Zum 40. Geburtstag von Ari Marmell und zum 45. Geburtstag von Alexander C. Irvine

Bibliotheka Phantastika gratuliert Ari Marmell, der heute 40 Jahre alt wird. Nachdem der am 22. März 1974 in New York City geborene Ari Marmell einen Creative-Writing-Studiengang abgeschlossenen hatte, arbeitete er in diversen Jobs, die er nach eigener Aussage gehasst hat, ehe er mit einem Abenteuer für das Rollenspiel World of Darkness – Vampire: The Masquerade seine ersten Schritte als freiberuflicher Kreativer machte; von daher ist es nur folgerichtig, dass auch sein erster Roman in diesem Setting angesiedelt war: Mit Gehenna: The Final Night (2004; dt. Gehenna: Die letzte Nacht (2004)) verfasste er den Band, mit dem die alte Welt der Dunkelheit ihr Ende gefunden hat. Auch sein zweiter Roman Agents of Artifice (2009) war Teil eines Spielwelt-Settings – in diesem Fall dem von Magic: The Gathering.
The Conqueror's Shadow von Ari MarmellDanach schien Marmell erst einmal genug davon gehabt zu haben, sich immer nur in von anderen erdachten Szenarien auszutoben, denn mit The Conqueror’s Shadow (2010) und The Warlord’s Legacy (2011; dt. Der Dämon des Kriegers und Die Tochter des Kriegers (beide 2011)) erschienen seine ersten vollkommen eigenständigen Werke. Im Mittelpunkt der beiden Romane steht der ehemalige Söldnerführer Corvis Rebaine, der sein blutiges Handwerk längst hinter sich gelassen hat und inzwischen unter einem falschen Namen ein friedliches Leben führt – bis die Umstände ihn zwingen, seine alten Freunde um sich zu scharen und wieder zu dem zu werden, was er dereinst war: jene schier unbezwingliche Gestalt und Führerfigur, der die Menschen den Beinamen “der Schrecken des Ostens” verliehen hatten. Doch weder an Corvis noch seinen ehemaligen Mitstreitern sind die Jahre spurlos vorübergegangen, und die Rückkehr in ihr altes Leben – zu der Einige ohnehin nur widerwillig bereit sind – gestaltet sich als schwieriger als erwartet … Was vom Konzept her vielleicht nicht unbedingt originell klingt, aber Raum für eine spannende Abenteuerhandlung böte, erweist sich in der Umsetzung nur als bedingt erfolgreich; blasse Figuren und eine holpernde Handlung, in die immer wieder an Rollenspielabenteuer erinnernde Szenen eingestreut sind, sorgen dafür, dass das zweifellos vorhandene Potential der Geschichte nie so richtig ausgeschöpft wird.
The Goblin Corps (2011; dt. Die Horde: Die Schlacht von Morthûl (2012)) bietet ein mehr oder weniger klassisches, fantasy-typisches Gut-gegen-Böse-Szenario, mit dem Unterschied, dass wir in diesem Fall auf der Seite der Bösen in die Schlacht ziehen – ein Ansatz, den man heutzutage auch nicht mehr sonderlich originell nennen kann. Mit Darksiders: The Abomination Vault (2012; dt. Darksiders – Die Kammer der Macht (2012)) hat Ari Marmell sich wieder ein Stück auf seine Wurzeln zubewegt, denn der Roman spielt in der Welt des Videospiels Darksiders, wohingegen er mit den Widdershins Novels (Thief’s Covenant, False Covenant (beide 2012) und Lost Covenant (2013)) erneut Neuland betreten hat, denn bei ihnen handelt es sich um in einem Pseudo-Renaissance-Setting angesiedelte Abenteuerfantasy für jugendliche Leser.
Auch weiterhin scheint Ari Marmell (mindestens) zweigleisig fahren zu wollen, denn während er mit The Fall of Llael: In Thunder Forged (2013) – dem ersten Roman in der Rollenspielwelt der Iron Kingdoms – wieder ganz bei seinen Wurzeln angekommen ist, wird in Hot Lead, Cold Iron (Mai 2014) Mick Oberon seinen ersten Auftritt haben und versuchen, sich in der Lesergunst einen Platz neben Harry Dresden und Peter Grant zu erobern.
Ari Marmell ist ein Autor, dessen Werke – zu denen noch der von ihm selbst verlegte Story-Band Strange New Words: Tales of Heroism, Hi-Jinks, and Horror (2013) zu zählen wäre – mitten im Genre angesiedelt sind und gelegentlich seinen Rollenspielhintergrund etwas zu deutlich durchschimmern lassen. Andererseits steht er immer noch ziemlich am Anfang seiner Karriere, deren weitere Entwicklung sich heute noch nicht abschätzen lässt.

