Zum 65. Geburtstag von Edward Myers

Bibliotheka Phantastika gratuliert Edward Myers, der heute 65. Jahre alt wird. Dass sich der am 01. April in Denver, Colorado, geborene und ansonsten vor allem als Sachbuchautor und im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur aktive Edward Myers für seinen einzigen Ausflug in die phantastische Erwachsenenliteratur ausgerechnet ein zum damaligen Zeitpunkt seit Jahrzehnten totes Subgenre ausgesucht hat, ist vielleicht ein bisschen weniger überraschend, wenn man bedenkt, dass er einen Teil seiner Kindheit und Jugend zunächst in Mexiko und später in Peru verbracht hat. Vor allem die Bergwelt von Peru scheint ihn sehr beeindruckt zu haben, und die Gedanken, die er sich als Halbwüchsiger beim Betrachten der gewaltigen Berge gemacht hat, dürften als eine der Inspirationsquellen für The Mountain Made of Light (1992), eine beinahe – aber nicht ganz – “klassische” lost race novel, gedient haben.
The Mountain Made of Light von Edward MyersDenn The Mountain Made of Light erzählt die Geschichte des von seinen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg traumatisierten Anthropologen und Bergsteigers Jesse O’Keefe, der sich in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den peruanischen Anden aufhält, um dort die Eingeborenen zu studieren und dabei immer wieder sehnsüchtige Blicke auf die schneebedeckten Gipfel ringsum wirft. Von einem alten Mann erhält er Hinweise auf besonders fähige einheimische Bergsteiger – und als er diesen nachgeht, entdeckt er das vergessene Volk der Rixtirra, das die umliegenden Berge als Götter verehrt. Doch seine Ankunft sorgt für Unruhe unter den in verschiedene Fraktionen gespaltenen Inka-Abkömmlingen, und als kurz nach ihm ein zweiter weißer Mann in Gestalt des arroganten reichen Abenteurers Forster Beckwith in Hyoffissorih, der Stadt der Rixtirra auftaucht, geraten die Dinge endgültig aus dem Lot …
Wenn man im ausgehenden 20. Jahrhundert eine lost race novel schreiben will, sieht man sich logischerweise einigen Problemen gegenüber. Das erste – die Tatsache, dass diese Art von Literatur eigentlich eine Landkarte braucht, auf der noch echte weiße Flecken existieren – umschifft Edward Myers dadurch, dass er das Geschehen in den 1920er Jahren ansiedelt, und dem zweiten – dem oft zumindest herablassenden, wenn nicht gar rassistischen Umgang mit dem vergessenen Volk – geht er dadurch aus dem Weg, dass er es schlicht vermeidet. Denn seine Rixtirra sind nicht einfach nur die degenerierten Nachkommen eines einst großen Volkes; ganz im Gegenteil, sie haben sich Vieles bewahrt, was in der ach so modernen westlichen Gesellschaft längst verlorengegangen ist, und so wirkt ihre Zivilisation – trotz der unterschiedlichen miteinander streitenden Fraktionen – beinahe wie ein in die Anden verpflanztes Shangri-La. Was als Indiz dafür dienen mag, dass der Roman und seine beiden Fortsetzungen Fire and Ice (1992) und The Summit (1994) James Hiltons Klassiker Lost Horizon mindestens ebensoviel zu verdanken haben wie den lost race novels eines Henry Rider Haggard. Vor allem im dritten Band, wenn der Aufstieg zum höchsten aller Gipfel nicht nur auf der weltlichen Ebene zu einem Wettrennen zwischen Jesse und Forster wird (bei dem auch die von beiden begehrte Aeslu eine wichtige Rolle spielt).
Unterm Strich sind The Mountain Made of Light und seine beiden Fortsetzungen überaus gelungene Abenteuerromane, die alles enthalten, was gute Abenteuerromane brauchen: eine beeindruckende (und teilweise großartig geschilderte) Kulisse, einen (nicht immer und nicht nur) heldenhaften Helden, einen (nicht immer und nicht nur) widerwärtigen Widersacher, eine nicht nur schöne und keineswegs nur als love interest dienende Frau, uralte Geheimnisse, übernatürliche Geschehnisse, ein Volk am Scheideweg – und eine spannende Handlung, die auch einem gewissen Dr. Jones zur Ehre gereichen würde.

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