: Winter, Norden, Eiszeit

A Dance with Dragons von George R. R. MartinWährend in Westeros ein harter Winter anbricht, setzt sich das Ringen um die Macht fort. Jon Snow ist bestrebt, die offiziell neutrale Nachtwache zwischen den verfeindeten Parteiungen hindurchzulavieren und zugleich eine Allianz gegen die immer bedrohlichere Gefahr aus dem Norden zu schmieden. Daenerys Targaryen muss sich unterdessen mit ihren kaum noch zu bändigenden Drachen und den Tücken der Herrschaft über das fremdartige Meereen auseinandersetzen. Sie ahnt nicht, dass neben mehreren Bewerbern um ihre Hand auch Tyrion Lannister auf der Suche nach ihr ist und dabei eine unglaubliche Entdeckung macht, die alles verändern könnte…

– The night was rank with the smell of man. The warg stopped beneath a tree and sniffed, his grey-brown fur dappled by shadow. A sigh of piney wind brought the man-scent to him, over fainter smells that spoke of fox and hare, seal and stag, even wolf. Those were man-smells too, the warg knew; the stink of old skins, dead and sour, near drowned beneath the stronger scents of smoke and blood and rot. Only man stripped the skins from other beasts and wore their hides and hair. –
(Prologue)

Kaum ein Buch im Fantasygenre dürfte in letzter Zeit so ungeduldig erwartet worden sein wie A Dance with Dragons (Der Sohn des Greifen, Ein Tanz mit Drachen). George R.R. Martin musste sich in den immerhin knapp sechs Jahren seit dem Erscheinen des Vorgängerbands A Feast for Crows (Zeit der Krähen, Die dunkle Königin) aufgrund seines Arbeitstempos einiges an Spott und Kritik gefallen lassen, und die Erwartungen der Fans waren hoch. Ganz unbeeinflusst davon kann keine Einschätzung des vorliegenden Romans bleiben, der in der Tat nicht nur Martins unbestreitbare Stärken ausspielt, sondern auch recht deutlich zeigt, mit welchen Schwierigkeiten er zu kämpfen hat.

Für Leser, die sich vorwiegend danach gesehnt haben, wieder tief in Martins Welt eintauchen zu dürfen, hat sich die Wartezeit gelohnt. Martin erweist sich einmal mehr als unübertroffener Schilderer eines prallen Settings, das vor Sinnenfreuden und Scheußlichkeiten gleichermaßen überquillt. Der in einem furios eingefangenen Wintereinbruch immer weiter erstarrende Norden und der kriegs- und seuchengeplagte Süden, in dem Vorboten der neuen Jahreszeit nur langsam Fuß fassen, bilden die Kulisse für Ansprechendes wie Abschreckendes, aber auf jeden Fall Bewegendes. Martin schwelgt in Intrigen, Magie, ungehemmter Sexualität, Blutvergießen aller Art (von Gladiatorenkämpfen über Morde und Hinrichtungen bis hin zu Menschenopfern) und immer wieder auch in Tafelfreuden verlockender wie zweifelhafter Natur. Gelegentlich erliegt er dabei wohl vor allem der Faszination des Entsetzlichen: Wenn etwa aus Sicht des fast um den Verstand gefolterten Theon Greyjoy der gnadenlose Sadismus eines Ramsay Bolton breit ausgewalzt wird, lässt sich das nicht mehr allein als ungeschminkte Darstellung der Schattenseiten einer pseudomittelalterlichen Welt abtun, sondern bewegt sich irgendwo zwischen Schockeffekt und schlichter Geschmacklosigkeit.

Selbst wenn man sich von diesen Elementen (und auch von der prononcierten Neigung, insbesondere Frauengestalten in erniedrigenden, sexuell konnotierten Situationen zu präsentieren) abgestoßen fühlt, muss man dem Autor lassen, dass er sein erzählerisches Handwerkszeug nach wie vor blendend beherrscht. Obwohl manche Motive, derer er sich bedient, offensichtliche Entlehnungen bilden (so begegnen einem unter anderem Reminiszenzen an die Apokalypse, Macbeth, El Cid und Lady Godiva), sind sie unbestreitbar wirkungsvoll.

Das alles kann über eines nicht hinwegtäuschen: Die Gesamthandlung kommt kaum voran, und das nicht etwa nur, weil ein Großteil des Romans zeitlich parallel zu A Feast for Crows spielt. Trotz der vordergründigen Ereignisfülle wird auf über 950 Textseiten eigentlich nicht viel erreicht. Gerade wenn man die gemächlichen Fortschritte der Haupthandlung mit dem vergleicht, was etwa ein David Anthony Durham oder ein Daniel Abraham in einem wesentlich kürzeren Band kompakt vermitteln kann, wird man den Verdacht nicht los, dass Martin sich mit seiner überaus szenischen Erzählweise und den Heerscharen von Protagonisten mittlerweile selbst im Wege steht.

Erschwerend kommt hinzu, dass ausgerechnet den für die Gesamthandlung bisher recht zentralen Publikumslieblingen Jon, Daenerys und Tyrion nicht unbedingt die interessantesten Passagen zugeordnet sind. Während Tyrion, Reiseabenteuer hin oder her, vorwiegend damit beschäftigt ist, mit seinem Schicksal und besonders mit seinem immer noch nicht überwundenen Übervater zu hadern, läuft sich der Plot um die Targaryen-Prinzessin in einer eigenartigen Mischung aus schwülstiger Altmännerphantasie und Schilderungen herrscherlicher Inkompetenz tot. Jon Snow darf immerhin ein paar neue Entwicklungen anstoßen, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich – deutlich illustriert durch die Hinrichtungsszene relativ zu Anfang seines Handlungsstrangs – zu einem Abklatsch von Eddard Stark entwickelt und letztendlich auch ähnliche Fehler begeht wie sein tatsächlicher oder vermeintlicher Vater.

Ob es Martin dabei jeweils um die bewusste Gestaltung eines Scheiterns geht, bleibt unklar, doch wenn sich überhaupt ein Thema als verbindender roter Faden anbietet, ist es wohl das menschlichen Versagens und enttäuschter Erwartungen. Kaum eine Hauptfigur erreicht langfristig das, was sie sich vorgenommen hat: Suchen verlaufen ergebnislos, Begegnungen, die den Plot voranbringen könnten, kommen nicht zustande, und viele Fragen bleiben unbeantwortet. Der einzige ganz neue Faktor, der die politische Gesamtkonstellation deutlich verändert, wirkt wie aus dem Hut gezaubert: Eine seit Beginn der Serie für tot gehaltene Person ist wundersamerweise doch noch am Leben und bereit, im Kampf um die Königsmacht mitzumischen.

Abgesehen von dieser einen überraschenden Entwicklung scheint es so, als wolle Martin sich für die Folgebände alle Optionen offen halten und manch eine Entscheidung lieber noch aufschieben. Was also bleibt am Ende? Kein schlechtes Buch, aber auch kein rundum gelungenes. A Dance with Dragons ist ein Zwischengang, der durchaus den Appetit auf mehr wachhalten kann, aber nicht der entscheidende Schritt nach vorn, den A Song of Ice and Fire (Das Lied von Eis und Feuer) an dieser Stelle so dringend gebraucht hätte.

Der Sohn des Greifen von George R.R. MartinIn ihrer Gier nach dem eisernen Thron belauern sich die Adelshäuser im gegenseitigen Machtkampf, während die Sieben Königreiche weiter zerfallen. Einig sind sie sich nur in ihrem Misstrauen gegen die rechtmäßige Erbin der Krone: Daenerys Targaryen.
Mit einer steig wachsenden Armee und ihren drei Drachen greift sie von Osten as nach der Herrschaft über Westeros. Doch die eigentliche Gefahr droht aus dem Norden, wo sich Geschöpfe erheben die die Menschen des Südens zu überrennen drohen. Nur Jon Schnee und eine Hand voll tapferer Männer stemmen sich gegen die Bedrohung.

