Über den Tellerrand: Robot & Frank

Wem nach dem “Robot” im Titel noch der Schreck in den Gliedern sitzt, den kann ich beruhigen: obwohl der hier vorgestellte Film letztes Jahr erschien und Science-Fiction-Elemente besitzt – weder Will Smith noch eines seiner Kinder spielen irgendeine Rolle. Tatsächlich könnte der US-amerikanische Indiefilm “Robot & Frank” von Regisseur Jake Schreier den herkömmlichen Roboterphantasien nicht ferner liegen.

Robot and Frank

In einer “nahen Zukunft” lebt Frank, ehemaliger Juwelendieb und Fassadenkletterer, in einem beschaulichen Haus im Grünen und verbringt seinen Lebensabend mit Besuchen der Gemeindebibliothek und dem Stehlen geschnitzter Seifentiere. Futuristische Smartphones und der Robotergehilfe der Bibliothekarin Jennifer, der wenig humanoide und eher an einen wandelnden Kopierer erinnernde Mr. Darcy, sind die ersten Hinweise auf den technologischen Fortschritt dieser leisen, sensiblen Zukunftsvision. Von ähnlicher Subtilität ist auch das wahrhaft meisterhafte Spiel von Frank Langella, der behutsam die feinen Risse in die Zukunftsidylle zeichnet: was anfangs als schrulliges Eigenbrödlertum durchgehen mag, entpuppt sich erst für die Kinder des filmischen Franks, dann für die Zuschauer, und später, in unprätentiösen und schmerzhaft ehrlichen Momenten auch für den alten Mann selbst als Verwirrung, als Demenz. “Robot & Frank” ist jedoch nicht nur ein Film über das Älterwerden und die Vieldeutigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen – es ist ein Film, der das Verhältnis von Mensch zur vermenschlichten Maschine mal verschmitzt-komisch, mal leise-traurig zum Thema macht. Denn Franks Kinder – großartig hier übrigens Liv Tyler als philanthropisch-nervige Tochter, die aus Turkmenistan schuldbewusste Videobotschaften sendet – stellen ihrem Vater einen Pflegeroboter zur Seite, der das übernehmen soll, was weder Frank als Vater, noch Hunter oder Madison als Kinder je gut konnten: sich kümmern.

Brokkoli statt Müsli, ein geregelter Tagesablauf, eine Freizeitbeschäftigung, die den Geist auf Trab bringt: es ist nicht verwunderlich, dass Frank wenig begeistert ist von der Technologisierung seiner Betreuung. Doch auch in der Bibliothek stehen die Zeichen auf Umbruch; Printmedien sind wie Frank ein Relikt vergangener Tage, und ein mutimediales Kulturzentrum soll den Bücherstaub ersetzen. Der Film greift an dieser Stelle mit verschmitztem Augenzwinkern eine nur allzu aktuelle Debatte auf, ohne zwischen Schlagworten wie Vorsintflutlichkeit und Fortschrittswahn Stellung zu beziehen.
Es bleibt ein Film der leisen Töne: Die zarte Romanze zwischen der Bibliothekarin und dem ehemaligen Juwelendieb, der immer öfter den Namen seines Sohnes vergisst, entspricht keinen Hollywoodnormen. Und zwischen allen menschlichen Verwicklungen sucht Franks Roboter nun nach einem Hobby, das gleichzeitig zu fordern und zu begeistern vermag. Was nur, wenn sich Schlösserknacken als perfektes Mittel herausstellt, Frank bei Laune zu halten…?

Die Beziehung von Frank zu seinem namenlosen Roboter ist das Herzstück dieses kleinen Filmjuwels. Schnell deutet Frank – und der Zuschauer – Humor und Emotion in die Handlungen der Maschine hinein, und es trifft beide gleichermaßen, wenn der Roboter wiederholt betont, dass er keine Persönlichkeit besitzt. Und an beide ist es auch gerichtet, wenn er dieser Feststellung ein “I know you don’t like it” voranstellt. Es sind Bilder, die aus einem Nachbartal des Uncanny Valley stammen, wenn der Roboter in zenartiger Gelassenheit den Garten umsorgt, dessen Pflege eigentlich Franks (bewegungs- und kognitionsfördernde) Aufgabe ist; und wenn der ausgeschaltete Roboter in die ausgebreiteten Arme des alten Mannes sinkt, der ihn schließlich doch als Freund und Partner bezeichnet, dann ist dies ein melancholisches, aber dennoch verräterisch tröstendes Zerrbild einer Umarmung. Ein Mann, der vergisst, und eine Maschine, die nicht vergessen kann: “Robot & Frank” ist weder ein reines Drama, eine reine Komödie, noch eine Science-Fiction-Vision. Mit seinem feinsinnigem Humor, dem nie kitischigen, nie nur traurigen Portrait einer Familie und der klugen Studie der Sehnsucht nach Vermenschlichung bewegt sich dieser Film vielleicht schwerfällig, wenn es um eine Genreeinteilung geht, aber umso leichtfüßiger, wenn man sich auf die Diebestour mit Roboter einlässt. Denn dass Fassadenkletterei unter die Definition “körperliche Betätigung” fällt, leuchtet auch dem Roboter ein – dessen Ethikprogramm ihn eindeutig auf nicht alle Situationen vorbereitet hat.

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