmal zehn Jahre, und auch wenn er seit etwa drei Jahren wieder im Bereich der Genreliteratur aktiv ist, musste oder wollte er den neuesten Beitrag zu seiner Saga of Parsival 2012 bei Lulu.com selbst verlegen, was darauf hindeutet, dass die entsprechende angloamerikanische Leserschaft ihn inzwischen ziemlich vergessen hat (und hierzulande dürfte man sich trotz dreier Veröffentlichungen in den 80er Jahren erst recht kaum noch an ihn erinnern).
In Parsival, or A Knight’s Tale (1977) erzählt Richard Monaco – angelehnt an den Parzival Wolfram von Eschenbachs und die Queste del Saint Graal aus dem altfranzösischen Vulgata-Zyklus – die Geschichte seines titelgebenden Helden, der von seiner Mutter beschützt und behütet fern aller Unbill der Welt heranwächst. Doch als er immer größer und kräftiger wird und eines Tages zufällig ein paar Rittern begegnet, schickt seine Mutter ihn an den Hof König Artus’, damit er in Camelot zum Ritter werden kann – und stirbt an gebrochenem Herzen, kaum dass Parzival die Burg verlassen hat. Der wiederum tappt – ganz der tumbe Tor, der er nun einmal ist – draußen in der Welt in ein Fettnäpfchen nach dem anderen und begeht eine schlimme Tat nach der anderen, da er in seiner Naivität und Unwissenheit schlicht nicht weiß, was er tut. Schließlich erreicht er Camelot, doch auch dort ist das Leben weit komplizierter als alles, was Parzival sich zuvor vorstellen konnte …
Wie man anhand dieses vagen Abrisses vielleicht ahnen kann, ist Parsival, or A Knight’s Tale alles andere als eine normale Artus-Geschichte bzw. Geschichte aus dem Artus-Umfeld. Denn Monaco hat die Artus-Sage all ihrer Ritterromantik entkleidet, die seit den Tagen von Malorys Le Morte d’Arthur ein wesentlicher Bestandteil des Artus-Sagenkreises war. Seine frühmittelalterliche Welt stinkt und ist dreckig und gewalttätig, seine Ritter der Tafelrunde sind Raufbolde, denen Wein, Weib und Metzeleien weitaus wichtiger sind als irgendwelche hehren Ideale. Und sein Parzival wird – unwissend zwar, aber das macht seine Taten nicht weniger verwerflich – zum Vergewaltiger und Mörder, ehe er erkennt, dass der Weg, den er geht, der falsche ist. Aber das macht es nicht leichter, den richtigen zu finden.
Parsival, or A Knight’s Tale wurde mit The Grail War (1979) und The Final Quest (1980) fortgesetzt (ursprünglich sollte es nur ein Roman werden, aber auch hier gilt vermutlich wie so oft “the tale grew in the telling”); diese drei Romane bilden eine Trilogie, die als Grals-Trilogie mit den Einzeltiten Parzival oder: Die Grals-Suche, Lohengrin oder: Der Grals-Krieg und Layala oder: Der Grals-Trunk (alle 1982) auch auf Deutsch erschienen ist. 1985 hat Richard Monaco die Saga of Parsival mit Blood and Dreams (auch als Blood and Dreams: Lost Years II (2014)) um einen weiteren Band ergänzt, der zeitlich zwischen Band I und II der ursprünglichen Trilogie angesiedelt ist. Und 2012 ist mit Lost Years: The Quest for Avalon ein weiterer “Fugenband” herausgekommen.
Monacos Dekonstruktion des Artus-Mythos ist ganz gewiss nicht jedermanns Sache. Dennoch ist das Ganze faszinierend, denn es dürfte nicht viele Werke in der Fantasy geben, in denen eine dreckige, gewalttätige und grausame Welt geschildert wird, und die gleichzeitig mit einer teilweise wirklich wunderschönen poetischen Sprache aufwarten, und in denen trotz einer spürbaren pessimistischen Grundhaltung immer wieder ein ironischer Blick auf die conditio humana geworfen wird. Und wenn man dann noch bedenkt, dass Parsival, or A Knight’s Tale im gleichen Jahr erschienen ist, in dem Terry Brooks mit der Veröffentlichung von The Sword of Shannara nach Meinung mancher Kritiker der Fantasy hinsichtlich ihrer thematischen Ausrichtung einen Bärendienst erwiesen hat, wird die Sache noch faszinierender. Es hat sie tatsächlich schon immer gegeben, die Werke, die anders waren, die andere Möglichkeiten benutzt und geboten haben, die eine andere Tradition hätten begründen können.
