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Bibliotheka Phantastika gratuliert Paul Hazel, der heute 70 Jahre alt wird. Der am 01. Juli 1944 in Bridgeport, Connecticut, geborene Paul E. Hazel ist einer der (gar nicht so wenigen) Autoren, die in der Fantasy nur ein kurzes Gastspiel gegeben haben. Im Gegensatz zu manchen anderen Autoren, die sich vorher oder nachher anderen Genres zugewandt haben, ist Hazel dabei in seinem gerade einmal vier Romane und zwei Kurzgeschichten umfassenden schriftstellerischen Schaffen der Fantasy praktisch immer treu geblieben – und hat sie letztlich auch bereichert.
Drei von Paul Hazels Romanen bilden die Trilogie The Finnbranch, in deren Auftaktband Yearwood (1980) sich ein anfangs namenloser, später Finn genannter Ich-Erzähler auf eine Reise durch eine einerseits vertraute – da sich in ihr etliche Elemente aus der keltischen Mythylogie finden lassen –, andererseits ungewöhnlich düster und bedrohlich wirkende Welt begibt, deren Wunder häufig auch Gefahren sind. Finn, ein Bastard und der Sohn einer Hexe, ist auf der Suche nach seinem Vater und seiner Bestimmung, und Hazel schildert seine Queste bzw. deren Episoden in Sätzen, die wie gemeißelt wirken, auf eine ungemein kraftvolle und eindringliche Weise, erschafft Bilder von archaischer Wucht. Was den ganzen Roman eher zu einer Abfolge locker miteinander verbundener Geschehnisse (mit kaum zu entschlüsselndem Symbolgehalt) macht, als zu einer stringent durchgezogenen Erzählung. Hinzu kommt, dass Finn nicht unbedingt eine sympathische Figur ist, auch wenn man ihm zugestehen muss, dass er sich von Anfang an auf einem seit den Tragödien der alten Griechen vorgezeichneten Weg befindet, der nur ein ganz bestimmtes Ende nehmen kann.
Yearwood von Paul HazelWährend der Plot als solcher in Yearwood zwar hinter Hazels Sprachgewalt zurücktritt, aber immer noch erkennbar ist (und sich in seiner grundlegenden Struktur nicht von dem vieler anderer Fantasyquesten unterscheidet), zerfällt in Undersea (1982) die Handlung endgültig in (noch symbolbeladenere) Episoden, deren Zuordnung zum großen Ganzen noch schwerer fällt. Sprachlich gibt es auch an diesem Roman, in dem Finn – der schon im ersten Band als “heir to kingdoms both on land and under sea” eingeführt wurde – etliche Metamorphosen durchleben muss, um sein Erbe antreten zu können, nichts auszusetzen. Im Gegenteil – auch hier gelingt es Paul Hazel wieder, mittels einer eigentlich einfachen Sprache eine unglaublich dichte, intensive Atmosphäre zu erschaffen, doch ein zusammenhängender Plot ist kaum noch erkennbar (wobei umfassende Kenntnisse vor allem der keltischen Mythologie vermutlich dabei helfen würden, den Symbolgehalt der – für sich betrachtet großartig geschilderten – Episoden zu entschlüsseln). Verglichen mit seinem Vorgänger, ist Winterking (1985) dann wieder wesentlich konventioneller erzählt – allerdings spielt der Roman in einem vollkommen anderen Setting, einer Art Parallelwelt-Neuengland, in dem auch Finn seinen Platz hat, wenn auch unter einem anderen Namen. Sprachlich nicht mehr ganz so wuchtig, inhaltlich aber auch nicht leichter zu entschlüsseln als die beiden vorangegangenen Bände, ist Winterking der ungewöhnliche Schlussstein einer ungewöhnlichen Trilogie, die sich einem Lesen als typische Fantasytrilogie konsequent entzieht. Wenn man Spaß an The Finnbranch haben will – wobei Spaß angesichts der das Werk durchziehenden Düsternis vielleicht nicht ganz das richtige Wort ist – muss man sich auf die sprachlichen und stilistischen Qualitäten der drei Romane einlassen, denn dann können sie in eine Welt führen, die man zwar häufig nicht begreift, die in ihrer archaischen Schönheit und Grausamkeit aber so ziemlich ohnegleichen ist.
Acht Jahre nach dem Ende von The Finnbranch hat Paul Hazel mit The Wealdwife’s Tale (1993) einen weiteren – und zugleich seinen letzten – Roman vorgelegt. Angelehnt an das alte englische Weihnachtslied Good King Wenceslas erzählt er die Geschichte des Grafen Waldo Wenceslas, der sich nach dem Tod seiner Frau in die umliegenden Wälder begibt und damit Geschenisse in Gang setzt, die sich auf seine ganze Familie auswirken.
Paul Hazels Trilogie um den Bastard und Hexensohn Finn ist zweifellos ein Solitär in der (ja insgesamt recht weiträumigen) Fantasylandschaft. Aus heutiger Sicht sind vor allem zwei Dinge an ihr überraschend und beeindruckend: Zum Einen die Konsequenz, mit der Hazel sich weigert, die zweifellos vorhandenen Erwartungen der (auch schon Anfang der 80er Jahre an gewisse Genrekonventionen gewöhnten) Fantasyleserschaft zu befriedigen bzw. sich ihnen zu beugen, und zum anderen die Sprachgewalt, mit der er seine Geschichte von Tod und Wiedergeburt und erneutem Tod und erneuter Wiedergeburt erzählt. Überraschend ist natürlich auch, dass die Trilogie es als Die drei Zweige des Finn (Einzeltitel Jahreswald (1984), Meeresgrund (1985) und Winterkönig (1986)) auch nach Deutschland geschafft hat, denn heutzutage wäre das vollkommen undenkbar.
