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Bibliotheka Phantastika gratuliert William Kotzwinkle, der heute 75 Jahre alt wird. Zwar ist der Ruhm des am 22. November in Scranton, Pennsylvania, geborenen William Kotzwinkle heutzutage – zumindest in Deutschland – schon ziemlich verblasst, doch in den 70er Jahren waren mehrere seiner Bücher diesseits und jenseits des Atlantiks schlicht Kult. Und in einigen dieser Bücher spielte die Phantastik eine nicht ganz unbedeutende Rolle.
Nachdem William Kotzwinkle bereits mehrere Romane und Erzählungen für Kinder und Jugendliche geschrieben hatte, erschien mit Elephant Bangs Train (1971; dt. Elefant rammt Eisenbahn (1983)) eine erste Kurzgeschichtensammlung für Erwachsene, deren Inhalt bereits eine Ahnung dessen vermittelte, was in späteren Jahren nachfolgen sollte. Die Stories in Elephant Bangs Train sind eine wilde Mischung aus versponnenen, überraschenden und anrührenden Kurzgeschichten, die alle einen magischen, wenn nicht gar phantastischen Einschlag haben. In den insgesamt 16 Geschichten lebt Kotzwinkle nicht nur seine Sympathie für Elefanten aus (indem er z.B. den Titelhelden Rache an der Eisenbahn nehmen lässt oder einen seiner prähistorischen Vorfahren heraufbeschwört), er führt Leser und Leserinnen an unterschiedlichste Schauplätze, die von Trickstern oder mechanischen Maschinen bevölkert werden, und dass er damit etliche Themen aufs Tableau bringt, die auch später wieder bei ihm auftauchen, soll nicht heißen, dass man diese prägnanten, witzigen und trotzdem melancholischen Geschichten heute nicht mehr lesen kann – sie geben einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Stile und Erzählmodi, die Kotzwinkle auffahren kann.

Ein Jahr nach dieser Sammlung veröffentlichte er mit Hermes 3000 seinen ersten, aus mehr oder weniger zusammenhanglos nebeneinander gestellten, in Fragmente zerschnittenen Kurzgeschichten bestehenden phantastischen “Roman”, der dem Vernehmen nach mehr an einen Drogentrip als alles andere erinnern soll. 1974 folgte mit The Fan Man (dt. Fan Man (1978)) der Roman, der ihn nicht nur in Hippiekreisen schlagartig bekannt machte, sondern z.B. auch im New Yorker überaus positiv besprochen oder von Kurt Vonnegut hochgelobt wurde (was wohl ernst gemeint war – immerhin hat Vonnegut für eine spätere Ausgabe ein begeistertes Vorwort verfasst). Zwar ist dieser Roman nicht phantastisch, aber die von ihm selbst in einem Stream-of-consciousness-ähnlichen Stil erzählte Geschichte Horse Badorties’, der sich am Geräusch laufender Ventilatoren ergötzt, ständig zugedröhnt ist und an hochgradigem ADS leidet, aber gleichzeitig davon träumt, den Auftritt eines Chors von ihm selbst ausgewählter 16-jähriger Mädchen in einer Kirche zu organisieren, wo sie zum Klang elektrischer Ventilatoren ein von ihm komponiertes Liebeslied vortragen sollen, ist so bizarr, dass man sie einmal im Leben gelesen haben sollte.

Doctor Rat von William KotzwinkleAuch in Doctor Rat (1976; dt. Dr. Ratte (1984)) gibt es einen Ich-Erzähler. Allerdings ist die titelgebende Laborratte im Gegensatz zu Horse Badorties keine tragikomische Figur, sondern anfangs ein echter Unsympath. Oder wie soll man sonst ein Wesen nennen, das den ringsum versammelten Mäusen, Ratten, Katzen, Hunden und noch ein paar anderen Tieren immer wieder allen Ernstes erklärt, dass es zum Wohle der Menschheit notwendig ist, dass sie auf jede erdenkliche Weise malträtiert werden? Andererseits hat Doc eigentlich gar keine andere Wahl; nach der Geburt kastriert und aufgrund der an ihm durchgeführten Versuche komplett wahnsinnig geworden, hat er sich seine eigene Sicht auf die Welt erschaffen müssen – und indem er uns diese Sicht mitteilt, lässt er uns einen Blick auf unsere Unmenschlichkeit werfen, wie er drastischer kaum sein könnte. Von daher ist es nicht verwunderlich, wenn der Professor, der mit einer Handbewegung entscheidet, welche Ratten in die Todeskammer müssen, wie ein moderner Dr. Mengele wirkt. Auch wenn Mutter Natur sich irgendwann zur Wehr setzt und die Tiere den Aufstand planen, bleibt Doctor Rat ein erschütterndes, böses und teilweise schwer erträgliches Buch, das 1977 völlig zu recht mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet wurde. Was Doc selbst angeht – der nimmt am Aufstand der Tiere nicht teil, sondern bleibt seinen Herren treu ergeben. Was soll er denn sonst auch tun?

Fata Morgana (1977; dt. Fata Morgana (1979)) führt in eine andere Art von Düsternis, nämlich die der dekadenten und auf den ersten Blick sehr lebensfrohen Belle Époque. Die in Paris beginnende Odyssee des Inspektor Picard, der einen Scharlatan zur Strecke bringen will, an dem vielleicht mehr dran ist, als Picard bewältigen kann, zieht sich immer weiter nach Osteuropa, wo sich der Inspektor immer tiefer in die zunehmend magischen Vorkommnisse verstrickt. Spielzeugmacher und Wahrsagemaschinen, Hypnose und das pralle (Großstadt-)Leben des neunzehnten Jahrhunderts sorgen für ein Setting, das einerseits stark in einem nicht sonderlich oft für die Fantasy herangezogenen Stück der europäischen Kulturgeschichte verankert ist, andererseits aber ganz mühelos Magie an der Grenze zur Moderne integrieren und mit einem überraschenden Ende auftrumpfen kann.

Nach weiteren Romanen mit mal mehr (Herr Nightingale and the Satin Woman (1978)), mal weniger (Jack in the Box (1980, dt. Jack in the Box (1985)) und Christmas at Fontaine’s (1982; dt. Weihnachten für Wellensittiche (1984)) phantastischen Elementen erhielt er den Auftrag, die Novelisation von E.T. the Extra-Terrestrial zu verfassen – eine Aufgabe, die er mit E.T. the Extra-Terrestrial in His Adventure on Earth (1982; dt. E.T., der Ausserirdische und seine Abenteuer auf der Erde (1982)) bravourös erledigte. Steven Spielberg war so zufrieden mit der literarischen Umsetzung seines Films (die dadurch, dass der Roman teilweise aus der Sicht E.T.s erzählt wird, dem Ganzen eine zusätzliche Komponente hinzufügt), dass Kotzwinkle noch eine Fortsetzung schreiben durfte: in E.T.: The Book of the Green Planet (1985; dt. E. T., das Buch vom grünen Planeten (1985)) ist E.T. “zu Hause”, doch die Ereignisse auf der Erde haben ihn verändert, so dass er sich auf seiner Heimatwelt nicht mehr wohlfühlt und sie lieber heute als morgen verlassen würde, was seine Artgenossen so gar nicht verstehen können.

Hier bei uns derzeit noch am bekanntesten dürfte The Bear Went Over the Mountain (1996; dt. Ein Bär will nach oben (1997)) sein. In dem – je nach Betrachtungsweise phantastischen oder satirischen – Roman geht es um einen Schwarzbären, der in der Hoffnung, in ihr etwas zu essen zu finden, in den Bergen von Maine eine unter einem Baum liegende Aktentasche klaut. Doch statt etwas zu essen findet er nur ein Manuskript. Er liest es, findet es gut, besorgt sich ein paar Klamotten, nimmt den Namen Hal Jam an und macht sich nach New York auf, um sein Glück in der Welt der Literatur zu suchen. Die er im Sturm nimmt … Wer sich ein bisschen damit auskennt, wie es in der großen weiten Welt des Verlegens und Verkaufens zugeht, muss Kotzwinkle zubilligen, hier sehr genau hingeschaut und den Finger auf mehr als eine Wunde gelegt zu haben.