Außer der Saga of Parsival hat Richard Monaco im phantastischen Bereich mit Runes (1984) und Broken Stone (1985) noch zwei Romane um den Römer Leitus Sixtus geschrieben, der es in Britannien mit bemalten Kriegern, Druiden und alter Magie zu tun bekommt, sowie mit Journey to the Flame (1985) eine Hommage an Henry Rider Haggard und seine lost race novels verfasst. Unto the Beast (1987) schließlich ist ein Roman über Hitler, der von merkwürdigen Visionen und Erinnerungen heimgesucht wird.
Bibliotheka Phantastika gratuliert Sergey Dyachenko, der heute 70 Jahre alt wird. Es dürfte kaum ein besseres Beispiel dafür geben, dass die Präsenz auf dem deutschen Buchmarkt wenig bis nichts über den Erfolg eines Autors in seiner Heimat aussagt, als den am 14. April 1945 in Kiew in der Ukraine geborenen Sergey Sergeevich Dyachenko*, der zusammen mit seiner Frau Marina ein in Russland überaus bekanntes und mehrfach preisgekröntes Autorenpaar bildet. In Anbetracht der Tatsache, dass die seit den frühen 90er Jahren gemeinsam schreibenden und veröffentlichenden Dyachenkos mittlerweile ein Œuvre von 26 Romanen (Phantastik, Fantasy und SF) und noch einmal deutlich mehr längeren und kürzeren Erzählungen für Erwachsene vorzuweisen haben (dazu kommen außerdem noch mehr als ein halbes Dutzend Kinderbücher und mindestens ein Roman mit Andrei Valentinov and H. L. Oldie), ist es allerdings schon erstaunlich, dass es mit Das Jahrhundert der Hexen (2008; OT: Ved’min vek (1997)) nur ein einziger ihrer Romane nach Deutschland geschafft hat – und das, obwohl es hierzulande seit der Jahrtausendwende dank des Erfolgs von Sergej Lukianenkos Wächter-Reihe einen kleinen Boom russischer Phantastik gegeben hat.
Aber vielleicht war Das Jahrhundert der Hexen mit seinem einerseits typische Urban-Fantasy-Elemente aufweisenden, andererseits nirgendwo zu verortenden Setting und der auf zwei Zeitebenen ablaufenden Handlung um den Großinquisitor Klawdi Starsh, der es nicht nur mit Hexen und Njauken (das sind von den Toten zurückgekehrte Frauen, die die Männer, die sie einst geliebt haben, ebenfalls in den Tod locken wollen) zu tun bekommt, sondern auch sein ganz persönliches Problem in Form einer tragisch gescheiterten Liebesgeschichte mit sich herumträgt, auch einfach zu ungewöhnlich für die deutschsprachigen Fantasyleserinnen und -leser. Auf alle Fälle hat sich seither kein deutscher Verlag mehr an einen Roman der Dyachenkos herangewagt.
Im englischen Sprachraum – genauer: in den USA – sieht es kaum besser aus. Allerdings ist dort mit The Scar (2012; OT: Shram (1996)) ein Fantasyroman erschienen, der Lust auf mehr von den Dyachenkos macht – vor allem, wenn man intelligente Sword & Sorcery mag (oder genauer: wenn man Sword & Sorcery mag, die mehr Wert auf einfühlsam und prägnant geschilderte, eine Entwicklung durchmachende Figuren als auf wilde Actionsequenzen legt). Im Mittelpunkt der Handlung steht Egert Soll, ein junger, gutaussehender Adliger aus reichem Haus und Mitglied der Elitegarde seiner Heimatstadt Kavarren, der alle Privilegien, die ihm zuteil wurden, als selbstverständlich betrachtet, und alle Frauen aufzureißen versucht, die nicht schnell genug vor ihm weglaufen können (was manche auch gar nicht wollen). Egert ist durchaus tapfer und mutig und kann verdammt gut mit dem Schwert umgehen, doch selbst seinem besten Freund gegenüber verhält er sich oft so, dass man ihn eigentlich nur als großes Arschloch bezeichnen kann. Als die junge schöne Toria und ihr Verlobter Dinar auf der Suche nach seltenen magischen Büchern nach Kavarren kommen, macht Egert sich natürlich an Toria heran. Diese zeigt ihm zwar die kalte Schulter, aber dennoch kommt es, wie es kommen muss: Dinar, den der aufdringliche Verehrer seiner Verlobten zunehmend nervt, fordert Egert zum Duell – und wird von diesem getötet. Dass Toria daraufhin die Stadt verlässt, versetzt Egerts aufgeblasenem Ego einen herben Schlag, denn er empfindet ihre Abreise als – natürlich vollkommen ungerechtfertige – Strafe. Doch seine eigentliche Strafe kommt ein wenig später, als er von einem