Eine Bohne schaut fern: Spieglein Spieglein

Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von SchneewittchenLetzten April sind gleich zwei Verfilmungen der Geschichte von Schneewittchen und den 7 Zwergen in den Kinos erschienen. Einmal war da dieser Streifen mit der ausdrucksstarken (Achtung Sarkasmus!) Twilight-Heldin Kristen Stewart, neben Charlize Theron und dem aktuell männlichen Sahnestück Chris Hemsworth als “Huntsman” (oder auch Hans-Mähn) und dann war da noch ein Film, der bei der starken Bewerbung seiner Konkurrenz etwas untergegangen ist. Völlig zu unrecht, wie ich nun feststellen musste, denn Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen ist ein Streifen, der mit optischer Finesse und Witz Bella – Verzeihung – Snow White, locker in den Schatten stellt.

Als mich Spieglein Spieglein, mit Julia Roberts (böse Königin) und Lily Collins (Schneewittchen) in den Hauptrollen, im Techno-Laden meines Vertrauens dieser Tage unschuldig anlächelte, überkam mich die Neugier und ich packte gleich die Blueray ein – wagemutig, ohne mehr als den kurzen TV Trailer zu kennen. Schon nach den ersten Minuten aber kam Überraschung auf. Diese Farben! Diese liebevollen Details! Die pompöse Gestaltung der Kulissen! Die Kostüme!
Kurzum, ich war sprachlos und konnte kaum fassen, was ich hier sah: einen Film des indischen Regisseurs Tarsem Singh, der auch für Filme wie Krieg der Götter 3D oder The Fall verantwortlich ist und ein Händchen für Augenschmaus hat.

Spieglein Spieglein ist entsprechend eine optisch überwältigende Schönheit von Film geworden, mit intensiven Farben und prächtiger Gesamtaufmachung. Doch damit nicht genug, auch die Handlung ist gelungen. Mit leichten Abweichungen von dem vertrauten Märchen ist dies eine grandios unterhaltende Umsetzung, die gleichzeitig immer wieder Themen anschneidet, die in der Traumfabrik Hollywoods ungerne genannt werden. Angefangen beim Jugend- und Schönheitswahn über die Behandlung von Minderheiten und “Andersartigen”, und nicht zuletzt wird auch die Disney-Mentalität mit ihren lächerlich romantischen Klischees ordentlich aufs Korn genommen.

Vermutlich scheiden sich an Julia Roberts die Geister, doch niemand wäre für die durchgeknallte böse Königin so gut geeignet gewesen wie sie, und man muss es einfach sagen: sie ist der heimliche Star dieses Films. Wer bisher dachte, eine böse Königin habe einfach nur böse zu sein und das reicht, der hat diese Königin noch nicht kennengelernt. Sie ist fies, sie ist launisch, sie ist eitel und theatralisch und hat dabei immer ein süffisantes Lächeln auf den Lippen. Diese Figur ist völlig irre und trägt einen Großteil dazu bei, dass Spieglein Spieglein seine satirischen Tiefschläge so gut platzieren kann. Jeder sollte dringend einmal das Pflegeprogramm dieser Königin gesehen haben und dann versuchen, dabei nicht zu lachen. Nicht etwa, weil es einfach nur slapstick-komisch wäre, sondern weil es so wahr ist, was Frauen alles mit sich machen, um “schön” zu werden. Dieser Charakter ist ulkig ohne Ende und bereichert den Film sehr.
Schneewittchen dagegen erleben wir zunächst als wohlerzogene, brave und unterwürfige junge Frau, die am Tag ihres 18. Geburtstag die Rebellin in sich entdeckt. Als sie es wagt, der Königin zu sagen, sie selbst sei eigentlich die rechtmäßige Thronerbin, schickt die Königin sie kurzerhand zum Sterben in den Wald, wo eine schreckliche Bestie haust. Die Figur entwickelt sich im Verlaufe der Handlung weiter, kann es aber letztlich nicht mit der Darstellung der Königin aufnehmen.

Neben den beiden Hauptdarstellerinnen trifft man auch auf etliche Nebenrollen, die es ebenfalls in sich haben und alle einen wohlverdienten Platz ausfüllen. Der Prinz verliert permanent seine Hosen an Zwerge, die Zwerge sind Riesen, die Riesen Zwerge, eine unfreiwillige Küchenschabe, die einmal der oberste Speichellecker war, wird von einem Grashüpfer genötigt und der Liebestrank für Hunde landet im falschen Kelch …
Klingt zusammenhanglos und verwirrend? Keine Sorge, es ergibt alles Sinn, wenn man den Film gesehen hat, versprochen!

Zum Abschluss gibt es noch eine überraschend gelungene Tanzvorstellung (jawohl, sie tanzen und singen!) die ich mal als mittelalterliches Bollywood mit Märcheneinschlag bezeichnen möchte. Diese Mischung – man muss es gesehen haben!
Wirklich, dieser Film ist zum schießen komisch und selbst wenn einem der Humor und die gut versteckte Kritik an der Gesellschaft nicht hundertprozentig zusagt, dann geht doch nichts über diese umwerfenden Bilder einer malerischen Kulisse, wie sie kaum noch produziert wird. Hier ist es ausnahmsweise einmal bedauerlich, dass ich den Film nicht auf großer Leinwand genießen konnte (mangels nicht zu überzeugendem Freundeskreis, der lieber in den Konkurrenten gegangen und sichtlich enttäuscht wieder heraus gekommen ist – oh yeah! Hans-Mähn!).

Fazit: Unbedingte Filmempfehlung für jeden Märchen-, Komödien- und Fantasyfan, der opulente Kulissen, Kostüme und intensive Farben liebt.

2 Kommentare zu Eine Bohne schaut fern: Spieglein Spieglein

  1. Anubis sagt:

    Ich fand Mirror Mirror auch wesentlich besser als Snow White and the Huntsman, vor allem deshalb, weil ersterer im Vergleich zu letzterem eine stringente Ästhetik aufweist. Mirror Mirror ist dabei sicherlich nicht Tarsem Singhs hintergründigster oder stimmungsvollster Film, weist aber dennoch die unverwechselbare Handschrift des Regisseurs auf. Der mir liebste Schneewittchen-Film bleibt Snow White: A Tale of Terror mit Sigourney Weaver, aber sehenswert ist Mirror Mirror allemal, und in einigen Punkten auch eine richtig schlaue Interpretation des Märchenstoffs.

    Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass Mirror Mirror allen Fans von Rob Reiners und William Goldmans Princess Bride gefallen dürfte.

  2. gero sagt:

    @ Anubis:

    Oha. Mit dem letzten Satz hast du den Film – der sowieso schon recht weit oben auf meiner Kauf-Liste steht – noch ein bisschen weiter nach oben befördert. Denn auch wenn Reiners’ Princess Bride sich nach mehrmaligen Sehen ein bisschen abnutzt, gehört er immer noch zu meinen wenigen (dünn gesäten) Lieblings-Fantasyfilmen.

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