– Menschgestank hing in der Nacht. Der Warg blieb unter einem Baum stehen und schnüffelte. Sein graubraunes Fell war von Schatten gesprenkelt. Ein Seufzer des Kiefernwinds trug den Menschengeruch zu ihm und dazu die schwächere Witterung von Fuchs und Hase, Seehund und Hirsch und sogar Wolf. Das waren ebenfalls Gerüche von Menschen, wie der Warg wusste; der Gestank alter Felle, tot und bitter, der die stärkeren Gerüche beinahe vollständig überlagerte: Rauch und Blut und Fäulnis. Nur Menschen zogen anderen Tieren die Haut ab und trugen deren Fell und Haar. –
Prolog

Zu Der Sohn des Greifen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Der Sohn des Greifen und Ein Tanz mit Drachen.

Eis und Schatten von Sarah AshIn dem barbarischen Land Azhkendir herrscht seit Urzeiten der Drakhaon über die Clans, ein Hybridwesen aus Mensch und dem letzten Drachen. Mit dem Tode des lezten Drakhaon geht der Geist des Drakhaoul auf seinen Sohn über, Gavril Andar, der jedoch im Exil lebt und nichts von seinem Erbe und seiner Bestimmung weiß. Die loyalen Diener des Drakhaoul entführen Gavril aus den zivilisierten Ländern, damit er seine Herrschaft antreten kann. Nur seine Mutter versucht, ihn zu befreien und geht dabei ein Bündnis mit dem ehrgeizigen Prinzen Eugene von Tielen ein, dessen Ziel es ist, das alte Imperium mit ihm an der Spitze widerherzustellen.

– Zu Eis und Schatten liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Elfenwinter von Bernhard HennenÜber hunderttausend verkaufte Exemplare, monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste: Bernhard Hennens Die Elfen war der in Deutschland erfolgreichste Fantasy-Roman seit Jahren. Mit Elfenwinter kehrt er zurück in die Welt der geheimnisvollsten Geschöpfe, die es je gegeben hat. Dies ist die definitive Geschichte über ein Volk, das aus dem Mythenschatz der Menschheit nicht wegzudenken ist – unentbehrlich für jeden Herr-der-Ringe-Leser.

-“Sie werden versuchen, die Königin zu töten.”.-
Das Fest der Lichter

Als ich durch Zufall erfuhr, dass es einen Nachfolger zu Die Elfen geben sollte, war die Vorfreude natürlich groß, wieder von Farodin und Nuramon zu lesen. Nach den ersten Buchseiten war ich dementsprechend verwundert, als die Geschichte nicht nach dem Ende des ersten Bandes einsetzte, sondern einen deutlich früheren Handlungsfaden aus Die Elfen aufnimmt. Trotz dieser enttäuschten Erwartung ist Elfenwinter ein durchaus gelungener Roman. Bernhard Hennen erzählt im Nachfolger von Die Elfen Geschichten, die im ersten Band durch Zeitsprünge überflogen und nur am Rande erwähnt wurden.

Dies soll man nun aber nicht in geringster Weise so verstehen, dass der Autor die Überreste aus dem ersten Band verwerten wollte und diese auf knapp 900 Seiten gestreckt hat, vielmehr wird das Schicksal der Nordmänner nach dem Weggang Mandreds weitergesponnen. Daher ließe sich auch über die Titelwahl streiten, denn im Gegensatz zum ersten Band stellen Elfen nur noch einen geringen Teil der Protagonisten, allerdings spielt das ambivalente Verhältnis zwischen Elfen und Nordmännern auch in diesem Band wieder eine große Rolle, auf das hier durch die Figur Alfadas’ ein etwas anderer Blick geworfen wird. Die Hauptpersonen (Alfadas, Ollowain und meiner Meinung nach auch Orgrimm) kommen aus drei verschiedenen Rassen und es werden mehrere verschiedene Handlungsstränge aufgegriffen. Die Trennung zwischen Gut und Böse wird stärker verwischt als in Die Elfen, wo der Devanthar klar den Antagonisten stellte. Bernhard Hennen gibt den Trollen, den Gegenspielern des vorliegenden Bandes, eine Hintergrundgeschichte (die Vertreibung aus ihrer Heimat), durch die man die Trolle sogar machmal verstehen kann, dazu trägt gerade die Figur des Orgrimm bei. Dagegen fällt es schwerer, mit Alfadas warm zu werden. Einerseits hält er auf den ersten Blick einem Vergleich mit Mandred, dem kantigen Sympathieträger aus dem Vorgängerband, nicht stand, andererseits ergeben sich diese unterschiedlichen Charakterzüge aus der jeweiligen Vergangenheit der Figur, und aus Alfadas einen zweiten Mandred zu machen, wäre ein starker Bruch in der Entwicklung der Figur. Lässt man sich auf Alfadas ein, entwickelt er gerade durch seine Andersartigkeit zu Mandred durchaus eine eigene Faszination.

Bernhad Hennen schreibt seine Geschichte in der ihm eigenen, sehr bildreichen Sprache, die manche Leser auch von alten DSA-Romanen kennen werden. Besonders die Grausamkeiten und die rohen Manieren der Trolle werden sehr gut veranschaulicht. Dies alles trägt zur Authentizität des Romans bei, schildert es doch die Begebenheiten und Geschehnisse während des zweiten Trollkriegs. Hennens Angewohnheit, zwischen den Handlungssträngen hin und her zu springen, gefällt mir persönlich sehr gut, da die Geschichte dadurch an Abwechslung gewinnt.

Das Erste Horn von Richard SchwartzDer alte Recke Havald, der beschlossen hat, sich für den Winter – oder gar seinen Lebensabend – in einem abgelegenen Gasthof einzuquartieren, gerät mit den Gästen enger aneinander, als er sich gewünscht hat: Alle Anwesenden werden während eines heftigen Schneesturmes eingeschneit. Mit Havald sind etliche Handwerker, Söldner, Händler, eine Dunkelelfe und die magiebegabte Maestra Leandra eingeschlossen. Havald befürchtet schon das Schlimmste für die Stimmung der unfreiwilligen Dauergäste, da erschüttert ein grausamer Mord die Moral. Havald als Ritter sieht sich gezwungen, mit der Maestra an der Aufklärung zu arbeiten, das Misstrauen der Gäste untereinander und ihre Gereiztheit erschweren diese Aufgabe zusätzlich.

-Die Frau verstand es, einen Auftritt hinzulegen: erst der Blitz, welcher die dunkle Gaststube durch die Ritzen der Fensterläden erhellte, dann der Donner, der die Erde vibrieren ließ. Dass sie in diesem Moment die Tür zur Gaststube aufstieß und ein kalter Luftzug die Hälfte der rauchigen Talgkerzen in der Stube erlöschen ließ, war sicherlich Zufall.-
1. Die Maestra

Der Debut-Roman von Richard Schwartz ist ein gelungenes kleines Kammerspiel, das sich wie Peter S. Beagles Klassiker Es kamen drei Damen im Abendrot komplett auf einem Gasthof abspielt, mit dem Unterschied, dass sich das Wirtshaus “Zum Hammerkopf” zu einer engen, eisigen Falle entwickelt, als die Temperaturen draußen sinken und sich Eiswände vor Fenstern und Türen türmen.
Dieses Ambiente, das sich ganz hervorragend im warm geheizten Stübchen genießen lässt, weiß der Autor meisterhaft zu einzufangen: Die beklemmende Stimmung, das langsame Abgleiten der Gäste in Gereiztheit und Ängste, die Eiseskälte, die einem direkt aus den Seiten entgegenwehen will. Da fliegen die Zeilen nur so dahin, vor allem, da sich Richard Schwartz bzw. sein aus der Ich-Perspektive berichtender alternder Held Havald als guter Erzähler entpuppt, dessen Geschichte man gerne lauscht. Mit Klischees Marke Altherrenwitz übertreibt Schwartz es allerdings, und man mag nicht immer die Augen zudrücken, nur weil es vielleicht zur Figur passt, denn jegliches Gegengewicht fehlt.

