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Bibliotheka Phantastika gratuliert Pauline J. Alama, die heute ihren 50. Geburtstag feiert. Hierzulande wird die am 10. Mai 1964 in Belleville, New Jersey, USA, geborene Autorin wohl kaum jemand kennen, denn sie hat nur einen Roman veröffentlicht, der zudem nicht übersetzt wurde.
The Eye of the Night von Pauline J. AlamaThe Eye of the Night (2002) hat eine Menge mit der Chalion-Reihe von Lois McMaster-Bujold gemein, vor allem dahingehend, dass es eine Gruppe von sehr liebenswert dargestellten Menschen zeigt, die in direkte und nicht immer einfache Interaktion mit dem Göttlichen treten, als Prophet, Heiliger oder Priester. Anders als bei Chalion scheinen die vier eigensinnigen Götter in The Eye of the Night jedoch nicht recht daran interessiert zu sein, dass der Weltuntergang droht. Die Reise der drei Hauptfiguren in den Norden, wo die Verheerung schon so weit vorangeschritten ist, dass postapokalyptische Zustände herrschen (und zwar so, wie man sich die Sache ungefähr im Mittelalter vorgestellt hat), ist das eigentlich Spannende an dem Roman, weil er dadurch die beiden Subgenres der charakterzentrierten Questenfantasy und der Endzeitgeschichte verbindet.
Alama hat zu dem Roman inzwischen ein Prequel verfasst, das sie aber bisher nicht veröffentlichen konnte. In Form von Kurzgeschichten ist sie jedoch immer noch im Genre aktiv.

Außerdem möchten wir bei dieser Gelegenheit auch an Carl Sherrell erinnern, der heute 85 Jahre alt geworden wäre. Über den am 10. Mai 1929 in Bonner Springs, Kansas, geborenen, hauptberuflich wohl als Gebrauchsgrafiker tätigen Carl Sherrell ist kaum etwas bekannt – außer, dass er zwischen 1977 und 1989 fünf phantastische Romane veröffentlicht hat.
Den Anfang machte Raum (1977), ein in vielerlei Hinsicht typischer Sword-&-Sorcery-Roman mit einem allerdings etwas ungewöhnlichen Helden, denn bei der titelgebenden Hauptfigur handelt es sich um einen aus der Unterwelt beschworenen Dämon. Dieser zieht zunächst im Auftrag des Magiers, der ihn beschworen hat, wenig später – nachdem er sich von dem Bann befreit hat – aber auch auf eigene Faust eine reichlich blutige Spur durch ein Parallelwelt-Britannien, in dem Artus mit seinen Rittern in Camelot residiert, während es gleichzeitig von Wikinger-Einfällen heimgesucht wird. Raum erweist sich dabei als schier unbezwingbarer Kämpfer, den weder Artus’ Ritter auf dem Schlachtfeld noch Morgan Le Fay mit ihrer Magie besiegen können – bis etwas geschieht, das in dem Dämon menschliche Gefühle erwachen lässt und ihn in mehrfacher Hinsicht verändert … Diese Veränderung wird allerdings nicht weiter ausgelotet, sondern recht oberflächlich abgehandelt – da es Sherrell vermutlich in erster Linie darum gegangen ist, einen actionreichen Sword-&-Sorcery-Roman zu schreiben – und dient in erster Linie der Legitimierung des Cliffhangers, mit dem der Roman endet.
Raum von Carl SherrellAuf die entsprechende Fortsetzung mussten die Leser von Raum jedoch einige Jahre warten, denn mit Arcane (1978) veröffentlichte Carl Sherrell als Nächstes einen mehr der High Fantasy zuneigenden, deutlich umfangreicheren Roman, der in einer Welt spielt, die von den Regeln des Tarot beherrscht wird. Danach folgte mit The Space Prodigal (1981) ein SF-Roman, und so vergingen insgesamt zehn Jahre, ehe Sherrell in Raums Welt zurückkehrte.
In Skraelings (1987) verfolgt Raum einen Wikingerfürsten, der seine große Liebe geraubt hat, von Island über Grönland bis nach Nordamerika und gerät dort in die Auseinandersetzung zwischen Wikingern und den (von besagten Wikingern Skraelings genannten) dort lebenden Indianern, doch von dem gewissen Reiz, den die ungewöhnliche Hauptfigur im ersten Band zumindest teilweise noch ausgeübt hat, ist hier nicht mehr viel zu spüren.
Mit der Veröffentlichung des Horrorromans The Curse (1989) war Carl Sherrells Karriere als Autor phantastischer Romane dann bereits zu Ende, denn am 07. Februar 1990 ist er im Alter von 60 Jahren gestorben. Sein Raum hat es als Ritter der Unterwelt (1979) immerhin nach Deutschland geschafft (sogar einschließlich der stimmungsvollen Schwarzweiß-Illustrationen von Stephen Fabian) und kann als eines der – wenn auch leider suboptimal umgesetzten – Beispiele dafür gelten, was in der Sword & Sorcery möglich wäre, wenn sie die übergroßen Fußstapfen eines Robert E. Howard zumindest ein bisschen verlässt.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Catherynne M. Valente, die heute Ihren 35. Geburtstag feiert. Die am 5. Mai 1979 in Seattle geborene Autorin verbrachte mit ihrem Mann einige Zeit in Japan, wo sie ihre ersten beiden Romane Yume no Hon: The Book of Dreams und The Grass-cutting Sword verfasste. Valente, für die Genregrenzen eher zur Nebensache gehören, ist zudem eine preisgekrönte Lyrikerin, was sich auch im Schreibstil ihrer Romane widerspiegelt.