geheimnisvollen Fremden des Mordes bezichtigt wird, diesen zum Duell fordert – und verliert. Der als Wanderer bezeichnete Fremde tötet Egert allerdings nicht, sondern verpasst ihm die titelgebende Narbe und belegt ihn darüberhinaus mit einem Fluch, so dass aus dem zwar arroganten und selbstgerechten, aber bis dahin eben auch tapferen Egert ein erbärmlicher Feigling wird, der nicht nur alsbald die Garde und seine Heimatstadt verlassen muss, sondern sogar zu feige ist, sich selbst zu töten. Er macht sich auf die Suche nach dem Wanderer, der ihn womöglich als Einziger von diesem Fluch erlösen kann, und kommt schließlich in die Stadt, in der Toria mit ihrem Vater Luayan lebt …
Egert Solls tiefer Fall ist in der Fantasy ziemlich einzigartig, und der Weg, den er einschlagen muss, um am Ende vielleicht von seinem Fluch erlöst zu werden, ist ebenso ungewöhnlich wie spannend – und das ohne allzu großes Schwertergeklirr. Natürlich muss man sich auf die Geschichte einlassen, in der man es anfangs mit einem arroganten Unsympathen und später mit einem völlig gebrochenen Menschen zu tun hat – aber wenn man das tut und wenn man Fragen über moralisches Handeln interessanter findet als endlose Kampf- und Schlachtszenen, dann kann man in The Scar ein beeindruckendes Leseerlebnis finden.
Einen kleinen Wermutstropfen gibt es allerdings, denn eigentlich ist The Scar der zweite Band eines aus vier Romanen bestehenden, Wanderers** (OT: Skital’cy) betitelten Zyklus, in dessen erstem Band The Gate-Keeper (OT: Privratnik (1994)) der Wanderer, der Egert seine Narbe zufügt, anscheinend eine wichtige Rolle spielt. Das erklärt einerseits ein paar für das Verständnis nicht wirklich wichtige Andeutungen in The Scar, und sorgt andererseits für Bedauern, denn es ist nicht abzusehen, dass die fehlenden Bände des Zyklus – neben dem bereits genannten The Gate-Keeper sind das The Successor (OT: Preemnik (1997)) und The Adventurer (OT: Avantyurist (2000)) – irgendwann in naher Zukunft auf Englisch oder gar auf Deutsch erscheinen werden.
* – ich habe mich für die Schreibweise des Namens entschieden, die die Dyachenkos auf ihrer englischen Homepage verwenden
** – die englischen Titel der Romane stammen ebenfalls von der HP der Dyachenkos; die Transliteration der in kyrillischen Buchstaben geschriebenen Originaltitel erfolgte mit einem der im Internet vorhandenen Konverter; sollte es dabei zu Fehlern oder Ungenauigkeiten gekommen sein, kann ich mich nur mit dem Hinweis auf meine nicht vorhandenen Kenntnisse der russischen Sprache und der kyrillischen Schrift entschuldigen
Bibliotheka Phantastika erinnert an Henry Kuttner, dessen Geburtstag sich heute zum 100. Mal jährt. Auch der am 07. April 1915 in Los Angeles, Kalifornien, geborene Henry Kuttner dürfte zu den – zumindest hierzulande – mittlerweile mehr oder weniger vergessenen Autoren gehören, und falls sich doch noch jemand an ihn erinnert, dann vermutlich als SF-Autor. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn ein Großteil seiner rund 300 unter diversen Pseudonymen veröffentlichten Kurzgeschichten (die er ab 1940 fast immer zusammen mit seiner Frau C.L. Moore verfasst hat) und seine bekanntesten Romane sind der SF zuzurechnen.
Doch angefangen hat Henry Kuttners literarische Karriere im vielleicht bekanntesten aller Pulp-Magazine, nämlich in Weird Tales, wo in der Märzausgabe 1936 seine allererste Story “The Graveyard Rats” (dt. u.a. “Die Friedhofsratten”*) veröffentlicht wurde, der rasch weitere in ebendiesem und anderen Magazinen folgen sollten. Von daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass Kuttner einer der Autoren war, die die Lücke schließen sollten oder wollten, die der Tod Robert E. Howards bei Weird Tales hinterlassen hatte. Und so erschien 1938 in der Mai- und Juniausgabe des Magazins mit “Thunder in the Dawn” die erste und längste von vier Geschichten um den Abenteurer Elak, der es auf dem Inselkontinent Atlantis immer wieder mit bösen Magiern (und gelegentlich auch feindseligen Wikingern und anderen eher weltlichen Gegnern) zu tun bekommt.