Fata Morgana von William KotzwinkleKotzwinkle ist zuerst und vor allem ein Fabulierer, der im wahrsten Sinne des Wortes häufig ohne Rücksicht auf Verluste drauflosfabuliert. Das klappt manchmal, aber nicht immer. So hat z.B. das wilde Garn, das er in seinem SF-Roman The Amphora Project (2005; dt. Das Amphora-Projekt (2007)) zusammengesponnen hat, die deutschsprachige Leserschaft nicht gerade begeistert. Aber das ist eben auch das Risiko bei einem Autor wie Kotzwinkle, dessen Werke sich durchgängig so deutlich voneinander unterscheiden, dass man vorher nie weiß, was man bekommt. Dass er auch recht geradlinig und sehr atmosphärisch erzählen kann, beweist er in The Game of Thirty (1994; dt. Das Pharaonenspiel (1996)), einer hardboiled PI novel, die sich vor der Konkurrenz keineswegs verstecken muss. Aber letztlich ist das nicht einmal sehr verwunderlich, denn William Kotzwinkle hat immer wieder bewiesen, dass er in allen Sätteln gerecht ist, ganz egal, wie das Pferd heißt, das er gerade reitet.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Lisa Goldstein, die heute 60 Jahre alt wird. Bereits mit ihrem ersten Roman erwies sich die am 21. November 1953 in Los Angeles, Kalifornien, geborene Elizabeth Joy Goldstein als ungewöhnliche Autorin, denn The Red Magician (1982) geht mit den Mitteln der Phantastik ein heikles Thema an.
The Red Magician von Lisa GoldsteinIm Mittelpunkt von The Red Magician steht die anfangs elfjährige Kicsi, die kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in einem Dorf irgendwo im Nirgendwo zwischen Russland, Ungarn und Tschechien lebt. In diesem Dorf hat der zauberkundige Rabbi das Sagen, der sehr auf Traditionen bedacht ist, jeglichen Fortschritt verabscheut und davon überzeugt ist, das Dorf mithilfe seiner Fähigkeiten vor den Wirren des Krieges bewahren zu können. Als eines Tages ein Fremder namens Vörös – ein Magier, der die Zukunft sehen kann – auftaucht und die Dorfbewohner vor dem ihnen drohenden Verhängnis warnt und sie wegführen will, geraten Der Rabbi und der Magier (so der deutsche Titel, 1985) rasch aneinander. Natürlich glauben die Dorfbewohner an das Altbewährte und damit dem Rabbi. Nur Kicsi nimmt sich Vörös’ Warnungen zu Herzen – doch auch das bewahrt sie nicht davor, ins KZ verschleppt zu werden, als die Deutschen bald darauf das Dorf überfallen …
Ein Fantasyroman, in dem der Holocaust thematisiert wird (worauf übrigens in der deutschen Ausgabe ausdrücklich hingewiesen wird, denn ihr Untertitel lautet: “Ein Märchenroman aus der Zeit des Holocaust”) – ist das nicht ein bisschen gewagt oder gar geschmacklos? Wenn man weiß, dass Lisa Goldsteins in Deutschland geborener Vater Bergen-Belsen überlebt hat, und ihre in Tschechien geborene, ungarisch-stämmige Mutter Ausschwitz (wobei andere Angehörige beider Familien weniger Glück hatten), wird rasch klar, dass hier persönliche Beweggründe eine Rolle gespielt haben dürften. Die vermutlich mit dazu beigetragen haben, dass sie überaus sensibel mit dem Thema umgegangen ist. So verzichtet Lisa Goldstein auf jegliche vordergründig effekthascherische Darstellung des Lagerlebens, und dennoch sorgen die Szenen im KZ für beklemmende, Unbehagen erzeugende Lesemomente. Auch wenn – so viel sei verraten – die Sache zumindest für Kicsi gut ausgeht, verpasst The Red Magician nicht nur an diesen Stellen all den Fantasy-ist-nichts-als-Fluchtliteratur-Apologeten einen kräftigen Tritt dahin, wo’s richtig weh tut.
Auch in den Romanen, die auf ihren mit dem National Book Award ausgezeichneten Erstling folgten, widmete Lisa Goldstein sich ungewöhnlichen Themen: In The Dream Years (1985) verbindet sie das von den Ideen der Surrealisten geflutete Paris der 20er Jahre mit der 1968 ihren Höhepunkt erreichenden Studenten- und Bürgerrechtsbewegung in den USA, während A Mask for the General (1987) im 21. Jahrhundert in einem dystopischen Nordamerika spielt, über das ein General herrscht, der sich mit auf Stammestraditionen zurückgreifenden und nach den alten Regeln lebenden Maskenmachern auseinandersetzen muss, und Tourists (1989) die Geschichte einer amerikanischen Familie erzählt, die in einem im Nahen Osten gelegenen Land nach einem 1000 Jahre alten Manuskript sucht – nur scheinen die Amerikaner und das Land Amaz unterschiedlichen Realitäten anzugehören.
Strange Devices of the Sun and Moon von Lisa GoldsteinNach diesen Büchern, die – wie Lisa Goldstein selbst einmal gesagt hat – auch Versuche waren, “literarisch” zu schreiben, kehrte sie mit Strange Devices of the Sun and Moon (1993; dt. Im Zeichen von Sonne und Mond (1994)) wieder zu etwas handfesteren Themen zurück: Man schreibt das Jahr 1590, über England herrscht Königin Elizabeth. Doch für die normalen Menschen unsichtbar agieren Mitglieder des Alten Volkes nicht nur in den dunklen Straßen und Gassen von London, sondern auch am in ein Netz aus Intrigen gehüllten königlichen Hof. Die Faeries sind auf der Suche nach König Arthur – ihrem König Arthur, einem als Mensch aufgewachsenen Wechselbalg, der sie nun in ihre letzte große Schlacht führen soll, ehe sie diese Welt – diese Realität – für immer verlassen. Und nicht nur der bekannte Theaterdichter Christopher Marlowe (der nebenbei auch als Geheimagent im Dienste der Krone unterwegs ist) muss feststellen, dass an etwas nicht zu glauben keineswegs gewährleistet, dass es diese Dinge tatsächlich nicht gibt. Ein Gefühl von historischer Authentizität, überzeugend gestaltete Figuren – allen voran Christopher Marlowe – und ein Feenvolk, das ebenso faszinierend wie bedrohlich wirkt, machen aus Strange Devices of the Sun and Moon einen mehr als lesenswerten historischen Fantasyroman über das thinning, das Verschwinden der Magie aus der Welt.
Ein Jahr später erschien mit Travellers in Magic nicht nur der erste Sammelband mit Fantasy-Kurzgeschichten, sondern mit Summer King, Winter Fool auch Lisa Goldsteins einziger unter ihrem richtigen Namen veröffentlichter, ausschließlich in einer Anders- oder Sekundärwelt spielender Fantasyroman; in ihm geht es um höfische Intrigen, wahre und falsche Thronerben, Theateraufführungen und Götter des Winters und des Sommers, deren richtige Anbetung für den Wechsel der Jahreszeiten sorgt. Walking the Labyrinth (1996) und Dark Cities Underground (1999) haben wieder ein zeitgenössisches Setting; im erstgenannten Roman muss eine junge Frau feststellen, dass es in ihrer Familie mehr (magische) Geheimnisse gibt, als sie es sich jemals hätte träumen lassen, während in Dark Cities Underground eine unter der Erdoberfläche gelegene andere Welt existiert, in der sich die Settings aller phantastischen Kinderbücher wiederfinden lassen – und die man durch U-Bahnstationen betritt.