Anlasslich dieses Tages haben wir das in der Bibliothek lagernde Portrait der Autorin noch einmal für euch aufpoliert und auf den aktuellen Stand gebracht:

Zum Portrait von Catherynne M. Valente bitte hier entlang.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Tom De Haven, der heute 65 Jahre alt wird. Die literarische Karriere des am 01. Mai 1949 in Bayonne, New Jersey, geborenen Tom De Haven begann mit Freaks’ Amour (1979), einem Roman, den der Autor selbst als near-future fantasy bezeichnet. Knapp einen Monat vor dem Reaktorunfall von Three Mile Island erschienen, erzählt er die Geschichte einer The End-of-Everything Man von Tom De HavenHandvoll Menschen, die durch die bei einer Atomkatastrophe in New Jersey freigesetzte radioaktive Strahlung verändert wurden und nun – ausgegrenzt und ghettoisiert – gezwungen sind, bizarre “Freakshows” zur Belustigung der normalen Menschen aufzuführen, um zu überleben. 1980 folgte ein Krimi und 1985 der erste von drei Romanen, die später als Funny Papers Trilogy bekannt wurden und anhand der fiktiven Comicfigur Derby Dugan und ihres ebenso fiktiven Schöpfers die Entwicklung und Bedeutung der amerikanischen Comics und ihrer Macher vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts (die Hochphase der Underground Comics) mit leicht phantastischen Untertönen nachzeichnen.
Nach zwei SF-Jugendbüchern und dem Script zu Neuromancer: The Graphic Novel (1989), der Comicadaption von William Gibsons weltbekanntem, stilbildendem Cyberpunk-Roman, wandte er sich schließlich dem Werk zu, dem er seine Erwähnung in diesem Blog verdankt: den dreibändigen Chronicles of the King’s Tramp. In Walker of Worlds (1990) lernen wir Jack kennen, einen Weltenwanderer, der auf der Flucht vor einem übermächtigen Feind im New York des ausgehenden 20. Jahrhunderts auftaucht und dadurch das Leben einiger sehr unterschiedlicher Menschen beeinflusst. Er braucht diese Menschen, denn er muss Gefährten um sich scharen und in seine eigene Welt Lostwithal zurückkehren, um sich dort dem Mage of Four, Mage of Luck entgegenzustellen, dessen Pläne nicht nur Lostwithal, sondern alle Welten (oder auch das ganze Universum) zu vernichten drohen. Während im ersten Band hauptsächlich unsere Erde Schauplatz der Handlung ist (auf der allerdings immer mal wieder sehr merkwürdige Dinge geschehen), spielt The-End-of-Everything-Man (1991) in Jacks Heimatwelt, die für die ihn begleitenden Menschen einige nicht nur angenehme Überraschungen bereithält. Und die Tatsache, dass Jacks Erzfeind ein Monster zu erschaffen beabsichtigt, das “the End of Everything” herbeiführen soll, macht ihre Situation nicht einfacher. In The Last Human (1992) landen Jack und seine Gefährten schließlich im “Undermoment”, einem Labyrinth, das sich jenseits der Zeit befindet und gleichzeitig das Fundament der verschiedenen Welten (im Original “Moments”) darstellt. Und auch hier gibt es ein Wesen, das alles zu vernichten droht: die Queen of Noise, deren Schreie Tod und Verderben bringen …
Es ist nicht leicht, diese Trilogie – die als Der Tramp des Königs mit den Einzeltiteln Der Weltenbote, Der Endzeit-Magier (beide 1993) und Das Königsschwert (1994) auch auf Deutsch erschienen ist – zu beschreiben, ohne allzu viel zu verraten, und es ist erst recht nicht leicht, sie ins Genre einzuordnen, denn De Haven mischt altbekannte, aber häufig leicht verfremdete Fantasymotive mit Elementen aus anderen Genres; dabei verwendet er einen durchaus literarischen Stil, schreckt aber keineswegs vor drastischen (bzw. drastisch beschriebenen) Szenen zurück. Wie auch immer man das Ergebnis einordnen mag – wer auf ausgefeiltes Worldbuilding steht, wird weniger auf seine Kosten kommen als Leser und Leserinnen, die sich dafür interessieren, wie ganz normale Menschen mit für sie fremden, ungewohnten Situationen klarkommen – die Chronicles of the King’s Tramp mit ihrer Queste der ganz anderen Art sind ein interessantes Beispiel dafür, was in der Fantasy möglich ist, wenn man sich von den gängigen Formeln und Motiven löst.
Nach seinem Ausflug in die (nicht ganz so klassische) Fantasy hat Tom De Haven u.a. noch einen weiteren phantastischen Roman für Jugendliche geschrieben und sich vor allem wieder seiner alten Liebe, den Comics zugewandt. Das Ergebnis sind u.a. die Bände zwei und drei seiner Funny Papers Trilogy, der Roman It’s Superman (2005), in dem die Jugend von Clark Kent im ländlichen Amerika und seine Entwicklung zum “Man of Steele” geschildert wird, und das Sachbuch Our Hero: Superman on Earth (2011), in dem De Haven zeigt, dass Supermans Geschichte eigentlich eine typisch amerikanische ist.

Außerdem möchten wir diesen Tag nutzen, um an Joel Rosenberg zu erinnern, der heute 60 Jahre alt geworden wäre. Im Gegensatz zu seinem bereits erwähnten Kollegen Tom De Haven (mit dem er außer dem gleichen Geburtstag wenig gemein haben dürfte) ist der am 01. Mai 1954 in Winnipeg in der kanadischen Provinz Manitoba geborene, aber seit seiner Kindheit in den USA lebende Joel Rosenberg ein fast schon typischer Fantasyautor, dessen Romane und Geschichten von wenigen Ausnahmen abgesehen fast immer mitten im Genre angesiedelt waren. Dies wurde bereits bei seinem Erstling The Sleeping Dragon (1983) deutlich, der den Auftakt zu Rosenbergs umfangreichstem und wohl auch bekanntestem und erfolgreichstem Zyklus Guardians of the Flame bildet.