Von Hazel selbst gibt es übrigens eine Aussage, die seine Herangehensweise (in Bezug auf The Finnbranch) vielleicht am besten illustriert: “All my stuff is stolen … because there’s only one place to take it from … and out of that place comes the story of the birth, the search and the death, and the hope of resurrection, of doing it over and over again – that endless wheel on which we keep turning. And I have tried to listen hard enough to hear not simply echoes … but some of the original sounds that come out of that place.”*

* in Fantasy Newsletter 62, Sept. ’83

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Sophie im Schloss des Zauberers von Diana W. JonesDie meisten Märchen sind vollgepackt mit Klischees aus den letzten Jahrhunderten. Eine hübsche Prinzessin in Nöten, die böse Hexe, die einfach nur gerne böse ist (und schon immer war), und ein stattlicher Prinz, der zur Rettung eilt. Nicht so in unserem  Buch des Monats im Juli: Sophie im Schloss des Zauberers (ISBN: 3551356947; im Original: Howl’s Moving Castle (1986)) von Diana Wynne Jones.

Im Zentrum der Geschichte steht die junge Hutmacherin Sophie, die nach einer Begegnung mit einer eifersüchtigen Hexe plötzlich neunzig Jahre alt ist. Nachdem sie sich ohnehin schon immer ziemlich alt gefühlt hat, gewöhnt sie sich aber recht schnell an ihr neues Leben als alte Dame und haut ab sofort kräftiger auf den Putz, als je zuvor in ihren jungen Jahren. Ganz zum Leidwesen des Zauberers Howl, der unfreiwillig der neue Gastgeber von Großmutter Sophie wird. Während er eigentlich viel größere Probleme lösen müsste, kann er nur mit ordentlich Sicherheitsabstand zusehen, wie die alte Dame seine wandernde Behausung – und auch sein bisher bequem eingerichtetes Leben als Herzensbrecher und Feigling – umkrempelt.

Sophie im Schloss des Zauberers ist ein kurzweiliger Roman, der vor Humor nur so strotzt und die großartige Vorstellungsgabe und Wortgewandheit der leider verstorbenen Autorin zeigt.
Wessen Appetit auf klassische Fantasy mit Situationskomik und gegen den Strich gebürsteten Klischees angeregt wurde, dem empfehlen wir einen Blick in die Rezension zu dieser sehr unterhaltsamen Geschichte für Jung und Alt.

Buch des Monats

Bibliotheka Phantastika erinnert an David Mason, dessen Todestag sich heute zum 40. mal jährt. David Mason – der 1924 als Samuel Mason geboren wurde – zählt zu den Autoren, über die sich kaum etwas in Erfahrung bringen lässt. Fakt ist, dass er von 1956 bis 1962 mit der SF-Autorin Katherine MacLean verheiratet war und zwischen 1955 und 1958 insgesamt acht Stories veröffentlicht hat, die zumeist im Magazin Infinity erschienen sind. Und als Infinity eingestellt wurde, gab es erstmal auch keine Kurzgeschichten mehr von ihm.
Aber hier soll es nicht primär um Masons Stories gehen (von denen noch drei weitere 1963 bzw. 1970 in verschiedenen Magazinen erschienen), sondern um seine Romane, die Ende der 60er, Anfang der 70er veröffentlicht wurden. Den Kavin`s World von David MasonAuftakt machte Kavin’s World (1969), die von ihm selbst erzählte Geschichte Kavins, des Prinzen von Dorada, der sein von Barbaren und Monstern bedrohtes Volk nach dem Tod seines Vaters mit Unterstützung des Zauberers Thuramon auf eine andere Welt führen muss. Dort bekommen die Doradaner es allerdings mit den Evil Three zu tun – und der mächtigste von ihnen ist ganz etwas anderes und viel, viel mehr als ein typischer “dunkler Lord” … Kavin’s World ist insofern ein ungewöhnlicher Roman, als Mason in ihm den – zum damaligen Zeitpunkt noch recht ungewöhnlichen – Versuch unternimmt, Elemente der Sword & Sorcery eines Robert E. Howard mit denen der High Fantasy eines J.R.R. Tolkien zu verknüpfen, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Was einerseits an Kavin, dem Ich-Erzähler der Geschichte liegt, der freimütig von seinen Abenteuern berichtet (auch denen, in denen er eine weniger glückliche oder moralisch fragwürdige Rolle spielt), andererseits am “Viele-Welten-Konzept”, das ein wenig an das in Michael Moorcocks Multiversum erinnert. Und last but not least hat natürlich auch der erstaunlich originelle Oberbösewicht seinen Anteil daran. Die Mischung funktioniert jedenfalls, und das ist eindeutig David Masons Verdienst.
