Tag: Jubiläen

Bibliotheka Phantastika erinnert an Naomi Mitchison, die heute 115 Jahre alt geworden wäre. Auch wenn ihr Name hierzulande vermutlich bereits wieder in Vergessenheit geraten ist, dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass Naomi Mitchison (geboren am 01. November 1897 in Edinburgh, Schottland, als Naomi Margaret Mary Haldane) zu den originellsten und wichtigsten englischsprachigen Autorinnen des 20. Jahrhunderts zu zählen ist. In ihrem langen Leben hat sie ein umfangreiches Werk geschaffen, dem bislang auch im englischen Sprachraum nicht die kritische Würdigung zuteil geworden ist, die es verdient hätte – was nicht zuletzt damit zusammenhängen könnte, dass Mitchison als überzeugte Feministin und Sozialistin Positionen vertreten hat, mit denen sie sich beim konservativen Establishment nicht unbedingt beliebt gemacht hat.
In besagtem umfangreichen Werk finden sich auch einige Romane und Erzählungen mit mehr oder minder starken phantastischen Elementen, etwa gleich in ihrem Erstling The The Corn King and the Spring Queen von Naomi MitchisonConquered (1923; dt. Jenseits des Sieges (1952)), einem historischen Roman über die Eroberung Galliens durch Caesar, in dem ein Seher weit mehr ist als er scheint. Auch The Corn King and the Spring Queen (1931; dt. Kornkönig und Frühlingsbraut (1985)) ist ein historischer Roman mit Fantasyelementen. Die Geschichte der Hexe Erif Dher und ihres anfangs ungeliebten Ehemannes, des Kornkönigs Tarrik, die es aus ihrem an der Küste des Schwarzen Meeres gelegenen (fiktiven) Königreich Marob ins Sparta des dritten vorchristlichen Jahrhunderts verschlägt, dürfte nicht nur einer der ersten historischen Fantasyromane überhaupt sein, sondern auch ein zu Unrecht unterschätzter Klassiker des Genres. Etliche von Mitchisons Stories mit phantastischem Einschlag finden sich in der Sammlung The Fourth Pig (1936), während die Sammlung Images of Africa (1980; dt. Geschichten aus Afrika (1986)) phantastische Erzählungen enthält, die im Stil alter Volkssagen verfasst sind.
Travel Light (1952; dt. Eine Reise durch die Zeit (1987)) ist ein sowohl inhaltlich wie sprachlich zauberhafter Fantasyroman, der die Reise der von ihrer Stiefmutter ungeliebten Königstochter Halla durch ein von Bären, Drachen, Zwergen und Trollen bewohntes nordisches Märchenland schildert und dabei auf liebevolle Weise allzu abgenutzte Fantasyklischees parodiert, während To the Chapel Perilous (1955; dt. König Artus lässt schön grüßen (1986)) eine originelle, ein bisschen postmoderne Adaption des Artus-Mythos darstellt, in der die Medien eine ungewohnt große Rolle spielen, und Early in Orcadia (1987) eine in prähistorischer Zeit auf den den Orkney-Inseln angesiedelte Geschichte erzählt.
Schon 1935 hatte Naomi Mitchison sich mit We Have Been Warned im Gewand eines Near-Future-Thrillers, in dem es um die Unterdrückung der englischen Linken geht, der SF zumindest halbwegs zugewandt. Bei Memoirs of a Space Woman (1962; dt. Memoiren einer Raumfahrerin (1980)) den Erinnerungen der Kommunikationsspezialistin Mary, die auf immer neuen Planeten mit Aliens der unterschiedlichsten Couleur Kontakt aufnehmen muss, handelt es sich dann ebenso um lupenreine SF, wie bei Solution Three (1975; dt. Lösung Drei (1984)) – hier geht es um Klone auf einer ziemlich kaputten Erde – und Not By Bread Alone (1983), in dem die Probleme geschildert werden, die aus der kostenlosen Verteilung von Nahrungsmitteln überall auf der Welt entstehen.
