Bibliotheka Phantastika gratuliert Nnedi Okorafor, die heute ihren 40. Geburtstag feiert. Als Amerikanerin nigerianischer Abstammung lässt sich die am 8. April 1974 in Cincinnati, Ohio, geborene Nnedimma Nkemdili Okorafor schnell als Autorin einordnen, die vor allem über die Mythen und Traditionen ihrer Vorfahren schreibt und diese als Stoffgeber für Fantasy nutzt. Doch damit würde man dem Ernst nicht gerecht, mit dem Okorafor mögliche Zukunftsentwürfe für Afrika, Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen und afrikanische Magie behandelt, die, fast schon in einer Art Umkehrung des Magischen Realismus, für europäische Leser und Leserinnen sehr viel phantastischer klingt als von der Autorin intendiert.
Schon in ihren ersten beiden Büchern für junge Leser, die sie unter dem Namen Nnedi Okorafor-Mbachu veröffentlichte, kommen ihre Lieblingsthemen vor: in Zahrah the Windseeker (2005) muss ein Mädchen damit umgehen, durch ihre Kräfte zur Außenseiterin zu werden, in The Shadow Speaker (2007) muss sich der Sohn eines Diktators mit seiner Stellung im Dorf auseinandersetzen, während bei beiden der Übergang zwischen Technik und Magie fließend ist.
Okorafors erster Roman für Erwachsene und bisher erfolgreichstes Werk Who Fears Death ist eine Ausnahmeerscheinung in vielerlei Hinsicht. Statt mit eurozentrischem Pseudomittelalter wartet der Roman mit einem post-apokalyptischen Afrika als Schauplatz für eine Handlung abseits aller um Exotik bemühten Akazienromantiken auf. Ein Schauplatz, der geprägt ist von Unterdrückung, Gewalt und Furcht – aber auch von Magie. Denn im Afrika von Onyesonwu, der Protagonistin des Romans, ist Magie immanent und untrennbar mit dem Land, seinen Bewohnern und seiner Kultur verbunden. Ein Schritt zu viel – oder zu wenig –, und schon befinden sich Leserinnen und Leser in den Händen und Klauen von Geistern und Drachen, und beim Umblättern der Buchseiten scheint Sand durch die Finger zu rieseln. Es ist eine Art magischer Realismus, der Leser und Leserinnen da in den Bann zieht und Onyesonwu durch eine Coming-of-Age-Handlung begleitet, die von Tradition und Auflehnung, Frausein und Anderssein erzählt. Who Fears Death ist herausragend, unbarmherzig und einzigartig; es ist nicht nur ein Roman über das Erwachsenwerden, sondern auch über das Mensch-Sein – und es wurde wirklich Zeit, dass dies aus der Sicht einer jungen Afrikanerin erzählt wird, die sich in einen Drachen verwandeln kann.
Nach Who Fears Death kehrte Okorafor mit Akata Witch (2011) wieder ins Jugendbuch zurück und lässt eine jugendliche Protagonistin ihre Magie entdecken, während ganz aktuell der SF-Roman Lagoon (2014) erscheint, in dem sich in einem Lagos der Zukunft eine Marinebiologin und ein Rapper mit etwas Außerirdischem herumschlagen müssen, das ins Meer gefallen ist.
Leider wurde von Nnedi Okorafors Büchern bisher keines auf Deutsch übersetzt, so dass sich man diese auch in Social Networks sehr umtriebige Autorin, die mit einer unverkennbaren Erzählstimme zeigt, was Fantasy auch sein könnte, nur im Original anschauen kann.