Auch wenn Howards Fußstapfen sich letztlich als zu groß erweisen sollten – was besonders in “Thunder in the Dawn” (dt. “Donner in der Morgendämmerung”) deutlich zu spüren ist – muss man Kuttner zubilligen, dass er im Gegensatz zu manch anderem Sword-&-Sorcery-Autor vor allem der 60er und 70er Jahre mit Elak keinen (mehr oder weniger weichgespülten) Conan-Klon geschaffen hat, denn Elak ist eigentlich ein Königssohn namens Zeulas, der aus (nun ja, nicht ganz) freien Stücken seine Heimat verlassen und die Laufbahn eines umherziehenden Abenteurers und Söldners eingeschlagen hat. Das erfährt man bereits in dieser ersten Geschichte, in der Elak zusammen mit seinem trinkfreudigen Kumpan Lycon und dem Druiden Dalan seinen Bruder, König Orander, und das Königreich Cyrena vor dem bösen Magier Elf und einer mit diesem verbündeten Horde Wikinger retten muss.
Ebenfalls noch 1938 erschienen mit “The Spawn of Dagon” und “Beyond the Phoenix” (dt. “Jenseits des schlafenden Phoenix”) zwei weitere, deutlich kürzere Stories, in denen Elak und Lycon (der allerdings auch schon mal betrunken in einer Ecke liegt) sich mit zwei einander bekämpfenden Magiern bzw. einem verräterischen Hohepriester herumschlagen müssen. Die letzte Elak-Story “Dragon Moon” (dt. “Drachenmond”) wurde schließlich 1941 veröffentlicht und weist einige Parallelen zur ersten auf. Wieder geht es für Elak – begleitet von Lycon und dem Druiden Dalan – ins heimatliche Cyrena, doch dieses Mal ist es zu spät, seinen Bruder zu retten, und auch die Gefahr, in der Cyrena (und letztlich ganz Atlantis) schwebt, ist deutlich größer als je zuvor und erfordert ungewöhnliche Maßnahmen bzw. Verbündete.
Die vier von Henry Kuttner ziemlich zu Beginn seiner Karriere verfassten Elak-Stories sind zwar gewiss keine Meilensteine der Sword & Sorcery, aber sowohl genrehistorisch wie auch im Hinblick auf die Entwicklung eines Autors interessant, weil in ihnen keine Figur vom Conan-Typus die Hauptrolle spielt (und man sie durchaus als die ersten Buddy-Stories der S&S bezeichnen könnte), und weil man die schriftstellerische Weiterentwicklung Kuttners an ihnen ablesen kann. Während “Thunder in the Dawn” ein paar originelle Ansätze aufweist, aber stilistisch und erzählerisch noch ziemlich holpert, ist “Spawn of Dagon” bereits deutlich flüssiger erzählt (leidet aber an einem unoriginellen Plot), wohingegen “Beyond the Phoenix” und vor allem “Dragon Moon” sehr ordentliche Sword-&-Sorcery-Stories sind, in denen Kuttner nicht zuletzt mit der Beschreibung der außerweltlichen Sphären punkten kann, in die es Elak (nebenbei bemerkt auch schon in der allerersten Geschichte) immer mal wieder verschlägt. Wenn man sie als genau das – und nicht als Meilensteine oder gar Meisterwerke – betrachtet und sich klarmacht, wann und für welchen Markt diese Geschichten geschrieben wurden, kann man sie auch heute noch mit Vergnügen lesen.