Naomi Mitchisons Romane und Erzählungen waren fast immer Vehikel ihrer Überzeugungen und Ideen, was ihnen häufig einen allegorischen Charakter verleiht. Dessen ungeachtet hat die am 11. Januar 1999 im gesegneten Alter von 101 Jahren verstorbene Autorin sich in vielen Fällen mit Themen befasst, die auch heute noch interessant sind. Und gelegentlich sind ihr – etwa mit The Corn King and the Spring Queen, Travel Light, To the Chapel Perilous oder Memoirs of a Space Woman – sogar kleine Meisterwerke gelungen.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Grahame Wright, der heute 65 Jahre alt geworden wäre. Deutschsprachige Leser und Leserinnen, denen der Name nichts sagt, befinden sich in bester Gesellschaft, denn hierzulande dürfte der am 30. Oktober 1947 in Leicester, Leicestershire, England, geborene Wright gänzlich unbekannt sein – was nicht weiter verwunderlich ist, schließlich hat er nur einen einzigen Roman veröffentlicht, der zudem nie auf Deutsch erschienen ist. Doch auch in seinem Heimatland bzw. im englischen Sprachraum ist Wright mehr oder weniger vergessen, und es sind praktisch keine Informationen über ihn zu finden. Immerhin lässt sich sein 1974 erschienener, 1977 als TB – und danach nie mehr – nachgedruckter Roman Jog Rummage noch problemlos antiquarisch auftreiben.
Jog Rummage von Grahame WrightUnd das wiederum ist ein Glücksfall für alle Leser und Leserinnen, die bereit sind, sich auf ein ungewöhnliches – und ziemlich einzigartiges – Leseerlebnis einzulassen, denn Jog Rummage ist ein kleines Juwel des Genres. Rummage, der titelgebende Held der Geschichte und klügste aller Jogs, ein Dichter und Gelehrter, der seine Welt mit neugierigen Augen und hellwachem Geist betrachtet, lebt zusammen mit seinem besten Freund Geovard, dem tapfersten aller Krieger, und den übrigen Jogs am Ufer der “gently lapping sea”, die in einer merkwürdigen, düsteren, vom “Moon” und dem “Great Star” erhellten und immer wieder von “Swoops” bedrohten Welt, die Jogs und ihre traditionellen Feinde, die Rats, voneinander trennt. Als diese Feindschaft zum Krieg eskaliert, ist es an Rummage und Geovard, diesen Krieg zu beenden – nur, um anschließend gemeinsam mit Meltamor, dem “Emperor of Rats”, in die Dunkelheit aufzubrechen und das Rätsel der gefährlichen Swoops und des Monsters Horribilis zu lösen. Parallel dazu erzählt Jog Rummage die Geschichte von Elizabeth, einem in mehrfacher Hinsicht schwer gezeichneten jungen Mädchen mit reger Phantasie, und ihrem Vater, dem das Leben ebenfalls übel mitgespielt hat. Natürlich berühren sich die beiden Geschichten – und das hat Konsequenzen …
Man hat von Verlagsseite diesem nicht allzu umfangreichen Roman gewiss keinen Gefallen getan, als man ihn auf dem Titelbild der TB-Ausgabe als “The new masterpiece of fantasy that critics have compared to Tolkien” bezeichnet hat, denn mit J.R.R. Tolkien und seiner Art von Fantasy hat Jog Rummage eher wenig gemein. Da wären Namen wie Richard Adams oder Mervyn Peake denn doch etwas passender gewesen. Obwohl man Wright auch damit nicht ganz gerecht werden würde, denn allen echten oder vermeintlichen Parallelen oder Einflüssen zum Trotz ist Jog Rummage ein überaus eigenständiges, in vielerlei Hinsicht einzigartiges Werk, das auch sprachlich überzeugt und Themen anschneidet, die in der Fantasy ansonsten selten behandelt wurden und werden.
Grahame Wright war knapp 27, als Jog Rummage veröffentlicht wurde. Der Roman mag noch kein echtes Meisterwerk sein, aber ein vielversprechender Auftakt zur Karriere eines Autors, dem man nach diesem Erstling allerhand hätte zutrauen können, ist er allemal. Doch Wright hat keinen zweiten Roman geschrieben. Er hat noch nicht einmal mehr das Erscheinen der TB-Ausgabe erlebt, denn am 10. April 1977 ist er – noch keine 30 Jahre alt – verstorben.

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Stephen KingBibliotheka Phantastika gratuliert Stephen King, der heute 65 Jahre alt wird. Als der am 21. September 1947 geborene King 1977 seinen ersten Roman Carrie veröffentlichte, ahnte vermutlich noch niemand, dass er einer der weltweit bekanntesten Autoren im Horror- und Phantastikbereich werden würde. Mit derzeit mehr als 60 veröffentlichten Roman, einer ebenfalls großen Anzahl Kurzgeschichten und etlichen Verfilmungen seiner Werke, ist Stephen King nicht mehr aus den Köpfen der Menschen wegzudenken.

