Bibliotheka Phantastika gratuliert Simon R. Green, der heute 60 Jahre alt wird. Zwar hat die schriftstellerische Karriere des am 25. August 1955 in Bradford on Avon in der südenglischen Grafschaft Wiltshire geborenen Simon Richard Green bereits 1979 mit der Veröffentlichung der Erzählung “Awake, Awake, Ye Northern Winds” in der Anthologie Swords Against Darkness V begonnen, doch Fahrt aufgenommen hat sie erst, als 1990 sein erster Roman No Haven for the Guilty (auch als Hawk & Fisher) auf den Markt kam – dann allerdings ziemlich schnell. Denn seit diesem Zeitpunkt hat sich Green als überaus fleißiger Autor erwiesen, dessen zumeist in Form mehrbändiger Serien oder Zyklen erzählte Geschichten zwar in verschiedenen phantastischen Subgenres, aber alle im gleichen Universum angesiedelt sind (was Green vor allem in den Nightside– und Secret-History-Romanen gelegentlich gerne für Cameo-Auftritte von Figuren aus seinen anderen Reihen oder Settings nutzt)
Den Anfang machte der o.g. Roman, dessen amerikanischer Titel Hawk & Fisher auch der ganzen, zunächst mit Winner Takes All (1991; auch als Devil Take The Hindmost (1991), The God Killer (1991), Wolf in the Fold (1991; auch als Vengeance for a Lonely Man (1991)), Guard Against Dishonor (1991; auch als Guard Against Dishonour (1991) und The Bones of Haven (1992; auch als Two Kings in Haven (1992)) fortgesetzten Reihe den Namen verlieh. In ihr geht es um die Abenteuer des gleichnamigen Paares, das es als Mitglied der wie eine moderne Polizietruppe agierenden Stadtwache der kulturell keiner Epoche eindeutig zuzuordnenden, sondern irgendwo zwischen Mittelalter, Renaissance und den ersten Vorboten einer industrieller Revolution oszillierenden, vollkommen korrupten und verkommenen Stadt Haven mit allerlei bösen Buben – vom simplen Dieb bis hin zum bösen Magier – zu tun bekommt. Interessant ist dabei nicht nur, dass Green besagte Abenteuer mit den typischen Stilmitteln und Plotelementen des Krimis erzählt, das Ganze aber in einem Sword-&-Sorcery-Setting spielt, sondern auch, dass mit Fisher der weibliche Part des Duos die deutlich “härtere” Figur ist.
Im gleichen Königreich – dem Forest Kingdom –, aber viel weiter im Norden angesiedelt ist Blue Moon Rising (1991)*, ein Roman, in dem Prinz Rupert, der zweitgeborene Sohn des Königs, ausgeschickt wird, einen Drachen zu töten – zumindest ist das die offizielle Version, denn in Wirklichkeit steckt etwas anderes hinter Ruperts Auftrag. Allerdings verläuft auch seine Quest völlig anders als erwartet; statt einen Schmetterlinge sammelnden Drachen zu töten, findet er in Prinzessin Julia eine interessante Reisebegleiterin – und gemeinsam entdecken die beiden, in welch großer Gefahr das Königreich schwebt … Blue Moon Rising erweist sich als originelle Abwandlung der typischen Fantasy-Quest, bei der man sich allenfalls fragen kann, ob die humoristischen Elemente und der locker-flockige Ton, in dem Rupert und Julia (und Ruperts Einhorn Breeze) miteinander umgehen, so recht zum düsteren Hintergrund und der doch recht blutigen Handlung passt. Während die beiden Folgebände Blood and Honour (1992) und Down Among the Dead Men (1993) nur das Setting, aber nicht die Figuren mit dem Auftaktband gemein haben, kehren Rupert und Julia in Beyond the Blue Moon (2000) und Once In a Blue Moon (2014) ins Waldkönigreich zurück – und dann wird auch deutlich, was die Blue-Moon-Romane über das grobe Setting hinaus mit der Hawk-&-Fisher-Sequenz verbindet.
