Category: Reaktionen

Bibliotheka Phantastika gratuliert Valery Leith, die heute 45 Jahre alt wird. Das heißt, genau genommen gratulieren wir der am 07. Juli 1968 in New Jersey in den USA geborenen Tricia Sullivan, die 1995 nach Großbritannien übersiedelte und ihre ersten SF-Stories veröffentlichte. Noch im gleichen Jahr erschien mit Lethe zudem ihr erster SF-Roman, dem schon bald darauf mit Someone to Watch Over Me (1997) und Dreaming in Smoke (1998) zwei weitere folgten. Für Letzteren erhielt sie den Arthur C. Clarke Award und galt spätestens ab diesem Zeitpunkt als eine der vielversprechendsten neuen Stimmen der SF. Was 1998 auch die deutschen SF-Fans feststellen konnten, denn in diesem Jahr erschien die Übersetzung von Lethe, und bereits ein Jahr später gab es ihre erste Fantasy-Kurzgeschichte “Die geheimnisvollen Blätter” (in der Anthologie Jenseits von Avalon und zwei Jahre früher als das englische Original) ebenfalls auf Deutsch – immer noch unter Tricia Sullivan.
The Riddled Night von Valery LeithAls 1999 mit The Company of Glass der erste Band von Everien, einem auf drei Bände ausgelegten Fantasy-Zyklus erschien, wusste zunächst niemand, wer sich hinter dem (als Pseudonym gekennzeichneten) Autorennamen Valery Leith verbarg. Warum Tricia Sullivan sich für Everien ein Pseudonym zugelegt hat, ist nicht ganz klar, einen Hinweis bietet aber vielleicht eine Aussage in einem ein Jahr später gegebenen Interview: “In my defense, I’ve been busy moonlighting in fantasy. I needed some dosh, and I’ve got caught up writing fantasies the past couple of years. Theoretically, they were supposed to be light and fluffy, and also they were meant to finance the new SF novel, but in practical terms, they have eaten up all my time and energy, and they are not as light and fluffy as I’d planned.”
Es stimmt, “light and fluffy” sind The Company of Glass und die beiden Folgebände The Riddled Night (2000) und The Way of the Rose (2001) wirklich nicht. Stattdessen weisen sie viele Merkmale auf, die schon Tricia Sullivans SF-Romane zu einer ebenso faszinierenden wie anstrengenden Lektüre gemacht haben. (Was vielleicht mit ein Grund ist, warum das Pseudonym schon im Klappentext von Band II aufgedeckt wurde.)
Aber worum geht es denn nun in Everien? Zunächst einmal geht es um das gleichnamige Königreich, einen ziemlich wackligen Zusammenschluss mehrerer (ungefähr eisenzeitlicher) Stämme und Klans, das auf den Ruinen einer sehr viel älteren und weit fortgeschritteneren Zivilisation aufgebaut ist. Deren magische Artefakte spielen eine wichtige Rolle, sind aber häufig mindestens ebenso gefährlich wie nützlich. Dieses fragile Gebilde sieht sich zwei Feinden gegenüber: da sind einmal die unheimlichen Sekk, die die Menschen Everiens verzaubern und kontrollieren können. Und da sind die Pharicians, deren Armee die Grenzen des Königreichs bedroht. Rettung vor beiden Bedrohungen könnten neue magische Artefakte bieten, die vermutlich in der Stadt Jai Pendu zu finden sind, doch Jai Pendu, “the floating city”, taucht nur in mehrjährigen Abständen aus dem Meer – oder einer anderen Dimension? – auf. Als ein solcher Zeitpunkt naht, muss sich Tarquin der Freie entscheiden, ob er Jai Pendu ein zweites Mal betreten will, auch wenn er noch heute unter den Folgen seines ersten Besuchs leidet. Denn wenn er es nicht tut, wird es womöglich Istar tun, die Tochter eines alten Kampfgefährten – aber Istar hat keine Ahnung, dass es in Jai Pendu noch etwas weit Gefährlicheres als magische Artefakte gibt …
Aus diesen und noch ein paar anderen Zutaten entwickelt sich eine Geschichte, die vor ebenso originellen wie bizarren Ideen förmlich überquillt und mit Konzepten aufwartet, die man in der Fantasy so zuvor noch nie gesehen hat. Möglicherweise kommt man – wenn man The Way of the Rose bis zum Ende mitgegangen ist – zu dem Schluss, dass der überbordenden Phantasie der Autorin ein bisschen mehr Kontrolle gut getan hätte, aber das ist wie so vieles Geschmackssache. Den deutschsprachigen Lesern und Leserinnen wird diese Entscheidung allerdings schier unmöglich gemacht, denn bei uns sind nur die ersten beiden Everien-Bände – als Die Schatten von Jai Pendu und Nacht und Istar (beide 2001) – erschienen.
Unabhängig davon, inwieweit man das Gesamtergebnis als gelungen betrachtet, bleibt Everien auf jeden Fall einer der wenigen Fantasy-Mehrteiler, die nicht nur die Grenzen des Genres ausloten, sondern mehrfach über sie hinausgehen. Von daher ist es aus der Sicht eines Fantasylesers durchaus bedauerlich, dass Tricia Sullivan sich danach wieder der SF zugewandt hat.

Bibliotheka Phantastika gratuliert außerdem Jeff VanderMeer, der heute seinen 45. Geburtstag feiern kann. Auch im Falle des am 07. Juli 1968 in Bellefonte, Pennsylvania, USA, geborenen Autors, Kritikers und Herausgebers haben wir es mit einem Werk zu tun, das abseits des Fantasy-Mainstreams liegt.
VanderMeers fruchtbarste Schöpfung ist die Stadt Ambergris (bzw. Ambra), in der ein Großteil seiner Romane und Geschichten angesiedelt sind, darunter auch City of Saints and Madmen (2001), eine Sammlung von ursprünglich vier Erzählungen, die 2002 und 2004 um einen ausführlichen Anhang (inklusive einer riesigen Bibliographie ambraischer Literatur) und zwei weitere Geschichten erweitert wurde (auf der letzten Version basiert auch die deutsche Übersetzung, Stadt der Heiligen und Verrückten (2005)). Ambergris flimmert zwischen archaischer (es gibt kaum nennenswerte Technologie) und moderner Metropole (mitsamt Cafés, Kunstszene, Anwaltskanzleien), die ehemals einheimischen Grauhüte wurden allerdings verdrängt und können höchstens aus dem Untergrund zurückschlagen. Mit seiner Sammlung verschiedenster Textgattungen und den umfangreichen Materialien, die auch typographisch ansprechend aufbereitet sind, wird City of Saints and Madmen zu einem Gesamtkunstwerk, das vor Merkwürdigkeiten strotzt und sich seinen Platz als eines der Flaggschiffe des New Weird mehr als verdient hat.