Anlässlich seines heutigen Geburtstags haben wir ihm daher  ein wohlverdientes Autoren-Portrait in der Bibliotheka Phantastika spendiert, und die wichtigsten Eckdaten seiner Karriere für alle Neugierigen noch einmal zusammen gefasst.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Patrick O’Leary, der heute 60 Jahre alt wird. Als der am 13. September in Saginaw, Michigan, geborene O’Leary um die Jahrtausendwende herum mit drei Romanen und einer Handvoll Kurzgeschichten ins Rampenlicht trat, wurde er von vielen Kritikern als einer der vielversprechendsten neuen SF- und Fantasyautoren bezeichnet, dem eine große Karriere prophezeit oder zumindest zugetraut wurde.
O’Learys Erstling, der ebenso bizarre wie originelle Zeitreiseroman Door Number Three (1995; dt. Die dritte Tür (1998)) macht es seiner Leserschaft durch die sprunghafte, nicht durchgehend chronologisch erzählte Handlung allerdings nicht leicht.

Cover des Buches "The Gift" von Patrick O'Leary Zwei Jahre später folgte The Gift (dt. Hüter der Nacht (2000)), und dieser Fantasyroman (mit einer angedeuteten SF-Komponente) ist nicht nur deutlich zugänglicher, sondern auch ganz anders, als man es nach Door Number Three vielleicht erwartet hätte – und eines der zu Unrecht übersehenen Juwelen des Genres. Dabei fängt The Gift ganz harmlos damit an, dass auf einem Segelschiff in einer Flaute ein Mann – der einfach nur “the Teller” bzw. “der Erzähler” genannt wird – den Seeleuten eine Geschichte zu erzählen beginnt. Sie handelt von Ungeheuern und von einem Alchimisten, der das Böse zu neuem Leben erweckt hat und anschließend als sein Hüter mit ihm durch die Welt zieht. Und von Simon und Tim, zwei jungen Männern, die aus unterschiedlichen, aber jeweils nachvollziehbaren Gründen den Hüter bekämpfen wollen – was sich als weit schwieriger erweist, als anfangs gedacht. Was auf den ersten Blick nach einem Standardplot klingt, erweist sich in der Umsetzung – die durch unzählige Abschweifungen und teilweise völlig zusammenhanglos wirkende, eingeflochtene Anekdoten des Erzählers gekennzeichnet ist – als clever konstruierte Erzählung, die sich ganz zentral der Frage widmet, welche Bedeutung Geschichten für den Menschen haben. The Gift mag leise und unspektakulär scheinen, aber der Roman lotet die Möglichkeiten des Genres deutlich mehr aus als viele wesentlich bombastischer daherkommende Werke.

Zu Anfang des neuen Jahrtausends folgte Other Voices, Other Doors (2001; eine Sammlung von Kurzgeschichten und Essays) und ein Jahr später mit The Impossible Bird (2002) ein zweiter, wiederum recht abgedrehter SF-Roman. Danach wurde es lange Zeit still um Patrick O’Leary; erst 2009 erschien mit The Black Heart ein weiterer Band mit Kurzgeschichten quer durch alle Genres. Aus der O’Leary prophezeiten großen Karriere ist – zumindest bis jetzt – noch nichts geworden, was möglicherweise auch daran liegt, dass er keine Serien oder Zyklen schreibt und sich seine Themen fernab des gerade angesagten Mainstreams sucht. Gerade das könnte ihn wiederum für manche Leser und Leserinnen interessant machen.

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King Rat von China MiévilleMit einem Tag Verspätung gratuliert die Bibliotheka Phantastika China Miéville, der gestern seinen 40. Geburtstag feierte.
Der mit King Rat bekannt gewordene Autor wurde am 06. September 1972 in England geboren. Er fällt immer wieder durch seine ungewöhnlichen Settings und Charaktere auf, verweigert sich der eskapistischen Konzeption von Fantasy und arbeitet daran, ein Buch in jedem Genre abzuliefern.
Fans von Miéville wissen die Qualitäten seiner ungewöhnlichen Erzählungen längst zu schätzen, daher empfehlen wir Neulingen (aber auch Fans, die gerne mehr über den Autor erfahren möchten) einen dringenden Blick in das ausführliche Portrait dieses Autors!