Bereits 1992 wandte Simon R. Green sich zum ersten Mal der SF zu, und zwar mit Mistworld, dem Auftakt einer dreibändigen Reihe, in der zum ersten Mal jenes gewaltige, in einer fernen Zukunft angesiedelte und von Menschen beherrschte Imperium auftaucht, gegen das Owen Deathstalker in den ersten fünf Bänden des Deathstalker-Zyklus (1995-99) letztlich rebellieren muss, da ihn die Kaiserin aus einer Laune heraus zum Gesetzlosen erklärt. Viele Jahre später tritt Lewis Deathstalker in die Fußstapfen seines längst verstorbenen Ahnen und kämpft in drei Bänden (2002-05) gegen das neu erwachte Böse im Imperium, wobei er einen unerwarteten Verbündeten findet … Man kann die gesamte Deathstalker-Sequenz vermutlich als Parodie auf die klassischen Space Operas lesen – wobei der Blutzoll, der in den Romanen gezahlt wird, deutlich höher sein dürfte als in den meisten der Werke, die sie parodieren.
Mit Something from the Nightside (2003) startete Simon R. Green die inzwischen auf zwölf Bände angewachsene Nightside-Sequenz (2003-2012), in der John Taylor sich in der Nightside – einem verborgenen Viertel Londons, in dem es sowohl Magie als auch Hochtechnologie gibt – mit allerlei Gegnern herumschlagen muss, während The Man With the Golden Torc (2007) den Auftakt der Abenteuer Edwin Droods erzählt, der als Shaman Bond im Auftrag seiner Familie in diesem und bislang acht weiteren Bänden damit beschäftigt ist, die Welt zu retten; die Droods sind nämlich eine uralte Familie, die hinter den Kulissen agiert und über die Erde wacht – natürlich ohne dass die Normalsterblichen etwas davon mitbekommen, weswegen die gesamte Sequenz auch den passenden Titel Secret History (2007-15) trägt. Greens neueste, bislang aus sechs Bänden bestehende Serie Ghost Finder (2010-15) erzählt die Abenteuer eines dreiköpfigen Teams von Geistersuchern des Carnacki Institute, die genau das tun, was ihr Titel besagt.
Zusätzlich zu all diesen Serien hat Simon R. Green immerhin auch drei Einzelromane verfasst: Robin Hood, Prince of Thieves ist die Novelisation des gleichnamigen Kevin-Costner-Films, während Shadows Fall (1994) und Drinking Midnight Wine (2001) eigenständige Romane darstellen (die natürlich ebenfalls im großen Green-Universum angesiedelt sind). Shadows Fall ist dabei Greens vielleicht ambitioniertester Roman überhaupt, der von der titelgebenden Stadt erzählt, die als eine Art Elefantenfriedhof der Phantasie fungiert, denn in sie ziehen sich alle Götter und Helden, Legenden und Monstren, alte und neue Mythen und selbst die vergessenen Freunde der Kindheit zurück, wenn ihre Zeit auf Erden abgelaufen ist. Wobei auch diese Stadt – über die Father Time mit sanfter Hand herrscht – nur eine Zwischenstation ist, denn während viele der vergessenen Helden dort ihre Zeit mit gepflegtem Nichtstun verbringen, gibt es mit der Forever Door auch eine Tür, von der niemand weiß, wohin sie führt – und durch die noch nie jemand zurückgekommen ist, der hindurchgegangen ist. So richtig aufregend wird es in Shadows Fall allerdings erst, als eines Tages ein Serienmörder die Stadt unsicher macht und die Invasion der schier unaufhaltsamen fundamentalistischen Christian Warriors of the Light beginnt … Wenn man Romane liebt, die mit einer Fülle von originellen, bizarren Ideen aufwarten (und damit leben kann, dass es irgendwann auch wieder recht blutig zugeht), und wenn man wissen will, wo viele der Konzepte aus Greens späteren Romanen zum ersten Mal aufgetaucht sind, dann könnte ein kleiner Städtetrip nach Shadows Fall sich als durchaus lohnend erweisen …
* – da der Großteil von Greens Werken ins Deutsche übersetzt wurde und eine entsprechende Auflistung den Rahmen dieses Posting gesprengt hätte, werden die bibliographischen Angaben zu den im Text nur summarisch genannten Serien/Reihen und den deutschen Ausgaben in einem Kommentar nachgeliefert.
Platzhalter für die bibliographischen Angaben, die demnächst hier folgen werden.
Hach ja, ich hab den ersten Green ja lange vor mir hergeschoben – um dann rauszufinden, dass es der zweite der “Secret History”-Reihe ist, der voller Anspielungen auf den ersten Band ist.
Allerdings: ich fand das Buch super! Hätte nicht erwartet, dass es schon so viel von Simon Green gibt! Da muss ich mich wohl mal – wenn der Stapel gesunken ist – wieder mit dem Herrn beschäftigen. Schreiben kann er garantiert!!! 😀
Danke Gerd! Und ich freu mich schon auf die Liste der Übersetzungen! 😀