In The Return of Kavin (1972), der zwar keineswegs unbedingt erforderlichen, aber in sich schlüssig möglichen Fortsetzung, steht zwar immer noch Kavin (wenn auch nicht mehr als Ich-Erzähler) im Mittelpunkt, aber er hat – von einer Ausnahme abgesehen – jetzt andere, neue Gefährten, die ihm manchmal fast schon die Show stehlen. Das gilt vor allem für Zamor und Hugon, die gelegentlich ein bisschen an zwei andere, immer im Team auftretende S&S-Helden erinnern. Die beiden Kavin-Romane sind gewiss keine große Literatur, und sie sind auch keine Meilensteine der Fantasy, doch mit ihnen hat David Mason angenehm lesbare Abenteuerfantasy geschrieben, die – vor allem, wenn man den Zeitpunkt ihrer Entstehung in Betracht zieht – mit durchaus originellen, teilweise sogar mutigen Ideen ebenso punkten kann wie mit trotz ihrer Fehler sympathischen Hauptfiguren und einem jeweils sehr befriedigenden Ende.
David Mason hat noch drei andere phantastische Romane geschrieben: The Sorcerer’s Skull (1970) ist ebenfalls Fantasy und dreht sich um den titelgebenden Zaubererschädel bzw. das, was mit ihm geschieht, während The Shores of Tomorrow (1971) ein SF-Roman mit Alternativ-Welten ist, und es in The Deep Gods (1973) einen Mann aus dem 20. Jahrhundert in eine prähistorische Epoche verschlägt, wo er es mit einem der “Götter der Tiefe” zu tun bekommt.
Im Gegensatz zu den letztgenannten drei Titeln sind die Kavin-Romane auch auf Deutsch erschienen, und zwar als Kavins Welt und Kavins Rückkehr (beide 1986). Die nur im Buch auch als “Saga von Kavin Hostan, dem Prinzen von Dorada” bezeichneten Romane dürften aufgrund der inhaltlichen und formalen Entwicklung des Genres auf ihre deutschsprachige Leserschaft in den 80er Jahren allerdings längst nicht mehr so frisch und originell gewirkt haben wie bei ihrem ursprünglichen Erscheinen. David Mason selbst hat die o.g. inhaltliche und formale Entwicklung des Genres – zu der er möglicherweise sogar etwas beizutragen gehabt hätte – nicht mehr miterlebt, denn am 28. Juni 1974 ist er im Alter von 49 oder 50 Jahren gestorben.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Lev Grossman, der heute seinen 45. Geburtstag feiern kann. Nach dem College-Abschluss und einem nicht beendeten Studium der vergleichenden Literaturwissenschaft begann der am 26. Juni 1969 in Lexington, Massachusetts, geborene Lev Grossman als Journalist zu arbeiten und wurde 2002 Buchkritiker des Time magazine, verfasste aber auch Artikel und Essays für andere Zeitungen und Zeitschriften wie The New York Times, Salon, Entertainment Weekly oder Village Voice. Parallel dazu begann er Romane zu schreiben. Während sein Erstling Warp (1997) nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit erregte, gelang ihm mit dem Thriller Codex (2004) ein internationaler Bestseller, der als Die Macht des Codex (2006) auch auf Deutsch erschienen ist.
Noch weitaus erfolgreicher war dann sein dritter – und erster wirklich phantastischer – Roman The Magicians (2009). In dessen Mittelpunkt steht der hochintelligente Quentin Coldwater, der gerade die High School hinter sich gebracht hat, und dem das alltägliche Leben grau und trist erscheint; nicht The Magicians von Lev Grossmanzuletzt deshalb beschäftigt er sich noch heute insgeheim mit den Fantasyromanen, die er als Kind so gerne gelesen hat. In ihnen geht es um fünf Kinder, die es in ein magisches Land namens Fillory verschlägt, und die dort wunderbare Abenteuer erleben. Und dann landet er plötzlich und unerwartet eines Tages an einem sehr geheimen, sehr exklusiven College, an dem moderne Magie gelehrt wird. Aber das ist noch nicht alles, denn auch im Hinblick auf Fillory steht ihm noch eine Überraschung bevor …
Wenn ein Literaturkritiker einen Roman schreibt, kann man (oder muss man fast) erwarten, dass er ein bisschen anders an die Sache herangeht als allgemein üblich, vor allem, wenn er sich im Bereich der Genreliteratur bewegt. Und tatsächlich hat The Magicians nur auf den allerersten Blick viel mit anderen Romanen gemein, in denen es um magische Universitäten geht. Hier gibt es keinen dunklen Bösewicht, mit dem sich Quentin Coldwater und seine Mitstudierenden auseinandersetzen müssen (was nicht heißt, dass es keine Gefahren gibt); stattdessen dreht sich ein Großteil der Handlung um Sex, Alkohol und andere Drogen, sprich um (typische?) Themen und Probleme der Adoleszenz – zumindest bis es nach Fillory geht. Oder, anders ausgedrückt: statt einen Harry-Potter-Klon vorzulegen, hat Grossman in The Magicians sowohl die Zauberschüler-Romane als auch Sachen wie The Chronicles of Narnia und vergleichbar angelegte Jugendbuch-Zyklen dekonstruiert.
Das hat ihm einerseits jede Menge positiver Kritiken und den John W. Campbell Award als bester Nachwuchsautor eingebracht, während die angloamerikanische Blogosphere etwas verhaltener reagiert hat und auch die englischsprachige Leserschaft nicht nur begeistert war. Auch in Deutschland (wo der Roman als Fillory – Die Zauberer (2010) erschienen ist), war das Echo gespalten. Doch Dekonstruktion bekannter und beliebter Topoi und der persönliche Umgang damit hin oder her – inzwischen hat Lev Grossman dem ursprünglich als Einzelband geplanten Roman mit The Magician King (2011) eine Fortsetzung folgen lassen, die es unter dem Titel Fillory – Der König der Zauberer (2013) ebenfalls nach Deutschland geschafft hat. Und zumindest die (vermeintlichen?) rein formalen Zwänge des Genres scheinen der Lust an der Dekonstruktion tapfer Widerstand zu leisten, denn mit dem für den kommenden August angekündigten Band The Magician’s Land wird aus dem Ganzen das, was es in der Fantasy vermutlich am häufigsten von allen Genres gibt: eine Trilogie.