Henry Kuttners zweiter Ausflug in die Sword & Sorcery fiel noch kürzer aus; er bestand aus den beiden 1939 in Strange Stories veröffentlichten Erzählungen “Cursed Be the City” (dt. “Der Fluch der Stadt”) und “The Citadel of Darkness” (dt. “Die Zitadelle in der Dunkelheit”), in deren Mittelpunkt Prince Raynor steht, der Erbe eines mythischen, in der heutigen Wüste Gobi gelegenen Königreichs. Raynor hat dabei einen ziemlich schlechten Start, denn nachdem ein gewisser Cyaxeres mit seinen Leuten das Reich und dessen Hauptstadt Sardopolis erobert und Raynors Vater getötet hat, wird der Prinz in den Kerker geworfen, um dort gefoltert zu werden. Doch ehe das Schlimmste eintritt, wird Raynor von dem Nubier Eblik, seinem Diener und Freund gerettet, und gemeinsam suchen sie nach Verbündeten, um den Eroberer wieder aus der Stadt und dem Reich zu vertreiben …
Die beiden direkt aneinander anschließenden bzw. aufeinander aufbauenden Prince-Raynor-Stories sind Howards Conan-Stories von der Atmosphäre her näher als die Elak-Stories; sie sind düsterer, ihre Figuren (zu denen mit Delphia auch eine für die damaligen Verhältnisse ungewöhnliche Frau gehört) klarer gezeichnet, und auch stilistisch und erzählerisch kann man in ihnen schon den Henry Kuttner erahnen, der ein paar Jahre später (und natürlich zusammen mit C.L. Moore) kleine Meisterwerke wie die SF-Story “Mimsy Were the Borogoves” (1943 in Astounding Science Fiction, dt. “Gar elump war der Pluckerwank”) erschaffen sollte. Das Potential für weitere Erzählungen war in Figuren und Setting vorhanden, doch leider sollten diese beiden Auftritte Prince Raynors seine einzigen bleiben.
Dass Kuttner auch mit der spielerischeren Variante der Fantasy umgehen konnte, hat er z.B. mit “The Misguided Halo” (Unknown 1939, dt. “Der fehlgeleitete Heiligenschein”) bewiesen, und in den 40er Jahren hat er zusammen mit C.L. Moore einige Romane verfasst, deren SF-Elemente eher Dekoration sind (bzw. es ermöglicht haben, sie an SF-Magazine zu verkaufen), unter denen sich eine mehr oder weniger eindeutige Fantasyhandlung verbirgt. Dazu gehören beispielsweise Earth’s Last Citadel (Magazinveröffentlichung 1943, Buchausgabe 1964; dt. Der Brunnen der Unsterblichkeit (1966)), The Dark World (1946 bzw. 1965; dt. Lord der Dunklen Welt (1975)) und The Mask of Circe (1948 bzw. 1971). Die vier Elak- und die beiden Prince-Raynor-Stories sind jeweils erst in den 80er Jahren als Elak of Atlantis (1985) bzw. Prince Raynor (1987) gesammelt in einer Kleinstauflage erschienen; alle sechs Geschichten findet man in dem 2007 bei Paizo veröffentlichten Band, der ebenfalls Elak of Atlantis heißt. Für Lovecraft-Fans ist vielleicht noch interessant, dass Kuttners zwischen 1936 und 1939 entstandene Beiträge zum Cthulhu-Mythos in dem Sammelband The Book of Iod (1995) zusammengefasst wurden.
Um auf Henry Kuttners SF einzugehen, die ab 1940 (und wie erwähnt fast ausschließlich in Zusammenarbeit mit C.L. Moore) den Schwerpunkt seines Schaffens gebildet und in der er seine besten Arbeiten abgeliefert hat, ist hier nicht der richtige Ort. Seine Ausflüge in die Fantasy waren nach eher schwächelndem Beginn durchaus lesenswert, und wer kann schon sagen, was er in diesem oder einem der anderen Genres, in denen er aktiv war, noch hätte leisten können, wenn er nicht bereits am 03. (oder 04. – die Quellen sind sich da uneins) Februar 1958 im Alter von 42 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben wäre.
* – bibliographische Angaben zu den im Text genannten auf Deutsch erschienen Stories gibt’s als Kommentar
Bibliotheka Phantastika gratuliert Edward Myers, der heute 65. Jahre alt wird. Dass sich der am 01. April in Denver, Colorado, geborene und ansonsten vor allem als Sachbuchautor und im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur aktive Edward Myers für seinen einzigen Ausflug in die phantastische Erwachsenenliteratur ausgerechnet ein zum damaligen Zeitpunkt seit Jahrzehnten totes Subgenre ausgesucht hat, ist vielleicht ein bisschen weniger überraschend, wenn man bedenkt, dass er einen Teil seiner Kindheit und Jugend zunächst in Mexiko und später in Peru verbracht hat. Vor allem die Bergwelt von Peru scheint ihn sehr beeindruckt zu haben, und die Gedanken, die er sich als Halbwüchsiger beim Betrachten der gewaltigen Berge gemacht hat, dürften als eine der Inspirationsquellen für The Mountain Made of Light (1992), eine beinahe – aber nicht ganz – “klassische” lost race novel, gedient haben.