In The Sleeping Dragon wird eine aus College-Studenten und -Studentinnen bestehende Rollenspielrunde auf magische Weise in ihre Spielwelt transportiert und muss daraufhin lernen, sich in der für sie plötzlich real gewordenen Umgebung zu behaupten bzw. zunächst einmal einfach nur zu überleben. Da ihnen im Rahmen des Übergangs – der sich im weiteren Verlauf der Handlung als von langer Hand geplanter Schachzug im Konflikt zweier Magier herausstellen wird – zusätzliche, in ihrer neuen Welt überaus wichtige Fähigkeiten verliehen wurden, gelingt ihnen das auch. Und da sie ihre in unserer Welt erworbenen Einstellungen und ethisch-moralischen Vorstellungen ebenfalls mitgebracht haben, lässt sich ihr Anführer Karl Cullinane nur zu leicht von der Matriarchin der “Healing Hand Society” (einer religiösen Gemeinschaft) beauftragen, der Sklaverei ein Ende zu setzen, was ihn und seine Mitstreiter logischerweise in einen Konflikt mit der mächtigen Sklavenhändlergilde führt. Dieser, sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Konflikt wird vor allem in den Folgebänden The Sword and the Chain (1984), The Silver Crown (1985) und The Heir Apparent (1987) thematisiert, während es in The Warrior Lives (1989), The Road to Ehvenor (1991) und The Road Home (1995) um kleinere Abenteuer der mittlerweile schon ziemlich in die Jahre gekommenen ehemaligen Rollenspieler in einer nicht zuletzt durch ihre Taten bzw. ihre Anwesenheit veränderten Welt geht. In den unschwer erkennbaren literarischen Vorlagen nachempfundenen letzten drei Romanen des Zyklus – Not Exactly the Three Musketeers (1999), Not Quite Scaramouche (2001) und Not Really the Prisoner of Zenda (2003) spielen sie schließlich nur noch eine Nebenrolle und überlassen die Bühne neuen Protagonisten.
Joel Rosenbergs zehnbändiger Zyklus um Die Hüter der Flamme, dessen erste sechs Romane unter eben diesem Obertitel als Die Welt des Meisters, Das Schwert des Befreiers (beide 1987), Die Krone des Siegers (1988), Der Erbe der Macht (1989), Das Vermächtnis des Kriegers (1990) und Die Straße nach Ehvenor (1992) auch auf Deutsch erschienen sind, ist eine unterhaltsame Abenteuerfantasy, in deren Mittelpunkt allerdings über weite Strecken ein ernstes und ernstzunehmendes Thema steht, das durchaus angemessen behandelt wird. Dies und die Tatsache, dass die Welt der Guardians kein statisches Gebilde ist, sondern sich im Lauf der Jahre gesellschaftliche Veränderungen ergeben, die für neue Probleme sorgen, macht diesen Zyklus trotz des einen oder anderen berechtigten Einwands – etwa im Hinblick auf die Rollen, die die Rollenspielerinnen in der anderen Welt spielen – zu einem der lesenswerteren Beispiele für von Rollenspielen inspirierte oder in irgeneinem Zusammenhang mit ihnen stehende Werke. Für deutsche Leser und Leserinnen ist natürlich bedauerlich, dass die Hüter hierzulande genau einen Band zu früh abgebrochen wurden, denn nach The Road Home folgt eine – durch den Wechsel der Hauptfiguren deutlich erkennbare – Zäsur.
In den 20 Jahren zwischen dem Erscheinen des ersten und des letzten Bands der Guardians hat Rosenberg noch drei weitere Zyklen verfasst: auf einen vierbändigen SF-Zyklus in den 80ern folgte mit D’Shai (1991) und dessen Fortsetzung The Hour of the Octopus (1994) ein Fantasy-Zweiteiler in einem originell gestalteten, aber mit rigiden gesellschaftlichen Normen ausgestatteten asiatischen Setting, dessen Held alsbald in Konflikt mit besagten Normen gerät. Doch auch, wenn seine Talente zunächst nicht ins System zu passen scheinen – Kami Khuzud ist ein verdammt schlauer Bursche, dem es letztlich nicht nur gelingt, einen ominösen Mordfall aufzuklären, sondern auch für sich einen Platz in dieser Welt zu finden. Wie ihm das gelingt, zeigt Rosenberg in zwei augenzwinkernd mit leichter Hand erzählten Fantasykrimis, die mit ihrer sympathischen Hauptfigur, vor allem aber mit ihrem phantasievoll ausgestalteten Setting punkten können. Wesentlich konventioneller ist demgegenüber die aus den drei Romanen The Fire Duke (1995), The Silver Stone (1996) und The Crimson Sky (1998) bestehende Trilogie The Keeper of the Hidden Ways ausgefallen, in der es – ähnlich wie in Rosenbergs erstem Zyklus – Menschen aus unserer Welt in eine phantastische, mit Elementen aus der nordischen und der keltischen Mythologie angereicherte Anderswelt verschlägt.Murder in Lamut von Raymond E. Feist und Joel Rosenberg
Nachdem Joel Rosenberg mit Murder in Lamut (2002; dt. Die drei Krieger (2003)), dem zweiten Band der Legends of the Riftwar, einen wieder als Fantasykrimi gestalteten, aber nicht sonderlich bemerkenswerten Beitrag zu Raymond Feists Riftwar Universe geleistet hatte, verfasste er mit Paladins (2004) und Paladins II: Knight Moves (2006) einen gelegentlich auch unter dem Obertitel Mordred’s Heirs laufenden Zweiteiler, in dem er sich dem Artus-Mythos zuwendet. Allerdings hat in diesem Fall Mordred Artus besiegt und eine eigene Dynastie gegründet.
Danach ist Joel Rosenberg – zumindest als Autor phantastischer Romane – verstummt, und am 02. Juni 2011 ist er im Alter von 57 in seinem Heimatort Minneapolis an den Folgen einer Atemdepression überraschend verstorben.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Peter S. Beagle, der heute seinen 75. Geburtstag feiert. Der Autor der drei bezaubernden Romane A Fine and Private Place, The Last Unicorn und The Innkeeper’s Song, der am 20. April 1939 in Manhattan, New York, geboren wurde, tourt gerade mit einer Kino-Fassung der Zeichentrick-Verfilmung von Das letzte Einhorn durch den nordamerikanischen Kontinent und hat in jüngerer Vergangenheit vor allem mit Kurzgeschichten und -romanen für Aufsehen gesorgt.