Schon der Aufbau der Geschichte – Mord im Gasthaus – erinnert ein wenig an ein Rollenspielabenteuer, und von der ersten Seite an werden auch munter und relativ unreflektiert diesbezügliche Stereotypen aufgefahren: Dunkelelfen, Mithril-Rüstungen und andere magische Artefakte erinnern deutlich an das Inventar einer allumfassenden Standard-Fantasy-Welt. Und auch andere Elemente der Handlung erscheinen etwas wahllos aus den üblichen Versatzstücken zusammengeschustert, etwa die obligatorische Liebesgeschichte, und die magielastige Lösung des Falles. Dennoch bekommt man vor allem gegen Ende des Bandes ein wenig Ausblick auf den Hintergrund der Welt und hin und wieder ein paar ganz eigene Einsprengsel, so dass man gespannt abwarten kann, ob sich im zweiten Band in dieser Richtung noch mehr entwickelt, wenn die Geschichte das eingeschränkte Areal des Gasthofes verlässt.

Sprachlich ist Richard Schwartz ein angenehmer Erzähler, der Stimmungen hervorragend vermitteln kann, nur ab und an knirscht es ein wenig – vor allem der Anglizismus “Sinn machen” stößt in der sonst ganz dem alten Erzähler angepassten Sprache sauer auf, und das alle paar Seiten wieder.
Leichte Enttäuschung bereitet auch das etwas simpel gestrickte Ende, denn man hätte sich nach so viel herrlichem Ambiente vielleicht ein wenig mehr Hintergrund und ein wenig mehr Ausführlichkeit erwartet. Als Auftakt und zum Einstieg in eine neue Serie ist Das Erste Horn aber definitiv eine Empfehlung wert, denn es lädt dazu ein, einen Blick in den nächsten Band zu werfen und ist eine vergnügliche, wenn auch etwas unoriginelle Unterhaltungslektüre, die vor allem durch die eisige Atmosphäre und eine größtenteils sehr angenehme Erzählstimme besticht.

Cover von Frostfeuer von Kai MeyerMaus lebt seit ihrer Geburt im Edelhotel Aurora in St. Petersburg, das sie noch nie verlassen hat. Alle anderen Bediensteten nennen sie den “Mädchenjungen”, weil sie sich schon immer als Junge gegeben hat, um im Hotel bleiben zu dürfen. Außer dem Eintänzer Kukuschka gibt es niemanden, an den sich Maus wenden kann. Besondere Angst hat sie vor dem “Rundenmann”, der jeden der Bediensteten kontrolliert. Sie ist als Schuhputzerin angestellt und stößt eines Abends auf ein seltsames Schuhpaar, das zu einer überirdisch schönen Dame gehört. Zur gleichen Zeit findet sich eine weitere ausgefallene Gestalt ein: Tamsin Spellwell, die mit ihrem blauen Haar und ihrem Temperament, das so wild ist wie ihre Kleidung, das Hotel auf den Kopf stellt.

-“Guten Tag, Väterchen Frost.” Der Mann blickte auf. Für einen Augenblick schwand sein Lächeln, weil jemand es wagte, ihn bei der Fütterung der Flocken zu stören. Dann aber erkannte er die Frau, die ihn angesprochen hatte. Sein Lächeln kehrte zurück. “Lady Spellwell?”, fragte er. “Tamsin Spellwell?” Eine Frau war aus dem Schneetreiben getreten wie ein kunterbuntes Gespenst.-
Das Kapitel, in dem die wahre Heldin dieser Erzählung noch gar nicht auftritt

Nach Venedig und der Karibik führt der nächste große Jugendroman von Kai Meyer nun nach St. Petersburg. Aber nicht die Stadt selbst bildet die Kulisse für die phantastische Geschichte, sondern das Hotel Aurora. Und dieses Hotel hat Kai Meyer zu einer eigenen Welt gemacht und bemerkenswerte Figuren darin angesiedelt. Das Russland der Zarenzeit zeigt sich in aller Pracht, die allerdings eine schäbige Rückseite hat: Überall finden sich versteckte Türen in einen toten Flügel des Hotels und in den Kellern gibt es Spalten und Nischen, die Maus ein Zuhause geben. Kukuschka und der Rundenmann sind wie der Gut- und Bösepol in Maus’ Leben – so lebhaft, fröhlich und fürsorglich der eine gestaltet ist, so grobschlächtig, kalt und bedrohlich wirkt der andere. Ihre wahren Identitäten sind von Anfang an fraglich; eine überraschende Klärung wartet am Ende der Geschichte. Die Schneekönigin und Tamsin bleiben in ihrer Persönlichkeit und Herkunft immer etwas unscharf, aber das unterstützt nur ihre wundersamen Erscheinungen. Vor allem Tamsin und ihre zaubertüchtigen Utensilien sind eine skurrile, schillernde Bereicherung der Geschichte. In typischer Meyer-Manier muss natürlich noch eine Passage eingebaut werden, die das Grauen auf die Spitze treibt: Was Maus in Tamsins Zylinder erlebt, ist nur den Hartgesottenen unter den Zwölfjährigen zuzumuten, für die das Buch laut Verlag schon geeignet ist. Im Laufe des Romans wird Maus auch mit ihrer größten Angst konfrontiert: Sie muss sich aus dem Hotel hinaus begeben. Ihre krankhafte Panik vor der Außenwelt wird so eindrucksvoll geschildert, dass man in den entsprechenden Szenen das Buch absolut nicht mehr aus der Hand legt. Und die begründete Angst, in den Himmel zu fallen, sobald man einen sicheren Innenraum verlässt, jagt wohl jedem einen Schauer über den Rücken, der sich das als Kind schon mal ausgemalt hat. Vor solchen Ideen sprudelt der Roman über – und wer immer gelacht hat, wenn Kinder sich unsichtbar zu machen versuchen, indem sie einfach ganz fest die Augen schließen, der sollte ihn dringend lesen!

Cover des Buches "Imagon" von Michael Marrak Poul Silis ist Geophysiker und hasst den Winter, den Schnee und besonders die Kälte. Doch ausgerechnet er wird nach Grönland ins ewige Eis beordert, um mit einer Gruppe von Wissenschaftlern einen mutmaßlichen Meteoriteneinschlag zu untersuchen. Zahlreiche Menschen wollen das grelle Licht eines Himmelskörpers gesehen haben, und es befindet sich auch ein riesiger Krater im Eis. Von einem Meteoriten aber gibt es keine Spur. Stattdessen werden Schrecken lebendig, die älter als die Erdgeschichte sind.