Denn The Mountain Made of Light erzählt die Geschichte des von seinen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg traumatisierten Anthropologen und Bergsteigers Jesse O’Keefe, der sich in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den peruanischen Anden aufhält, um dort die Eingeborenen zu studieren und dabei immer wieder sehnsüchtige Blicke auf die schneebedeckten Gipfel ringsum wirft. Von einem alten Mann erhält er Hinweise auf besonders fähige einheimische Bergsteiger – und als er diesen nachgeht, entdeckt er das vergessene Volk der Rixtirra, das die umliegenden Berge als Götter verehrt. Doch seine Ankunft sorgt für Unruhe unter den in verschiedene Fraktionen gespaltenen Inka-Abkömmlingen, und als kurz nach ihm ein zweiter weißer Mann in Gestalt des arroganten reichen Abenteurers Forster Beckwith in Hyoffissorih, der Stadt der Rixtirra auftaucht, geraten die Dinge endgültig aus dem Lot …
Wenn man im ausgehenden 20. Jahrhundert eine lost race novel schreiben will, sieht man sich logischerweise einigen Problemen gegenüber. Das erste – die Tatsache, dass diese Art von Literatur eigentlich eine Landkarte braucht, auf der noch echte weiße Flecken existieren – umschifft Edward Myers dadurch, dass er das Geschehen in den 1920er Jahren ansiedelt, und dem zweiten – dem oft zumindest herablassenden, wenn nicht gar rassistischen Umgang mit dem vergessenen Volk – geht er dadurch aus dem Weg, dass er es schlicht vermeidet. Denn seine Rixtirra sind nicht einfach nur die degenerierten Nachkommen eines einst großen Volkes; ganz im Gegenteil, sie haben sich Vieles bewahrt, was in der ach so modernen westlichen Gesellschaft längst verlorengegangen ist, und so wirkt ihre Zivilisation – trotz der unterschiedlichen miteinander streitenden Fraktionen – beinahe wie ein in die Anden verpflanztes Shangri-La. Was als Indiz dafür dienen mag, dass der Roman und seine beiden Fortsetzungen Fire and Ice (1992) und The Summit (1994) James Hiltons Klassiker Lost Horizon mindestens ebensoviel zu verdanken haben wie den lost race novels eines Henry Rider Haggard. Vor allem im dritten Band, wenn der Aufstieg zum höchsten aller Gipfel nicht nur auf der weltlichen Ebene zu einem Wettrennen zwischen Jesse und Forster wird (bei dem auch die von beiden begehrte Aeslu eine wichtige Rolle spielt).
Unterm Strich sind The Mountain Made of Light und seine beiden Fortsetzungen überaus gelungene Abenteuerromane, die alles enthalten, was gute Abenteuerromane brauchen: eine beeindruckende (und teilweise großartig geschilderte) Kulisse, einen (nicht immer und nicht nur) heldenhaften Helden, einen (nicht immer und nicht nur) widerwärtigen Widersacher, eine nicht nur schöne und keineswegs nur als love interest dienende Frau, uralte Geheimnisse, übernatürliche Geschehnisse, ein Volk am Scheideweg – und eine spannende Handlung, die auch einem gewissen Dr. Jones zur Ehre gereichen würde.
Masrur al-Adan ist Teil eines Soldatentrupps, der eine Karawane seines Kalifen sicher zu ihrem Ziel geleiten soll – einem benachbarten Fürsten im hohen Norden. Die Route wird als sehr gefährlich und unüberwindbar beschrieben, doch dies und auch ein vernichtender Überfall eines Banditentrupps sind nicht das schlimmste, was den Soldaten auf ihrer Reise bevorsteht. Es heißt, ein fürchterlicher, unbezwingbarer Vampir treibe genau in dem Tal sein Unwesen, durch das die Karawane reisen muss, um an ihr Ziel zu kommen. Bald schon ist ihre einzige Chance zu überleben das Erzählen von Geschichten …
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Bibliotheka Phantastika gratuliert Kirk Mitchell, der heute 65 Jahre alt wird. Es gibt immer wieder Autorinnen und Autoren, die sich nur kurz der Phantastik zuwenden, während ihr Hauptbetätigungsfeld in einem ganz anderen Bereich liegt. Das ist auch bei dem am 22. März 1950 in Pasadena, Kalifornien, geborenen Kirk John Mitchell der Fall, der in erster Linie Thriller und – teilweise unter dem Pseudonym Joel Norst – Novelisationen von Filmen wie Lethal Weapon, Colors – Farben der Gewalt, Mississippi Burning, Backdraft oder Blown Away verfasst hat bzw. noch verfasst. In den 80er Jahren hat er jedoch einen kurzen Abstecher in die SF unternommen, und das Ergebnis war – neben dem humoristischen Zeitreiseroman Never the Twain (1987), in dem ein Nachfahre des US-Autors Bret Harte mit einer Ausgabe von Mark Twains The Adventures of Huckleberry Finn ins Nevada der Bürgerkriegsjahre reist, um Harte zu überreden, das Buch unter seinem Namen zu veröffentlichen und seinen Erben auf diese Weise reich zu machen – eine Alternativweltgeschichte, die als Procurator Trilogy (bzw. gelegentlich auch als Germanicus Trilogy) bekannt ist und aufgrund ihres Settings und ihrer abenteuerlichen Handlung auch für Fantasyleserinnen und -leser interessant sein könnte.