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Cover von The Tree of Swords and Jewels von C.J. CherryhBibliotheka Phantastika gratuliert C.J. Cherryh, die heute 70 Jahre alt wird. Als die am 01. September 1942 in St. Louis, Missouri, geborene Caroline Janice Cherry (das “h” hat sie ihrem Namen auf Anraten ihres damaligen Verlegers Donald A. Wollheim hinzugefügt, da er der Ansicht war, Cherry würde zu sehr nach einer Liebesroman-Autorin klingen) im Jahre 1976 mit Gate of Ivrel (dt. Das Tor von Ivrel (1979)) und Brothers of Earth (dt. Brüder der Erde (1979)) ihre ersten Romane veröffentlichte, wurde ihr rasch eine große Karriere prophezeit. Gut 35 Jahre und rund doppelt so viele Romane (plus viele, viele Kurzgeschichten sowie etliche Collections und Anthologien) später kann man sagen, dass diese Prophezeiung sich bewahrheitet hat.
Der weitaus überwiegende Teil ihres Schaffens ist der SF zuzurechnen, und die meisten ihrer SF-Romane spielen vor einem gemeinsamen Hintergrund, dem Alliance-Union Universe, dem sie mit Brothers of Earth einen ersten Besuch abstattete. Auch Gate of Ivrel ist in diesem Universum angesiedelt, ohne allerdings mit den anderen Subzyklen großartig verbunden zu sein bzw. im Gesamtkonzept eine Rolle zu spielen.
Ganz im Gegenteil, der Roman liest sich – wie die ganze, mit Well of Shiuan (1978; dt. Der Quell von Shiuan (1980)) und Fires of Azeroth (1979; dt. Die Feuer von Azeroth (1982)) in kurzen Abständen fortgesetzte Sequenz um Morgaine – in weiten Teilen wie ein Fantasyroman. Denn die Geschichte der geheimnisvollen Morgaine, die durch Sternentore auf technologisch rückständige Planeten reist, um besagte Sternentore dort zu versiegeln, bedient sich ihrer Fantasyelemente so überzeugend, dass man die SF-Prämisse rasch vergisst. Was nicht zuletzt an Cherryhs Fähigkeiten liegt, ihre Figuren treffend zu charakterisieren und den Kulturen, denen Morgaine auf den verschiedenen Planeten begegnet, glaubhafte individuelle Konturen zu verleihen. Hinzu kommt das Spannungsfeld, das durch die Beziehung der beiden in jeglicher Hinsicht vollkommen unterschiedlichen Hauptfiguren Morgaine und Vanye entsteht, und das Cherryh in jedem Roman weiter ausleuchtet und auch im deutlich später entstandenen vierten Band Exile’s Gate (1988) wieder aufgreift.
Die anderen Fantasyromane von C.J. Cherryh kommen dann ganz ohne SF-Elemente aus (was vermutlich nicht zuletzt damit zu tun hat, dass sich Ende der 70er Jahre die Fantasy endgültig als Genre etabliert hatte und auch als solche vermarktet werden konnte). Bei den beiden unter dem Oberbegriff Ealdwood Stories zusammengefassten Romanen The Dreamstone und The Tree of Swords and Jewels (beide 1983; dt. Stein der Träume (1985) und Der Baum der Schwerter und Juwelen (1988)) handelt es sich um lupenreine, allerdings ungewöhnlich düstere keltische Fantasy, die zeigt, dass Cherryhs von ihren Charakteren lebende Romane auch vor einem bekannten und vertrauten – zum damaligen Zeitpunkt noch deutlich frischer als heutzutage wirkenden – Hintergrund funktionieren.
Die sog. Russian Stories hingegen – Rusalka (1989), Chernevog (1990) und Yvgenie (1991) – spielen nicht nur in einem alternativen mittelalterlichen russischen Königreich mit dem Zentrum Kiew, sondern greifen auch stark auf Motive der slawischen Mythologie zurück. Dies könnte – verbunden mit der zwiespältigen Darstellung von Magiern und Magie – mit dafür verantwortlich sein, dass die Russian Stories deutlich weniger erfolgreich als Cherryhs andere Fantasyromane waren und auch nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Ungewöhnliche Ansätze bieten auch The Paladin (1988; dt. Der Paladin (1994)) – hier ist das Setting dem China der Tang-Dynastie nachempfunden – und The Goblin Mirror (1992; dt. Der Koboldspiegel (1996)), in dem die Interaktion zwischen Menschen- und Koboldwelt im Mittelpunkt steht. Faery in Shadow (1993) ist dann wieder – auch dieses Mal recht düstere – keltische Fantasy, in der sich die altbekannten Sidhe tummeln.