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The Cloud Roads von Martha WellsIn einer ungezähmten Welt, in der jede Siedlung Gefahr läuft, von Schwärmen der Fell – geflügelter Raubtiere – überfallen zu werden, bemüht sich der junge Mann Moon darum, sich anzupassen und nicht aufzufallen. Er weiß nicht, woher er die Fähigkeit hat, sich in eine geflügelte Kreatur zu verwandeln, und er ist deswegen schon aus vielen Gemeinschaften verjagt worden. Als er eines nachts eine Ruine auf einer schwebenden Felsinsel erkundet, trifft er auf einen anderen, der ist wie er. Aber kann er ihm vertrauen?

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Lillian Stewart Carl, die heute 65 Jahre alt wird. Zwar ist die am 22. Juni 1949 in Columbia, Missouri, geborene Lillian Stewart Carl heutzutage in ihrer Heimat vor allem als Autorin von Krimis mit mehr oder weniger phantastischem Einschlag bekannt, doch angefangen hat ihre schriftstellerische Karriere mit Fantasy – oder, genauer gesagt, mit Sword & Sorcery. Denn “The Borders of Sabazel”, ihre erste, in der von Jessica Amanda Salmonson herausgegebenen Anthologie Amazons II (1982) veröffentlichte Story, ist eine waschechte Sword-&-Sorcery-Story, in der Danica, die Kriegerin und Königin des Amazonenreiches Sabazel, ihren ersten Auftritt hat und zum ersten Mal dem Eroberer und zukünftigen Gottkönig Marcos Bellasteros begegnet.
Danica und Bellasteros sind auch die Hauptfiguren von Sabazel (1985), dem ersten Band der Sabazel Series, in dem ihre Geschichte weitergesponnen wird (und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn die ursprüngliche Kurzgeschichte bildet leicht abgewandelt die ersten beiden Kapitel des Romans). Die Amazonenkönigin und der Eroberer – für den unzweifelhaft Alexander der Große Pate stand – müssen ihre gegenseitigen Vorbehalte überwinden, um ein politisches Bündnis zu schmieden, doch je näher die beiden sich kommen, desto größer werden die Widerstände im Lager von Bellasteros, dessen Reich alsbald von innen und außen bedroht wird, und der mehr als je zuvor der Unterstützung der Amazonen und ihrer Göttin bedarf.
The Winter King von Lillian Stewart CarlSabazel bietet einerseits typische und weniger typische S&S-Elemente – Zweikämpfe und blutige Schlachten, Magie, übermenschliche Heldenfiguren beiderlei Geschlechts und ein Amazonenreich, das zumindest funktionieren könnte –, die mit einer glaubhaft umgesetzten Liebesgeschichte verwoben sind; andererseits gibt der Roman den Rahmen vor, in dem sich auch die weiteren Bände des Zyklus bewegen: eine alternative antike Mittelmeerwelt, in der die Mythen unserer Welt ebenso real sind wie Magie, und in der sich die Götter wie in den griechischen Sagen und Legenden gern mal ins Geschehen einmischen. Und ebenso, wie man in Bellasteros rasch einen alternativen Alexander erkennen kann, lassen sich auch die realen Vorbilder zumindest der nächsten beiden Bände – in denen Andrion, der Sohn von Danica und Bellasteros die Hauptrolle spielt – leicht ausmachen, egal, ob er es in The Winter King (1986) mit der Crimson Horde, dem Reitervolk der Khazyari aus den westlichen Steppen, zu tun bekommt, oder sich in Shadow Dancers (1987) nach der Entführung seiner Frau in das Inselkönigreich Minras begeben und sich nicht nur mit dessen von Dämonen besessener Königin auseinandersetzen muss, sondern auch mit dem Gott im Labyrinth. In Wings of Power (1989) schließlich verschlägt es Gard, einen Enkel der ursprünglichen Hauptfiguren, dem sein Erbe (nicht das weltliche) ebenso viele Probleme macht wie sein jugendlicher Leichtsinn, weit nach Osten, ins exotische Königreich India, wo er dessen Sklavenmärkte und dunkle Verliese kennenlernt und sich bösartiger Magier erwehren muss – und so ganz nebenbei einen Krieg auslöst.
Insgesamt ist die Sabazel Series ein gelungenes Beispiel für mit leichter Hand erzählte, aber keineswegs unspannende oder unblutige Sword & Sorcery in einem an der griechischen Antike orientierten, farbig und plastisch gestalteten Setting, in der es ungeachtet aller Kämpfe und Kriege und magischen Attacken auch immer wieder um die Annäherung einander zunächst fremder Kulturen geht. Auf Deutsch ist von Lillian Stewart Carl weder ihr Fantasy-Zyklus noch einer ihrer übersinnlichen Krimis erschienen. Einzig und allein “The Borders of Sabazel” hat es als “Die Grenzen von Sabazel” im Rahmen der Anthologie Neue Amazonen-Geschichten (1983) nach Deutschland geschafft. Somit können rein deutschsprachige Leserinnen und Leser Danica und Bellasteros zwar kennenlernen, doch das Potential, das in den Figuren und dem Setting steckt, lässt sich anhand der zwar ganz netten, aber letztlich nicht mehr als durchschnittlichen Kurzgeschichte allenfalls erahnen.