-Abscheu und Neugier. Grauen und Faszination.
Ich stand vor dem Aqunaki und kam nicht umhin, ihn unverhohlen anzustarren, im Sternenlicht jede Hautfalte zu studieren, jede seiner Bewegungen zu verfolgen und jedes Geräusch wahrzunehmen, das diese bizarre Kreatur erzeugte.-
Kap. 15., S. 271

Imagon aus der Reihe “H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens” ist ein phantastischer Horrorroman, der in der von Lovecraft geschaffenen Welt des Cthulu Mythos spielt.
Der erste Satz beginnt mit: “Ich hasse den Winter”, und schon ist der Einstieg geschafft. Die darauffolgenden Seiten saugen den Leser förmlich in die Person Pouls und ziehen ihn mit in den Strudel der Ereignisse.
Poul ist eine angenehme Identifikationsfigur, und man leidet um so mehr mit ihm, als daß er eine ganz normale Person ist und aus seiner Sicht alles richtig macht, aber dennoch nicht seinem Schicksal entfliehen kann.

Marraks Schreibstil ist flüssig und in seinen Beschreibungen sehr lebendig. Insbesondere die plastische Darstellung der Örtlichkeiten entführt den Leser mit Leichtigkeit an die verschiedenen Handlungsorte. Im Gegensatz zu anderen Autoren, die in Lovecrafts Tradition schreiben, versucht er nicht, dessen Stil zu kopieren. Auch die Handlung ist nicht nur ein einfacher Austausch von Personen und Orten, sondern zeugt von eigener Kreativität. Die Handlungsstränge sind komplex, enthalten überaschende Wendungen und sind nicht linear aufgebaut. Selbst wenn man Lovecrafts Werke gut kennt, lassen sich die Geschehnisse kaum erahnen.
Wer allerdings noch nie mit der Welt der Alten Götter und von Cthulu in Berührung gekommen ist, kann schon ein wenig von den verschiedenen Wesen und ihren Beziehungen zueinander verwirrt werden. Besonders die Auflösung verlangt vom Leser höchste Aufmerksamkeit und geistige Flexibilität.

Insgesamt hat Marrak einen sehr spannenden Phantastikroman geschrieben, der es wert ist, in die Reihe der Lovecraftwelt aufgenommen zu werden. Mit den rund 400 Seiten ist er gerade lang genug, um in die dargestellte Welt einzutauchen und sich mit der Hauptperson zu identifizieren, aber kurz genug, um Längen zu vermeiden.

Cover von Katzenwinter von Wolfgang und Heike HohlbeinMit Beginn des Winters breitet sich langsam etwas Bedrohliches, Böses über der Stadt Crailsfelden aus. Es sind uralte, böse Kräfte, die ihren Ursprung in der alten, rußgeschwärzten Ruine des Klosters auf dem Hügel haben. Justin ist jetzt, an Stelle seiner Großmutter, dazu bestimmt, diesen Mächten Einhalt zu gebieten. Dabei stehen ihm die Katzen seiner Großmutter und ein seltsames Mädchen zur Seite. Aber die Tore der Hölle haben sich bereits aufgetan …

-Der Winter kam früh in diesem Jahr und als die erste Schneeflocke fiel, stürzte Justins Großmutter die Treppe hinunter und brach sich das Genick.-

Nun – ich mag Katzen, und deshalb lese ich Geschichten, die von Katzen handeln, oder in denen Katzen eine Rolle spielen, eigentlich ganz gern. So war es auch, als ich mir dachte: “Dieses Buch müsste wohl ganz passabel für mich sein …” Hatte ich mir gedacht …
Es war eine Enttäuschung. Es ist eben wieder ein typischer Hohlbein, gestrickt nach typischem Hohlbein-Konzept: Kleiner-Junge-rettet-die-Welt – und hat erst einmal keine Ahnung, wie und warum er zu dieser Ehre kommt. Da lebt ein kleiner Junge (diesmal heißt er Justin) in einem Städtchen irgendwo in Deutschland und um ihn herum versinkt alles nach und nach in immer mehr brutaler Rohheit, Mordlust und sonstiger sinnloser Gewalt. Ich hatte manchmal schon streckenweise das Gefühl, ins Horror-Genre gerutscht zu sein, und statt eines Fantasy-Romans, einen “Stephen King” zu lesen (in den jüngeren Ausgaben, gerade von Wolfgang Hohlbein, fällt mir eine gewisse Ähnlichkeit immer mehr auf …). Justin stolpert natürlich wieder darum in seine Bestimmung hinein, weil er “familiär vorbelastet” ist (bei Dreizehn und Unterland ist es ähnlich …), und weiß lange nicht wie, was, wer, warum miteinander zusammenhängt und welche Rolle eigentlich die zehn Katzen seiner Großmutter spielen. Die alte Dame hätte über die näheren Zusammenhänge bestens bescheid gewußt, wurde aber zum richtigen Zeitpunkt außer Gefecht gesetzt, so dass sie dem armen unwissenden Knaben fast keine Informationen mehr über seine Aufgabe zukommen lassen kann – und auch dem armen Leser nicht – der, zusammen mit Justin, erstmal von einem abgehackten Hinweis zum nächsten stolpert und schließlich, immer noch genauso unwissend wie unser bedauernswerter Weltenretter, mit (erst) Gemeinheiten, dann (etwas später) Grobheiten und am Ende (da hat man schon die Hälfte des Buches gelesen) mit offener roher Gewalt bis hin zu purer Mordlust konfontriert wird. Hier liegt meiner Ansicht nach eine große Schwäche dieses Buches: man wird viel zu lange im Unklaren gelassen, und deshalb weiß man nicht, warum man sich dieses ganze Szenario 417 Seiten lang antun muss.
Auch die Sprache des Werkes macht es einem nicht gerade leicht. Es nicht trivial, aber der Hochgenuss ist es auch nicht, und natürlich gibt es auch wieder einen Compagnon, (diesmal weiblich) der unserem kleinen Helden zur Seite steht, aber (wie in Drachenfeuer ein gewisser Llewellyen …) bleibt das Mädchen bis zum Schluß undurchsichtig, ist ziemlich mundfaul und auch nicht eben sympatisch. Alles in allem haben wir die bekannte Riege an Figuren, bei denen irgendwie, meines Erachtens, bloß die Namen geändert werden.

Das Kristallhaus von Ralf LehmannFernd, den der Alte Niemand zu seinem Erben bestimmt hat, ist eigentlich alles andere als ein Abenteurer und schon gar kein Einzelkämpfer. Von den Ereignissen dennoch zu einem Alleingang gezwungen zieht er eher widerstrebend aus, um das legendäre Kristallhaus zu suchen, in dem der entscheidende Hinweis zur Überwindung des Schwarzen Prinzen verborgen sein mag. Obwohl er unterwegs immer wieder Helfer und neue Freunde findet, verlangt die Reise ins Ungewisse ihm alles ab, denn schon bald erweist sich, dass von äußeren Bedrohungen wie den dämonischen Gifalken, die ihm im Auftrag des Schwarzen Prinzen auf der Spur sind, gar nicht die größte Gefahr ausgeht, der er sich stellen muss …

“Das Holzland ist ein Teil Araukariens und dem Alten Reich als einzige Provinz bis zum Untergang treu geblieben. Die Holzländer, wie sie sich selber nennen, haben dem Born gern Tribut gezahlt – in der Gewisstheit, dass er sie dann meist in Ruhe lässt. Deswegen hat diese Gegend immer eine ziemliche Eigenständigkeit bewahrt.”
(1. Im Holzland)