The Alchemist’s Door (2002) ist wieder ein historischer Fantasyroman, in dem der ehrgeizige Alchemist John Dee versehentlich einen Dämon beschwört und mit seiner Familie und seinem Mitarbeiter Edward Kelley nach Prag flieht, um beim exzentrischen König Rudolf Schutz zu suchen. Dort lernt er den Rabbi Judah Loew kennen, und gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach den 36 Gerechten aus den jüdischen Legenden, die allein durch ihre Existenz verhindern, dass die Welt dem Bösen anheimfällt. Dummerweise hat der leicht beeinflussbare König Rudolf in dieser Hinsicht seine eigenen Ideen – und bald darauf sehen Dee und Loew sich gezwungen, einen Mann aus Lehm zu bauen, um das Judenviertel vor den Soldaten des Königs zu schützen. Allerdings erweist sich auch hier wieder, dass etwas herbeizubeschwören ungeahnte Folgen haben kann …
Einen weitereren Versuch, Anderswelt-Fantasy zu schreiben, stellte der unter dem (allein aus Vermarktungsgründen verwendeten und frühzeitig offengelegten) Pseudonym Isabel Glass erschienene Zweiteiler Daughter of Exile (2004; dt. Tochter der Verbannung (2008)) und The Divided Crown (2005, dt. Die geteilte Krone (2009)) dar, während ihr neuester, wieder unter ihrem richtigen Namen veröffentlichter und mit dem Mythopoeic Fantasy Award ausgezeichneter Roman The Uncertain Places (2011) wieder zeitgenössische Gegenwart mit magischen Untertönen vermischt.
Lisa Goldstein ist eine Autorin der leisen Töne. Oder, anders gesagt: Während man die Werke vieler anderer Autoren und Autorinnen als farbenprächtige oder vor Details überquellende Ölgemälde bezeichen könnte, sind ihre Romane wie in sanften Farben gehaltene Aquarelle. Wer allerdings auch stilistisch sehr ansprechende Fantasy abseits des Mainstreams mag und ein in die Tiefe gehendes Worldbuilding oder einen geradlinigen bzw. zumindest stringent durchgezogenen Plot nicht für die allein seligmachenden Bestandteile eines Romans hält, ist mit etlichen ihrer Romane nicht schlecht bedient.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Allan Cole, der heute 70 Jahre alt wird. Als der am 19. November in Philadelphia, Pennsylvania, geborene, aber in Europa sowie im Nahen Osten und in Fernost aufgewachsene Allan George Cole 1982 mit Sten, The Far Kingdoms von Allan Cole und Chris Bunchdem gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Chris Bunch verfassten Auftakt der als The Sten Chronicles bekannten, achtbändigen Military-SF-Serie, seinen ersten Roman veröffentlichte, hatte er bereits knapp zwanzig Jahre lang sein Geld mit Schreiben verdient; anfangs als Journalist, dann als Drehbuchautor etlicher Episoden von Fernsehserien wie Quincy, The Rockford Files, The Incredible Hulk oder Buck Rogers in the 25th Century. In den folgenden Jahren schrieb er weiter für das Fernsehen und verfasste – immer in Zusammenarbeit mit Chris Bunch – die nächsten sieben Sten-Bände, sowie einen während des Vietnamkriegs- (Cole und Bunch sind bzw. waren Vietnam-Veteranen) und einen während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs spielenden historischen Roman, ehe sich die beiden Autoren mit The Far Kingdoms (1993) schließlich der Fantasy zuwandten.
Der auf Deutsch unter dem Titel Die fernen Königreiche (1994) erschienene Roman erzählt die Geschichte von Amalric Emilie Antero, der als alter Mann auf seine Jugend und jene Zeit zurückschaut, in der er sich als reicher Kaufmannssohn von dem Traum des Abenteurers und Magiers Janos Greycloak hat anstecken lassen, der regelrecht besessen davon ist, die legendären fernen Königreiche zu finden, die noch nie ein Mensch gesehen oder betreten hat. Gemeinsam unternehmen sie mehrere Reisen, begegnen Kannibalen, schwarzen Magiern und noch weit schlimmeren Wesen, und erleben Dinge, die sich nie hätten vorstellen können. Und als sie schließlich ihr Ziel erreichen, erweist es sich als anders als erwartet. The Far Kingdoms ist vor allem in Anbetracht seines Erscheinungsjahrs ein ungewöhnliches Buch, dessen Vorbilder viel mehr beim klassischen Abenteuerroman oder Filmen wie The 7th Voyage of Sinbad zu finden sein dürften, als bei der klassischen High Fantasy à la Tolkien. Von daher wirkt der Roman ein bisschen wie aus der Zeit gefallen, auch wenn er als Fantasy-Abenteuerroman hervorragend funktioniert. Und da Cole/Bunch klug genug sind, die Veränderungen zu zeigen, die ihre Reisen und Erlebnisse bei Amalric Antero und Janos Greycloak bewirken, ist The Far Kingdoms sogar noch ein bisschen mehr als einfach nur ein Abenteuerroman.
Ein Jahr später zeigte sich, dass The Far Kingdoms keineswegs ein Einzelband bleiben sollte (auch wenn man ihn problemlos als solchen lesen kann), sondern der Auftakt zu einem locker zusammenhängenden Zyklus gewesen war, denn mit The Warrior’s Tale (1994; dt. Das Reich der Kriegerinnen (1995)) erschien eine Art Fortsetzung. In ihr steht mit Rali Emelie Antero ein weiteres Mitglied der reichen Kaufmannssippe der Anteros im Mittelpunkt, allerdings hat Rali sich für eine soldatische Laufbahn entschieden. Als Hauptmann der Elitetruppe, die für den Schutz ihrer Heimatstadt Orissa verantwortlich ist, erhält sie eines Tages einen überaus gefährlichen Auftrag, der sie auf eine Odyssee ganz besonderer Art führt. Die lesbische Rali unterscheidet sich deutlich von dem zumindest anfangs snobistischen und verweichlichten Amalric, und ihr derber, nicht immer herzlicher Ton verschafft ihr keineswegs nur Freunde, aber das schert weder sie noch ihre nur aus ähnlich gesinnten, kampferprobten Frauen bestehende Truppe.
Auf den inzwischen verwitweten und zum König gewordenen Amalric wartet in Kingdoms of the Night (1995; dt. Das Reich der Finsternis (1996)), dem dritten Band der Anteros Saga, ebenfalls noch einmal ein großes Abenteuer. Irgendwie ist er sich nicht mehr sicher, ob er und Janos damals wirklich die fernen Königreiche erreicht haben, und so lässt er sich nur zu leicht von dessen Urenkelin Janela verleiten, erneut zu einer Reise ins Unbekannte aufzubrechen, an deren Ende sie die wahren fernen Königreiche finden … oder doch nicht?
Irgendwann zwischen dem Erscheinen dieses und des nächsten Bandes ist die langjährige Freundschaft zwischen Allan Cole und Chris Bunch zerbrochen, denn The Warrior Returns (1996; dt. Die Rückkehr der Kriegerin (1997)) wurde von Allan Cole allein verfasst. Hier erlebt Rali ihren zweiten Auftritt, nachdem sie etliche Jahre buchstäblich auf Eis gelegen hat. The Warrior's Tale von Allan Cole und Chris BunchDas hat ihr allerdings nicht sonderlich geschadet – sie ist immer noch so durchsetzungsfähig und wenig diplomatisch wie zuvor. Diplomatie wäre zu einem Zeitpunkt, da fast die gesamte Sippe der Anteros von einem mächtigen Feind ausgelöscht wurde, wohl auch reichlich fehl am Platz …
Mit den vier locker miteinander verbundenen und sich durchaus aufeinander beziehenden, aber jeweils sehr rund abgeschlossenen Romanen der Anteros Saga haben Allan Cole und Chris Bunch das Genre um ein paar Elemente bereichert, die man zeitweise viel zu selten in der Fantasy finden konnte, wie etwa die Neugier auf das, was hinter dem Horizont liegen mag, oder auch das Staunen angesichts unbegreiflich fremdartiger Wesen und Geschehnisse. Die von Rali im vierten Band mehr oder weniger angekündigte Fortsetzung scheint allerdings wirklich nicht mehr nötig zu sein.