In unserem auf den aktuellen Stand gebrachten Portrait könnt ihr euch wie immer genauer informieren und euch vielleicht für einen der drei ganz unterschiedlichen Romane – eine heitere Erkundung von Liebe, Tod und Geistern, ein gegen den Strich gebürstetes Märchen und ein Fantasy-Kammerspiel – erwärmen, falls ihr den Autor noch nicht kennt.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Jim C. Hines, der heute 40 Jahre alt wird. Bereits mit seiner ersten professionell veröffentlichten Geschichte “Blade of the Bunny” konnte der am 15. April 1974 in Pennsylvania geborene Jim C. Hines einen beachtlichen Erfolg erringen, denn sie belegte den ersten Platz bei der Writers of the Future Competition. Weitere Stories in diversen Magazinen und Anthologien folgten, und 2004 erschien mit Goblinquest Hines’ erster im Genre angesiedelter Roman, aus dem bei der Wiederveröffentlichung bei DAW Books Goblin Quest (2006) und der Auftaktband einer Trilogie um den selbst im Vergleich zu seinen Artgenossen kleinen, schmächtigen und kurzsichtigen Goblin Jig wurde.
In Goblin Quest wird Jig von einer bunt gemischten Abenteurergruppe gezwungen, ihnen als Führer bei der Suche nach einem magischen Artefakt zu dienen – ein Unternehmen, das er nur knapp überlebt und bei dem er sich den Beinamen Jig the Dragonslayer verdient. Dass sein neuer Status ihm in seinem Volk nicht nur Freunde verschafft, wird in Goblin Hero (2007) rasch deutlich, während in Goblin War (2008) Jigs ganzes Volk in einen Krieg zwischen den Menschen und den nichtmenschlichen Völkern gezogen wird. Die mit leichter Hand verfassten Abenteuer des sympathischen Goblin Quest von Jim C. Hineskleinen Helden wider Willen sind als Die Goblins, Die Rückkehr der Goblins (beide 2007) und Der Krieg der Goblins (2008) auch auf Deutsch erschienen und waren – vermutlich, weil sie so gut ins Segment der Tolkienvölker-Romane passten, auch wenn sie mit einer gänzlich anderen Intention geschrieben worden waren – hierzulande so erfolgreich, dass mit Der Goblin-Held (2008) ein Band mit Kurzgeschichten über Jig und die Goblins veröffentlicht wurde, für den es in den USA kein Pendant gab. Erst 2011 hat Jim C. Hines fünf dieser Geschichten als Sammelband unter dem Titel Goblin Tales selbst herausgebracht.
Auch mit seiner zweiten Reihe, den Romanen um die Fairy Tale Princesses, blieb Hines sich und der Art von Fantasy treu, mit der er bekannt geworden war. Die Romane The Stepsister Scheme (2009; dt. Drei Engel für Armand (2009)), The Mermaid’s Madness (2009; dt. Die fiese Meerjungfrau (2011)), Red Hood’s Revenge (2010; dt. Rotkäppchens Rache (2011)) und The Snow Queen’s Shadow (2011; dt. Dämon, Dämon an der Wand (2012)), in denen sich Motive aus den Märchen der Brüder Grimm und aus der TV-Serie Charlie’s Angels miteinander vermischen, greifen wie schon die Bände um die Goblins altbekannte Fantasy-Klischees auf, die sie dann auf teils ironische, aber immer liebevolle Weise brechen – nur, dass bei den Märchenprinzessinnen Cinderella (bei uns besser bekannt als Aschenputtel), Snow White (Schneewittchen) und Sleeping Beauty (Dornröschen) noch ein gehöriger Schuss Romantik mit im Spiel ist.
In seiner neuesten, mit Libriomancer (2012; dt. Die Buchmagier (2014)) begonnenen und mit Codex Born (2013) fortgesetzten Reihe Magic Ex Libris schildert Hines die Abenteuer von Isaac Vainio, der vordergründig ein ruhiges Leben als Bibliothekar führt und sich dabei unter anderem um die größte Fantasy-Abteilung der Stadt kümmert, in Wirklichkeit aber ein Libriomancer (ein Buchmagier) und Mitglied eines vor 500 Jahren von Johannes Gutenberg gegründeten Geheimbundes ist, der die Menschen vor (ihnen natürlich gar nicht bewussten) übernatürlichen Gefahren beschützt. Der begabte aber undisziplinierte Isaac sieht das alles eigentlich ganz locker – doch das ändert sich, als immer mehr Buchmagier Mordanschlägen zum Opfer fallen und er erkennt, dass auch sein Leben in Gefahr ist …
Neben diesen Buchveröffentlichungen – zu denen noch die selbstveröffentlichten Story-Sammlungen Kitemaster & Other Stories (2011), Sister of the Hedge & Other Stories (2012) und The Goblin Master’s Grimoire (2013) zu zählen wären – ist Jim Hines auch ein sehr aktiver Blogger, der in seinem Blog immer wieder brisante Themen wie etwa Sexismus in der SFWA o.ä. aufgreift. Aufsehen erregte er nicht zuletzt mit “Striking a Pose”, einer Reihe von Beiträgen, in denen er beispielsweise versucht hat, die Posen der (weiblichen) Modelle auf diversen SF- und Fantasyromanen nachzuahmen (was sich als anatomisch unmöglich erwiesen hat) oder mit Autorenkollegen und -kolleginnen wie John Scalzi, Patrick Rothfuss, Charles Stross und Mary Robinette Kowal Gruppenbilder darzustellen, deren Lächerlichkeit selbst dem größten Ignoranten durch die Umkehrung der Geschlechterrollen ins Gesicht springen müsste. Damit hat er sich sogar ins Herz etlicher Leser und Leserinnen gebloggt, denen seine Romane bisher zu stark auf der humoristischen Seite des Genres angesiedelt waren.

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Die von mir aus Digger-Gründen sehr geschätzte Ursula Vernon hat einen Rant über die Fantasy abgelassen, einem Genre, dem sie eigentlich sehr wohlwollend gegenübersteht. Zusammenfassen lässt sich das Ganze etwa so: Kein Bock mehr auf Fantasy, das ehemalige Lieblings-Genre, weil immer die gleichen Kapuzenheinis von den immer gleichen Büchern mit eurozentrischen, mittelaltertümelnden Settings starren, in denen die immer gleichen Klischees bemüht werden. Pure Langeweile im Buchladen. Pure Langeweile im Buchregal. Alles schon gesehen, und wenn man Klischeefigur A oder Stereotyp-Ausgangslage B nicht einen ganz besonderen Twist verleiht, lockt einen das nicht mehr aufs Sofa. (Komplett nachzulesen hier.)