Mit Das Kristallhaus legt Ralf Lehmann einen stimmigen Abschluss seiner Trilogie um den Kampf gegen den Schwarzen Prinzen vor. Wie schon in den ersten beiden Bänden erschüttern Ausgangsidee und Plot das Genre nicht gerade in seinen Grundfesten, aber die liebevoll ausgearbeitete, in oftmals poetischen Wendungen heraufbeschworene Welt überzeugt mit ihrer Fülle ansprechender Handlungsorte weiterhin, unter denen das titelgebende Kristallhaus, eine Bibliothek aus Eis, sicher einer der originellsten und eindrucksvollsten ist.
Ohnehin ist es wieder einmal das Setting mit seiner Verknüpfung von Naturgewalten und Sagen, das die Geschichte trägt, wenn etwa der winterliche Frost personifiziert über eine abgelegene Siedlung hereinbricht oder die aus dem Eingangsband bekannten Tanzenden Berge noch einen unerwarteten Auftritt bekommen. Auch die übrigen Landschaften, die Fernd durchwandert, sind mit ihren naturräumlichen Gegebenheiten und den Eigenarten ihrer Bewohner so detailverliebt geschildert, dass man den Verdacht nicht abschütteln kann, dass Lehmann immer wieder Kenntnisse aus seinem Beruf als Erdkundelehrer in den Weltenbau einfließen lässt. Dieses spürbare Wissen um geographische Zusammenhänge hebt Araukarien und die umliegenden Gebiete über die oft abziehbildartigen Kulissen manch anderer Fantasyromane hinaus.
Zudem steht mit dem verträumten Fernd in diesem Buch ein ganz anderer Figurentypus im Mittelpunkt als der praktisch veranlagte Bolgan oder der abenteuerlustige Hatib, so dass die Wendung ins Innerliche, die seine Queste trotz aller äußeren Fährnisse und Kämpfe nimmt, folgerichtig und glaubhaft wirkt. Entsprechend anders sind auch die Freundschaften, die er schließt, etwa mit dem ähnlich phantasiebegabten Gaetan, der ein weit traurigeres (und realistischeres) Schicksal erleidet, als es bei Hals über Kopf ins Abenteuer ausziehenden Jugendlichen in der Fantasy sonst der Fall ist. Trotz aller amüsanten bis tragischen Begegnungen mit solch gelungenen Nebenfiguren ist Fernd jedoch letzten Endes auf sich selbst zurückgeworfen, was nicht nur darin sinnfällig zum Ausdruck kommt, dass die beiden anderen Helden Bolgan und Hatib zum entscheidenden Zeitpunkt nicht mehr in Lage sind, aktiv auf den Fortgang der Ereignisse einzuwirken. Die durchaus nicht uninteressante Schwerpunktsetzung, die sich daraus ergibt, lässt einen die ansonsten klassische Handlung um den militärischen wie magischen Widerstand gegen einen übermächtigen Gegner gespannt bis zum Ende verfolgen.
Trotz aller positiven Aspekte muss man freilich auch weiterhin mit einigen Schwächen leben, die schon in den ersten beiden Bänden deutlich waren. So bleibt etwa Fernds Beziehung zu seiner großen Liebe Reika weiterhin sehr blass und wenig fassbar, mag sie auch noch so oft als Motivation des jungen Mannes beschworen werden, und manch einem Nebenhandlungsstrang hätte man vielleicht eine ausführlichere Auflösung anstelle knapper Andeutungen gewünscht.
Doch das sind im Grunde Kleinigkeiten. Alles in allem bleibt ein positiver Leseeindruck, gepaart mit leisem Bedauern darüber, dass Das Buch des Schwarzen Prinzen anscheinend bisher Ralf Lehmanns einziges (veröffentlichtes) Werk geblieben ist.

Cover von Lord of Snow and Shadows von Sarah AshIn dem barbarischen Land Azhkendir herrscht seit Urzeiten der Drakhaon über die Clans, ein Hybridwesen aus Mensch und dem letzten Drachen. Mit dem Tode des lezten Drakhaon geht der Geist des Drakhaoul auf seinen Sohn über, Gavril Andar, der jedoch im Exil lebt und nichts von seinem Erbe und seiner Bestimmung weiß. Die loyalen Diener des Drakhaoul entführen Gavril aus den zivilisierten Ländern, damit er seine Herrschaft antreten kann. Nur seine Mutter versucht, ihn zu befreien und geht dabei ein Bündnis mit dem ehrgeizigen Prinzen Eugene von Tielen ein, dessen Ziel es ist, das alte Imperium mit ihm an der Spitze widerherzustellen.

-“Drakhaoul,” he whispers, in awe and terror.-
Prologue

Sarah Ash gelingt es, mit ihrem Fantasyroman Lord of Snow and Shadows (Eis und Schatten) eine ganz eigene, an Russland beziehungsweise Osteuropa gemahnende Welt zu erschaffen, die schnell Konturen annimmt und sich vor dem inneren Auge ausbreitet. Sie konzentriert sich vor allem auf die Geschichte des jungen, sensiblen Malers Gavril, der durch den Drachengeist besessen wird und sich plötzlich als Herrscher einer barbarischen Nation wiederfindet. Ihr gelingt es sehr gut, die langsame Entwicklung des jungen Mannes zu zeigen, der sich mehr und mehr von der unmenschlichen Essenz vereinnahmen lässt und zu einem Wesen wird, das er selbst verabscheut. Vor allem in den Figuren und deren Beziehungen zueinander liegt die Stärke des Romans, denn ihre Motive und Handlungen sind nachvollziehbar und man gewinnt sie schnell lieb. Dabei schafft die Autorin eine düstere Atmosphäre, die gut zu dem Hintergrund passt.
Die Geschichte selbst ist nicht besonders neu, erfährt aber häufiger interessante Wendungen und weiß zu unterhalten, obwohl man manchmal voraussehen kann, was geschehen wird. Leider ist es offensichtlich, dass der Roman nur der Auftakt einer Serie ist, denn manche Handlungsstränge werden nicht verknüpft, was am Ende einen leicht schalen Nachgeschmack hinterlässt.

Die Sternenbraut von Sara DouglassUnheimliche Gerüchte von finsteren Wesen, die die Menschen im Norden Achars bedrohen, überschatten die Feierlichkeiten zum Namenstag des Königs. Zusammen mit seinen Beratern schmiedet er einen Plan: Der Kriegsherr und Herzog Bornheld soll die Truppen im Norden anführen, während sein verhaßter Halbbruder Axis nach Informationen über die Bedrohung suchen soll. Tatsächlich stößt Axis auf eine geheimnisvolle Prophezeiung, die von der Ankunft eines Zerstörers kündet. Während er noch überlegt, was zu tun ist, rüsten sich die Gegner schon zum Angriff auf seine Truppen. Unter diesen Männern befindet sich auch Faraday, Bornhelds Verlobte, die sich verhängnisvollerweise viel mehr zu Axis hingezogen fühlt…

-Es werden erblicken das Licht der Welt zwei Knaben, blutsverbunden. Der eine, im Zeichen von Flügel und Horn, wird hassen den Sternenmann.-
Die Prophezeiung des Zerstörers

Eine dräuende Prophezeiung, in deren Mittelpunkt zwei Brüder stehen, ein Land, aus dem die Magie lange entschwunden ist und das sich nun geheimnisvollen Feinden gegenüber sieht – das klingt nach ganz klassischer Fantasy. Und den Hunger nach Abenteuern in einer fremden Welt, mit Magie und großen Schlachten garniert, vermag die Reihe Unter dem Weltenbaum wohl auch zu stillen – mit gewissen Abstrichen.
Zu Beginn des Romans wird eine ganz erhebliche Auswahl an Personen vorgestellt, ohne tiefer auf sie einzugehen, und auch später fokussiert sich die Handlung nicht allzu sehr auf eine geringere Figurenanzahl. Außerdem führen die häufigen Perspektivwechsel – oft mehrmals auf einer Seite – dazu, daß man sich niemals intensiver in eine Figur hineinfühlen kann, eine Identifikation fällt schwer, und manchmal auch schon das Verständnis für die Motivation der Charaktere. Dennoch sind ein paar ganz gut vorstellbare Helden entstanden, nur hätte ihnen mehr Tiefe gut getan, vor allem, um sie aus den romantisierten Geschlechterstereotypen zu holen, an denen sich die Autorin entlanghangelt.