1997 erschien mit When the Gods Slept der erste Band der von Allan Cole logischerweise nun ebenfalls allein verfassten Timura Trilogy. In diesem, auch unter dem Titel Wizard of the Winds (ebenfalls 1997; dt. Zauberer der Lüfte (1998)) veröffentlichten Roman und den Folgebänden der Timura-SagaWolves of the Gods (1998; dt. Die Wölfe der Götter (ebenfalls 1998)) und The Gods Awaken (1999; dt. Die Götter erwachen (2000)) – wird die Geschichte des mächtigen Magiers Safar Timura und seines Kindheitsfreundes, des Eroberers Iraj Protarus, erzählt, die zunächst gemeinsam gegen Dämonen und andere Feinde kämpfen, wobei Timura den Herrscher als dessen Großwesir mit all seinen Fähigkeiten unterstützt, bis Protarus beginnt, nach immer mehr Macht zu streben, und die Freundschaft der beiden zunächst zerbricht – und sich dann in eine erbitterte Feindschaft verwandelt …
Irgendwie ist es schon interessant, dass Chris Bunch mehr oder weniger parallel zur Timura Trilogy einen Zyklus veröffentlicht hat, in dem ein Krieger zur rechten Hand eines Magierkönigs wird und seinem Herrscher treu und ergeben dient, bis etwas geschieht, das alles verändert …

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Alan Moore, der heute 60 Jahre alt wird. Es mag manche unserer Leser und Leserinnen überraschen, dass der am 18. November 1953 in Northampton, England, geborene Alan Moore hier im Rahmen unserer Geburtstagstexte auftaucht, denn er hat kaum Fantasy im engeren Sinn geschrieben – und vor allem hat er fast ausschließlich als Comictexter gearbeitet. Das ist natürlich beides richtig, richtig ist aber auch, dass der bei weitem größte Teil der von Moore getexteten Comics auf irgendeine Weise phantastisch ist, und dass er einer der besten und beeindruckendsten (nicht nur phantastischen) Erzähler unserer Zeit ist. Beeindruckend ist schon allein der Umfang seines Oeuvres, der es praktisch unmöglich macht, Moore in diesem Rahmen gerecht zu werden. Deshalb wird sich dieser Beitrag nur um eine seiner längeren Arbeiten drehen. Sinnigerweise wird das aber nicht eines seiner (auch durch mal mehr, mal weniger – aber nie wirklich – werkgetreue Verfilmungen) bekanntesten Werke von V for Vendetta (mit David Lloyd, 1995)* über Watchmen (mit Dave Gibbons, 1987) und From Hell (mit Eddie Campbell, 1999) bis hin zu The League of Extraordinary Gentlemen (mit Kevin O’Neill, 2000) sein, sondern einer seiner generell eher weniger und vor allem in Deutschland wohl kaum bekannten Comics.
Miracleman: A Dream of Flying von Alan MooreZu Beginn seiner Karriere als professioneller Comic-Autor Anfang der 80er Jahre arbeitete Alan Moore vor allem für zwei (schwarzweiße) englische Comicmagazine: das altehrwürdige 2000 AD (in dem z.B. der auch hierzulande bekannte Judge Dredd seine regelmäßigen Auftritte hat) und das damals neu gegründete Warrior. Für letztgenanntes Magazin, das ihm mehr künstlerische Freiheiten gewährte als 2000 AD und an das er die Rechte an seinen Schöpfungen nicht abtreten musste, schrieb er nicht nur das bereits genannte V for Vendetta, sondern belebte mit Marvelman einen bereits 1954 von Mick Anglo aufgrund von Copyright-Problemen des amerikanischen Lizengebers als urbritisches Substitut für den amerikanischen Captain Marvel geschaffenen Superhelden neu. Marvelman ist eigentlich der jugendliche Reporter Micky Moran, dem seine auf Atomenergie basierenden Superkräfte von einem Astrophysiker verliehen wurden, und der sich in einen Superhelden verwandelt, wenn er das Wort “Kimota” ausspricht. Während der ursprüngliche Marvelman allein oder zusammen mit seinen jugendlichen Sidekicks Young Marvelman und Kid Marvelman allerdings noch typische Superheldenabenteuer erlebt hatte (und das neun Jahre lang bzw. in 346 Comicbooks) fiel Moores Neuschöpfung wesentlich düsterer und bedrückender aus.
In Warrior begegnen wir einem erwachsenen, mittlerweile verheirateten Michael Moran, der sich nicht mehr an seine Superheldenexistenz erinnern kann, aber von Migräne und von seltsamen Träumen geplagt wird, die sich ums Fliegen drehen und in denen ein wichtiges Wort vorkommt – an das er sich beim Aufwachen ebenfalls nicht mehr erinnern kann. Alles ändert sich, als er eines Tages in Ausübung seiner Reportertätigkeit in einen terroristischen Anschlag auf ein neuerbautes Atomkraftwerk gerät und von hinten auf eine Glasscheibe schaut, auf deren Vorderseite das Wort “ATOMIC” steht. Zwar bekommt Michael Moran auf diese Weise seine Superkräfte – und damit seine Superheldenexistenz – zurück, doch dafür gerät sein Leben binnen kürzester Zeit völlig aus den Fugen. Schlimm genug, dass sich seine Frau über seine angeblichen Abenteuer lustig macht, für die es keine Beweise außer … nun ja, Comicbooks gibt, viel schlimmer sind allerdings die Konsequenzen, die sich für Michael Moran ergeben, als er feststellt, dass auch Kid Marvelman aka Johnny Bates noch lebt – und dass er sich verändert hat. Doch Michael Moran wird noch mehrfach feststellen müssen, dass die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen – und dass Dr. Gargunza, der Feind, mit dem er es in seinen Träumen zu tun hatte, auch in seiner realen Welt existiert.
Zunächst einmal hatte Marvelman allerdings mit sehr irdischen Problemen zu kämpfen, denn Warrior wurde eingestellt. Zum Glück gelang der Sprung über den großen Teich, und ab Mitte 1985 erschien Marvelman – jetzt (natürlich wieder einmal aus Copyright-Gründen) in Miracleman umgetauft – in den USA als Comicbook beim Independent-Verlag Eclipse. Nachdem in den ersten sechs Heften das von Gary Leach und Alan Davis gezeichnete Material aus Warrior (dieses Mal coloriert) nachgedruckt worden war, schrieb Alan Moore noch zehn weitere, größtenteils von Rick Veitch und John Totleben gezeichnete Ausgaben, in denen er nicht nur die Handlung z.B. durch die Einführung zweier Alienrassen – der Warpsmiths und der Qys – oder die Erweiterung der Miracle-Familie auf eine wesentlich breitere Basis stellte, sondern in denen er auch bewies, immer für einen Aufreger gut zu sein, sei es durch eine sehr plastisch dargestellte Geburtsszene, eine unglaublich drastische, in Superhelden-Comics so noch nie gesehene Kampfszene, in der London buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht wird, oder auch durch die – treffenderweise “Olympus” betitelte – letzte Ausgabe, in der Miracleman endgültig zum Gott aufsteigt. Die sechzehn Comicbooks wurden kurz danach in drei Tradepaperback- bzw. Hardcover-Ausgaben gesammelt – Miracleman Book One: A Dream of Flying, Miracleman Book Two: The Red King Syndrome (beide 1990) und Miracleman Book Three: Olympus (1991) – die aufgrund einer überaus unklaren Rechtelage bis heute nicht nachgedruckt wurden und längst vergriffen (und gebraucht kaum zu vernünftigen Preisen zu bekommen) sind. Das Gleiche gilt für die von Neil Gaiman getextete und Mark Buckingham gezeichnete Fortsetzung, von der nur der erste, aus sechs Comicbooks bestehende Teil komplett veröffentlicht wurde (auch gesammelt als Miracleman Book Four: The Golden Age (1992)), während der zweite, “The Silver Age”, nach zwei Heften abgebrochen wurde.