Cover von Fortress of Ice von C.J. Cherryh Mit Fortress in the Eye of Time (1995), dem Auftakt der Fortress Series, hat C.J. Cherryh sich schließlich ihr ganz persönliches High-Fantasy-Universum gegönnt (das nur auf den ersten Blick ein “typisches” ist). Im Mittelpunkt dieses erstaunlich langsam erzählten ersten Bandes steht Tristen, ein durch einen Zauberspruch geschaffener junger Mann, der einen Großteil des Romans damit verbringt, herauszufinden, wer er eigentlich ist. Was folgt und auch in den weiteren Bänden Fortress of Eagles (1998), Fortress of Owls (1999), Fortress of Dragons (2000) und Fortress of Ice (2006) die Handlung größtenteils bestimmt, ist eine teilweise vielleicht zu detailverliebt geschilderte Suche nach dem Platz eines Wesens in der Welt, in der es nun einmal leben muss. Verbunden mit einer anfangs generisch wirkenden, sich Roman um Roman jedoch komplexer und undurchschauberer präsentierenden Welt ergibt das einen der interessantesten (mehrbändigen) Entwicklungsromane der Fantasy, der vor allem durch seine psychologisch und politisch glaubwürdig agierenden Figuren überzeugt.
Die Fortress Series ist recht schwergewichtiger Stoff; dass Cherryh es gelegentlich auch leichter und abenteuerlicher kann, zeigt sie nicht nur in einigen ihrer vielen SF-Romane, sondern im Bereich der Fantasy in ihren in den 80er Jahren entstandenen Beiträgen – mehreren Kurzgeschichten und drei Romanen, zwei davon in Zusammenarbeit mit Janet Morris – zu der Shared-World-Reihe Heroes in Hell. Nachdem C.J. Cherryh viele Jahre lang zu den Autoren und Autorinnen gehörte, deren Werke mit schöner Regelmäßigkeit ins Deutsche übersetzt wurden, ist damit seit Anfang des neuen Jahrtausends Schluss. Was sowohl im Hinblick auf ihre SF wie auch auf ihre Fantasy eher bedauerlich ist.

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Cover von Die Ringe der Macht von Helmut W. Pesch & Horst von AllwördenBibliotheka Phantastika gratuliert Helmut W. Pesch, der heute 60 Jahre alt wird. Der am 30. August 1952 in Mönchengladbach geborene Helmut Pesch ist in den letzten Jahren vor allem durch seine Veröffentlichungen zu Tolkiens Elben-Sprache (Elbisch – Grammatik, Schrift und Wörterbuch der Elben-Sprache J.R.R. Tolkiens (2003) und Elbisch – Lern- und Übungsbuch der Elben-Sprache J.R.R. Tolkiens (2004)) einer breiteren Leserschaft bekannt geworden, doch das sind nur die am deutlichsten sichtbaren Früchte einer Beschäftigung mit der Fantasy im Allgemeinen und J.R.R. Tolkien im Besonderen, die bereits in den 70er Jahren ihren Anfang genommen hat. Nach ersten Gehversuchen als Illustrator und Kurzgeschichtenautor in den Publikationen des Fantasyclubs FOLLOW schuf Pesch für die von 1973 bis ’74 erschienene erste deutsche Fantasy-Heftserie Dragon – Söhne von Atlantis Innenillustrationen, Karten und schließlich Titelbilder, und war auch bei der ab 1980 erschienenen zweiten Fantasy-Heftserie Mythor mit Innenillustrationen und Karten dabei.
1982 veröffentlichte er mit Fantasy. Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung seine Dissertation zum Dr. phil., die bis heute eine der grundlegenden deutschsprachigen sekundärliterarischen Arbeiten zur Fantasy geblieben ist. Seit 1984 arbeitet er nicht nur als Redakteur und Lektor, sondern gelegentlich auch als Übersetzer, und hat zwischen 1984 und 1993 u.a. Romane von John Myers Myers, James Branch Cabell, Dennis L. McKiernan und E.R. Eddison ins Deutsche übertragen. Vor allem die mit Anmerkungen und Erläuterungen versehene Übersetzung von Eddisons The Worm Ouroboros gilt zu recht als Meilenstein deutschsprachiger Fantasy-Übersetzungen.
Bereits 1984 hat Helmut W. Pesch mit J.R.R. Tolkien – der Mythenschöpfer einen Sammelband mit Artikeln zu Tolkien herausgegeben, doch seine eigentliche Faszination mit dem Schöpfer von Mittelerde hat – nach eigener Aussage – erst allmählich angefangen. Ein Ergebnis dieser Faszination sind die bereits erwähnten Elbisch-Bücher, der Sammelband Das Licht von Mittelerde (1994), der Aufsätze und Vorträge enthält, sowie eine Handvoll verstreuter Artikel, etwa in der Schriftenreihe der Phantastischen Bibliothek Wetzlar.