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Two Serpents Rise von Max GladstoneDie Wüstenmetropole Dresediel Lex ist abhängig von Magie und der Kraft gefallener Götter, um den Durst der Stadt zu stillen. Als Dämonen im Wasserversorgungsreservoir auftauchen, muss Red King Consolidated – ein Unternehmen, das die Funktion der gefallenen Götter ersetzt – herausfinden, ob es sich um einen terroristischen Anschlag handelt oder um einen gewöhnlichen Konkurrenzkampf. Caleb Altemoc, Risk Manager bei RKC und Sohn des letzten Hohepriesters, wird beauftragt herauszufinden, was hinter dem verseuchten Wasser steckt. Was zunächst nach einem einfachen Fall klingt, wird plötzlich zu einer halsbrecherischen Jagd über den Dächern der Stadt.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Brian Jacques, der heute 75 Jahre alt geworden wäre. Auch wenn sich die schriftstellerische Begabung des am 15. Juni 1939 in Liverpool, England, geborenen James Brian Jacques bereits im zarten Alter von zehn Jahren zum ersten Mal zeigte, deutete lange Zeit nichts darauf hin, dass er einmal ein überaus erfolgreicher Autor von Jugend- bzw. Kinderbüchern werden würde. Denn nachdem Jacques mit fünfzehn die Schule verlassen hatte, fuhr er erst einmal zur See und arbeitete später – als er lieber wieder dauerhaft festen Boden unter den Füßen haben wollte – unter anderem als Dockarbeiter, Animateur, Radiosprecher, Polizist, Boxer, Fernfahrer und Milchmann. Damit Jacques seine Autorenkarriere beginnen konnte, waren einige Voraussetzungen – die man teilweise auch als glückliche Zufälle bezeichnen könnte – nötig: dass er als Milchmann eine Schule für blinde Kinder belieferte, sich mit ihnen anfreundete und ihnen Geschichten vorzulesen begann, dass er mit den vorhandenen Geschichten (die seiner Meinung nach zu viel “Angst” enthielten) unzufrieden war und selbst zu schreiben begann, dass er das Manuskript seinem ehemaligen Englischlehrer zeigte und dieser es ohne sein Wissen an Verlage schickte – und dass ein Verleger das Potential erkannte, das in der Geschichte steckte.
Redwall von Brian JacquesAuf alle Fälle kam im November 1986 mit Redwall der Auftakt der gleichnamigen Saga in Großbritannien auf den Markt. In ihm müssen sich die friedliebenden Bewohner der inmitten der Mossflower Woods gelegenen Redwall Abbey – bei denen es sich vor allem um Mäuse, Maulwürfe und Wühlmäuse handelt – des Angriffs einer bösartigen Ratte mit dem Namen Cluny the Scourge und ihrer Horden erwehren (was ihnen natürlich auch gelingt). In den Folgebänden Mossflower (1988), Mattimeo (1989), Mariel of Redwall (1991), Salamandastron (1992), Martin the Warrior (1993), The Bellmaker (1994), Outcast of Redwall (1995), The Pearls of Lutra (1996), The Long Patrol (1997), Marlfox (1998), The Legend of Luke (1999), Lord Brocktree (2000), Taggerung (2001), Triss (2002), Loamhedge (2003), Rakkety Tam (2004), High Rhulain (2005), Eulalia! (2007), Doomwyte (2008), The Sable Quean (2010) und The Rogue Crew (2011) wird dann nicht nur die Geschichte der Helden des ersten Bandes fortgeschrieben – die sich bald einer neuen Bedrohung ausgesetzt sehen –, sondern sie erzählen teilweise auch Geschehnisse aus der Vergangenheit Redwalls und setzen Figuren in Szene, die anfangs nur mythische Gestalten zu sein scheinen.
Ihre tierischen Helden und Heldinnen (hauptsächlich Mäuse, Dachse, Maulwürfe, Hasen, Wühlmäuse und Eichhörnchen) bzw. Schurken und Schurkinnen (vor allem Ratten, Wiesel, Frettchen, Hermeline und Schlangen) und deren kriegerischen Auseinandersetzungen und Abenteuer machen die Redwall Saga zu einem Bestandteil der Animal Fantasy, auch wenn die Tiere so stark anthropomorphisiert sind, dass sich eine große Nähe zur Tierfabel nicht verleugnen lässt. Dessen ungeachtet bieten die Romane (die ersten neun sind als Redwall – Der Sturm auf die Abtei, Mossflower – In den Fängen der Wildkatze, Mattimeo – Die Rache des Fuchses (alle 1998), Mariel – Das Geheimnis der Glocke (1999), Salamandastron – Die Jagd nach dem Schatz (2000), Martin der Krieger – Der Ruf nach Freiheit (2001), Redwall – In den Fängen des Tyrannen, Redwall – Der Kampf der Gefährten (beide 2003) und Redwall – Die Geiseln des Kaisers (2004) auch auf Deutsch erschienen) gerade Kindern einen guten Einstieg in die weite Welt der Fantasy.