Finch von Jeff VanderMeerJeff VanderMeer ist mit Shriek: An Afterword (2006, dt. Shriek (2008)) nach Ambergris zurückgekehrt, einem Roman, der die Geschichte zweier Geschwister erzählt, die schon in City of Saints and Madmen ihre Aufwartung gemacht haben. Auch Finch (2009) eröffnet ein weiteres Kapitel der Stadtgeschichte, diesmal in Form eines Noir-Krimis.
Als Herausgeber ist VanderMeer zwar schon seit den 90ern tätig, richtig große Wogen haben aber vor allem seine jüngeren Projekte geschlagen, die er zusammen mit seiner Frau Ann VanderMeer auf die Beine gestellt hat, unter anderem die Anthologie Steampunk (2008). Auf seinem Blog Extatic Days scheut er nicht vor Genre-Kritik und anderen kontroversen Themen zurück und ist sich nicht zuletzt auch dadurch zu einer Persönlichkeit geworden, die aus der Phantastik-Szene nicht mehr wegzudenken ist.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Meredith Ann Pierce, die heute 55 Jahre alt wird. Wenn man sich beim Blick auf das ohnehin vergleichsweise schmale Oeuvre der am 05. Juli 1958 in Seattle, Washington, geborenen Meredith Ann Pierce auf ihren Erstling The Darkangel (1982) und dessen Fortsetzungen A Gathering of Gargoyles (1984) und The Pearl of the Soul of the World (1990) beschränkt, die zusammen The Darkangel Trilogy bilden, könnte man sie durchaus als eine der eigenwilligsten und originellsten Erzählerinnen der angloamerikanischen Fantasy bezeichnen. Denn die Geschichte der jungen Aeriel, die sich mit dem titelgebenden (auch als Vampyre bezeichneten) Darkangel auseinandersetzen muss, nachdem er ihre Herrin entführt und deren Lebenskraft geraubt hat, folgt zwar einerseits traditionellen Mustern, entwickelt aber andererseits durch das ungewöhnliche Setting, die sich nach und nach enthüllenden Hintergründe, die auftretenden Wesen und vor allem durch die Art und Weise, wie das Ganze erzählt wird, die Qualität eines surrealen Traums. Was nicht weiter verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass Meredith Ann Pierce zu dieser Geschichte inspiriert wurde bzw. sie konzipiert hat, nachdem es in einer Vorlesung über C.G. Jung um einen Traum gegangen war, derA Gathering of Gargoyles von Meredith Ann Pierce diesem von einer Patientin erzählt worden war. Dass sich das auf nur märchenhaft zu nennende Weise umgesetzte Konzept eines seelenraubenden Vampirs in einem Fantasysetting nicht ganz leicht vermarkten lässt, dürfte auf der Hand liegen. Wenn man allerdings den zwar vorhandenen, aber keineswegs alles beherrschenden romantischen Aspekt der Geschichte betont – wie bei der unter dem Titel Gefangene des Engels 2011 erschienen deutschen Gesamtausgabe der Trilogie geschehen –, darf man sich über enttäuschte Leserinnen nicht wundern. Die ersten beiden Bände sind nebenbei bemerkt bereits in den 80ern schon einmal auf Deutsch erschienen (und zwar als Engel der Nacht (1986) bzw. Aeriel oder Das Vermächtnis der Gargoyles (1987)).
Verglichen mit der Darkangel Trilogy wirken die anderen Werke von Meredith Ann Pierce spürbar konventioneller. Die sich an etwas jüngere Leser wendende The Firebringer Trilogy (Birth of the Firebringer (1985), Dark Moon (1992) und The Son of Summer Stars (2003)) handelt von Einhörnern, die sich mit Wyrm (aka Drachen) herumschlagen müssen, während The Woman Who Loved Reindeer (1985; dt. Ren mit dem goldenen Fell (1988)) immerhin mit einem originellen Setting und der gelungenen Verwendung nordeuropäischer – nicht germanischer – Mythen punkten kann. In Treasure at the Heart of the Tanglewood (2001) steht wie in praktisch allen Werken Pierces wieder eine junge Frau im Mittelpunkt, die sich auf eine lange, gefährliche Reise begeben muss, die sie hinaus in die Welt und zu sich selbst führt, während es sich bei Waters Luminous and Deep (2004) um einen Sammelband mit bislang verstreut erschienenen Geschichten handelt.
Dem Vernehmen nach arbeitet Meredith Ann Pierce schon seit Jahren an einer Fantasytrilogie für eine erwachsene Leserschaft. Auf das Ergebnis darf man durchaus gespannt sein.

The Hidden Queen von Alma AlexanderAußerdem gratulieren wir Alma A. Hromic, die heute ihren 50. Geburtstag feiern kann. Die am 5. Juli 1963 in Novi Sad, Jugoslawien geborene Autorin veröffentlicht ihre Romane und Geschichten unter dem Pseudonym Alma Alexander und schlägt zwar nicht stilistisch, aber thematisch vordergründig ganz ähnliche Wege ein wie Meredith Ann Pierce. Ihre erste Fantasy-Reihe, bestehend aus den Bänden The Hidden Queen und Changer of Days, erschien 2001 und 2002 in Neuseeland, wurde nach Alma Alexanders Umzug in die USA aber auch dort noch einmal publiziert (und außerdem als Die verborgene Königin (2011) und Die Rückkehr der Königin (2012) ins Deutsche übersetzt). In den beiden Bänden verfolgt man das Schicksal von Anghara Kir Hama, der Erbin eines Königreiches, die von Kindesbeinen an auf der Flucht ist und sich ihren usurpierten Thron zurückerobern muss, wobei sie gezwungen ist, verschiedene Identitäten anzunehmen, und erst nach und nach eine eigene findet. Alma Alexander, die teilweise in Afrika aufgewachsen ist, gelingt es dabei vor allem, eine sehr faszinierende und detailreiche Wüstenkultur darzustellen (bei der Anghara eine Weile unterkriechen muss und den Kwisatz Haderach gibt Lektionen fürs Leben lernt).