Denn Procurator (1984) und die Folgebände New Barbarians (1986) und Cry Republic (1989) schildern eine Welt, in der das Römische Imperium niemals untergegangen sondern auch im 20. Jahrhundert noch eine Großmacht ist, die den Mittelmeerraum sowie große Teile Europas und Nordafrikas beherrscht (oder zumindest kontrolliert) und sogar in Nordamerika Kolonien gegründet hat. Zu Beginn der Handlung ist Germanicus Julius Agricola – ein knapp fünfzigjähriger Veteran und entfernter Verwandter von Imperator Fabius – als Procurator von Anatolien damit beschäftigt, einen der an den Reichsgrenzen immer wieder aufflackernden Aufstände niederzuschlagen; dabei stößt er auf die Machenschaften eines Geheimbundes, dessen Pläne und Taten nicht nur das Herz des Imperiums bedrohen, sondern auch sein Leben grundlegend verändern werden …
Die Welt, die Kirk Mitchell entworfen hat und die wir an der Seite von Germanicus Julius Agricola kennenlernen, der sich mit den “Wickelköpfen” vom “Agri Dagri” herumschlägt, gegen ebenso grausame wie kriegerische Azteken kämpft und schließlich erkennen muss, dass die größten Feinde eines Reiches auch in seinem Innern leben können, ist der unseren ähnlich und doch wieder ganz anders. Was einerseits daran liegt, dass ein gewisser Pontius Pilatus, seinerzeit Statthalter in Palästina und Judäa, den Straßenräuber Barrabas und nicht einen jüdischen Mystiker namens Jesus hinrichten ließ, andererseits daran, dass ein gewisser Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald die Germanen besiegte und man anschließend in Rom auf die Idee kam, die wilden Stämme Germaniens einfach sich selbst zu überlassen. Doch dieses “ewige” Rom stagniert seit vielen Jahrhunderten. Technologische Entwicklungen sind dank der schier unerschöpflichen menschlichen Ressourcen eines Sklavenhalterstaates kaum nötig – tatsächlich wurden Erfindungen wie z.B. die Sand- und Schienengaleeren erst in der Regierungszeit von Imperator Fabius (und teilweise durch ihn selbst) gemacht –, und auch politisch und gesellschaftlich ist das Imperium längst erstarrt. Deshalb träumen Männer wie Germanicus von einer Rückkehr zur legendären “alten Republik”.
Kirk Mitchells Trilogie, die als Die Erben Roms zuerst in drei Bänden – mit den Einzeltiteln Procurator (1988), Imperator (1989) und Liberator (1990) – und dann noch einmal als Sammelband unter dem Titel Germanicus (1998) auch auf Deutsch erschienen ist, bietet eine hauptsächlich von militärischen Aktionen und politischen Intrigen geprägte abenteuerliche und spannende Handlung und mit Germanicus Julius Agricola eine vielleicht nicht unbedingt immer sympathisch wirkende, aber in ihrem Pragmatismus überzeugende Hauptfigur, die man gerne noch auf weiteren Abenteuern begleitet hätte; Möglichkeiten dazu hätte das Setting durchaus noch geboten, doch leider hatte Kirk Mitchell anscheinend kein Interesse daran, das vorhandene Potential weiter auszuschöpfen.