Miracleman: Olympus von Alan MooreDass Alan Moores Miracleman bis heute sozusagen im Comic-Limbus verschollen ist, ist in mehrfacher Hinsicht bedauerlich. Denn auch wenn vor allem das Warrior-Material grafisch mit den heutigen (nicht nur Superhelden-) Comics nicht mithalten kann, ist hier im Kern bereits fast alles enthalten, was in vielen von Moores späteren Comics deutlich ausgeprägter zu finden ist. Die Dekonstruktion des Superheldenmythos, die Moore selbst in Watchmen noch weiter vorangetrieben hat (und derer sich beispielsweise auch Mark Waid und Alex Ross in Kingdom Come oder J. Michael Straczynski in Rising Stars bedienen), hat hier ihren Ursprung. Genauso wie die Frage nach der geistigen Gesundheit von Superhelden, der Moore praktisch parallel zu Miracleman auch in Batman: The Killing Joke (1988) anhand einer DC-Ikone nachgeht. Und die tiefen Einblicke in die menschliche Psyche, die z.B. aus Rorschach einen der abgründigsten Charaktere der modernen Comics machen, finden sich bereits in der Darstellung von Kid Miracleman, einer in jeder Hinsicht ebenso tragischen wie entsetzlichen Figur.
Ironischerweise hat Alan Moore später aus Supreme, einem zuvor uninteressanten Superman-Verschnitt, eine Hommage an den Superman des sog. Silver Age gemacht – gesammelt in zwei Trades als Supreme: The Story of the Year (2002) und Supreme: The Return (2003) – und sinngemäß gesagt, dies sei eine Art Entschuldigung für seine ansonsten vorherrschende Dekonstruktion des Mythos.
Es ließe sich noch viel über Alan Moore und seine Comics von Swamp Thing über Brought to Light, A Small Killing und das leider gescheiterte Big Numbers bis hin zu Promethea, Tom Strong und Top Ten sagen, oder über seinen bislang einzigen Roman Voice of the Fire (1996), oder auch über den zweifellos hochinteressanten Menschen, der all diese Werke geschaffen hat, doch hier und heute wollen wir es dabei bewenden lassen. Und nur noch hinzufügen: Happy Birthday, Mr. Moore!

* – gefettete Titel stehen für einen Sammelband als PB- oder HC-Veröffentlichung (bzw. für eine eigenständige Buchausgabe), und die Jahreszahl nennt das Jahr der Erstausgabe der entsprechenden Ausgabe

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Bibliotheka Phantastika erinnert an H. Warner Munn, dessen Geburtstag sich heute zum 110. mal jährt. Wie viele Phantastik-Autoren seiner Generation fand auch der am 05. November 1903 in Athol, Massachusetts, geborene Harold Warner Munn in Weird Tales eine schriftstellerische Heimat. Seine erste veröffentlichte Story “The Werewolf of Ponkert” (WT, Juli 1925) verdankt ihre Entstehung interessanterweise einer Anmerkung H.P. Lovecrafts auf der Leserbriefseite des legendären Magazins. Noch bevor die Geschichte veröffentlicht wurde – nebenbei bemerkt in der gleichen Ausgabe, in der auch Robert E. Howard mit “Spear and Fang” seinen ersten Auftritt in Weird Tales hatte –, lernte Munn Lovecraft persönlich kennen und zählte bald darauf zu dessen innerem Freundeskreis. Erstaunlicherweise hat Munn kaum Geschichten geschrieben, die vom Cthulhu-Mythos beeinflusst waren, sondern neben völlig alleinstehenden Horrorgeschichten seine Werwolf-Story zunächst mit “The Return of the Master” (WT, Juli 1927) und dann mit dem dreiteiligen Serial “The Werewolf’s DaThe Werewolf of Ponkert von H. Warner Munnughter” (WT, Okt.-Dez. 1928) fortgesetzt. Anfang der 30er Jahre folgten noch ein paar weitere Geschichten, doch da Munn immer nur nebenberuflich Autor war, blieb sein Ausstoß gering. Erst sehr viel später sollte er sich wieder diesem Thema zuwenden und es mit neuen und überarbeiteten alten Geschichten zu einer Generationen umspannenden Werwolf-Saga ausbauen. Letztere sind nur als Sammlerausgabe (und daher in einer kleinen Auflage) in den USA unter dem Titel Tales of the Werewolf Clan, Volume I: In the Tomb of the Bishop (1979) bzw. Tales of the Werewolf Clan, Volume II: The Master Goes Home (1980) erschienen, während von den ursprünglichen Geschichten nur die erste und die dritte als The Werewolf of Ponkert (1958, NA 1976) eine Buchausgabe erlebten.
Wesentlich bekannter als seine – von einer Ausnahme abgesehen nie ins Deutsche übersetzten und auch in den USA vermutlich nur noch einer kleinen Schicht von Pulp-Afficionados geläufigen – Werwolf-Geschichten dürfte allerdings das Werk (und dessen Fortsetzungen) sein, mit dem H. Warner sich nicht nur von Weird Tales, sondern für viele Jahre auch vom Schreiben selbst verabschiedete: das vierteilige, von September bis Dezember 1939 in Weird Tales veröffentlichte Serial “King of the World’s Edge”.
Der Roman, der erst Mitte der 60er Jahre im Zuge des neu erwachten Interesses an altem Pulp-Material als Buch auf den Markt kam, schildert nach einer an E.R. Burroughs erinnernden Einleitung die Abenteuer des römischen Centurio Ventidius Varro auf einem fremden, weit im Westen gelegenen Kontinent. Varro war zu Zeiten von Artus’ Aufstieg in Britannien stationiert und hat sich mit seinen Männern auf dessen Seite geschlagen und mit ihm gegen die Sachsen gekämpft, nachdem die Verbindung zu Rom und dem Imperium abgerissen war. Nach Artus’ Niederlage bei Camlod begibt er sich zusammen mit dem Magier Myrddhin und den ihm verbliebenen Legionären auf ein Schiff, um irgendwo eine Zuflucht zu suchen und dort die Rückeroberung Britanniens zu planen. Als sie allerdings endlich Land finden, geraten sie mehr oder weniger unverzüglich in den dort herrschenden Konflikt zwischen indianischen Stammeskriegern und den grausamen, proto-aztekischen, von einem ganz Amerika umfassenden Großreich träumenden Mia – und natürlich schlagen sie sich auf die Seite der hoffnungslos unterlegenen zerstrittenen Stämme und greifen auf deren Seite in den Kampf ein.