Mit der historischen Fantasy The Secrets of Jin-Shei (2004 dt. Die Drachenkaiserin (2007)) und Embers of Heaven (2006) konzentrierte sich Alexander schließlich ganz auf eine Frauengeschichte: dort behauptet sich die Schwesternschaft der Jin-Shei mit Mitgliedern aus allen Schichten in der Gesellschaft eines alternativen, magischen China namens Syai. Mit ihrer Worldweavers-Trilogie (Gift of the Unmage (2007), Spellspam (2008) und Cybermage (2009)) hat Alexander zuletzt im Jugendbuch-Bereich Fantasy veröffentlicht, wo sie zwar einerseits das bewährte Konzept der Schule für angehende Magier umsetzt, andererseits aber auch ihrer Linie treu bleibt, sich vor allem auf starke Frauenfiguren zu konzentrieren.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Nancy Springer, die heute 65 Jahre alt wird. Die am 05. Juli 1948 in Montclair, New Jersey, geborene Nancy Springer begann in den 70er Jahren zu schreiben, d.h. zu einem Zeitpunkt, als die High Fantasy als Genre noch gar nicht existierte bzw. sich gerade erst auszuformen begann. Die Autoren und Autorinnen, die damals Fantasy schrieben, sich aber bewusst von der bis dahin den us-amerikanischen Markt dominierenden Sword & Sorcery mehr oder weniger deutlich absetzen wollten, versuchten dies auf ganz unterschiedliche Weise. Einer dieser Versuche war Nancy Springers The Book of the Isle, und dieser ursprünglich als Trilogie geplante, dann auf fünf Bände erweiterte Zyklus ist vor allem in genrehistorischer Hinsicht sehr interessant, denn er dürfte eines der ersten Beispiele für die Vermischung ganz bestimmter The Sable Moon von Nancy SpringerElemente sein, die sich in den 80er und 90er Jahren – mal mehr, mal weniger stark (oder erkennbar) – in vielen Werken des Genre-Mainstream finden lassen. So ist in den Romanen The White Hart (1979), The Silver Sun (1980, eine stark überarbeitete Version ihres Erstlings The Book of Suns (1977)), The Sable Moon (1981), The Black Beast (1982) und The Golden Swan (1983) beispielsweise der Einfluss Tolkiens deutlich spürbar (wobei sich dieser Einfluss – anders als in den Werken eines Eddings, Feist oder gar Brooks – vor allem in einzelnen Motiven sowie der Charakterisierung der Figuren zeigt, weniger in der Auswahl des Figurenarsenals oder dem Plot), während Springer beim Setting bzw. dem ganzen Weltenbau auf irdische (in diesem Fall keltische) Mythen zurückgegriffen hat. Hinzu kommen altbekannte Märchenmotive und schließlich pro Roman noch mindestens eine Liebesgeschichte, die jeweils von zentraler Bedeutung ist. Das Ergebnis dürfte einer der “romantischsten” High-Fantasy-Zyklen aus der Frühzeit des Genres sein, der als Das Inselreich (Einzeltitel: Weißhirsch, Silbersonne, Düstermond, Fabeltier (alle 1983) und Schwanengold (1984)) auch auf Deutsch erschienen ist.
Nach ein paar mehr oder weniger ähnlich gelagerten Werken – Wings of Flame (1985) und Chains of Gold (1986) sowie der aus den Romanen Madbond, Mindbond (beide 1987) und Godbond (1988) bestehenden Sea King Trilogy – und ersten Ausflügen ins nicht-phantastische Kinderbuch wandte Nancy Springer sich mit The Hex Witch of Seldom (1988) und Apocalypse (1989) der zeitgenössischen Fantasy bzw. Phantastik zu und schrieb mit Red Wizard (1990) ein erstes phantastisches Kinderbuch, dem weitere folgen sollten. Mehrere ihrer in den 90er Jahren verfassten phantastischen Romane wurden von der Kritik fast einhellig gelobt, und für einen davon – Larque on the Wing (1994) – hat sie den James Tiptree, Jr. Award erhalten, wohingegen ihre beiden Beiträge zum Artus-Mythos – I am Mordred (1998; dt. Mordred, Sohn des Artus (2004)) und I am Morgan le Fay (2001; dt. Ich, Morgan le Fay (2003)) – vor allem aufgrund der ungewöhnlichen Ich-Erzähler interessant sind.
Seit Beginn des neuen Jahrtausends hat Nancy Springer sich hauptsächlich auf eine Serie um die Tocher Robin Hoods – beginnend mit Rowan Hood, Outlaw Girl of Sherwood Forest (2001; dt. Rowan, Tocher des Robin Hood (2006)) – und The Enola Holmes Mysteries konzentriert. Letzteres ist eine Reihe von Jugendbuchkrimis, in deren Mittelpunkt die 14-jährige Enola Holmes steht, bei deren knapp 20 Jahre älterem Bruder es sich um keinen Geringeren als den weltbekannten Meisterdetektiv aus der Baker Street handelt.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Karl-Heinz Witzko, der heute seinen 60. Geburtstag feiern kann. Wie einer ganzen Reihe seiner Kollegen ebnete auch dem am 02. Juli 1953 in Stuttgart geborenen Diplom-Statistiker Karl-Heinz Witzko die Beschäftigung mit dem Rollenspiel Das Schwarze Auge den Weg zur schriftstellerischen Karriere. Nachdem er bereits seit Mitte der 80er Jahre an der Entwicklung Aventuriens mitgearbeitet und eine ganze Reihe von Abenteuern und Spielhilfen verfasst hatte, erschien schließlich 1996 mit Treibgut sein erster DSA-Roman, dem noch im gleichen Jahr ein zweiter mit dem Titel Spuren im Schnee folgte. In diesen beiden Romanen steht ebenso wie in der aus den Bänden Tod eines Königs (1998), Die beiden Herrscher (1999) und Die Königslarve (2000) bestehenden Trilogie Das Leben König Dajins in Vergangenheit und Gegenwart die Insel Maraskan bzw. deren Bevölkerung und Kultur im Mittelpunkt. Dies gilt auch für Witzkos bislang letzten DSA-Roman Westwärts, Geschuppte! (2002), allerdings mit einer kleinen Einschränkung, denn in diesem Fall spielen keine Menschen die Hauptrolle.