Das alles klingt unheimlich vertraut – ich habe auch schon lange keinen Spaß mehr in der Fantasy-Abteilung der Buchläden, und im bp-Forum konnte man schon mehrfach ganz ähnliche Klagen lesen. Nun kommt bei Ursula noch der Aspekt hinzu, dass sie selbst Fantasy schreibt, also tiefer als andere ins Genre eintaucht und sich mit den zugrundeliegenden Strukturen beschäftigt. Aber dieser Blickwinkel dürfte etlichen der hier Lesenden auch vertraut sein.

Ich frage mich nun: Liegt dieses Gefühl, dass das Genre immer seltener etwas wirklich Interessantes zu bieten hat, wirklich am mangelhaften Angebot, an den glattgebügelten Titeln, die massenweise mit austauschbaren Phrasen angepriesen werden? Oder hängt es schlicht mit der zunehmenden Leseerfahrung zusammen?

Ausklammern kann man letzteres bestimmt nicht. Ennui ist kein Problem der Jugend, und auch wenn „große Genre-Erfahrung“ netter klingt als die Erkenntnis, dass man mit kleinen Pausen seit über 25 Jahren Fantasy-Leserin ist, lässt sich der Verdacht nicht von der Hand weisen, dass in so einer Zeitspanne alles Abnutzungserscheinungen bekommen kann. Und selbst wenn die reale Fantasy das klischeefreie Wunderland der Möglichkeiten wäre, das sie theoretisch sein könnte (und manchmal sogar ist), hätte sich vermutlich eine Vertrautheit mit (dann eben unkonventionelleren) Mustern eingeschlichen, die dem Ganzen die Spannung raubt.
Immerhin geht es mir wie Ursula: Ich finde schon immer wieder Sachen, die mich begeistern. Ich finde sie nur nicht mehr so oft, und vor allem nicht an Stellen, an denen ich sie früher ziemlich sicher gefunden hätte. Das ist weg, und dahin kann man auch nicht mehr zurück.

Fantasy war und ist ein „junges“ Genre. Jeder, der länger dabei bleibt, kennt vermutlich etliche Aussteiger, die die Fantasy irgendwann als Schritt zum Erwachsenwerden hinter sich gelassen haben. Und überhaupt etliche kritische Instanzen, die die Fantasy als Kinderkram abstempeln. Ich glaube kaum, dass die es einfach besser wussten und schneller gelangweilt waren. Aber dass sich ein großer Teil des Publikums ständig erneuert, könnte schon etwas damit zu tun haben, dass immer wieder die gleichen Klischees reproduziert werden können. Die ersten 50 Mal macht ja vieles noch Spaß.
Dass es in den aktuellen Verlagsprogrammen oftmals nicht so überwältigend gut aussieht, lässt sich nicht abstreiten, wenn „gut“ auch innovativ, experimentell und unkonventionell beinhalten soll. Falls da wirklich nur Generation Leseerfahrung+ aus mir spricht, wäre das ganz schön bitter.
Und alle an erwachsenen Stoffen interessierten Leser und Leserinnen, die dem Genre den Rücken kehren (oder hinter den Kapuzenumhängen die Bücher nicht finden, die sie interessieren könnten) verschärfen das Problem.

Ich finde es allerdings manchmal schon schwer, die evtl. nostalgisch verklärte Lesebegeisterung meines weniger übersättigten früheren Ichs und die gegenwärtige Unlust beim Betrachten der Neuerscheinungen richtig einzuordnen. Aber ich hoffe sehr, man wird trotz allem nur zu alt für den Scheiß. Und niemals für die richtig guten Sachen.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Nnedi Okorafor, die heute ihren 40. Geburtstag feiert. Als Amerikanerin nigerianischer Abstammung lässt sich die am 8. April 1974 in Cincinnati, Ohio, geborene Nnedimma Nkemdili Okorafor schnell als Autorin einordnen, die vor allem über die Mythen und Traditionen ihrer Vorfahren schreibt und diese als Stoffgeber für Fantasy nutzt. Doch damit würde man dem Ernst nicht gerecht, mit dem Okorafor mögliche Zukunftsentwürfe für Afrika, Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen und afrikanische Magie behandelt, die, fast schon in einer Art Umkehrung des Magischen Realismus, für europäische Leser und Leserinnen sehr viel phantastischer klingt als von der Autorin intendiert.
Schon in ihren ersten beiden Büchern für junge Leser, die sie unter dem Namen Nnedi Okorafor-Mbachu veröffentlichte, kommen ihre Lieblingsthemen vor: in Zahrah the Windseeker (2005) muss ein Mädchen damit umgehen, durch ihre Kräfte zur Außenseiterin zu werden, in The Shadow Speaker (2007) muss sich der Sohn eines Diktators mit seiner Stellung im Dorf auseinandersetzen, während bei beiden der Übergang zwischen Technik und Magie fließend ist.

Okorafors erster Roman für Erwachsene und bisher erfolgreichstes Werk Who Fears Death ist eine Ausnahmeerscheinung in vielerlei Hinsicht. Statt mit eurozentrischem Pseudomittelalter wartet der Roman mit einem post-apokalyptischen Afrika als Schauplatz für eine Handlung abseits aller um Exotik bemühten Akazienromantiken auf. Ein Schauplatz, der geprägt ist von Unterdrückung, Gewalt und Furcht – aber auch von Magie. Denn im Afrika von Onyesonwu, der Protagonistin des Romans, ist Magie immanent und untrennbar mit dem Land, seinen Bewohnern und seiner Kultur verbunden. Ein Schritt zu viel – oder zu wenig –, und schon befinden sich Leserinnen und Leser in den Händen und Klauen von Geistern und Drachen, und beim Umblättern der Buchseiten scheint Sand durch die Finger zu rieseln. Es ist eine Art magischer Realismus, der Leser und Leserinnen da in den Bann zieht und Onyesonwu durch eine Coming-of-Age-Handlung begleitet, die von Tradition und Auflehnung, Frausein und Anderssein erzählt. Who Fears Death ist herausragend, unbarmherzig und einzigartig; es ist nicht nur ein Roman über das Erwachsenwerden, sondern auch über das Mensch-Sein – und es wurde wirklich Zeit, dass dies aus der Sicht einer jungen Afrikanerin erzählt wird, die sich in einen Drachen verwandeln kann.

