Zum 60. Geburtstag von David Zindell

Bibliotheka Phantastika gratuliert David Zindell, der heute 60 Jahre alt wird. Sein Debüt als SF-Autor gab der am 28. November 1952 in Toledo, Ohio, geborene David Zindell mit der Kurzgeschichte “The Dreamer’s Sleep” im Dezember 1984 im semiprofessionellen Magazin Fantasy Book, doch so richtig Aufsehen erregte er mit der Erzählung “Shanidar”, mit der er den ersten Writers of the Future Contest gewann, und die er später leicht abgewandelt in seinen ersten Roman Neverness (1988; dt. Neverness (1991)) einarbeitete.
Neverness vermischt auf eigenwillige, nicht oft gesehene Weise Elemente der klassischen Space Opera mit denen einer kosmologischen SF, wie sie beispielsweise Olaf Stapledon geschrieben hat. Was bedeutet, dass Mallory Ringess, der Held und Ich-Erzähler des Romans, der als Raumschiffspilot und Mitglied des Order of Mystic Mathematicians and Other Seekers of the Ineffable Flame ein Privilegierter des von Neverness aus beherrschten Galaktischen Imperiums ist, sich alsbald ziemlich zentral mit Fragen über den Ursprung, die Natur und das Ende der Galaxis (oder des Universums?) auseinandersetzen muss. In der sich anschließenden, aus den Bänden The Broken God (1993), The Wild (1995) und War in Heaven (1998) bestehenden Trilogie A Requiem for Homo Sapiens muss sich Mallorys Sohn Danlo noch etwas mehr (und breiter ausgewalzt) mit dieser Problematik herumschlagen. Wie sehr den Autor die Fragen nach der Natur des Universums und den Platz – oder der Aufgabe – des Menschen darin beschäftigen, kann man daran erkennen, dass sich auch sein zweiter umfangreicher Zyklus um eschatologische Fragen dreht.
The Lord of Lies von David ZindellThe Ea Cycle (dt. Das Valashu-Epos) ist allerdings lupenreine Fantasy, und Zindell bedient sich in diesem Zyklus des klassischsten aller Fantasy-Plots, denn er schickt seinen Helden (natürlich – wie es sich für Helden in der High Fantasy gehört – in Begleitung mehrerer treuer Gefährten) auf eine Queste. Auf eben diese begibt sich Valashu Elahad, der siebte Sohn des Königs eines Bergkönigreichs im ersten Band The Lightstone (2001; dt. Der magische Stein (2003)), denn es gilt, besagten Lightstone – eine Art Gral – zu finden und zu verhindern, dass er in die falschen Hände fällt. Sein großer Gegenspieler ist Morjin, der “Herr der Lügen”, ein im wahrsten Sinne des Wortes gefallener Engel, dessen schmeichelnde, verführerische Stimme Valashu bei dessen Suche (die auch eine Suche nach sich selbst ist) mindestens ebenso viele Probleme macht wie die Feinde, die sich ihm in Fleisch und Blut auf dem Schlachtfeld entgegenstellen. In den Folgebänden Lord of Lies (2003; dt. Der Herr der Lügen (2004)) und Black Jade (2005; dt. Der verfluchte Wald (2006)) wird die Geschichte fortgeführt, bis sich die Kontrahenten im Abschlussband The Diamond Warriors (2007) schließlich in der letzten Schlacht gegenüberstehen. Das ist aber nur das, was vordergründig geschieht. Hintergründig geschieht sehr viel mehr, wenn Valashu und seine Gefährten mehr oder minder rasch an ihren Aufgaben wachsen, wenn die Frage, was es letztlich bedeutet, ein Mensch zu sein, sich immer mehr in den Vordergrund schiebt, und wenn Val erkennen muss, dass alles im Leben seinen Preis hat.
Man hat David Zindell die thematische Ähnlichkeit des Ea Cycle mit seinen SF-Romanen ebenso vorgeworfen wie Parallelen zum Herr der Ringe oder zum Artus-Mythos. Diese Vorwürfe mögen zum Teil berechtigt sein, orientieren sich aber fast ausschließlich an bewusst eingesetzten oberflächlichen Motiven und ignorieren, dass die jeweiligen Protagonisten sich ihren “letzten Fragen” doch auf sehr unterschiedliche Weise nähern.
Zindells formal klassische Queste mit ihrer Mischung aus populärkulturellen, vor allem aber mythologischen und spirituellen Elementen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen hat es trotz – oder vielleicht aufgrund – ihrer poetischen Sprache und ihrer immer durchschimmernden lebensbejahenden Aussage nicht geschafft, eine große Zahl von Lesern und Leserinnen zu finden; und das, obwohl die Fragen, die in ihr gestellt werden, eigentlich interessanter sein müssten als die, um die sich viele andere Zyklen im Bereich der High Fantasy – ob “grim & gritty” oder nicht – drehen. Das mag man bedauern. Man kann sich aber auch einfach nur an dem erfreuen, was man hat, beispielsweise an einem der schönsten kosmologischen Entwürfe der modernen Fantasy (und SF) – denn wo gibt es das sonst, dass übernatürliche (und in diesem Sinne “göttliche”) Wesen ein neues Universum ins Dasein singen?

5 Kommentare zu Zum 60. Geburtstag von David Zindell

  1. Elric sagt:

    Wenn ich jetzt böse wäre, würde ich die letzte Frage ganz einfach mit “Silmarillion” beantworten! 😀
    Aber das würde wohl David Zindell – wie schon erwähnt – nicht gerecht werden! Ja, ich habe bisher nur den ersten Band des Valashu-Epos gelesen, aber in jedem Fall hat mir hier der Tiefgang extrem gefallen.
    Schade ist noch immer, dass der 4. Band vom Verlag abgelehnt wurde…

  2. gero sagt:

    😀

    Ich wusste, dass irgendein Schlaumeier kommen und das sagen würde. Und statt jetzt groß zu argumentieren, inwieweit die beiden Entwürfe sich denn doch unterscheiden, will ich nur sagen, dass ich beim letzten Satz die ganze Zeit zwischen “wie oft” und “wo” geschwankt habe – und mich dann für die angreifbarere, aber (in meinen Augen) elegantere Formulierung entschieden habe. Je, nu …

  3. Pegasus sagt:

    Ich lese lieber einen Autor, dem vorgeworfen wird, seine Bücher zeigten Parallelen zu “Der Herr der Ringe”, als einen weiteren “neuen Tolkien” – wenn ihr wisst, was ich meine.
    Ich habe David Zindells Bücher alle gelesen (okay, es sind ja auch nur acht) und ich habe sie alle genossen.
    Von daher (nachträglich): Happy Birthday!

  4. Elric sagt:

    Du hast es von mir ja auch nicht anders erwartet, oder Gerd!? 😀

    Und ja, Peg hat Recht: lieber Parallelen (die ja schon fast dazu gehören), die aber dann passen, als irgendein Gebrummel über den direkten Vergleich und das in den Himmel loben ohne dass es zusammenpasst!
    In diesem Sinne (ich hab’s oben vergessen – Asche auf mein Haupt!):
    Happy Birthday, Mr. Zindell!!!

  5. wurling sagt:

    Happy Birthday, David Zindell!

    Ja, schade, dass D. Zindell mit seinem Ea Cycle einfach nicht so beim Leser angekommen ist, wie er es mMn verdient hätte. Ich hätte gern mehr davon, und vor allem in der vollständigen Übersetzung.

    @ Gero
    Schöne Worte, die du da gefunden hast. -:)

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