King of the World’s Edge (1966; dt. Ein König am Rande der Welt (1980)) ist ein süffig erzähltes abenteuerliches Garn, das einerseits Elemente der Lost-Race-Romane verwendet, andererseits die Ankunft der Römer und Myrddhins (aka Merlins) in Amerika in amerikanische Sagen und Legenden verwebt und als phantastischer Abenteuerroman auch heute noch funktioniert – und auf das bereits ein Jahr später mit The Ship from Atlantis (dt. Das Schiff von Atlantis (1980)) eine Fortsetzung folgte, da Munn sich Mitte der 60er wieder dem Schreiben zuwandte. Im Mittelpunkt dieses Bandes steht Gwalchmai, der Sohn Varros, der von seinem Vater ausgeschickt wird, um dem römischen Imperator von dem Land bzw. der neuen römischen Kolonie im Westen zu berichten, und der nicht nur Merlins Ring sondern auch eine ganze Reihe magischer Hilfsmittel bei sich hat. Doch nach einem Angriff seltsamer Amphibienwesen, dem alle seine Kameraden zum Opfer fallen, “strandet” Gwalchmai in der Sargasso-See, wo er auf ein geheimnisvolles goldenes schwanenförmiges Schiff mit einem noch geheimnisvolleren Passagier stößt. Dieser Passagier ist Corenice, die letzte Überlebende des Untergangs von Atlantis – eine Frau mit einem Körper aus lebendem Metall. Natürlich verlieben sich die beiden ineinander, und genauso natürlich werden sie alsbald durch besondere Umstände voneinander getrennt.
Nur, um sich in Merlin’s Ring (1974; dt. Merlins Ring (1981)) wiederzubegegnen.Merlin's Ring von H. Warner Munn Und das mehrfach, denn Gwalchmai, der eher versehentlich quasi unsterblich geworden ist, trifft in einer rund ein Jahrtausend währenden und ihn von Europa bis in den fernen Osten nach China und Japan und zurück führenden Odyssee wieder und wieder auf Inkarnationen Corenices, während er an bekannten und weniger bekannten geschichtlichen Ereignissen teilnimmt und die Wege etlicher wirklicher und mythologischer Personen kreuzt. Merlin’s Ring mit seiner Mischung aus Sword & Sorcery und epischen Fantasyelementen und der überzeugend gelungenen Verknüpfung des Artus- und des Atlantis-Mythos mit verbürgter Geschichte erweist sich nicht nur vom Umfang her als den beiden Vorgängerbänden weit überlegen und gilt völlig zu recht als Munns magnum opus.
Nachdem King of the World’s Edge und The Ship from Atlantis als Sammelband unter dem Titel Merlin’s Godson (1976) neu aufgelegt worden waren – eine Bezeichnung, die auch für den gesamten “Zyklus” benutzt wird –, sollte Munn auf Wunsch des Verlags noch einen weiteren (in dieser Veröffentlichungslogik dann dritten) Roman schreiben. Zwar hat er die Arbeit an The Sword of Merlin noch begonnen, aber wie viel er wirklich vor seinem Tod am 10. Januar 1981 schon geschrieben hatte, scheint niemand zu wissen. Und so werden wir uns wohl oder übel mit dem begnügen müssen, was wir haben.
Über die bisher genannten Werke hinaus hat H. Warner Munn mit The Lost Legion (1980) einen historischen Roman geschrieben, der zu Zeiten Caligulas spielt und das Schicksal einer im Osten verlorengegangenen römischen Legion zum Inhalt hat, und mit The Banner of Joan (1975) ein Versepos über Jeanne d’Arc verfasst (die ihn ziemlich fasziniert hat, wie man auch in Merlin’s Ring feststellen kann). The Book of Munn (1979) schließlich ist ein Band mit Gedichten.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Kara Dalkey, die heute 60 Jahre alt wird. Die am 04. November 1953 in Los Angeles geborene Kara Mia Dalkey begann zu schreiben, nachdem sie Ende der 70er Jahre nach Minneapolis gezogen war und dort The Scribblies kennenlernte, eine Gruppe von Fantasy-Autorinnen und -Autoren, zu der u.a. Emma Bull, Steven Brust und Will Shetterly gehörten. Interessanterweise erfolgte ihre erste professionelle Veröffentlichung ebenfalls im Umfeld der Scribblies, denn die Kurzgeschichte “The Hands of the Artist” war in Liavek (1985) enthalten, dem ersten Band einer von Emma Bull und Will Shetterly herausgegebenen gleichnamigen Shared-World-Anthologiereihe (der sie auch weiterhin treu blieb).
1986 erschien mit The Curse of Sagamore Kara Dalkeys erster Roman, eine Parodie auf die damals im Genre recht beliebten dynastischen High-Fantasy-Romane: vor vier Generationen hat König Thalion von Euthymia – called the Wise, but known as the Fool – seine Krone seinem Hofnarren Sagamore übergeben, der daraufhin als Sagamore the Shrewd seine eigene Dynastie gegründet hat; auf König Vespin the Sneaky und König Valgus the Brutal sollte jetzt eigentlich Prinz Abderian folgen. Das Dumme ist nur, dass Abderian gar nicht König werden will … Drei Jahre später folgte mit The Sword of Sagamore eine Fortsetzung, die ein bisschen ernstere Töne anschlägt, ohne die humoristische Ebene wirklich zu verlassen. Zwischen den beiden Sagamore-Romanen kamen noch zwei Einzelromane heraus: The Nightingale (1988) erschien in der Reihe Terri Windling’s Fairy Tales und erzählt Hans Christian Andersens gleichnamiges (manchmal auch “Des Kaisers Nachtigall” genanntes) Kunstmärchen als Fantasyroman nach, wobei Kara Dalkey den Schauplatz der Handlung von China Euryale von Kara Dalkeyins Japan der Heian-Periode verlegt und die titelgebende Nachtigall bei ihr ein Flöte spielendes junges Mädchen am kaiserlichen Hof ist. Euryale (1988) ist die Geschichte der gleichnamigen jungen Frau, die eines Tages im Rom des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts auftaucht und die Antwort auf eine Frage sucht: “What can change stone into living flesh?” Vor langer Zeit wurde sie von der Göttin Athene verflucht und muss seither verhüllt durch die Welt gehen, und in ihrem Haus gibt es nur blinde oder stark kurzsichtige Bedienstete – doch der Mann, den sie liebt, hat Euryale einst angesehen … Genau wie The Nightingale fußt auch Euryale auf bekanntem Material, dessen Transformation in einen Fantasyroman in diesem Fall als sehr gelungen bezeichnet werden kann.
Auch in ihrem nächsten, nach einigen Jahren Pause erschienenen Werk bediente sich Kara Dalkey eines historischen Settings: Der Dreiteiler Blood of the Goddess schildert die Abenteuer des jungen Apothekergehilfen Thomas Chinnery, der am Ende des 16. Jahrhunderts auf dem Weg nach Cathay (aka China) ist, um für seinen Meister fernöstliche Heilmittel zu besorgen. Als er eher zufällig über das Geheimnis des titelgebenden Blood of the Goddess – ein Pulver, mit dem Tote zum Leben erweckt werden können – stolpert, beginnt für ihn eine Odyssee, die ihn zunächst nach Goa (1996) – und in die Kerker der Inquisition –, dann weiter ins damals zum Mogulreich gehörende Bijapur (1997) und schließlich nach Bhagavati (1998) führt, in die geheimnisvolle Stadt, in der die Göttin lebt, deren Blut so mächtig und begehrenswert ist. Natürlich ist er nicht der Einzige, der sich auf diese Jagd begeben hat, und unabhängig davon, dass seine Konkurrenten parallel zu ihm das gleiche Ziel verfolgen, kann er noch nicht einmal seinen Begleitern trauen. Und was ist mit der Göttin selbst, die sich in ihren Palästen seit Jahrhunderten nur blinde Mönche als Liebhaber nimmt? Was in Goa als historischer Abenteuerroman mit leichten phantastischen Obertönen beginnt, wird in Bijapur zu einem bereits deutlich phantastischeren Kaleidoskop aus exotischen Bildern und Eindrücken, um in Bhagavati in einen stellenweise surrealistisch anmutendenBijapur von Kara Dalkey Fiebertraum zu münden, dem sich Thomas Chinnery ebensowenig entziehen kann wie der Anziehungskraft des ebenso exotischen wie gefährlichen Landes oder der schönen Aditi, für die das Gleiche gilt. Als bisher einziges Werk Kara Dalkeys ist diese historische Fantasy-Trilogie auch auf Deutsch erschienen: zuerst unter dem Zyklustitel Das Elixier der Nacht (Einzeltitel: Die Kerker von Goa, Die verborgene Stadt, Das Blut der Göttin (alle 1998)), und einige Jahre später noch einmal als historische Romane “verkleidet” mit leicht geänderten Einzeltiteln (Die Geheimnisse von Goa, Die verborgene Stadt, Die Schleier der Göttin (alle 2003)); geholfen hat es übrigens nichts – die Romane haben bei uns überhaupt nicht funktioniert.