Ein weiteres, gänzlich anders geartetes Ergebnis sind die beiden Romane Die Ringe der Macht (1998, mit Horst von Allwörden) und Die Herren der Zeit (2000, beide zusammen als Der Ring der Zeit (2008)), die sogenannte Elderland-Saga, die sich – als bewusste Hommage angelegt – etlicher erzählerischer und inhaltlicher Elemente von Tolkiens Herr der Ringe bedient, sie variiert und verfremdet und doch immer wieder augenzwinkernd auf das nie verhohlene Original verweist. Das kleine, gemütliche und ein bisschen vertratschte Völkchen der Ffolks steht dabei für die Hobbits, und ähnlich wie Frodo Beutlin im Original muss sich auch Kimberon Veit – begleitet von einem Menschen, einem Zwerg und einem Elb (sowie seiner Haushälterin) – auf eine gefährliche Queste durch eine etwas andere Version von Mittelerde begeben. Eine klassische Handlung, ein angenehm lesbarer Stil und eine gelungene Sprache vereinen sich zu einem Werk, in das nicht nur Tolkien-Afficionados, sondern auch Freunde und Liebhaberinnen klassischer Questen durchaus einmal einen Blick werfen sollten.
Parallel zur Elderland-Saga verfasste Pesch Ende der 1990er Jahre mit der Anderswelt-Trilogie eine Fantasy-Jugendbuchreihe, in der er seine drei jugendlichen Protagonisten, Siegfried („Siggi“), Gunhild und Hagen auf ebenso spannende wie (für die Helden und die Heldin) unangenehme Weise mit großen Sagenkreisen in Berührung kommen lässt. So schlüpfen die drei in Die Kinder der Nibelungen (1998) in die – nomen est omen – naheliegenden Rollen und werden so unmittelbar in die mythischen Ereignisse hineingezogen. Dabei erzählt Pesch nicht einfach das Nibelungenlied nach, sondern spinnt vielmehr eine Fortsetzung aus dem Stoff der Völsungensaga und der nordischen Mythologie, in der nicht alles so ist, wie es anfangs zu sein scheint. Wie zuhause er sich im Themenfeld Mythologie fühlt, beweist Pesch auch mit den beiden Fortsetzungen, die nach dem bewährten Storyrezept funktionieren. In Die Kinder von Erin (1999) werden Siggi und Hagen im Rahmen eines Irlandurlaubes in die Sagenkreise um Finn den Weissen und Cú Chulainn hineingezogen, während Gunhild bei den drei Göttinnen Eriú, Brigid und Caillech unterkommt. In Die Kinder von Avalon (2001) schließlich geraten alle drei auf die titelgebende mythische Insel und müssen sich auf die Suche nach dem Gral begeben.
Nach diesem Ausflug als Romancier stand wieder Tolkien im Mittelpunkt von Peschs Arbeit; zum einen die bereits erwähnte Beschäftigung mit Tolkiens Elben-Sprache, zum anderen die Übersetzung von Tom Shippeys Tolkien-Biographie The Road to Middle-Earth (1982, rev. u. erw. 2003) als Der Weg nach Mittelerde: Wie J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe schuf (2008). Und schließlich übersetzte er zusammen mit Hans J. Schütz The Children of Húrin (2007), den von Christopher Tolkien herausgegebenen Band um eine der wichtigsten und dramatischsten Episoden aus dem Ersten Zeitalter von Mittelerde (Die Kinder Húrins (2007)). Auch wenn seither der Lektor Helmut W. Pesch wieder den Autor, Übersetzer, Kartenzeichner und Illustrator Helmut W. Pesch in den Hintergrund gedrängt hat, möchten wir ihm als einem der wichtigsten Wegbegleiter und Former der Fantasy in Deutschland an dieser Stelle herzlich zum Geburtstag gratulieren. In diesem Sinne: Alles Gute, Helmut!