Das Traumbeben von Karl-Heinz WitzkoKurz nach Beginn des neuen Jahrtausends wurde Witzko zu einem Viertel von Magus Magellan, als er mit seinen aus DSA-Zeiten bekannten Kollegen Thomas Finn, Bernhard Hennen und Hadmar von Wieser einen auf zwölf Bände angelegten Fantasy-Zyklus konzipierte, der anfangs unter dem Titel Die Gezeitenwelt, ab 2004 als Magus Magellans Gezeitenwelt erschien. Seine Beiträge zu diesem ehrgeizigen Konzept, das nach fünf Romanen und einem Kurzgeschichtenband allerdings fürs Erste auf Eis gelegt wurde, bestehen aus dem zusammen mit seinen Autorenkollegen unter dem “Pseudonym” Magus Magellan verfassten Prequel Das Geheimnis der Gezeitenwelt und dem Roman Das Traumbeben (beide 2004).
Im Zuge des neuen Fantasy-Booms, der im Gefolge der Herr-der-Ringe-Filme zu einer wahren Flut von Werken führte, die man mangels einer besseren Bezeichnung unter dem Begriff Tolkienvölker-Romane zusammenfassen könnte, suchte Karl-Heinz Witzko sich dann ein Völkchen aus, bei dem er seine schon in den Arbeiten für Das Schwarze Auge deutlich erkennbaren humoristischen Neigungen voll ausleben konnte. Das Ergebnis waren die Romane Die Kobolde (2007) und König der Kobolde (2008). Und auch in dem zuletzt veröffentlichten Roman Dämon wider Willen (2009) ist er der Funny Fantasy treu geblieben.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Dave Duncan, der heute 80 Jahre alt wird. Auf den ersten Blick wirkt der am 30. Juni 1933 in Newport-on-Tay, Schottland, geborene Dave (eigentlich David John) Duncan, der im Alter von 22 Jahren nach Kanada übersiedelte und seit 1960 kanadischer Staatsbürger ist, wie das Musterbeispiel eines typischen Fantasy-Autors. Zwar hat er erst relativ spät mit dem Schreiben begonnen – er war schon in den 50ern –, sich aber direkt nach dem Verkauf seines ersten Manuskripts (das 1987 als A Rose-Red City auf den Markt kam) entschlossen, von nun an hauptberuflich als Schriftsteller zu arbeiten. Seither sind fast 50 Romane von ihm erschienen, bei denen es sich – von ein paar SF-Einzelromanen zu Beginn seiner Karriere abgesehen – fast ausschließlich um Fantasy (zumeist in Form mehrbändiger Zyklen) handelt.
The Destiny of the Sword von Dave DuncanWenn man sich die Themen seiner frühen Zyklen anschaut, scheint sich der Eindruck vom typischen Fantasy-Autor zunächst einmal zu bestätigen: In der aus den drei Bänden The Reluctant Swordsman, The Coming of Wisdom und The Destiny of the Sword (alle 1988) bestehenden Trilogie The Seventh Sword findet sich der auf der Erde im Sterben liegende Walter Charles – alias Wallie – Smith plötzlich auf einer fremden, mittelalterlichen Welt wieder. Er steckt im Körper eines hervorragenden Schwertkämpfers, wird nun Shonsu Walliesmith genannt und muss – natürlich – die Welt vor einer Horde böser Magier retten. Und in der Tetralogie A Man and His Word begibt sich der Stallbursche (!) Rap auf eine Queste durch eine Welt, die dem Standardbaukasten für Fantasyschriftsteller entnommen scheint. Wenn man allerdings genauer hinschaut, kann man in beiden Fällen feststellen, dass der oberflächliche Schein trügt.
Denn die Probleme, mit denen sich Wallie Smith im Auftrag einer Göttin herumschlagen muss – und an denen der Mann, in dessen Körper er nun steckt, schon einmal gescheitert ist –, sind ein bisschen komplizierter als anfangs gedacht. Und die bösen Magier sind zwar alles andere als nette Menschen, aber sie stehen für etwas, dessen konsequente Umsetzung für jemanden wie Wallie eigentlich ein erstrebenswertes Ziel darstellen sollte, auch wenn das in der Welt, in der er nun lebt, zu großen Umwälzungen führen würde. Der klischeehafte Rap und seine ebenso klischeehafte Welt wiederum entpuppen sich im Verlauf der vier Bände Magic Casement (1990), Faery Lands Forlorn (1991), Perilous Seas (1991) und Emperor and Clown (1992) schon bald als gegen den Strich gebürstete, mit feinen Widerhaken und unerwarteten Twists versehene Klischees. So richtig erkennen, wie viel mehr hinter der mit leichter Hand und zumeist ein bisschen ironisch präsentierten, mal mit viel Tempo, mal etwas gemächlicher dahinschreitenden vordergründigen Handlung steckt, kann man allerdings erst, wenn man am Ende der aus den Bänden The Cutting Edge (1992), Upland Outlaws (1993), The Stricken Field (1993) und The Living God (1995) bestehenden Tetralogie A Handful of Men – der Fortsetzung von A Man and His Word – angelangt ist. Die Auflösung der in den acht Romanen zentralen Frage um die Worte der Macht zeigt sehr deutlich, worum es Duncan in diesen Romanen wirklich geht.
In diesen ersten drei Zyklen erweist sich Dave Duncan als ein Autor, der die Konventionen und typischen Motive des Genres kennt und sich ihrer bedient, sie dabei aber immer wieder leicht abwandelt und manchmal auch auf den Kopf stellt. Die Ausgangssituation dieser Zyklen mag nicht sonderlich originell sein – die Auflösung hingegen ist es allemal. Anders gesagt: Die Romane wirken vordergründig fluffiger als sie wirklich sind.