Lagoon von Nnedi OkoraforNach Who Fears Death kehrte Okorafor mit Akata Witch (2011) wieder ins Jugendbuch zurück und lässt eine jugendliche Protagonistin ihre Magie entdecken, während ganz aktuell der SF-Roman Lagoon (2014) erscheint, in dem sich in einem Lagos der Zukunft eine Marinebiologin und ein Rapper mit etwas Außerirdischem herumschlagen müssen, das ins Meer gefallen ist.
Leider wurde von Nnedi Okorafors Büchern bisher keines auf Deutsch übersetzt, so dass sich man diese auch in Social Networks sehr umtriebige Autorin, die mit einer unverkennbaren Erzählstimme zeigt, was Fantasy auch sein könnte, nur im Original anschauen kann.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an William Morris, dessen Geburtstag sich heute zum 180. Mal jährt. Der am 24. März 1834 in Walthamstow, Essex, geborene William Morris war vieles – Autor, Dichter und Künstler, Verleger und enger Freund der Präraffaeliten um Dante Gabriel Rossetti und Edward Burne-Jones, Mitbegründer der englischen Socialist League und Verfasser der sozialistischen Utopie News from Nowhere, or An Epoch of Rest (1890; dt. Kunde von The Sundering Flood von William MorrisNirgendwo (1900) und gerade erst von einem unserer Lieblingsverlage neu aufgelegt) – doch an dieser Stelle soll uns nur seine Rolle als einer der unumstrittenen Gründerväter der modernen Fantasy interessieren. Wobei das eine sich nicht so ohne weiteres vom anderen trennen lässt, denn einer der Gründe, warum Morris in seinen letzten Lebensjahren Werke geschaffen hat, die man mit einer gewissen Berechtigung als eskapistische Wunscherfüllungsphantasien bezeichen könnte, dürfte vermutlich seine Enttäuschung über die Entwicklung der englischen sozialistischen Bewegung gewesen sein.
Einen allerersten Prosa-Ausflug in zumindest so etwas Ähnliches wie Fantasy-Gefilde hatte Morris allerdings schon sehr viel früher mit der allegorisch angehauchten Geschichte “The Hollow Land” (1856; dt. “Das hohle Land” (1985)) unternommen, und auch The House of the Wolfings (1889) und The Roots of the Mountains (1889) – zwei noch in einem pseudo-historischen Setting angesiedelte Romane, in denen sich stilistisch und inhaltlich bereits andeutete, wohin die Reise wenig später gehen sollte – sind noch vor News from Nowhere – jenem Werk, in dem er seinen Ideen von einem idealen sozialistischen Staat in Romanform Ausdruck verliehen hat – erschienen.
Doch erst The Story of the Glittering Plain, or the Land of Living Men (1891; dt. Das schimmernde Land (1985)) lässt sich trotz der nordischen Namen und Elemente als Fantasy im modernen Sinne betrachten, denn die Geschichte spielt zumindest teilweise in einer Sekundär- oder Anderswelt. Das titelgebende schimmernde Land ist ein von Unsterblichen bewohntes Utopia, das angeblich nur schwer zu erreichen ist. Letzteres gelingt dem Helden Hallblithe allerdings erstaunlich leicht – doch vor Ort erweist sich das Utopia alsbald mehr als ein Gefängnis als alles andere, sodass Hallblithe alles daran setzt, das Land, das so lange das Ziel seiner Träume war, so schnell wie möglich wieder zu verlassen.
Auch Walter, der Held von The Wood Beyond the World (1894; dt. Die Zauberin jenseits der Welt (1984)), verlässt seine Heimatstadt, um in jenes Land zu gelangen, das er zu Hause in seinen Visionen gesehen hat, und wie in The Glittering Plain sind die fantastischen Gefilde nur mittels einer Seereise zu erreichen. Als er – nach einem Schiffbruch und einer langen Reise über Berge und durch Wüsten – dort ankommt, verstrickt er sich rasch in das Beziehungsgeflecht aus der über Hexenkräfte verfügenden Herrscherin, ihrem zwergenhaften Diener, ihrer jungen Schutzbefohlenen und ihrem derzeitigen Liebhaber, der wie Walter ein Auge auf die junge Maid geworfen hat. Nach einigem Hin und Her gelingt es Walter und der jungen Maid zu fliehen … und kurz darauf geraten sie ganz zufällig in eine Stadt, deren Bevölkerung geschworen hat, den nächsten Fremden, der dort auftaucht, zu ihrem König zu machen.
In seinem nächsten Roman The Well at the World’s End (1896; dt. Die Quelle am Ende der Welt (1981)) sollte William Morris nicht nur die Schwächen – wie etwa das allzu aufgesetzt wirkende Ende – von The Wood Beyond the World überwinden, sondern er stattete den Roman darüber hinaus mit einer geschlossenen einheitlichen Geographie aus, statt die magischen Gefilde an bisher unbekannten Küsten unserer Welt anzusiedeln. The Well at the World’s End erzählt die Geschichte von Ralph, dem jüngsten Sohn des ziemlich bedeutungslosen Königs von Upmead, der auszieht, um Ruhm und Ehre zu gewinnen, und dem es – nachdem er viele Hindernisse überwunden und ebensoviele Abenteuer überstanden hat – nicht nur gelingt, aus der titelgebenden Quelle (deren Wasser eine lebensverlängernde Wirkung hat) zu trinken, sondern auch mit einer angemessenen Gemahlin heimzukehren. Doch ehe er triumphal heimkehren kann, muss er in die entlegensten Winkel der Welt reisen, und auch die Magie, die anfangs kaum wahrzunehmen ist, spielt zeitweise eine wesentlich größere Rolle. Am Ende fügt sich schließlich alles zusammen – alles, was Ralph auf seinem Weg zur Quelle getan hat, erlangt eine eigene Bedeutung und führt zu Entwicklungen, die seine Heimkehr in jeder Hinsicht zu einem Triumhzug machen und dem Buch zu einem mehr als befriedigenden Abschluss verhelfen.