Auf Deutsch wurde die Saga nach dem neunten Band abgebrochen, doch auch im Original wird es keine weitere Fortsetzung der insgesamt mehr als zwanzig Millionen mal verkauften Redwall Saga mehr geben, denn ihr Schöpfer Brian Jacques ist am 05. Februar 2011 an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Harry Turtledove, der heute 65 Jahre alt wird. Heutzutage gilt der am 14. Juni 1949 in Los Angeles, Kalifornien, geborene Harry Norman Turtledove zumindest im angloamerikanischen Sprachraum als unumstrittener Großmeister der Alternate History oder Alternativwelt-Literatur, der er sich in mehreren Zyklen auf sehr unterschiedliche Weise gewidmet hat bzw. immer noch widmet, doch am Anfang seiner Autorenkarriere standen ein Pseudonym und zwei Fantasyromane. Bei Wereblood (1978) und Werenight (1979), die unter dem Pseudonym Eric Iverson erschienen sind, handelt es sich um typische Fantasy der ausgehenden 70er Jahre – das heißt: um Sword & Sorcery. In ihnen kämpft Gerin, der auch the Fox genannt wird, in den mehr oder minder vergessenen und sich selbst überlassenen nördlichen Marschen eines (ein bisschen an das Römische Reich erinnernden) Imperiums gegen Barbarenhorden, Gestaltwandler und machthungrige Barone. Zwar ist Gerin – der nicht nur der Sohn eines Barons ist, sondern u.a. auch Geschichte studiert hat, sich für Literatur interessiert, in dem hünenhaften Van of the Strong Arm einen weitgereisten, gebildeten Freund besitzt und recht bald die Frau fürs Leben findet und heiratet – ein für die Sword & Sorcery ziemlich untypischer Held, doch der Rest der Romane bietet nichts, was man nicht schon in anderen Werken dieses Typus ähnlich oder besser gemacht gelesen hätte.
Vielleicht sind Turtledove seine Schwächen selbst aufgefallen, denn er verlegte sich zunächst einige Jahre auf das Schreiben von Geschichten – bis Mitte der 80er Jahre noch unter dem (um die Mittelinitiale “G.” ergänzten) Iverson-Pseudonym, ab 1985 unter seinem richtigen Namen –, und Agent of Byzantium (1987, erw. 1994), sein nächstes Buch, war dann auch ein “Fix-up” aus einigen dieser Geschichten, in deren Mittelpunkt Basil Argyros, ein byzantinischer Soldat und Geheimagent steht. Argyros’ Welt unterscheidet sich in einigen signifikanten Details von unserer – z.B. war Justinians Wirken erfolgreicher, und Mohammed war ein christlicher Erzbischof und Heiliger – und stellt somit das erste der vielen Werke aus dem Bereich der Alternativwelt-Literatur dar, die Turtledove von nun an in Form von Romanen und Erzählungen schaffen sollte.
The Misplaced Legion von Harry TurtledoveMit The Misplaced Legion (1987), dem ersten Band des Videssos Cycle, wandte er sich der Military Fantasy zu, doch eigentlich handelt es sich auch hierbei um Alternate History, denn das Empire of Videssos, in das es drei römische Kohorten verschlägt, als ihr Anführer Marcus Aemilius Scaurus mit dem Keltenfürsten Viridovix die Klinge kreuzt, ist sowohl kulturell als auch von den geschichtlichen Ereignissen her stark an das Byzantinische Reich (des 7. Jahrhunderts) angelehnt. Die Unterschiede liegen in der Geographie, den Namen – und in der Tatsache, dass auf der Welt von Videssos Magie funktioniert. Doch abgesehen davon lassen sich die Realwelt-Vorbilder der Feinde von Videssos ebenso erkennen wie die byzantinischen Pendants der Herrscher des Kaiserreichs. Dass Turtledove Byzanz schon zum zweiten Mal als Blaupause benutzt, ist übrigens kein Wunder, denn er hat einen Doktortitel in byzantinischer Geschichte. Was dazu führt, dass Videssos (das gilt für das Kaiserreich ebenso wie für die gleichnamige Hauptstadt) als Setting ungemein stimmig und authentisch wirkt. Wobei man dieses Setting mitsamt seiner Besonderheiten erst nach und nach in The Misplaced Legion und den Folgebänden An Emperor for the Legion, The Legion of Videssos und Swords of the Legion (alle 1987) kennelernt; anfangs durch die Augen von Marcus Aemilius Scaurus, später auch durch die des (ebenfalls mit auf die fremde Welt gelangten) Kelten Viridovix und anderer Figuren. Und natürlich sind Marcus Scaurus und seine Soldaten, die Kaiser Mavrikios Gavras ihre Dienste als Söldner angeboten haben, immer mittendrin im Geschehen – egal, ob es gegen den sich zum Erzfeind entwickelnden Magier Avshar aus Yezd oder um Intrigen am kaiserlichen Hof geht.
Der Videssos Cycle war so erfolgreich, dass Harry Turtledove ihm wenige Jahre später The Tale of Krispos folgen ließ, ein aus den Romanen Krispos Rising, Krispos of Videssos (beide 1991) und Krispos the Emperor (1994) bestehendes Prequel, das den Aufstieg eines legendären Herrschers von Videssos schildert. Kurz darauf folgte mit The Time of Troubles ein noch weiter in der Vergangenheit angesiedeltes, die Romane The Stolen Throne (1995), Hammer and Anvil (1996), The Thousand Cities (1997) und Videssos Besieged (1998) umfassendes Prequel.