The Hunter's Haunt von Dave DuncanVermutlich hätte Dave Duncan noch eine ganze Weile in diesem Stil weitermachen können (und so mancher Autor hätte es vielleicht auch getan), doch daran scheint er kein Interesse gehabt zu haben, denn die folgenden Werke gehen in andere Richtungen. Die beiden durch ihre Hauptfigur bzw. ihren Erzähler Omar miteinander verbundenen Romane The Reaver Road (1992) und The Hunters’ Haunt (1995) erinnern nicht zuletzt durch das Setting ein bisschen an die Geschichten aus 1001er Nacht und kaschieren ihre Ernsthaftigkeit durch die humorvolle Erzählweise und den mit den Zügen eines Tricksters ausgestatteten Erzähler, wohingegen die (in den USA unter dem Pseudonym Ken Hood erschienene) Trilogie The Years of LongdirkDemon Sword (1995), Demon Rider (1997) und Demon Knight (1998) – actionreiche Sword & Sorcery auf einer Parallel-Erde bietet, deren Geschichte ein bisschen anders verlaufen ist als bei uns und auf der Magie funktioniert. Als wesentlich anspruchsvoller erweist sich The Cursed (1995), in dem im typischen Dave-Duncan-Stil aufgezeigt wird, was es – für sie persönlich, aber auch für die Gesellschaft, in der sie leben – bedeutet, wenn die Überlebenden einer Seuche plötzlich über magische Fähigkeiten verfügen. Mit seinen überraschenden Wendungen und seinem locker-flockigen Erzählduktus ist dieser Einzelroman Duncans frühen Zyklen vielleicht noch am ähnlichsten, leidet aber unter einem etwas zu platten Ende.
Mit The Great Game – seinem wohl bisher ambitioniertesten Werk – hat Dave Duncan noch einmal in mehrfacher Hinsicht Neuland betreten, denn in der aus den drei Romanen Past Imperative (1995), Present Tense (1996) und Future Indefinite (1997) bestehenden Trilogie gibt es erstmals eine benutzbare und auch mehrfach benutzte Verbindung zwischen unserer Erde und der Fantasywelt Nextdoor, in die es Edward Exeter, ein eigentlich angesehenes Mitglied der englischen Oberschicht zu Zeiten des Ersten Weltkriegs auf ungewöhnliche Weise verschlägt. Present Tense von Dave DuncanDa Edward auf der Erde fälschlicherweise unter Mordverdacht steht und auf Nextdoor die von außen in diese Welt gelangenden Menschen nicht nur unsterblich werden sondern auch auf das Mana zugreifen können, das ihnen magische Kräfte verleiht, scheint das zunächst einmal gar kein so schlechter Tausch zu sein. Allerdings nur so lange, bis Edward bemerkt, welche Rolle ihm in dem titelgebenden Großen Spiel zugedacht ist, das die gottgleichen und sich wie Götter fühlenden und verhaltenden Mächtigen dieser Welt ebenso sehr aus Langeweile wie aus Machthunger spielen – und zwar ohne Rücksicht auf Verluste.
Zwar taucht auch in diesen Romanen der für Duncan typische Humor immer mal wieder auf, doch alles in allem wirkt The Great Game wesentlich düsterer und ernster als seine vorangegangenen Werke und ist erzählerisch deutlich komplexer. Man kann nur vermuten, ob seine Leserschaft ihm auf diesem Weg vielleicht nicht wie erhofft folgen wollte, denn als Nächstes versuchte sich Duncan (unter dem Pseudonym Sarah B. Franklin) mit Daughter of Troy (1998) an einem historischen Roman, ehe er sich der aus ingesamt neun Bänden bestehenden Sequenz um die Schwerter und Dolche des Königs zuwandte.
Die beiden Trilogien um die Schwerter des Königs – Tales of the King’s Blades: The Gilded Chain (1998), Lord of the Fire Lands (1999) und Sky of Swords (2000) bzw. Chronicles of the King’s Blades: Paragon Lost (2002), Impossible Odds (2003) und The Jaguar Knights (2004) – sind einmal mehr mit leichter Hand teilweise sehr clever und humorvoll erzählte, leicht lesbare und durchaus auch lesenswerte Romane, aber verglichen mit The Great Game bleiben sie viel mehr an der Oberfläche; das gilt erst recht für die Trilogie um die Dolche des Königs, Duncans ersten Ausflug ins Jugendbuch – The King’s Daggers: Sir Stalwart (1999), The Crooked House (2000) und Silvercloak (2001).
Alle bislang genannten Titel sind mit einer Ausnahme auch auf Deutsch erschienen*. Dass Dave Duncan seit einigen Jahren vom deutschen Buchmarkt praktisch verschwunden ist, bedeutet aber nicht, dass er nicht mehr schreibt. Im Gegenteil. In den USA sind zwischenzeitlich mit den Dodec Books (Children of Chaos (2006) und Mother of Lies (2007)), der in einem Parallelwelt-Renaissance-Venedig spielenden Trilogie The Alchemist um den Alchemisten und Astrologen Maestro Nostradamus (The Alchemist’s Apprentice (2007), The Alchemist’s Code (2008) und The Alchemist’s Pursuit (2009)) – nebenbei bemerkt wohl Duncans letzte Trilogie, da ihm nach eigener Aussage mittlerweile das Durchhaltevermögen für mehr als zweibändige Werke fehlt – dem Einzelroman Ill Met in the Arena (2008), dem Zweiteiler um The Brothers Magnus (Speak to the Devil (2010) und When the Saints (2011)), einem Einzelroman (Against the Light (2012)) sowie einem weiteren Abenteuer mit Wallie Smith (The Death of Nnanji (2012)) und den beiden SF-Romanen Pock’s World (2010) und Wildcatter (2012) etliche neue Werke erschienen und weitere sind angekündigt. Und dass Dave Duncan auch mit 80 noch schreiben kann, lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass ganz aktuell seine Kurzgeschichte “Son of Abish” in Imaginarium 2013, einen unter dem Motto “the best canadian speculative writing” stehenden Auswahlband aufgenommen wurde.