Bibliotheka Phantastika gratuliert Felicity Savage, die heute ihren 40. Geburtstag feiern kann. Die am 14. März 1975 in Columbia, South Carolina, geborene Autorin hat ihre Kindheit und Jugend in Frankreich, Irland und auf den Äußeren Hebriden verbracht und lebt mittlerweile seit etlichen Jahren in Tokyo. Auch ihre Karriere ist ähnlich ungewöhnlich verlaufen: Als mit “Camera Man” ihre erste Kurzgeschichte veröffentlicht wurde (in der Februarausgabe ’94 von Tomorrow Speculative Fiction), war sie noch nicht einmal 19 Jahre alt, und im gleichen Jahr erschienen drei weitere Stories von ihr im renommierten Magazine of Fantasy & Science Fiction. Im darauffolgenden Jahr kam kurz vor ihrem Geburtstag mit Humility Garden ihr erster Roman auf den Markt, der im Herbst 1995 mit Delta City zum Zweiteiler Garden of Salt ergänzt wurde (unter diesem Titel auch als Sammelband (1996)).
Humility Garden und dessen Fortsetzung erzählen von den Abenteuern der gleichnamigen Titelheldin auf einer Welt namens Salt, die es auf der Suche nach ihrem Bruder nach Delta City verschlägt, eine Stadt, die nur aus politischen Intrigen und sexuellen Obsessionen zu bestehen scheint. Es dauert ein bisschen, bis Humility sich eingelebt hat – und ihr klar wird, welche Rolle ihr in der Revolution gegen die seit Jahrhunderten herrschenden Götter zufällt … Mit Garden of Salt hat die damals gerade 20-jährige Felicity Savage thematisches Neuland und ein Terrain betreten, das ein paar Jahre später von Jacqueline Carey und in jüngerer Vergangenheit von N.K. Jemisin weiter erforscht und ausgelotet wurde. Sie war – wenn man so will – ihrer Zeit ein bisschen voraus, und das lässt sich auch über ihre Ever Trilogy sagen.
Denn besagte, mit The War in the Waste (1997) begonnene und mit The Daemon in the Machine und Trickster in the Ashes (beide 1998) fortgesetzte Trilogie lässt sich mit ein bisschen gutem Willen als Vorläufer des New Weird betrachten. Immerhin befindet man sich in The War in the Waste nicht in einer klassischen Fantasy-Welt, sondern in einem Setting, das bereits seine eigene industrielle – oder vielmehr dämonische – Revolution hinter sich hat, denn Fahrzeuge, Flugzeuge und andere Maschinen werden hier von Dämonen angetrieben, mit denen man allerdings auch umzugehen wissen muss. Einer von denen, die davon Ahnung haben, ist die Hauptfigur Crispin, der aufgrund widriger Umstände den Wanderartisten, mit denen er unterwegs ist, den Rücken kehren muss und sich bald mit Rae zusammentut, einem Flüchtling aus dem bekriegten Nachbarreich. Von diesem Krieg werden die beiden herumgeworfen, getrennt und wieder vereint, mit Seltsamkeiten und Vorurteilen konfrontiert und in Intrigen verstrickt – und der Umgang mit den Dämonen hat, wie man vor allem in den Folgebänden feststellen kann, auch seinen Preis. Felicity Savage nahm aber nicht nur mit ihrem ungewöhnlichen Setting einiges vorweg, das im Genre erst später abgefeiert werden sollte, sondern hat auch den passenden Erzählstil: Sie wirft Leser und Leserinnen relativ unvorbereitet mitten in ihre fremdartige Welt, lässt neue Begriffe und Konzepte auf sie einprasseln und lässt die Figuren dadurch sehr authentisch in ihren jeweiligen Milieus agieren.
Nach der Ever Trilogy legte Felicity Savage eine mehrjährige Schaffenspause ein; erst 2011 ist sie mit der Veröffentlichung der Kurzgeschichtenbände Black Wedding and Five More Funerals (Horrorstories) sowie Love in Japan: Coming Clean and Four More Ways of F**king Up (literarische Stories) plötzlich wieder aufgetaucht. Weitere Veröffentlichungen einzelner Stories deuten ebenso auf eine dauerhafte Rückkehr zum Genre hin, wie ihre Pläne, über die sie sich 2013 in einem Interview (in der Märzausgabe des Lightspeed Magazine) folgendermaßen geäußert hat: “I’m working on a fat fantasy trilogy entitled The Godslayer Cycle. Imagine A Song of Ice and Fire … with guns, tanks, high finance, and sovereign debt denominated in holy relics. I believe this is going to be the world’s first fantasy trilogy to feature a credit crisis. It also features an eponymous magical sword, the boy who was born to wield it, an undercover magician in a world where magic is a felony, and a female intelligence operator who continues my tradition of strong women protagonists. Actually it may be a quartet at the rate I’m going. The setting is a fantasy world with 1980s-equivalent technology … and a few major differences.”