Das Land Achar mit seinen Bewohnern, die dem Weg des Pfluges folgen und alle Bäume fällen, um dem Bösen keine Verstecke zu bieten, bietet eine farbenprächtige Kulisse für die große Prophezeiung und die Rückkehr der Magie, ist aber kein Ort der gut ausgearbeiteten Kulturen.
Leider ist die handlungstreibende Prophezeiung – so gut sie sich auch für diese Art von klassischer Fantasy eignen mag – sehr dominant. Bedingungslos unterwerfen sich die Figuren dem Diktat: Wenn die Prophezeiung vorschreibt, was zu geschehen hat, schreiten fast alle ohne großes Murren zur Tat – auch das mag seinen Teil dazu beitragen, daß man häufig keine Charaktere, sondern Abziehbildchen handeln sieht.

Durch den ganzen Band zieht sich ein Auftakt-Gefühl; Anlagen für eine gute Geschichte sind durchaus vorhanden, aber ob die Autorin es wirklich schafft, sie in den nächsten Bänden mit Leben und etwas weniger blassen Charakteren zu füllen, muß sich erst noch erweisen. Mit ihren vielen Action- und Wanderszenen, ihrem guten Schuß Romantik und ihrem hohen Tempo fällt Die Sternenbraut (BattleAxe, Teil 1) fürs Erste noch in die Sparte des Popcorn-Kinos im Kopf – Tiefgang kann später noch nachkommen.

Sternenströmers Lied von Sara DouglassDie Awaren und die Ikarier – die zurückgedrängten Völker, die bei den Menschen als die Unaussprechlichen bekannt waren – bereiten sich auf die bedeutsamen Jultiden-Riten vor, ohne die die Sonne den Winter nicht wieder vertreiben kann.
Gleichzeitig strömen die Horden des Zerstörers auf die Feste Gorken zu, wo sich gemäß der Prophezeiung inzwischen Faraday mit dem ungeliebten Bornheld vermählt und der Axtherr Axis sein Erbe als Sternenmann langsam begreift und antritt. Doch immer noch ist er auf der Suche nach seinem Vater – und während er seine Kräfte weder verstehen noch beherrschen kann, bahnt sich durch die Belagerung Gorkens eine Katastrophe an.

-Kaum zehn Schritte tief im Awarinheim-Wald fühlte Aschure sich wie in einer anderen Welt.-
1: Der Geistbaum-Klan

Wie schon im ersten Band plätschert auch hier die Handlung trotz vieler Actionszenen ganz gemächlich dahin, alle folgen brav wie Schafe den Anweisungen der Prophezeiung, und in deren Schatten vermögen auch die größten Ereignisse nicht richtig mitzureißen. Spannungsaufbau ist eine große Schwierigkeit, wenn die Autorin selbst schon eine ihrer Figuren über mögliche Enwicklungen resümmieren läßt: Das kann ja gar nicht passieren, das steht so nicht in der Prophezeiung.
Dabei ist die Prophezeiung an sich gut gelungen – sie ist rätselhaft, ja zweideutig, und bietet jede Menge Spielraum für Ängste und Interpretationen. Doch der Umgang der Personen mit dieser Thematik vereitelt ein echtes Leseerlebnis. Niemals stellen sie die überlieferten Worte in Frage; im besten Fall beklagen sie sich darüber, zur Zeit ihrer Wahrwerdung zu leben. So werden die schönsten Charaktere zu blassen Abziehbildern, obwohl es Sara Douglass durchaus versteht, im Einzelnen einnehmende und überzeugende Szenen zu präsentieren.

Zum Glück entwickelt das Buch in der zweiten Hälfte aber noch eine gewisse Eigendynamik – eine Belagerungsgeschichte zieht fast immer, und das direkt drohende Unheil beflügelt plötzlich auch die bisher lahmsten Figuren. Mit den Ikariern und den Awaren ist ein Gegenentwurf zu den gewöhnlichen Menschen entstanden, bei dem man sich ein bißchen mehr Detailfreude gewünscht hätte. Bis auf die äußerlichen Unterschiede gibt es nämlich keine allzu tiefgreifenden kulturellen Abweichungen, und Menschen mit sozusagen literarisch angepappten Anhängseln – ob es nun Flügel sind oder spitze Ohren, ist letztlich egal – hat man schon zur Genüge gesehen.
Damit bietet die Weltenbaum-Reihe allenfalls solide Unterhaltung. Da gibt es Szenen, die ganz laut “verlfilme mich” schreien, Abenteuer und Romantik (mit einem Hang zum Kitsch) – ein bunter Fantasy-Mix. Doch um dem Ganzen das Prädikat “episch” aufzustempeln, müßte wenigstens eine Prise Tiefgang enthalten sein.

Ein Tanz mit Drachen von George R.R. MartinDaenerys, die Königin der Drachen muss eine Entscheidung treffen. Während ihre wahre Liebe einem machtlosen Söldner gilt, muss die Königin der Drachen eine politisch vorteilhafte Wahl treffen für ihren zukünftigen Gemahl. Doch elcher ihrer Adligen Freier stellt den mächtigsten Verbündeten für die Eroberung Westeros dar?
Die Intrigen der Adligen interessieren das wahre Schlachtfeld jedoch nicht. Außerhalb der sicheren Mauern entscheidet sich das Schicksal Westeros’ im Kampf.

– Der Schädel ruhte auf einem Bett aus schwarzem Filz und grinste. Alle Schädel grinsten, aber dieser erschien fröhlicher als die meisten anderen. Und größer. –
Der Beobachter

Zu Der Sohn des Greifen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Der Sohn des Greifen und Ein Tanz mit Drachen.

Cover des Buches "Winter des Verrats" von Daniel AbrahamKlirrend kalt sind die Winter in Machi, der nördlichsten der unermeßlich reichen Sommerstädte. Und eiskalt sind auch die Intrigen, die in diesen Tagen und Wochen die Stadt zu vergiften drohen. Denn der Herrscher von Machi liegt im Sterben, und gemäß der Tradition kämpfen seine ältesten Söhne unerbittlich um die Nachfolge. Doch was noch niemand ahnt: in den Schatten der Stadt formieren sich bislang unbekannte Kräfte. Und sie schrecken vor keiner noch so abscheulichen Tat zurück, um den Winter des Verrats zu ihrem ganz persönlichen Vorteil zu nutzen…

– Als sie sich ausgeweint hatte, sammelte Idaan die Fetzen des Briefes sorgfältig auf und legte sie unter ihr Kissen. Dann senkte sie den Kopf und betete aus ganzem Herzen zu allen Göttern, dass ihr Vater sterben möge – und zwar rasch und ohne die wahre Natur seiner Tochter entdeckt zu haben.-
Kapitel 5