* – um das Ganze nicht endgültig zu einer reinen Titelauflistung verkommen zu lassen, werden die deutschen Titel in einem Kommentar nachgeliefert

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Esther Rochon, die heute 65 Jahre alt wird. Auch wenn die am 27. Juni 1948 in Québec in der gleichnamigen kanadischen Provinz als Esther Blackburn geborene Esther Rochon (der neue Nachname ist kein Pseudonym sondern eine Folge ihrer Heirat) in ihrer frankokanadischen Heimat zu den wichtigsten und bedeutendsten SF- und Fantasy-Autorinnen zählt, dürfte ihr Name nur den deutschsprachigen Lesern und Leserinnen etwas sagen, die sich entweder schon sehr lange mit dem Genre beschäftigen oder aber gelegentlich Abstecher in ein entsprechendes Antiquariat bzw. die antiquarische Abteilung eines auf SF und Fantasy spezialisierten Buchladens unternehmen. Denn Der Träumer in der Zitadelle – das einzige ihrer Bücher, das jemals übersetzt wurde – ist bereits 1977 in Heynes SF- und Fantasyreihe erschienen und stach damals deutlich aus einem Umfeld heraus, das bis kurz zuvor von der Sword & Sorcery Howards und Leibers und den Romanen zweier Burroughs-Epigonen dominiert wurde.
Der Träumer in der Zitadelle ist ein dünner, kaum 120 Seiten umfassender Roman und erzählt die Geschichte Skern Strénids, des Herrschers der auf Vrénalik und den umliegenden Inseln des gleichnamigen Archipels lebenden Asven, der eines Tages den mit magischen Kräften begabten Shaskath in seiner Zitadelle in der Hauptstadt Frulken einkerkern und mit Hilfe einer speziellen Droge zu einem Träumer machen lässt. Shaskath soll mittels seiner Träume die Stürme beeinflussen und so die Handelsflotte schützen, der Vrénalik seinen Reichtum verdankt. Doch dem Träumer gelingt es, sich dem Bann der Drogen zu entziehen – und das hat Folgen für Vrénalik und den ganzen Archipel … In diesem Roman (der nebenbei bemerkt aus dem Manuskript übersetzt wurde) geht es nicht zuletzt um Hybris und den Missbrauch von Macht und damit um Themen, die der Fantasy in den 70er Jahren noch eher fremd waren. Außerdem stellt er – um zwei Kapitel erweitert – den Auftakt des Cycle de Vrénalik dar, des ersten der beiden mehrbändigen Hauptwerke Esther Rochons.
Cycle de Vrénalik von Esther RochonBesagter, aus den Romanen Le Rêveur dans la Citadelle (1998), L’Aigle des profondeurs (2002), L’Archipel noir (1999) und La Dragonne de l’aurore (2009) bestehender Cycle de Vrénalik hat eine etwas komplizierte Entstehungsgeschichte, da die o.g. Romane z.T. zwischenzeitlich umgeschrieben, gekürzt und erweitert wurden; die Jahreszahlen beziehen sich daher auf die aktuellste sich derzeit auf dem Markt befindende, von der Autorin als definitiv bezeichnete Ausgabe der Romane. In diesem Zyklus wird die Geschichte Vrénaliks weitererzählt, und alles, was darüber zu erfahren ist, klingt interessant genug, um einmal mehr zu bedauern, dass der Blick der deutschen Genre-Verlage sich – von gerade einmal angesagten Moden abgesehen – immer noch hauptsächlich auf das englischsprachige Ausland richtet und speziell die frankokanadische SF- und Fantasyszene praktisch vollkommen ignoriert.
Von daher ist es unwahrscheinlich, dass die deutschsprachigen Leser und Leserinnen jemals erfahren werden, wie es mit der Insel Vrénalik und dem ganzen Archipel weitergeht; das Gleiche gilt für die sechsbändigen Chroniques infernalesLame (1995), Aboli (1996), Ouverture (1997), Secrets (1998), Or (1999) und Sorbier (2000) – in denen Esther Rochon eine an Dantes Höllenmodell angelehnte Version der Hölle zum wichtigsten Schauplatz der Handlung macht. Dass man einerseits aus dem zeitgenössischen Montreal in diese Hölle gelangt, es aber – wie sich im Verlauf des Zyklus herausstellt – auch eine Verbindung in die Fantasywelt von Vrénalik gibt, macht das o.e. Bedauern dann noch ein bisschen größer.
Außer Le Cycle de Vrénalik und Les Chroniques infernales hat Esther Rochon noch einige Romane und eine ganze Reihe längerer und kürzerer Erzählungen geschrieben und wurde in ihrer Heimat mehrfach mit den dortigen Genrepreisen ausgezeichnet.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Johanna Sinisalo, die heute 55 Jahre alt wird. Die am 22. Juni 1958 in Sodankylä, Finnland, geborene Aila Johanna Sinisalo zählt zu den wichtigsten Autorinnen der finnischen SF- und Fantasy-Szene. Seit Mitte der 80er Jahre hat sie ca. 40 Stories verfasst, von denen etliche mit dem Atorox-Preis, dem ältesten finnischen SF-Preis ausgezeichnet wurden; ein gutes Dutzend dieser Geschichten finden sich in dem Sammelband Kädettömät kuninkaat ja muita häiritseviä tarinoita (2005). Für ihren ersten Roman Ennen päivänlaskua ei voi (2000) erhielt sie den Finlandia-Preis, einen der renommiertesten finnischen Literaturpreise.
Not before Sundown von Johanna SirisaloBesagter Roman ist unter dem Titel Troll: Eine Liebesgeschichte (2005) auch ins Deutsche übersetzt worden. Hierzulande hat die Geschichte des schwulen jungen Fotografen Angel, der eines Abends einen halbwüchsigen Troll rettet, dessen wie ein Aphrodisiakum wirkender Duft rasch zu allerlei sexuellen Verwicklungen in Angels Leben (und natürlich auch in seiner engeren Umgebung) führt, sowohl bei der Leserschaft wie auch der Feuilleton-Kritik ein ziemlich gemischtes Echo hervorgerufen. Im angloamerikanischen Sprachraum wurde der in Großbritannien als Not Before Sunset (2003), in den USA als Troll: A Love Story (2004) veröffentlichte Roman 2004 mit dem James Tiptree, Jr. Award ausgezeichnet.
Erwähnenswert ist sicher auch, dass Johanna Sinisalo das Drehbuch für die SF-Filmkomödie Iron Sky (2012) verfasst und unter dem Titel The Dedalus Book of Finnish Fantasy (2005) einen ins Englische übersetzten Sammelband mit finnischen Fantasy- und Phantastik-Geschichten herausgegeben hat.