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Lucius Shepard, der heute 65 Jahre alt wird. Der am 21. August in Lynchburg im amerikanischen Bundesstaat Virginia geborene Shepard gilt zu Recht als einer der thematisch und stilistisch interessantesten derzeit aktiven Autoren der phantastischen Literatur. Diesen Ruf verdankt er vor allem den rund 100 Kurzgeschichten und Erzählungen, die er – beginnend mit “The Taylorsville Reconstruction” (1983) – seit Anfang der 80er Jahre veröffentlicht hat, und von denen bisher nur ein relativ geringer Teil ins Deutsche übersetzt wurde. Dabei bewegt er sich in allen Genres, die sich unter dem Oberbegriff phantastische Literatur subsummieren lassen, von SF über Horror und Magischen Realismus – der sonst zumeist in der lateinamerikanischen Literatur zu finden ist – bis hin zur Fantasy.
Am Anfang seiner Karriere hat Shepard – parallel zu seinem bis in die frühen 90er enormen Ausstoß an Geschichten – auch einige wenige Romane verfasst; Green Eyes (1984; dt. Grüne Augen (1989)) behandelt dabei die Zombiethematik im Gewand eines SF-Romans (sprich: mit einem wissenschaftlichen Ansatz), Life during Wartime (1987; dt. Das Leben im Krieg (1989)) schildert in einer beeindruckenden Sprache und mit konsequent übersteigerten, aus Vietnamkriegsberichten bekannten Bildern und Motiven einen fiktiven, in naher Zukunft stattfindenden Krieg in Lateinamerika, und The Golden (1993; dt. Die Spur des Goldenen Opfers (1997)) bereichert den Vampirmythos um eine originelle Facette.
The Dragon Griaule von Lucius ShepardDoch Shepards eigentliche Stärke liegt in kürzeren, vor allem aber längeren Erzählungen bzw. Kurzromanen, in denen seine stilistischen Fähigkeiten voll zum Tragen kommen, und denen er sich inzwischen fast ausschließlich zugewandt hat. Für Fantasyleser und -leserinnen sind in diesem Zusammenhang – neben der atmosphärisch, aber nicht unbedingt inhaltlich überzeugenden Joseph-Conrad-Hommage Kalimantan (1990; dt. Kalimantan (1992)) – in erster Linie die Geschichten um den Drachen Griaule interessant, die vor kurzem in den USA unter dem Titel The Dragon Griaule gesammelt erschienen sind. Beginnend mit “The Man Who Painted the Dragon Griaule” (1984) zeigt uns Shepard in ihnen Fragmente eines Fantasy-Universums, das einerseits fremd und exotisch wirkt (oder genauer: fremder und exotischer als die meisten anderen Fantasy-Universen), andererseits aber direkt um die Ecke liegen könnte. Der titelgebende Drache ist dabei ein gewaltiges, unbewegliches Wesen, das das Leben der Bevölkerung eines reichen, fruchtbaren Landstrichs durch seine reine Anwesenheit beherrscht. Und dieser Drache soll nun durch einen Anstrich mit giftiger Farbe getötet werden, denn auch wenn Griaule körperlich unbeweglich ist, kann er mit seinem Geist die Bewohner der Gegend beeinflussen, kann ihre Träume und Wünsche manipulieren. In den weiteren Erzählungen (“The Scalehunter’s Beautiful Daughter” (1988), “The Father of Stones” (1988), “Liar’s House” (2004), “The Taborin Scale” (2010) und “The Skull” (2012)) verändern sich die Gegebenheiten nach und nach. Die Welt und die Menschen in ihr wandeln sich, und schließlich ist Griaule nichts weiter als ein Mythos – in einer Welt, die der unseren dann doch sehr ähnlich ist.
Es fällt schwer, mehr über diese Geschichten zu sagen, ohne allzuviel vorwegzunehmen oder zu verraten. Sie bedienen sich fantasytypischer Motive, doch sie verwenden sie auf ungewohnte Weise. Sie sind eher beunruhigend als beruhigend. Und sie sind es wert, gelesen zu werden. Letzteres erweist sich für deutschsprachige Leser und Leserinnen allerdings als schwierig, denn von den insgesamt sechs Geschichten über den Drachen Griaule sind nur zwei (“Der Mann, der den Drachen Griaule (be)malte” (1987 bzw. 2005) und “Des Schuppensammlers schöne Tochter” (1989)) bislang auf Deutsch erschienen.

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Bibilotheka Phantastika gratuliert Bernard Craw, der heute 40 Jahre alt wird. Wobei es sich bei Bernard Craw um ein Pseudonym handelt, unter dem der am 20. August 1972 im niedersächsischen Bramsche geborene Bernd-Otto Robker bisher seine phantastischen Arbeiten veröffentlicht hat. In seinem Romanerstling Sanguis B. – Vampire erobern Köln (2005) mischt er die Vampirthematik mit einem düsteren Endzeitszenario und verlegt das Ganze auf deutschen Boden (nämlich an seinen Wohnort Köln), was dem Roman eine zuvor selten gesehene, originelle Komponente verleiht.