Außerdem gratulieren wir Alexander C. Irvine, der heute 45 Jahre alt wird. Ganz im Gegensatz zu seinem fünf Jahre jüngeren Kollegen hat es der am 22. März 1969 in Ann Arbor, Michigan, geborene Alexander Christian Irvine, dessen Werke teilweise auch unter Alex Irvine erscheinen, bislang noch nicht auf den deutschen Buchmarkt geschafft. Was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass seine Geschichten (die ersten erschienen zu Beginn des neuen Jahrtausends u.a. im Magazine of Fantasy & Science Fiction), vor allem aber seine Romane teilweise schwer zu klassifizieren und/oder einem Marktsegment zugehörig sind, das in Deutschland überhaupt nicht funktioniert.
So hat sich Irvine in seinen ersten beiden Romanen beispielweise ein gutes Stück weit auf Tim-Powers-Territorium begeben, denn in ihnen tauchen Motive und Elemente auf, die man auch in einigen Romanen von Powers finden kann. A Scattering of Jades (2002) ist eine wilde, teilweise im New York des Jahres 1843 spielende Parallelweltgeschichte, in der eine Verschwörung der amerikanischen Hochfinanz, eine irgendwo in den Bergen von Kentucky versteckte alte Mumie, eine aztekische Gottheit und das Opfer, das benötigt wird, um besagte Gottheit wieder zum Leben zu erwecken und das Zeitalter One King One Soldier von Alexander C. Irvineder Sechsten Sonne einzuläuten, die Hauptrollen spielen, während es sich bei One King, One Soldier (2004) um einen modernen Gralsroman handelt, in dem ein Koreakriegsveteran und ein Baseballspieler einen ebenso wichtigen Part spielen wie Arthur Rimbaud, der das Dichten aufgegeben hat und nun einer gänzlich anderen Passion frönt (und ja, es gibt zwei Zeitebenen). Ebenfalls mehr als ungewöhnlich ist auch The Narrows (2005), ein Alternativweltroman, in dem zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs Golems statt Arbeitern an den Fließbändern der Autofabriken von Detroit stehen.
Mit The Life of Riley (2005) und Buyout (2009) wandte Irvine sich der SF zu. Parallel dazu fing er außerdem an, Romane über Superhelden wie Batman, Iron Man oder The Ultimates zu schreiben. Arbeiten für Franchise-Universen waren ihm allerdings auch zuvor schon nicht fremd, denn bereits 2004 hatte er mit Have Robot, Will Travel einen Band zu der Reihe Isaac Asimov’s Robot Mysteries beigesteuert. 2009/2010 folgten weitere Romane zu Dungeons & Dragons, Supernatural und The Transformers, und 2013 war er der Autor der Novelisation des Guillermo-del-Toro-Blockbusters Pacific Rim. Darüber hinaus hat er sich noch stärker im Bereich der Comics engagiert und nicht nur The Vertigo Encyclopedia (2008) – ein Kompendium zum vielleicht wichtigsten und interessantesten Label des amerikanischen Comicmarkts – verfasst, sondern auch etliche Comic-Miniserien getextet.
Es wäre bedauerlich, wenn ein Autor wie Alexander Irvine, dessen Vielseitigkeit sich z.B. in dem Kurzgeschichtenband Pictures from an Expedition (2006) feststellen lässt, und der mit dem Kurzroman Mare Ultima (2012) bewiesen hat, dass er sich auch in einem typischen Fantasy-Setting wohlfühlt und auf vergleichsweise engem Raum eine Geschichte erzählen kann, die einerseits sehr klassisch, andererseits fast schon postmodern wirkt, dem Genre mehr oder weniger verlorenginge, weil seine genuinen Texte in einer Zeit, in der fast alles sang- und klanglos untergeht, was nicht dem gerade angesagten Genre-Mainstream entspricht, zwar von seinen Kollegen und Kolleginnen sowie der Kritik gewürdigt werden, aber nicht den Leserzuspruch finden, der es ihm ermöglichen würde, auch weiterhin welche zu schreiben.

3 Kommentare zu Zum 40. Geburtstag von Ari Marmell und zum 45. Geburtstag von Alexander C. Irvine

  1. Elric sagt:

    Hm, hm, hm, dieser Alexander Irvine klingt wirklich gut!
    Ich glaub, da werd ich mir mal was dazu besorgen – jedenfalls kommt es in die enge Auswahl für den nächsten Besuch beim Lieblingsbuchladen (die mir fast alles bestellen! 😉 ). Was würdest du mir denn empfehlen, liebster Gerd? 😀

  2. gero sagt:

    Hallo Elric,

    um abzuschätzen, ob dir der Irvine wirklich liegt, wäre es am einfachsten (und schnellsten und billigsten), dir Mare Ultima runterzuladen (d.h., falls du einen Kindle oder eine Kindle App auf dem PC hast ;)).

    Was Irvines längere Romane angeht, gefällt mir von den beiden, die ich ganz oder fast ganz gelesen habe, A Scattering of Jades besser, weil er farbiger ist und insgesamt mMn etwas besser funktioniert als One King, One Soldier. Ist halt – wie schon im Posting gesagt – eine wilde, ein bisschen abgedrehte Verschwörungsgeschichte, die aber u.a. ein interessantes Bild vom New York des 19. Jahrhunderts zeichnet. The Narrows habe ich noch nicht gelesen, soll aber irgendwann noch drankommen. Natürlich kannst du es auch mit dem Kurzgeschichtenband versuchen. Die Stories haben mich zwar längst nicht alle überzeugt, aber sie bieten eine enorme thematische Bandbreite (allerdings mit viel SF) und zeigen, dass eine von Irvines eindeutigen Stärken ist, Atmosphäre zu schaffen.

  3. Elric sagt:

    Okay, vielen Dank Gerd.
    Hab’s mir grad bestellt – nachdem es bei Amazon Marketplace für gerade mal 2,50 + Versand neu zu haben war… 😀
    Ich geb dann Bescheid, wie gut es gefallen hat! Aber so wie ich dich und deine Empfehlungen kenne… 😉 Ich bedanke mich schon gleich vorneweg! 😀

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