altes Cover von Bitter Seeds von Ian TregillisAußerdem gratulieren wir heute Ian Tregillis, der seinen 40. Geburtstag feiert. Der am 22. Juni 1973 in McCloud County, Minnesota, geborene Autor hat erst kürzlich seine erste Roman-Trilogie, das 2010 mit Bitter Seeds begonnene Milkweed Triptych beendet. Nachdem es aus einer unglücklichen Mischung aus verlagsbedingten Gründen eine Weile gar nicht gut um die Reihe aussah, wurde sie nach zwei Jahren Sendepause mit einer neuen Lektorin und einem neuen Cover-Konzept (siehe dazu die unten verlinkte Rezi – das hier abgebildete Cover ist das ursprüngliche) neu aufgelegt und zu Ende geführt. Die Alternativweltgeschichte, in der die Nazis im Zweiten Weltkrieg über Menschen mit Superkräften verfügen und die Briten dieser Bedrohung mit Magie begegnen, verfolgt die Entwicklung des dadurch verfremdeten Kräftemessens mit den Bänden The Coldest War (2012) und Necessary Evil (2013) in all ihren Konsequenzen im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts.
Ian Tregillis lebt inzwischen in New Mexico und damit im Umfeld von u.a. Daniel Abraham, Walter Jon Williams und George R.R. Martin, an dessen Shared-World-Projekt Wild Cards er bereits mit einer Kurzgeschichte beteiligt war.
Zur Feier des Tages veröffentlichen wir heute eine Rezension zu Bitter Seeds.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert (nur ganz leicht nachträglich) Andrzej Sapkowski. Der am 21. Juni 1948 in Lódz geborene polnische Autor ist vor allem für seine Figur Geralt von Rivia bekannt. Die Geschichten (und später Romane) rund um den monsterjagenden Hexer kamen erst bei ihrer zweiten deutschen Ausgabe richtig groß heraus, die dann auch mit der Übersetzung seiner historischen Roman-Trilogie Narrenturm, Gottesstreiter und Lux Perpetua einherging. Anlässlich seines Geburtstages haben wir unser ausführliches Portrait auf den aktuellen Stand gebracht.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Joyce Carol Oates, die heute 75 Jahre alt wird. Wenn man das Oeuvre der am 16. Juni 1938 in Lockport im amerikanischen Bundesstaat New York geborenen Joyce Carol Oates betrachtet, fallen auf Anhieb zwei Dinge auf: einmal ihre unglaubliche Produktivität – die möglicherweise mit ein Grund dafür ist, warum die Grande Dame der us-amerikanischen Literatur zwar immer wieder als Kandidatin für den Gewinn des Literatur-Nobelpreises gehandelt wird, ihn aber bisher nicht gewonnen hat – und zum anderen die Tatsache, dass sie für ihre Romane und Erzählungen nicht nur mit hoch angesehenen literarischen Preisen wie dem O. Henry Award, dem PEN/Malamud Award oder dem National Book Award bedacht wurde, sondern auch mit Genrepreisen wie dem Bram Stoker Award oder dem World Fantasy Award. Was bereits darauf hindeutet, dass sich zwar der größte Teil ihrer über 60 Romane und mehr als 300 Erzählungen im Bereich des literarischen Mainstreams bewegt, es aber unter ihren Werken immer wieder welche gibt, die eindeutig und ganz bewusst als Genreliteratur angelegt sind. Das gilt zum Beispiel für ihre unter dem Pseudonym Rosamond Smith verfassten Thriller, die gelegentlich – etwa in Soul/Mate (1989; dt. Dein Tod, mein Leben (1993)) – die Grenze zum psychologischen Horrorroman zumindest ankratzen. Überschritten hat sie diese Grenze schließlich mit Zombie (1995; dt. Zombie (2000)), einem aus der Sicht eines Serienkillers verfassten Roman, für den sie mit dem o.e. Bram Stoker Award ausgezeichnet wurde.
Bellefleur von Joyce Carol OatesFür an Phantastik interessierte Leser und Leserinnen weitaus interessanter dürften allerdings die fünf als “gothic quintet” bezeichneten Romane sein, die Joyce Carol Oates alle in den 80er Jahren geschrieben hat und die sich ganz bewusst auf die Tradition der gothic novel stützen, sich ihrer Erzählmuster, Figuren und Motive bedienen. Den Anfang machte mit Bellefleur (1980; dt. Bellefleur (1982)) ein Roman, bei dem dieser Rückgriff besonders gut gelungen ist und zu überzeugenden Ergebnissen geführt hat. Im Mittelpunkt von Bellefleur steht die Familie Bellefleur, deren Stammvater am Vorabend der Französischen Revolution aus Frankreich geflohen ist, und die nun seit sieben Generationen in Nordamerika lebt, doch genauso wichtig ist Schloss Bellefleur, der Sitz der Familie, ein monströser Bau mit Erkern und Türmchen, der in Stein gehauene Ausdruck des Größenwahns und der Exzentrik seiner Bewohner. Der nicht in wenigen Sätzen nachzuerzählende Roman wartet mit so ziemlich allem auf, was die angloamerikanische Schauerliteratur zu bieten hat: Flüche und Geister, starke Männer und schöne Frauen, Verrat und Wahnsinn, verzauberte Spiegel, Missgeburten, Zwerge und Gestaltwandler; die Handlung springt dabei wild zwischen den Generationen hin und her, und das Ganze wird in einem hitzigen, überbordenden, aber immer kontrollierten Stil erzählt, der das Lesen ebenso aufregend wie anstrengend macht. Wer schon immer einmal wissen wollte, was sich hinter dem Begriff gothic novel letztlich verbirgt und dabei die Auseinandersetzung mit der Prosa des späten 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts scheut, kann mit Bellefleur zu einem Werk greifen, das wie kaum ein zweites ein modernes Destillat der Schauerliteratur verkörpert.