… Ich hoffe, dass Daniel Abraham mit seinem Winter des Verrats an diesen starken Auftakt anknüpfen kann …
Mit diesen Worten hatte ich meine Besprechung zu Sommer der Zwietracht, dem ersten Band des Zyklus um die Magischen Städte, beendet. Nun weiß ich mehr, und soviel sei vorne weg verraten: Er kann.
Die Intrigen gehen weiter, und langsam werde ich wirklich neugierig… Was will das Volk der Galten eigentlich? Bis jetzt wird eigentlich nur von ihnen gesprochen. Sie agieren im Hintergrund und kaufen sich – wahrscheinlich mit Unsummen – in entscheidungsbefugte Kreise ein. Aber welchem Zweck dient das Ganze? Liest man Winter des Verrats, beginnt man die Zusammenhänge ein wenig zu erahnen: Der Herrscher der Winterstadt Machi liegt im Sterben, und gemäß der Tradition kämpfen nun dessen drei älteste Söhne um die Nachfolge. Ein barbarischer Brauch – nebenbei bemerkt – wobei derjenige als nächster den Thron besteigt, dem es gelingt, beim Kampf um die Nachfolge am Leben zu bleiben… Hmm… ich weiß nicht, ob es so gut für eine Stadt, ein Volk oder ein Reich ist, jemanden zum König haben, der am gewieftesten seine Familie umzubringen weiß… aber sei’s drum…
In diesem Kampf mischt diesmal jemand mit, der dafür eigentlich nicht vorgesehen ist und Hilfe vom Volk der Galten erhält. Die Galten betreiben eine hinterhältige Politik, die darauf abzielt, die Vormachtstellung der Khaistädte zu untergraben, und auch deren Reichtum – der auf den von den Dichtern des Reiches beschworenen Andaten beruht – sticht ihnen in die Augen. Es scheint wohl eines ihrer wichtigsten Ziele zu sein, das Wissen um das streng gehütete Geheimnis der Andatenbeschwörung ohne große Aufmerksamkeit an sich zu bringen.

Daniel Abraham gelingt es abermals mit seinen detailreichen Beschreibungen, die Figuren sehr lebendig wirken und deren Konflikte, Leidenschaften und inneren Sehnsüchte den Leser miterleben zu lassen. Eine der faszinierendsten Figuren des zweiten Bandes ist Idaan, die Tochter des sterbenden Herrschers von Machi. Sie ist im Grunde eine unspektakuläre Erscheinung: nicht besonders hübsch, aber auch nicht ausgesprochen hässlich. Sie versteht es allerdings meisterhaft, sich mit Lidschatten, Make-Up und Kajal gebührend in Szene zu setzen. Diese Kunst ist durchaus von Vorteil, und sie weiß ihre dadurch erreichte äußere Erscheinung geschickt für ihre Ziele einzusetzen. Sie hasst die Konventionen, in die sie als Frau und Herrschertochter hineingeboren wurde, und kämpft auf ihre Weise dagegen an. Sie weiß genau, was sie will, und spinnt – mit Hilfe mächtiger Verbündeter … – eine folgenschwere Intrige…
Obwohl sie einen anderen Mann heiraten soll, teilt Idaan mit Chemai, dem Dichter der Stadt, das Bett, und man wird beim Lesen den Eindruck nicht los, dass sie ihn ziemlich zum Narren hält. Sie sucht seine Nähe zunächst auch nur, um sich nicht mit ihren schweren Schuldgefühlen herumplagen zu müssen, doch bald wird aus dieser anfänglichen Zerstreuung Liebe – oder sagen wir: Leidenschaft, und das wiederum bringt sie bald arg in Bedrängnis. Idaan ist eine Figur, die mit ihren psychischen und charakterlichen Abgründen vom Autor am genauesten ausgearbeitet wurde. Da gibt es den – verständlichen – Wunsch, etwas darzustellen, jemand zu sein und beachtet zu werden. Diese Bedürfnisse setzt sie allerdings äußerst rücksichtslos durch. Ihr Geltungsbedürfnis und Machtstreben geht auf Kosten anderer, ohne dass sie selbst dazu bereit wäre, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen. Andererseits empfindet sie Reue, sie sehnt sich nach der Unschuld ihrer Kindertage und würde am liebsten alles ungeschehen machen. Diese Beschreibung der Figur der Idaan ist Daniel Abraham so gut gelungen, dass man ohne Schwierigkeiten nachvollziehen kann, was in ihr (und – nebenbei bemerkt – auch in den anderen Figuren des Romans) vorgeht.
Gleiches gilt für Chemai: Der Autor beschreibt ihn als Menschen, dem es aufgrund seiner Jugend an Reife und Abgeklärtheit fehlt. Idaan ist seine erste große Liebe, und das trübt nicht nur sein Urteilsvermögen, sondern lässt ihn auch einen Fehler begehen: er schwört, sie bedingungslos vor allem zu beschützen. Dieser Schwur hat bei seiner besonderen Stellung auch ein besonderes Gewicht und Chemai gerät dadurch auch bald in eine besondere Zwickmühle… Sein Andat Steinerweicher meint es erstaunlich gut mit ihm, obwohl er natürlich – wie alle Andaten – in erster Linie um jeden Preis seine Freiheit herbeiführen will. Steinerweicher gibt Chemai – für lediglich gestaltgewordene Gedanken und Ideen – erstaunlich pragmatische Empfehlungen im Umgang mit sich und seinen Gefühlen. Diese Passagen lesen sich recht amüsant, vor allem, weil Steinerweicher mit seinen lakonischen Bemerkungen den Nagel oftmals auf den Kopf trifft. Doch nicht nur bei der Beschreibung der Figuren beweist Abraham einmal mehr, dass er mit Sprache umzugehen weiß, sondern auch die Schauplätze, Szenen und Situationen sind wieder in wunderbarer Klarheit umrissen. Da findet sich kein überflüssiges Wort und kein langatmiges Abgleiten in allzu genaue Detailbeschreibungen. Die Handlung wird einmal mehr rasch vorangetrieben, so dass keine Langeweile aufkommt, und es finden sich überall die passenden Worte, um etwas so darzustellen, dass man es sich deutlich vorstellen kann.
Alles in allem ein Band, in dem die Karten im Machtgefüge der Magischen Städte neu gemischt werden, und der einen die Vorgehensweisen der mächtigen Kreise erahnen lässt. Ein wesentlicher Aspekt der Handlung in Winter des Verrats ist, dass Otah, der nie der Tradition gemäß auf den Thron verzichtet hat, nun als brudermordender Teufel an die Wand gemalt wird, um dahinter die wahren Machenschaften um die Thronfolge zu verbergen. Das alles kommt einem irgendwie bekannt vor, und auch die Tatsache, dass der Einzige, der an die Unschuld des Angeklagten glaubt, mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen hat, als er sich daran macht dessen Unschuld zu beweisen…
Es bleibt also spannend im Reich der Magischen Städte

Cover von Die Winterfestung von Elizabeth A. LynnDie düstere Festung Tornor Keep im Norden Aruns schützt das fruchtbare Land seit vielen Jahren gegen die feindlichen Horden aus Anhard. Doch dann fällt Errel, der junge Burgherr, in die Hände des gnadenlosen Col Istor. Während der Winter die Feste von Arun in seinem eisigen Griff hält, erscheinen zwei geheimnisvolle Frauen am Tor der Burg: zwei Kriegerinnen, denen kein Mann im Zweikampf gewachsen ist. Sie verhelfen Errel und seinem treuen Gefährten Ryke zur Flucht – doch die beiden jungen Männer wissen, dass sie zurückkehren müssen, um Tornor von Col Istor und seinen Briganten zu befreien …

-Tornor Keep war ein toter Ort. Es brannte aus.
Rykes Gesicht war rußverschmutzt, seine Handgelenke waren bis aufs Fleisch zerschunden, so sehr hatte er gegen die Fesseln gewütet.-
1. Kapitel