Parallel zu den Arbeiten am Krispos-Dreiteiler hatte Turtledove sich den Helden seiner ersten beiden Romane noch einmal vorgenommen, sodass 1994 mit Werenight eine überarbeitete Version besagter Romane und zugleich der Auftakt einer von nun an Gerin the Fox betitelten Reihe erschien, die mit Prince of the North (1994), King of the North (1996) und Fox and Empire (1998) fortgesetzt wurde und sich als deutlich verbessert erwies. Darüberhinaus veröffentlichte der überaus fleißige Turtledove in diesen Jahren mehrere der SF zuzuzählende Einzelromane und die ersten Bände von Worldwar und The Great War, seinen beiden großen Alternativwelt-Zyklen, in denen sich der Verlauf des Zweiten Weltkriegs durch das Eingreifen von Aliens ändert bzw. durch den Sieg der Konföderierten im amerikanischen Bürgerkrieg ein anderer Geschichtsverlauf entsteht.
Die sechsbändige Zyklus The DarknessInto the Darkness (1999), Darkness Descending (2000), Through the Darkness (2001), Rulers of The Breath of God von Harry Turtledovethe Darkness (2002), Jaws of Darkness (2003) und Out of the Darkness (2004) – wartet mit einer merkwürdigen Melange aus einem an Geschehnisse im Ersten und Zweiten Weltkrieg angelehnten Krieg in einer feudalistischen Welt, in der Magie funktioniert (und in der dann auch logischerweise mit magischen Waffen und Wesen gekämpft wird) auf, während für die unter dem Pseudonym Dan Chernenko erschienene Trilogie The Scepter of Mercy (The Bastard King (2003), The Chernagor Pirates (2004) und The Scepter’s Return (2005)) einmal mehr das Byzantinische Reich bzw. dessen Geschichte Pate stand.
Recht originell ist hingegen die Idee, die dem aus den drei Romanen Beyond the Gap (2007), The Breath of God (2008) und The Golden Shrine (2009) bestehenden Zyklus Opening of the World zugrundeliegt: in einem mehr als tausend Jahre auf dem Gebiet nördlich des Raumsdalian Empire lastenden Gletscher öffnet sich plötzlich ein Spalt und macht den Weg zu all dem frei, was auf der anderen Seite liegt – allerdings gilt das in beide Richtungen …
Die bisher genannten Romane machen nur einen Teil – nämlich den, der der Fantasy zuzurechnen ist – von Harry Turtledoves Gesamtwerk aus, denn der ist wie schon erwähnt ein überaus fleißiger Autor und hat von 2000 bis 2013 fast 50 Romane veröffentlicht. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass von einigen Kritikern bei etlichen seiner neueren Romane stilistische Nachlässigkeiten ebenso moniert werden wie zunehmend repetetiver werdende Plots und Schwächen in der Figurenzeichnung. Unabhängig davon, wie gut oder schlecht Turtledoves neue(re) Romane sein mögen, kann man dem Videssos Cycle in seiner Gesamtheit – also einschließlich der Prequels, zu denen sich 2005 mit Bridge of the Separator noch ein Einzelroman gesellte – zubilligen, dass er solide Abenteuerfantasy (die manchmal sogar über die rein abenteuerliche Ebene hinausgeht) in einem sehr überzeugend gestalteten und authentisch wirkenden Setting bietet und der neben Glen Cooks Black Company vielleicht wichtigste Military-Fantasy-Zyklus ist (auch wenn die beiden Zyklen weder vorder- noch hintergründig viel miteinander gemein haben!). Die Romane aus den 90ern liegen inzwischen auch in Sammelbänden als Videssos Cycle: Volume One und Videssos Cycle: Volume Two (beide 2013), The Tale of Krispos (2007) und The Time of Troubles I und II (2005) vor, sollten im Zweifelsfall aber unbedingt in der Reihenfolge ihrer Entstehung und nicht in der ihrer inneren Chronologie gelesen werden.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Yves Meynard, der heute 50 Jahre alt wird. Der am 13. Juni 1964 in Québec, der Haupstadt der gleichnamigen kanadischen Provinz geborene Yves Meynard gilt als einer der wichtigsten Vertreter der neuen Generation frankokanadischer SF- und Fantasy-Autoren und wurde für seine Erzählungen und Romane in französischer Sprache bereits mehrfach mit den Preisen der frankokanadischen SF- und Fantasy-Szene wie dem Prix Aurora, dem Prix Boréal und 1994 auch einmal mit dem Grand Prix de la Science-Fiction et du Fantastique Québécois ausgezeichnet. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kolleginnen und Kollegen schreibt Meynard allerdings nicht ausschließlich auf Französisch, sondern verfasst gelegentlich – oder, wie viele Leser meinen: viel zu selten – auch Geschichten und Romane auf Englisch. Der Löwenanteil seines Schaffens liegt jedoch nur in französischer Sprache vor: knapp drei Dutzend Geschichten auf Französisch stehen ein gutes Dutzend auf Englisch gegenüber, und bei den Romanen sieht das Verhältnis mit dreizehn zu zwei noch extremer aus. Während sich unter den dreizehn Romanen in französischer Sprache mehrere Jugendbücher finden lassen, richten sich The Book of Knights und Chrysanthe eindeutig an ein erwachsenes Publikum.