Verglichen mit seinem Vorgänger fällt A Bloodsmoor Romance (1982; dt. Die Schwestern von Bloodsmoor (1987)) spürbar ab. Auch in diesem Roman geht es um eine Familie (wie “Familie” generell ein wichtiges Thema für Joyce Carol Oates – auch in ihren Mainstream-Romanen – ist), bzw. vor allem um die fünf Töchter des Erfinders John Quincy Zinn, die sich allesamt im heiratsfähigen Alter befinden, und die man von 1879 bis 1899 auf ihrem in eine Heirat – oder eben nicht – mündenden Lebensweg begleitet. Natürlich gibt es darüberhinaus eine ganze Menge phantastischer Zutaten, angefangen bei einem schwarzen Heißluftballon, mit dem Deirdre, die jüngste Tochter, aus dem heimischen Park entführt wird, über diverse Geistererscheinungen, eine Zeitreise oder eine Geschlechtsumwandlung, bis hin zu der Tatsache, dass Quinn danach strebt, das perfekte Perpetuum mobile zu bauen; hinzu kommen Auftritte von Mark Twain und Madame Blavatsky. Trotzdem kann A Bloodsmoor Romance – vermutlich, weil es wohl vor allem eine ironische Version einer typischen romance des 19. Jahrhunderts sein sollte – nicht ganz so überzeugen wie Bellefleur. Zumindest nicht, wenn man den Roman hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zur Schauerliteratur betrachtet.
Mysteries of Winterthur von Joyce Carol OatesBei Mysteries of Winterthurn (1984) hingegen sieht das schon wieder ganz anders aus. Wie der Titel bereits andeutet, hat sich Joyce Carol Oates hier der klassischen mystery novel angenommen, zu der logischerweise auch ein Detektiv gehört, und das ist in diesem Fall Xavier Kilgarvan, der als Teenager, dann als Endzwanziger und schließlich mit knapp vierzig Jahren in seiner Heimatstadt Winterthurn jeweils einen rätselhaften Kriminalfall lösen muss. Mysteries spielt dabei auf beeindruckende Weise mit den Konventionen zweier Genres, denn während die Orte, die Xavier im Rahmen seiner Ermittlungen mal mehr, mal weniger freiwillig aufsuchen muss, häufig typische Schauplätze einer gothic novel sind, verweist die Darstellung der Stadt Winterthurn mit ihren offensichtlichen und weniger offensichtlichen Geheimnissen, ihren gesellschaftlichen Strömungen und Reibungspunkten auf die mystery novel bzw. den Krimi, in dem oft ein gesellschaftskritischer Ansatz zu finden ist. Worum es in Mysteries of Winterthurn eigentlich geht, können im Laufe dieses Jahres auch die interessierten deutschsprachigen Leser und Leserinnen herausfinden, wenn – knapp 30 Jahre nach Erscheinen des Originals – mit Die Geheimnisse von Winterthurn endlich eine Übersetzung dieses unverständlicherweise bisher nie ins Deutsche übertragenen Romans auf den Markt kommen wird.
Die letzten beiden Romane des “gothic quintets” – My Heart Laid Bare (1998) und der ursprünglich als The Crosswicks Horror betitelte The Accursed (2013) – wurden ebenfalls bereits in den 80er Jahren geschrieben, aber bis zu ihrem Erscheinen von Joyce Carol Oates mehrfach überarbeitet. Während My Heart Laid Bare keinerlei phantastische Elemente aufweist, tauchen im gerade erst in den USA veröffentlichten The Accursed anscheinend wieder aus der Schauerliteratur bekannte Motive und Figuren wie Geister, Dämonen und Doppelgänger auf.
Dass das Phantastische immer wieder – und immer noch – einen Platz im Werk von Joyce Carol Oates hat, lässt sich auch anhand ihrer Kurzgeschichten und Erzählungen feststellen. Entsprechende Sammlungen, in denen praktisch ausschließlich phantastische Geschichten enthalten sind, sind beispielsweise Haunted: Tales of the Grotesque (1994; dt. Das Spukhaus. Erzählungen (1996)) und The Collector of Hearts: New Tales of the Grotesque (1998). Darüberhinaus war und ist sie immer wieder in Genre-Anthologien vertreten und hat 2011 für “Fossil-Figures” den World Fantasy Award und – passend zu ihrem Geburtstag – gerade dieses Wochenende für ihre Kurzgeschichtensammlung Black Dahlia & White Rose (2012) den Bram Stoker Award erhalten.

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Dinotopia. Journey to Chandara von James GurneyBibliotheka Phantastika gratuliert James Gurney, der heute seinen 55. Geburtstag feiert. Der am 14. Juni 1958 in Glendale, Kalifornien, geborene studierte Archäologe ist vor allem als Illustrator bekannt: Cover (u.a. für Alan Dean Foster und Tim Powers), Filmhintergründe (z.B. für Fire and Ice) und vor allem graphische Rekonstruktionen versunkener Städte für Zeitschriften und Museen sind darunter, und die letzteren beiden haben mit Sicherheit die Fundamente für das geschaffen, woran kein Fantasy-Freund mit einem Herz für Dinos vorbeikommt: Dinotopia.
Beginnend mit A Land Apart from Time (1992, dt. Dinotopia (1993)) hat Gurney einen imaginären Kontinent bebildert und immer weiter ausgearbeitet, auf dem Dinosaurier nicht nur überlebt haben, sondern in friedlicher Koexistenz und einer sich gegenseitig beeinflussenden Kultur mit verschiedenen (schiffbrüchigen) Menschen zusammenleben. Inhaltlich konzentrieren sich die bisher insgesamt drei Bildbände (The World Beneath (1995, dt. Die Welt jenseits der Zeit (1996)) und Journey to Chandara (2007)) auf die Abenteuer des viktorianischen Gelehrten Arthur Denison und seines Sohnes Will, die Hauptsache sind dabei aber mit Sicherheit die opulenten Gemälde, die die Dinosaurier und ein ihnen angemessenes gewaltiges Land zum Leben erwecken, und die vielen Details und Ideen, die den dinotopischen Kontinent wie ein erd- und kulturgeschichtliches Wunderland wirken lassen, von dem ein Indiana Jones oder Allan Quatermain nur träumen können.
Dinotopia ist außerdem durch einige (nicht von Gurney geschriebene) Romane und Jugendbücher ergänzt worden, was zusammen mit dem initial großen Erfolg des Projektes schließlich auch in eine (nicht ganz geglückte) Verfilmung fürs Fernsehen mündete.
In jüngster Zeit hat Gurney einige Ratgeber für angehende (Fantasy-)Künstler veröffentlicht, und auch sein Blog Gurney Journey kreist vor allem um Tutorials, verschiedene Künstler und – wie wohl niemanden überraschen wird – Dinosaurier.

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