Danach wandte er sich zwei bekannten Franchise-Universen zu, die bereits mehrfach als Setting für die frühen und nicht mehr ganz so frühen Gehversuche deutscher Autoren gedient haben (und immer noch dienen) – Das Schwarze Auge und BattleTech. Nach der Military SF im Rahmen des BattleTech-Universums (Karma (2007) und einem Zweiteiler um die Andurienkriege (2012)) verlegte Craw sich auf die Fantasy: Im DSA-Universum folgte auf die Romane Todesstille und Im Schatten der Dornrose (beide 2009) 2010 der vierteilige, aus den Bänden Stein, Erz, Eisen und Stahl bestehende Isenborn-Zyklus. Im darauffolgenden Jahr erschien mit Türme im Nebel der erste Teil des auf sechs Bände angelegten Zyklus Die Türme von Taladur, dessen Fortsetzungen jedoch nicht mehr von Craw verfasst, sondern nur noch koordiniert und redigiert wurden bzw. werden.
Feind von Robert CorvusWas möglicherweise auch damit zu tun hat, dass sich Bernard Craw – jetzt allerdings unter dem neuen Pseudonym Robert Corvus – inzwischen mit dem Zyklus um Die Schattenherren einer eigenen Fantasywelt zugewandt hat. Der erste Band – Feind – soll im Januar 2013 erscheinen, und das, was bisher über Setting und Inhalt zu erfahren war, lässt einen Zyklus erwarten, in den hineinzuschauen sich vielleicht lohnen könnte, wenn man eher “klassische” Fantasy mag. Man darf zumindest gespannt sein (nicht zuletzt auch darauf, wie lange Craws Vorliebe für Einworttitel noch anhält). In diesem Sinne – herzlichen Glückwunsch, Bernard!

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Laura Resnick, die heute ihren 50. Geburtstag feiern kann. Die am 17. August 1962 in Chicago, Illinois, geborene Autorin, die die Tochter des SF-Autors Mike Resnick ist, begann ihre Karriere 1989 unter dem Pseudonym Laura Leone im Romance-Sektor. Für Fantasy-LeserInnen hochinteressant wird sie – abgesehen von ihren Kurzgeschichten, für die sie 1993 mit dem John W. Campbell Award ausgezeichnet wurde – mit In Legend Born (1998, dt. in zwei Teilen: Feuerbringer, Flammenherz (1998)), dem ersten Band der Sirkara Chronicles, einer dreibändigen Reihe um die Rebellion gegen das mächtige Valdani-Reich, die mit Wasser- und Feuermagie geführt wird, aber sich erst einmal mühselig aus den verfeindeten Volksgruppen und Fraktionen zusammenfinden muss. Die Sirkara Chronicles haben einen – für Cover des Buches "Flammenherz" von Laura Resnickdie damalige Zeit noch recht ungewöhnlichen – realistischen Ansatz, der durch das Abweichen von den bei Fantasy-Völkern verbreiteten kulturellen Klischees und der unaufgeregten, auf die Figuren und deren Entwicklung konzentrierten Erzählweise unterstrichen wird. Damit gewinnt Laura Resnick der klassischen Geschichte von Unterdrückung und Befreiung durch eine Erlöser-Figur neue Aspekte ab und liefert eine recht vielschichtige (auch aus mehreren Perspektiven erzählte) Variante.
In Deutschland hatten Die Chroniken von Sirkara eine etwas unglückliche Veröffentlichungsgeschichte: Nachdem aus dem zweiten Original-Band zwei Bände wurden (In Fire Forged: The White Dragon, In Fire Forged: The Destroyer Goddess, beide 2003), die auch noch ungewöhnlich lange auf sich warten ließen, wurde die Reihe wie viele andere bei Droemer Knaur erschienene Fantasy-Zyklen eingestellt, so dass deutsche LeserInnen lediglich den (gesplitteten) ersten Band zu sehen bekamen.
Trotz ursprünglich weiterreichender Pläne für die Chronicles of Sirkara wandte sich Laura Resnick auch in den USA nach The Destroyer Goddess von der High Fantasy ab und begann mit Disappearing Nightly (2005) eine Urban-Fantasy-Reihe um die Schauspielerin Esther Diamond, die bis heute fortgesetzt wird und inzwischen auf fünf Bände angewachsen ist.

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