Parallel zu Blood of the Goddess sind mit Little Sister (1996) und The Heavenward Path (1998) die ersten beiden Jugendbücher von Kara Dalkey auf den Markt gekommen, die – wie schon The Nightingale – wieder im Japan der Heian-Periode angesiedelt sind. In ihnen macht sich die dreizehnjährige Mitsuko auf die Suche nach ihrer Schwester Amaiko, die ihrerseits nach der Seele ihres getöteten Mannes sucht und daher ihren Körper zurückgelassen und sich auf eine Seelenreise in die Reiche der Geister und Toten begeben hat. Steel Rose (1997) und Crystal Sage (1999) wiederum sind Urban-Fantasy-Romane, in denen es um Streitigkeiten zwischen Sidhe und Faeries und um verzauberte Gitarren geht – und darum, dass man sich gut überlegen sollte, mit alten keltischen Manuskripten musikalisch zu experimentieren. Genpei (2000) schließlich ist erneut ein im Japan der Heian-Periode (Kara Dalkey mag diese Epoche laut eigener Aussage sehr) spielender historischer Fantasyroman, in dem zwei rivalisierende Clans um Macht und Ansehen und politischen Einfluss streiten und sich dabei der Hilfe von Göttern und Dämonen bedienen.
Wenig später wandte sich Kara Dalkey mit der Water Trilogy erneut dem Jugendbuch zu. In Ascension, Reunion und Transformation (alle 2002) verknüpft sie die Atlantis-Sage mit Elementen des Artus-Mythos und cephalopoiden Aliens, was sich zumindest nach einer originellen Mischung anhört. Seither sind keine Romane mehr von ihr erschienen, sondern nur noch ein paar Erzählungen z.B. in der Firebirds-Anthologiereihe. Da Kara Dalkey schon immer parallel zu ihrer Schriftstellerei Musik gemacht und sich als Songwriterin betätigt hat, bleibt abzuwarten, ob sie noch einmal als Romanautorin zurückkehrt.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Gordon R. Dickson, der heute 90 Jahre alt geworden wäre. Gordon Rupert Dickson wurde am 01. November 1923 in Edmonton, der Hauptstadt der kanadischen Provinz Alberta geboren, zog jedoch nach dem Tod seines Vaters 1937 mit seiner Mutter in die USA und nahm später die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Seine erste professionelle Veröffentlichung war die Kurzgeschichte “Tresspass!” in Fantastic Story Quarterly im Frühjahr 1950, die er zusammen mit Poul Anderson geschrieben hat, mit dem er seit Mitte der 40er Jahre befreundet war – eine Freundschaft, die ein Leben lang halten und zu weiteren Kollaborationen führen sollte. Im Laufe seiner langen, rund 50 Jahre währenden Schriftstellerkarriere hat Dickson sich vor allem als Autor von zumeist soliden, gelegentlich durchaus originellen und im Falles des unvollendet gebliebenen Childe Cycle sogar überaus ambitionierten SF-Romanen und -Erzählungen einen Namen gemacht. Genau wie sein Freund und Autorenkollege Poul Anderson hat er allerdings zwischendurch auch mal Fantasy geschrieben (in den 90ern sogar mehr als SF) und wurde für seinen allerersten Fantasyroman The Dragon and the George (1976) mit dem August Derleth Award – dem Preis der British Fantasy Society – ausgezeichnet.
The Dragon and the George fußt auf der bereits 1957 in der Septemberausgabe des Magazine of Fantasy & Science Fiction erschienenen Erzählung “St. Dragon and the George” und erzählt davon, wie der junge The Dragon and the George von Gordon R. DicksonAmerikaner Jim Eckert auf der Suche nach seiner bei einem fehlgeschlagenen Experiment in Sachen Astral-Projektion verschwundenen Verlobten in eine Fantasyversion des mittelalterlichen England gerät, in der es Ritter, Burgen, Drachen, Wölfe, Magie und Dunkle Mächte zuhauf gibt. Das Pikante dabei ist, dass Jim im Körper des Drachen Gorbash gelandet ist, der wie alle Drachen in dieser Welt intelligent ist und sprechen kann, und von dem er erfährt, dass man sich vor den hierzulande “Georges” genannten Menschen in Acht nehmen sollte, da diese gelernt haben, sich einen Panzer und Stacheln und Hörner wachsen zu lassen – und mit diesen Hörnern haben sie schon etliche, genau betrachtet viel mehr an Wein und Geschichten (und natürlich Schätzen) als an Kämpfen interessierte Drachen aufgespießt. Eigentlich will Jim nichts weiter, als dafür sorgen, dass Angie und er so schnell wie möglich wieder nach Hause kommen, doch bedauerlicherweise haben nicht nur die bereits erwähnten Dunklen Mächte etwas gegen diese Absicht, sondern die Ankunft von Angie und Jim hat das in dieser Welt vorherrschende Gleichgewicht der natürlichen Kräfte Chance und History empfindlich gestört. Und so bleibt Jim nichts anderes übrig, als sich zunächst einmal mit seinem Dasein im Körper eines Drachen anzufreunden und sich Verbündete zu suchen, die ihm dabei helfen können, einen Ausweg aus seiner Situation zu finden …
Auch wenn der 1980 unter dem Titel Die Nacht der Drachen erstmals auf Deutsch erschienene Roman mittlerweile mehr als 35 Jahre auf dem Buckel hat, ist er mit seiner Mischung aus leichthin erzählten, stellenweise wirklich witzigen Geschehnissen und Ideen, denen durchaus ernste Themen und Bedrohungen gegenüberstehen, auch heute noch lesenswert. Was nicht zuletzt an knapp, aber ausreichend charakterisierten Nebenfiguren wie dem hochrangigen Magier Silvanus Carolinus, dem ritterlichen Sir Brian Neville-Smythe, dem weltbesten Bogenschützen Dafydd Ap Hywel, der kaum schlechteren Bogenschützin Danielle o’the Wold oder auch dem (ebenfalls sprechenden, intelligenten) Wolf Aragh – das sind Jims Verbündete – bzw. an weniger angenehmen Zeitgenossen wie dem Drachen Bryagh liegt. Bedauerlich ist, dass Angie kaum über ihre Rolle als Damsel in Distress hinauskommt, doch ungeachtet dieser für Fantasyromane der 70er Jahre nicht gerade untypischen Schwäche darf man The Dragon and the George getrost als kleinen Klassiker des Genres bezeichnen.