The Well at the World’s End sollte der letzte seiner Fantasyromane sein, dessen Veröffentlichung Morris noch miterleben konnte, denn The Water of the Wondrous Isles (1897) und The Sundering Flood (1897; dt. Das Reich am Strom (1980)) wurden erst nach seinem Tod am 03. Oktober 1896 veröffentlicht. Keiner von beiden kann mit einem ähnlich phantastischen Panorama aufwarten, bei dem dem Land eine ähnlich tragende Rolle zuteil wird, wie dies bei The Well at the World’s End der Fall war. Während die “wundersamen Inseln” in einem großen See liegen The Well at the World's End von William Morrisund eher wie Fremdkörper als wie ein Teil eines großen, einheitlichen Weltentwurfs wirken, geht es in The Sundering Flood um ein vom deutschen Titel sehr treffend bezeichnetes, überschaubares pseudo-mittelalterliches Reich an einem Strom. Immerhin gibt es in The Water of the Wondrous Isles etliche phantastische Elemente wie ein quasi von Geisterhand angetriebenes Boot oder eine gestaltwandlerische Hexe, die die Angewohnheit hat, ihr missfallende Menschen in Tiere zu verwandeln, wohingegen der Fantasygehalt von The Sundering Flood eher marginal ist, wenn man von Dingen wie dem nicht alternden Mentor des Helden oder seinem magischen Schwert absieht.
Was William Morris – dessen Werke sowohl C.S. Lewis wie auch J.R.R. Tolkien nach eigener Aussage beeinflusst haben – in die Fantasy eingebracht hat, ist das Motiv der Queste – und die Welt (das englische Landscape trifft es wesentlich besser – man bedenke auch die Bedeutung und Häufigkeit von Landschaftsdarstellungen auf den Titelbildern vor allem englischer Fantasyromane in den 70er, 80er und 90er Jahren), die in ihrer Beschaffenheit und Gesamtheit eine wesentliche Rolle in der Geschichte spielt. Stilistisch sind vor allem seine ersten beiden dem Genre zuzurechnenden Romane für heutige Verhältnisse ziemlich harter Stoff, weil er sich in ihnen noch an einem “mittelalterlichen”, an Thomas Malory angelehnten Sprach- und Erzählduktus versucht. The Well at the World’s End hingegen ist auch heute noch mit Vergnügen lesbar, wenn man bereit ist, sich auf eine gewisse Langatmigkeit und Märchenhaftigkeit einzulassen und mit Figuren zu leben, deren Charaktereigenschaften recht überschaubar sind.
In den USA hat es William Morris vor allem Lin Carter und der Ballantine-Adult-Fantasy-Reihe zu verdanken, dass seine Werke Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts noch einmal ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt wurden. Und dass es immerhin vier seiner fünf Fantasyromane zu einer Übersetzung ins Deutsche gebracht haben und darüberhinaus mit Die goldene Maid (1986) noch ein Sammelband mit Erzählungen erschienen ist, bei dem es sich um eine Originalzusammenstellung zu handeln scheint, ist beeindruckend. Es zeigt allerdings auch ein bisschen, wie sehr sich die Fantasylandschaft in Deutschland seit den 80er Jahren verändert hat, denn das Morris’ Werke heutzutage hier noch einmal veröffentlicht würden, scheint schlicht undenkbar.

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The Sacred Band von David Anthony DurhamBibliotheka Phantastika gratuliert David Anthony Durham, der heute seinen 45. Geburtstag feiert. Mit seiner Acacia-Trilogie, die erzählerisch und konzeptionell frischen Wind in die Traditionen der epischen Fantasy einbrachte, rangiert der am 23. März 1969 in New York geborene Autor bei etlichen bp-Team-Mitgliedern weit oben in der Bestenliste, weshalb wir ihm zur Feier des Tages gleich ein Portrait erstellt haben. Wer wissen will, warum man Acacia unbedingt gelesen haben sollte, wenn man sich ein bisschen für Fantasy interessiert, die von dynastischen Narrativen, einem großen Weltentwurf und einem Plot geprägt ist, bei dem es ums Ganze geht, kann sich dort ausgiebig informieren.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Ari Marmell, der heute 40 Jahre alt wird. Nachdem der am 22. März 1974 in New York City geborene Ari Marmell einen Creative-Writing-Studiengang abgeschlossenen hatte, arbeitete er in diversen Jobs, die er nach eigener Aussage gehasst hat, ehe er mit einem Abenteuer für das Rollenspiel World of Darkness – Vampire: The Masquerade seine ersten Schritte als freiberuflicher Kreativer machte; von daher ist es nur folgerichtig, dass auch sein erster Roman in diesem Setting angesiedelt war: Mit Gehenna: The Final Night (2004; dt. Gehenna: Die letzte Nacht (2004)) verfasste er den Band, mit dem die alte Welt der Dunkelheit ihr Ende gefunden hat. Auch sein zweiter Roman Agents of Artifice (2009) war Teil eines Spielwelt-Settings – in diesem Fall dem von Magic: The Gathering.
The Conqueror's Shadow von Ari MarmellDanach schien Marmell erst einmal genug davon gehabt zu haben, sich immer nur in von anderen erdachten Szenarien auszutoben, denn mit The Conqueror’s Shadow (2010) und The Warlord’s Legacy (2011; dt. Der Dämon des Kriegers und Die Tochter des Kriegers (beide 2011)) erschienen seine ersten vollkommen eigenständigen Werke. Im Mittelpunkt der beiden Romane steht der ehemalige Söldnerführer Corvis Rebaine, der sein blutiges Handwerk längst hinter sich gelassen hat und inzwischen unter einem falschen Namen ein friedliches Leben führt – bis die Umstände ihn zwingen, seine alten Freunde um sich zu scharen und wieder zu dem zu werden, was er dereinst war: jene schier unbezwingliche Gestalt und Führerfigur, der die Menschen den Beinamen “der Schrecken des Ostens” verliehen hatten. Doch weder an Corvis noch seinen ehemaligen Mitstreitern sind die Jahre spurlos vorübergegangen, und die Rückkehr in ihr altes Leben – zu der Einige ohnehin nur widerwillig bereit sind – gestaltet sich als schwieriger als erwartet … Was vom Konzept her vielleicht nicht unbedingt originell klingt, aber Raum für eine spannende Abenteuerhandlung böte, erweist sich in der Umsetzung nur als bedingt erfolgreich; blasse Figuren und eine holpernde Handlung, in die immer wieder an Rollenspielabenteuer erinnernde Szenen eingestreut sind, sorgen dafür, dass das zweifellos vorhandene Potential der Geschichte nie so richtig ausgeschöpft wird.
