Bibliotheka Phantastika gratuliert Barry Hughart, der heute seinen 80. Geburtstag feiert. Mit nur drei veröffentlichten Romanen hat der am 13. März 1934 in Peoria, Illinois, geborene Barry Hughart sich unangefochten an die Spitze der Fantasy-Autorinnen und –Autoren gesetzt, deren Werk sich auf fernöstliche Mythen gründet.
Sein Interesse an jenen Traditionen wurde geweckt, als er während seines Militärdienstes in den 1950ern in Asien stationiert war. Es dauerte dann aber noch knapp dreißig Jahre, bis 1984 Bridge of Birds (dt. Die Brücke der Vögel (1986)) erschien, der erste Band der Meister Li-Romane bzw. Chronicles of Master Li and Number Ten Ox, der im darauffolgenden Jahr auch den World Fantasy Award gewann. Das detektivische Mastermind der Romane, Meister Li Kao, wird darin als versoffener, verschlafener und ziemlich tattriger Mann von zweifelhafter Moral eingeführt, er ist jedoch der einzige Gelehrte, den sich der Bauernjunge Nummer Zehn der Ochse mit dem Geld seines Dorfes leisten kann, um eine Seuche zu bekämpfen, von der alle Kinder befallen sind. Meister Li gehört zu der Sorte Ermittler, die jeden Spuk, vor dem andere ehrfürchtig staunend zurückweichen, mit Wonne als Humbug entlarvt, was um so erstaunlicher ist, weil er mit Ochse, der ab dem zweiten Band The Story of the Stone (1987, dt. zunächst Meister Li und der Stein des Himmels (1988), dann Der Stein des Himmels (2004)) nicht mehr Kunde, sondern Gehilfe ist, ständig in Angelegenheiten mythischer Ausmaße irgendwo zwischen Himmel und Hölle gerät. Doch am Rande großer Ereignisse wimmelt es von kleinen Gaunereien, und der schlitzohrige Meister Li ist selbst kriminellen Methoden nicht abgeneigt, auch wenn seine kleinen amoralischen Anwandlungen von einem insgesamt recht umfassenden Moralverständnis geleitet werden.
Die Meister-Li-Bände sind eine bunte Mischung aus Abenteuer, Schelmenroman und Detektivgeschichte und bestechen durch eine jeweils sehr fein strukturierte Handlung und einen trockenen und skurrilen Humor, der aus ganz alltäglichen Szenen entsteht, die urplötzlich einen Schwenk ins Absurde vollziehen – sei es nun während eines pompösen Hinrichtungsspektakels oder im bürokratischen Wahnsinn der chinesischen Hölle.
Während man im ersten Band die Suche nach der Großen Wurzel der Macht begleitet und das Geheimnis einer Kammerzofe löst, macht im zweiten der grausame, aber eigentlich längst verstorbene Lachende Prinz ein abgelegenes Tal unsicher. Der dritte Band, Eight Skilled Gentlemen (1990, dt. Die Insel der Mandarine (1992)), spielt dagegen in der Verbotenen Stadt, wo es mysteriöse Morde aufzuklären gilt.
Im Unterschied zu einem richtigen Krimi geht es aber bei Meister Li nur selten darum, bei der Aufklärung der Fälle mitzurätseln, denn obwohl sich der Erzähler Nummer Zehn der Ochse nach Kräften bemüht, auch für die “Barbaren unter den Lesern” alles zu erklären, müssen die göttlichen Kräfte, die in den alles andere als normalen Fällen walten, für die Meister Li sich ausschließlich interessiert, letztlich geheimnisvoll bleiben. Man hat aber ohnehin genug damit zu tun, mit Meister Lis (meist von Ochses Schultern aus anberaumtem) rasantem Tempo mitzuhalten.
Dass es von den Abenteuern dieses Zweiergespanns eventuell noch mehr zu berichten gegeben hätte, deutet sich schon dadurch an, dass in den drei Romanen immer wieder Andeutungen auf weitere, zwischen den beschriebenen Fällen liegende Ereignisse gemacht werden. Doch Barry Hughart war offenbar nicht mit der Art zufrieden, wie der Buchmarkt mit ihm umging, und kam darüber hinaus später noch zu dem Schluss, dass er sich bei weiteren Abenteuern lediglich wiederholt hätte. Schade ist daran, dass er nicht nur Meister Li und Ochse hinter sich gelassen hat, sondern sich auch keinen neuen Geschichten mehr zuwandte – zumindest keinen, die das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben.
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