Die Handlung, die in ca. anderthalb Monaten spielt, bietet wenig Neues: Tornor wird von Col Istor besetzt, der Prinz muss fliehen, findet aber in der Fremde Freunde, die ihm im Kampf gegen die Besatzer helfen. Lesefreude ist bei mir daher kaum aufgekommen, teilweise dümpelt die Handlung vor sich hin und man hofft auf eine interessante Entwicklung, die sich nicht einstellen will. Die Geschichte vom jungen Prinzen Errel und seinem Gefährten Ryke reißt den Leser nicht wirklich mit, außer ein paar Stellen am Ende ist kaum Spannung vorhanden. Dabei ist der Ansatz durchaus interessant, für meinen Geschmack aber wird die Geschichte etwas zu lieblos und trocken erzählt.
Ein weiteres Hindernis waren die zahlreichen Nebenpersonen, die die Geschichte zu bieten hat. An einigen Stellen tauchen zu schnell zu viele neue Namen auf, die man leider allzu schnell überliest und nicht richtig in die Geschichte einordnen kann. Die Personen wirken zwar durchaus lebendig: Errel macht eine große Entwicklung durch und lässt sich auf die neuen Begebenheiten ein, während bei Ryke die Flucht kaum eine Spur zu hinterlassen scheint und er sich stets zurück nach Tornor wünscht. Ganz gut hat mir die Idee von Norres und Sorren gefallen, zwei Frauen, die sich in der patriarchalischen Welt nicht unterordnen wollten und das Kämpfen erlernten.
Die Welt an sich ist überraschend gut durchdacht und wirkt zumindest teilweise lebendig. Dem Leser wird das Bild einer mittelalterlichen Welt beschrieben, in der ein brüchiger Frieden zwischen Anrun und Anhard besteht. Was wirklich gefehlt hat, war eine Karte des Landes. Errel und Ryke sind viel unterwegs und kommen an viele Orte, doch die Beschreibungen der Autorin reichen nicht aus, um ein vollständigs Bild des Landes zu erschaffen. Somit bleiben Errels und Rykes Flucht für den Leser undurchsichtig und nicht richtig nachvollziehbar.
Auch die Idee der chearis ist gut eingearbeitet worden. Diese praktizieren waffenloses Kämpfen durch eine Art der Selbstverteidigung, die sich, wie die Autorin bemerkt, an der Kunst des Aikido orientiert. Sie leben völlig anders als es Ryke und Errel gewohnt sind, was zumindest bei Ryke auf Unverständnis und Verwirrung stößt.
Somit ist die Welt zwar einigermaßen gut gelungen, durch das langatmige Erzählen wird aber der Lesespass in Grenzen gehalten.

Wintertide von Michael J. SullivanDas nahende Winterfest soll der schurkischen Regentenclique des Kaiserreichs dazu dienen, ihren Triumph gebührend zu feiern: Der militärische Sieg über die letzten Widerständler ist in greifbare Nähe gerückt, die machtlose junge Kaiserin sieht einer Zwangsheirat mit einem politisch verlässlichen Mann entgegen, die unbequeme Prinzessin Arista und der Rebellenführer Degan Gaunt schmachten gebrochen im Kerker und Hadrian, der sie zu befreien versucht, wird prompt erkannt und zur Kollaboration erpresst. Um zumindest ihn retten zu können, lässt Royce sich widerstrebend auf einen riskanten Handel mit seinem Erzfeind Merrick Marius ein…

– Royce stood at the edge of the forest trying to decide between the road and the more direct route through the trees. Snow started to fall again, and the wind swept the flakes at an angle. The white curtain muted colors, turning the world a hazy gray. The thief flexed his hands. He had lost feeling in his fingers again. In his haste to find Gwen, he had once more neglected to purchase winter gloves.–
Chapter 5 – Footprints in the Snow

Mit Wintertide gelingt es Michael J. Sullivan nur teilweise, nach dem eher schwachen Vorgängerband The Emerald Storm zum ursprünglich hohen Unterhaltungswert seiner Serie zurückzufinden. Bedauerlich ist vor allem, dass er dem Plot eine der größten Stärken der Reihe opfert: Dadurch, dass Hadrian und Royce hier überwiegend getrennt agieren, fällt ihr freundschaftliches Geplänkel weg, das die Atmosphäre bisher entscheidend geprägt hat. Mit der über weite Strecken hilflos im Verlies dahinvegetierenden Arista ist auch die dritte zentrale Gestalt daran gehindert, für eine Kontinuität der gewohnten Elemente zu sorgen. Die neu eingeführten Charaktere – so etwa der Straßenjunge Mince und der edle Ritter Sir Breckton – bleiben typenhaft und werden oft in sehr generischen Situationen präsentiert, die auch den Weltenbau bestimmen.

Da das Setting in sich schlüssiger als im vierten Band wirkt, möchte man zunächst noch vermuten, dass die Rückkehr an vertraute Schauplätze wie die Kaiserstadt Aquesta dem Buch durchaus gut tut. Bald aber stellt sich ein gewisser Verdruss darüber ein, dass Sullivan den Kaiserhof samt Ritterturnier, Tafelfreuden, Falkenjagd und Schachbegeisterung etwas zu oberlehrerhaft schildert. Mit Hadrian und der aus einfachen Verhältnissen zur Sekretärin der Kaiserin aufgestiegenen Amilia sind zwei Figuren vorhanden, deren Unvertrautheit mit den Sitten und Gebräuchen ihrer neuen Umgebung als Vorwand für weitschweifige Erklärungen dient, die versierteren Gesprächspartnern in den Mund gelegt werden. So entsteht eher der Eindruck eines sehr theoretisch angelegten Konstrukts als der einer glaubwürdigen Lebenswirklichkeit. Dass anlässlich eines höfischen Fests auch noch ein paar Liedzeilen auftauchen, die wie eine ungeschickt umformulierte Entlehnung aus Penelope’s Song von Loreena McKennitt klingen, macht die Sache nicht besser. Auch sprachlich holpert der eine oder andere Satz mehr als üblich.

Ihren gewohnten Charme kann die Geschichte nur in einigen kleinen Szenen am Rande entfalten, so etwa, wenn Royce zu seiner Verblüffung erlebt, dass eine schon halb vergessene gute Tat sich für ihn auszahlt. Ähnlich anrührende Momente gibt es auch in der Schilderung der rauen Welt der Straßenkinder, deren harter Überlebenskampf die Suche nach Freundschaft und menschlicher Wärme nicht ausschließt. Die große Rolle, die für die Jungen die alljährliche Schlachtwoche spielt, in der auch für die Ärmsten der Armen etwas abfällt, wirkt dabei fast wie ein Fanal für die Endphase des Romans, in der es für Sullivans Verhältnisse ungewöhnlich blutig zugeht. Zwar sind auch in den anderen Bänden Kämpfe und Morde keine Seltenheit, aber dass hier einer der Helden im Racherausch eher unbedeutende Helfershelfer der Schurken bei lebendigem Leibe zerstückelt, befremdet im Vergleich doch ein wenig.

Ohnehin kommt es in den letzten  paar Kapiteln zu einer Häufung gewaltsamer Todesfälle unter überwiegend schon seit Beginn der Serie relativ wichtigen Figuren. Es wirkt, als wolle der Autor unter dem Personal ebenso aufräumen wie auf der Handlungsebene, denn der Dauerkonflikt der Protagonisten mit den geistlichen und weltlichen Machthabern des Kaiserreichs wird zu einem wenig originellen Ende geführt, so dass der letzte Band sich wohl auf das immer noch ungeklärte Rätsel um den verschollenen Erben Novrons und die damit verbundene, bisher eher diffus angedeutete dunkle Bedrohung konzentrieren wird. Es bleibt abzuwarten, ob daraus ein überzeugendes Finale oder doch nur eine allzu gewollt wirkende Auflösung wird.