The Goblin Corps (2011; dt. Die Horde: Die Schlacht von Morthûl (2012)) bietet ein mehr oder weniger klassisches, fantasy-typisches Gut-gegen-Böse-Szenario, mit dem Unterschied, dass wir in diesem Fall auf der Seite der Bösen in die Schlacht ziehen – ein Ansatz, den man heutzutage auch nicht mehr sonderlich originell nennen kann. Mit Darksiders: The Abomination Vault (2012; dt. Darksiders – Die Kammer der Macht (2012)) hat Ari Marmell sich wieder ein Stück auf seine Wurzeln zubewegt, denn der Roman spielt in der Welt des Videospiels Darksiders, wohingegen er mit den Widdershins Novels (Thief’s Covenant, False Covenant (beide 2012) und Lost Covenant (2013)) erneut Neuland betreten hat, denn bei ihnen handelt es sich um in einem Pseudo-Renaissance-Setting angesiedelte Abenteuerfantasy für jugendliche Leser.
Auch weiterhin scheint Ari Marmell (mindestens) zweigleisig fahren zu wollen, denn während er mit The Fall of Llael: In Thunder Forged (2013) – dem ersten Roman in der Rollenspielwelt der Iron Kingdoms – wieder ganz bei seinen Wurzeln angekommen ist, wird in Hot Lead, Cold Iron (Mai 2014) Mick Oberon seinen ersten Auftritt haben und versuchen, sich in der Lesergunst einen Platz neben Harry Dresden und Peter Grant zu erobern.
Ari Marmell ist ein Autor, dessen Werke – zu denen noch der von ihm selbst verlegte Story-Band Strange New Words: Tales of Heroism, Hi-Jinks, and Horror (2013) zu zählen wäre – mitten im Genre angesiedelt sind und gelegentlich seinen Rollenspielhintergrund etwas zu deutlich durchschimmern lassen. Andererseits steht er immer noch ziemlich am Anfang seiner Karriere, deren weitere Entwicklung sich heute noch nicht abschätzen lässt.

Außerdem gratulieren wir Alexander C. Irvine, der heute 45 Jahre alt wird. Ganz im Gegensatz zu seinem fünf Jahre jüngeren Kollegen hat es der am 22. März 1969 in Ann Arbor, Michigan, geborene Alexander Christian Irvine, dessen Werke teilweise auch unter Alex Irvine erscheinen, bislang noch nicht auf den deutschen Buchmarkt geschafft. Was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass seine Geschichten (die ersten erschienen zu Beginn des neuen Jahrtausends u.a. im Magazine of Fantasy & Science Fiction), vor allem aber seine Romane teilweise schwer zu klassifizieren und/oder einem Marktsegment zugehörig sind, das in Deutschland überhaupt nicht funktioniert.
So hat sich Irvine in seinen ersten beiden Romanen beispielweise ein gutes Stück weit auf Tim-Powers-Territorium begeben, denn in ihnen tauchen Motive und Elemente auf, die man auch in einigen Romanen von Powers finden kann. A Scattering of Jades (2002) ist eine wilde, teilweise im New York des Jahres 1843 spielende Parallelweltgeschichte, in der eine Verschwörung der amerikanischen Hochfinanz, eine irgendwo in den Bergen von Kentucky versteckte alte Mumie, eine aztekische Gottheit und das Opfer, das benötigt wird, um besagte Gottheit wieder zum Leben zu erwecken und das Zeitalter One King One Soldier von Alexander C. Irvineder Sechsten Sonne einzuläuten, die Hauptrollen spielen, während es sich bei One King, One Soldier (2004) um einen modernen Gralsroman handelt, in dem ein Koreakriegsveteran und ein Baseballspieler einen ebenso wichtigen Part spielen wie Arthur Rimbaud, der das Dichten aufgegeben hat und nun einer gänzlich anderen Passion frönt (und ja, es gibt zwei Zeitebenen). Ebenfalls mehr als ungewöhnlich ist auch The Narrows (2005), ein Alternativweltroman, in dem zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs Golems statt Arbeitern an den Fließbändern der Autofabriken von Detroit stehen.
Mit The Life of Riley (2005) und Buyout (2009) wandte Irvine sich der SF zu. Parallel dazu fing er außerdem an, Romane über Superhelden wie Batman, Iron Man oder The Ultimates zu schreiben. Arbeiten für Franchise-Universen waren ihm allerdings auch zuvor schon nicht fremd, denn bereits 2004 hatte er mit Have Robot, Will Travel einen Band zu der Reihe Isaac Asimov’s Robot Mysteries beigesteuert. 2009/2010 folgten weitere Romane zu Dungeons & Dragons, Supernatural und The Transformers, und 2013 war er der Autor der Novelisation des Guillermo-del-Toro-Blockbusters Pacific Rim. Darüber hinaus hat er sich noch stärker im Bereich der Comics engagiert und nicht nur The Vertigo Encyclopedia (2008) – ein Kompendium zum vielleicht wichtigsten und interessantesten Label des amerikanischen Comicmarkts – verfasst, sondern auch etliche Comic-Miniserien getextet.
Es wäre bedauerlich, wenn ein Autor wie Alexander Irvine, dessen Vielseitigkeit sich z.B. in dem Kurzgeschichtenband Pictures from an Expedition (2006) feststellen lässt, und der mit dem Kurzroman Mare Ultima (2012) bewiesen hat, dass er sich auch in einem typischen Fantasy-Setting wohlfühlt und auf vergleichsweise engem Raum eine Geschichte erzählen kann, die einerseits sehr klassisch, andererseits fast schon postmodern wirkt, dem Genre mehr oder weniger verlorenginge, weil seine genuinen Texte in einer Zeit, in der fast alles sang- und klanglos untergeht, was nicht dem gerade angesagten Genre-Mainstream entspricht, zwar von seinen Kollegen und Kolleginnen sowie der Kritik gewürdigt werden, aber nicht den Leserzuspruch finden, der es ihm ermöglichen würde, auch weiterhin welche zu schreiben.

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