Zum 65. Geburtstag von Kirk Mitchell

Bibliotheka Phantastika gratuliert Kirk Mitchell, der heute 65 Jahre alt wird. Es gibt immer wieder Autorinnen und Autoren, die sich nur kurz der Phantastik zuwenden, während ihr Hauptbetätigungsfeld in einem ganz anderen Bereich liegt. Das ist auch bei dem am 22. März 1950 in Pasadena, Kalifornien, geborenen Kirk John Mitchell der Fall, der in erster Linie Thriller und – teilweise unter dem Pseudonym Joel Norst – Novelisationen von Filmen wie Lethal Weapon, Colors – Farben der Gewalt, Mississippi Burning, Backdraft oder Blown Away verfasst hat bzw. noch verfasst. In den 80er Jahren hat er jedoch einen kurzen Abstecher in die SF unternommen, und das Ergebnis war – neben dem humoristischen Zeitreiseroman Never the Twain (1987), in dem ein Nachfahre des US-Autors Bret Harte mit einer Ausgabe von Mark Twains The Adventures of Huckleberry Finn ins Nevada der Bürgerkriegsjahre reist, um Harte zu überreden, das Buch unter seinem Namen zu veröffentlichen und seinen Erben auf diese Weise reich zu machen – eine Alternativweltgeschichte, die als Procurator Trilogy (bzw. gelegentlich auch als Germanicus Trilogy) bekannt ist und aufgrund ihres Settings und ihrer abenteuerlichen Handlung auch für Fantasyleserinnen und -leser interessant sein könnte.
Denn Procurator (1984) und die Folgebände New Barbarians (1986) und Cry Republic (1989) schildern eine Welt, in der das Römische Imperium niemals untergegangen sondern auch im 20. Jahrhundert noch eine Großmacht ist, die den Mittelmeerraum sowie große Teile Europas und Nordafrikas beherrscht (oder zumindest kontrolliert) und sogar in Nordamerika Kolonien gegründet hat. Zu Beginn der Handlung ist Germanicus Julius Agricola – ein knapp fünfzigjähriger Veteran und entfernter Verwandter von Imperator Fabius – als Procurator von Anatolien damit beschäftigt, einen der an den Reichsgrenzen immer wieder aufflackernden Aufstände niederzuschlagen; dabei stößt er auf die Machenschaften eines Geheimbundes, dessen Pläne und Taten nicht nur das Herz des Imperiums bedrohen, sondern auch sein Leben grundlegend verändern werden …
Procurator von Kirk MitchellDie Welt, die Kirk Mitchell entworfen hat und die wir an der Seite von Germanicus Julius Agricola kennenlernen, der sich mit den “Wickelköpfen” vom “Agri Dagri” herumschlägt, gegen ebenso grausame wie kriegerische Azteken kämpft und schließlich erkennen muss, dass die größten Feinde eines Reiches auch in seinem Innern leben können, ist der unseren ähnlich und doch wieder ganz anders. Was einerseits daran liegt, dass ein gewisser Pontius Pilatus, seinerzeit Statthalter in Palästina und Judäa, den Straßenräuber Barrabas und nicht einen jüdischen Mystiker namens Jesus hinrichten ließ, andererseits daran, dass ein gewisser Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald die Germanen besiegte und man anschließend in Rom auf die Idee kam, die wilden Stämme Germaniens einfach sich selbst zu überlassen. Doch dieses “ewige” Rom stagniert seit vielen Jahrhunderten. Technologische Entwicklungen sind dank der schier unerschöpflichen menschlichen Ressourcen eines Sklavenhalterstaates kaum nötig – tatsächlich wurden Erfindungen wie z.B. die Sand- und Schienengaleeren erst in der Regierungszeit von Imperator Fabius (und teilweise durch ihn selbst) gemacht –, und auch politisch und gesellschaftlich ist das Imperium längst erstarrt. Deshalb träumen Männer wie Germanicus von einer Rückkehr zur legendären “alten Republik”.
Kirk Mitchells Trilogie, die als Die Erben Roms zuerst in drei Bänden – mit den Einzeltiteln Procurator (1988), Imperator (1989) und Liberator (1990) – und dann noch einmal als Sammelband unter dem Titel Germanicus (1998) auch auf Deutsch erschienen ist, bietet eine hauptsächlich von militärischen Aktionen und politischen Intrigen geprägte abenteuerliche und spannende Handlung und mit Germanicus Julius Agricola eine vielleicht nicht unbedingt immer sympathisch wirkende, aber in ihrem Pragmatismus überzeugende Hauptfigur, die man gerne noch auf weiteren Abenteuern begleitet hätte; Möglichkeiten dazu hätte das Setting durchaus noch geboten, doch leider hatte Kirk Mitchell anscheinend kein Interesse daran, das vorhandene Potential weiter auszuschöpfen.

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