The Book of Knights (1998) ist nicht nur der Titel von Yves Meynards erstem Roman auf Englisch, sondern auch der eines Buches, das in diesem Roman eine bedeutende Rolle spielt. Denn als der junge Adelrune – ein Findelkind – es auf The Book of Knights von Yves Meynarddem staubigen Dachboden des Hauses seiner Stiefeltern findet, ist es für ihn wie ein Fenster zu einer anderen Welt – einer Welt, die sehr viel großartiger und bunter zu sein verspricht als seine unmittelbare Umgebung, das Dorf Faudace, in dem er genau wie alle anderen nach den strengen Regeln der Rule – eines rigiden Glaubenssystems – lebt. Fast zwangsläufig fasst Adelrune den Entschluss, der Enge von Faudace zu entfliehen und selbst ein Ritter zu werden, Ruhm und Ehre zu gewinnen und fantastische Abenteuer zu erleben. Und nach einem denkwürdigen Erlebnis im einzigen Spielwarenladen des Dorfes setzt er seinen Entschluss in die Tat um und macht sich auf die Suche nach Riander, der laut dem Book of Knights Ritter ausbildet. Adelrunes Suche erweist sich als erfolgreich – doch so richtig beginnen seine Abenteuer erst, als er seine Ausbildung beendet hat und sich in die weite Welt aufmacht … Oberflächlich betrachtet, ist The Book of Knights ein Entwicklungsroman im Gewand eines märchenhaften Fantasyromans, dessen Sprach- und Erzählduktus mehr an die europäische Märchen- und Sagentradition erinnert als an zeitgenössische Fantasy. Doch unter der schlichten Oberfläche geht es um einige zentrale Fragen unserer menschlichen Existenz, etwa darum, was aus unseren jugendlichen Träumen wird, wenn wir erwachsen werden, oder auch darum, ob es sinnvoll ist, sein Leben nach gewissen Regeln zu führen – und ob man diese Regeln hinterfragen darf. Unabhängig davon ist The Book of Knights mit seinem anfangs blauäugigen jugendlichen Helden, den großen und kleinen Abenteuern, die er erlebt und an denen er wächst, und seinem die Geschichte perfekt abrundenden Ende einfach ein wundervolles Buch, das eigentlich all denen, die z.B. die Werke einer Patricia McKillip lieben, gefallen müsste.
Es dauerte vierzehn Jahre, bis Yves Meynard mit Chrysanthe (2012) seinen zweiten Roman auf Englisch vorlegte. Wesentlich umfangreicher als sein Vorgänger (der Roman war dem Vernehmen nach ursprünglich als Trilogie geplant) beginnt Chrysanthe im Hier und Heute – allerdings einem Hier und Heute, das sich auf subtile Weise von unserer Gegenwart unterscheidet. Was kein Wunder ist, denn Christine, die Hauptfigur des Romans, lebt in einer “gemachten” Welt; in Wirklichkeit ist sie die Tochter von Edisthen, dem – zumindest seiner Meinung nach (und er hat gute Gründe für seine Meinung) – rechtmäßigen Herrscher der einzig wahren titelgebenden Welt. Ist es ein Wunder, dass Christine, ein ganz normaler Teenager mit für ein Mädchen im Teenageralter ganz normalen Wünschen und Sehnsüchten, diese Geschichte, die ihr ein schwarz gekleideter junger Mann namens Quentin erzählt, der noch nicht einmal mit einem Telefon umgehen kann, anfangs nicht glaubt? Vor allem, da Chrysanthe von Yves MeynardChrysanthe eine “magische” Welt sein soll, auf der Magie funktioniert und das Wirken von God the Mother spürbar und erlebbar ist? Doch nachdem Christine mit Quentin durch ein Portal gegangen und auf Chrysanthe – einer wirklich und im wahrsten Sinne des Wortes magischen Welt – angekommen ist, bleibt ihr nicht mehr viel Zeit für Skepsis, denn sie wird in den Konflikt zwischen ihrem Vater und den Söhnen des vorherigen Königs hineingezogen – den gleichen Konflikt, der vor zehn Jahren dazu geführt hat, dass sie von den Feinden ihres Vaters entführt und auf einer gemachten Welt versteckt wurde … Das Konzept von Parallel- oder Alternativwelten ist in SF & Fantasy weit verbreitet, Meynards Konzept in Chrysanthe ähnelt aber vor allem dem in Roger Zelaznys Amber-Zyklus. Davon einmal abgesehen hat er mit Chrysanthe, der einzig wahren Welt, ein faszinierendes Setting geschaffen, das die phantastischen Möglichkeiten der Fantasy ziemlich weit auslotet und eine beeindruckende Bühne für interessante, durchweg gelungene Figuren und ihren Kampf um die Macht bietet. (Es bliebe allerdings anzumerken, dass Meynards auch stilistisch überzeugender Roman mit einem wichtigen Plotelement aufwartet, das vor allem in dieser Hinsicht sensibilisierten Leserinnen Bauchschmerzen oder Schlimmeres bereiten könnte. Um niemanden zu spoilern, soll der Hinweis genügen, dass es dabei um sich als falsch erweisende Erinnerungen darüber geht, was der Hauptfigur in ihrer Kindheit angetan wurde bzw. um die Schlüsse, die man aus dem Umgang mit diesem Thema im Roman für den Umgang damit in unserer Realität zieht.)
Yves Meynards bisher zwei in englischer Sprache verfassten Romane sind einerseits so unterschiedlich, andererseits jeder für sich so interessant und originell, dass man wirklich bedauern kann, dass er nicht öfters auf Englisch schreibt. Immerhin hat die englischsprachige SF&F-Community diese beiden Romane (und ein gutes Dutzend Geschichten) und ist damit viel besser dran als rein deutschsprachige Leser und Leserinnen. Die dürften allenfalls über den Namen Yves Meynard gestolpert sein, wenn sie Gene Wolfes Mythgarthr-Zweiteiler gelesen haben, denn dessen erster Band Der Ritter ist Yves Meynard und seinem Book of Knights gewidmet. Warum wohl?

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