Zum 70. Geburtstag von David Feintuch

Bibliotheka Phantastika erinnert an David Feintuch, der heute 70 Jahre alt geworden wäre. Im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen und Kolleginnen, die anlässlich ihres Geburtstags hier im Blog auftauchen, dürfte der Name des am 21. Juli 1944 in Yonkers, New York, geborenen Rechtsanwalts, Antiquitätenhändlers und Autors David Feintuch zumindest dem Teil unserer Leserschaft ein Begriff sein, der sich auch für SF interessiert, denn das Werk, mit dem Feintuch bekannt wurde – der siebenteilige Zyklus um Nicholas Seafort – ist komplett auf Deutsch erschienen und hat auch hierzulande eine gewisse Popularität erlangt. Im Mittelpunkt der mit Midshipman’s Hope (1994; dt. Sternenkadett Nick Seafort (1995)) begonnenen Saga steht ein Mann, der durch die Umstände in eine Position kommt, für die er (noch) nicht geeignet ist, seiner Verantwortung aber nach bestem Wissen und Gewissen gerecht werden will – was bei einer Figur mit den Charakterzügen Seaforts unausweichlich zu jeder Menge Selbstzweifeln und Schuldgefühlen führt.
The Still von David FeintuchInteressanterweise ist auch Rodrigo, die Hauptfigur von Feintuchs erstem Fantasyroman The Still (1997; dt. Der Spiegel von Caledon (1999)) jemand, der durch die Umstände in eine Position gerät, für die er (noch) nicht geeignet ist. Damit enden die Gemeinsamkeiten allerdings auch schon. Denn während Nicholas Seafort ein zwar häufig anstrengender, aber aufgrund seiner äußeren und inneren Zwänge fast schon tragischer Held ist, ist Rodrigo – oder Roddy, wie er zumeist genannt wird – das, was man im Englischen a spoiled brat nennt. Als ältester Sohn der Königin von Caledon und Thronerbe kann er sich das natürlich auch leisten, doch als seine Mutter überraschend stirbt, ändern sich die Dinge grundlegend. Denn nicht zuletzt Rodrigos unangenehme Charaktereigenschaften machen es seinem Onkel Margenthor leicht, den Rat zu überzeugen, dass Rodrigo zu jung ist, um den Thron zu besteigen, und sich selbst als Regent einsetzen zu lassen. Und wer erst einmal Regent ist, hat häufig nicht so recht Lust, freiwillig vom Herrschen zu lassen. Das wird auch Rodrigo klar, der zwar arrogant und selbstsüchtig, aber keineswegs dumm ist, und so macht er sich mit ein paar Vertrauten auf, um bei den Adligen des Reiches für seine Sache zu werben – alsbald verfolgt von den Häschern seines Onkels und dessen Verbündeten. Um überhaupt eine Chance zu haben, eines Tages den Thron doch noch besteigen zu können, muss Rodrigo die magische Macht seiner Mutter erben (die eng mit dem titelgebenden Still bzw. Spiegel von Caledon verknüpft ist) – doch das wiederum setzt voraus, dass er nicht lügt und keinen Sex mit einer Frau hat, solange er nicht zum König gekrönt ist – was ihm nicht unbedingt gefällt …
Man muss David Feintuch zubilligen, dass er mit The Still einen ungewöhnlichen Weg gegangen ist, denn einen echten Unsympathen zur Hauptfigur zu machen, ist … mutig. Vor allem, da dieser Unsympath (im Gegensatz etwa zum leprakranken Thomas Covenant, dessen Krankheit sein Verhalten zwar nicht entschuldigen kann, aber zumindest ein bisschen nachvollziehbar macht) kein wie auch immer geartetes Leiden vorweisen kann, sondern wirklich nichts weiter als ein verzogenes, egozentrisches und grausames Bürschchen ist, das aus seinem gewohnten Leben gerissen wird und auch seinen Freunden und Verbündeten anfangs das Leben schwer macht. Natürlich ändert sich Rodrigo irgendwann – langsam und allmählich – doch bis es soweit ist, braucht man als Leser eine Menge Ausdauer und muss über viele Seiten hinweg eine Figur begleiten, die das krasse Gegenteil eines angenehmen Reisegefährten ist.
Dass (der inzwischen geläuterte) Rodrigo sein Ziel schließlich erreicht, kann man bereits anhand des Titels des zweiten Bands des (ab diesem Band) als Rodrigo of Caledon betitelten Zyklus erahnen, doch es ist auch davon auszugehen, dass er auch in The King (2002) noch mit ausreichend Problemen zu kämpfen hat, denn sein Königreich ist von fremden Besatzern okkupiert.
Inwieweit David Feintuch Rodrigo of Caledon noch weitere Abenteuer erleben lassen wollte, ist nicht bekannt. Tatsache ist, dass er außer der siebenteiligen Nick-Seafort-Saga und den beiden Romanen um Rodrigo keine SF oder Fantasy geschrieben hat – und auch keine mehr schreiben wird, denn am 16. März 2006 ist er im Alter von 61 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.

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