Vierzehn Jahre später hat Gordon R. Dickson sich dem Setting erneut zugewandt und die Geschichte mit den Romanen The Dragon Knight (1990), The Dragon on the Border (1992), The Dragon at War (1992), The Dragon, The Dragon Knight von Gordon R. Dicksonthe Earl, and the Troll (1994), The Dragon and the Djinn (1996), The Dragon and the Gnarly King (1997), The Dragon in Lyonesse (1998) und The Dragon and the Fair Maid of Kent (2000) fortgesetzt. Auch wenn sie deutlich später entstanden sind, ist zumindest in den ersten drei oder vier neuen Romanen des Dragon Knight Cycle noch manches von dem zu finden, was The Dragon and the George ausgezeichnet hat. Die recht schematische, sich jeweils stark ähnelnde Handlungsführung sorgt allerdings für allmählich auftretende Ermüdungserscheinungen, über die auch die gelegentlich immer noch auftauchenden guten Ideen oder die sympathischen Haupt- und Nebenfiguren nicht hinwegtäuschen können. Dennoch bleibt der 1997 mit einer Neuauflage von Die Nacht der Drachen auch in Deutschland gestartete und mit den Titeln Der Drachenritter, Der Drache an der Grenze, Der Drache im Krieg, Der Drache, der Graf und der Troll, Der Drache und der Dschinn (alle 1997) und Der Drache und der Wurzelkönig (2000) fortgesetzte Drachenritter-Zyklus (die Originalbände acht und neun wurden nicht übersetzt) ein Werk, das auf seine leichthin erzählte, manchmal wirklich witzige Weise einen willkommenen Kontrast zu den eher schwerfällig dahinstapfenden epischen Fantasyzyklen bietet.
Über sein England der Drachen und der Georges hinaus hat Gordon R. Dickson nur noch zwei weitere Beiträge zur Fantasy verfasst, die beide im Shared-World-Universum der Thieves’ World angesiedelt sind: den Roman Jamie the Red (1982, mit Roland Green) und die Erzählung “Beyond the Dar al-Harb” in der ebenso betitelten Kurzgeschichtensammlung (1985). “St. Dragon and the George” (1957), die Geschichte, aus der schließlich der Dragon Knight Cycle hervorgehen sollte, wurde übrigens mehrfach nachgedruckt, beispielsweise in der Dickson-Collection The Last Dream (1986) oder auch, recht aktuell, in der von Jonathan Strahan und Marianne S. Jablon herausgegebenen Anthologie Wings of Fire (2010).
Die letztgenannte Veröffentlichung hat Gordon R. Dickson allerdings schon längst nicht mehr miterlebt, denn er ist bereits am 31. Januar 2001 an Komplikationen im Zusammenhang mit seiner schweren Asthma-Erkrankung, an der er fast sein ganzes Leben lang gelitten hatte, im Alter von 77 Jahren gestorben.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Otfried Preußler, der heute 90 Jahre alt geworden wäre. Der am 20. Oktober 1923 in Reichenberg, Böhmen (heute: Liberec, Tschechien) geborene und am 18. Februar dieses Jahres verstorbene Otfried Preußler dürfte einer der bekanntesten deutschsprachigen Kinderbuchautoren sein, dessen Werke wie Der kleine Wassermann, Die kleine Hexe, Der Räuber Hotzenplotz oder Das kleine Gespenst – um die vielleicht bekanntesten zu nennen – sich in Deutschland millionenfach verkauft haben und in 55 Sprachen übersetzt wurden.
Krabat von Otfried PreußlerFür die Leserinnen und Leser der Bibliotheka Phantastika viel interessanter als Preußlers Kinderbücher dürfte allerdings Krabat (1971) sein; dieser Roman richtet sich nicht nur an Jugendliche, sondern ist eigentlich – wenn auch deutlich vor dem Fantasyboom erschienen – ein waschechter Fantasyroman. Genau genommen kann man Krabat sogar als wunderbares Beispiel für die Möglichkeiten betrachten, die sich deutschsprachigen Autorinnen und Autoren bieten, wenn sie sich von den Sagen und Legenden ihrer Heimat inspirieren lassen, denn Krabat ist die Bearbeitung einer alten sorbischen Sage. Preußler hat die Geschichte des Waisenjungen Krabat, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Lehrstelle in einer Mühle in der Oberlausitz antritt, deren Müllermeister seine zwölf Müllerburschen in der “Schwarzen Kunst” (sprich: Zauberkunst) unterrichtet, und der nach seiner anfänglicher Begeisterung für die Möglichkeiten, die die Magie einem bietet, rasch in einen Gewissenskonflikt gerät, allerdings voll und ganz zu seiner eigenen gemacht und einen immer noch beeindruckenden Roman über die Verlockungen der Macht verfasst, der u.a. 1972 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet wurde (und den wir hier rezensiert haben).
Krabat wurde nicht nur in mehr als 30 Sprachen übersetzt, sondern auch zweimal verfilmt: bereits 1977 schuf der tschechische Trickfilmpionier Karel Zeman eine zu Recht hochgelobte Trickfilmversion (Originaltitel: Čarodějův učeň), und 2008 kam eine Realverfilmung in die Kinos.
Während Preußlers Kinderbücher den Zeitgeist ihrer Entstehungszeit widerspiegeln, was ihre Lektüre heutzutage gelegentlich problematisch machen kann – man erinnere sich an die noch nicht allzu lange zurückliegende Diskussion über bestimmte inhaltliche Elemente der Kleinen Hexe –, ist Krabat mit seinen Aussagen über Macht und Verantwortung ein zeitloses und keineswegs antiquiertes Werk, das zu lesen sich auch heute noch lohnt.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Lynn Flewelling, die heute 55 Jahre alt wird. Die Geschichten der am 20. Oktober 1958 in Presque Isle, Maine, USA, als Lynn Beaulieu geborenen Autorin sind allesamt in einer Fantasy-Welt angesiedelt, in der das an die europäische Renaissance erinnernde Königreich Skala, auch einer der Hauptschauplätze der beiden Roman-Zyklen Nightrunner (dt. Die Schattengilde) und The Tamír Trilogy (dt. Die Tamír-Trilogie), eine der treibenden Kräfte ist.
Luck in the Shadows von Lynn FlewellingSkala und die umgebenden Länder sind reich an Intrigen und geheimen Gesellschaften, ein perfektes Umfeld für einen adligen Spion wie Seregil, eine der beiden Hauptfiguren der Nightrunner-Reihe. Als er in prekärer Lage den verwaisten Hinterwäldler Alec von Kerry kennenlernt, nimmt er ihn kurzerhand als Lehrling an, wobei es aber im Laufe der Abenteuer, die sie im Dienste der Königin erleben, nicht bleibt. Die ursprünglich aus den Bänden Luck in the Shadows (1996, dt. Das Licht in den Schatten (1998)), Stalking Darkness (1997, dt. Der Gott der Dunkelheit (1999)) und Traitor’s Moon (1999, dt. Unter dem Verrätermond (2001)) bestehende Reihe aus lose verknüpften Abenteuern konzentriert sich stark auf diese Hauptfiguren, den schillernden Meisterspion und seinen scheinbar naiven Lehrling, beide mit ihren jeweiligen Geheimnissen behaftet, die häufig in mühsamer Detektiv-Arbeit Verschwörungen aufklären und sich dann mit rasselnden Säbeln freikämpfen müssen, während im Hintergrund ein im Lauf der Serie stärker werdender Romance-Aspekt mitschwingt. Besonders spürbar wird letzerer in den mit fast zehn Jahren Abstand erschienenen Fortsetzungen Shadows Return (2008), The White Road (2010) und Casket of Souls (2012) – ein weiterer Band namens Shards of Time wird 2014 erscheinen –, in denen Alec und Seregil sich sehr viel persönlicheren Bedrohungen stellen müssen. Die neuen Bände wurden nicht mehr ins Deutsche übersetzt und konnten auch nicht ganz an die Beliebtheit anschließen, der sich die ersten Nightrunner-Abenteuer erfreuen konnten.
In der Pause zwischen den Bänden drei und vier der Reihe blieb Lynn Flewelling Skala treu, widmete sich jedoch mit der Tamír Trilogy einer früheren Epoche ihrer Welt: Die königliche Linie des Landes, die laut einer Prophezeiung unbedingt weiblich sein muss, wurde von einem Thronräuber unterbrochen, was sich prompt mit Krieg, Seuchen und Chaos rächt. Doch einigen widerständigen Zauberern ist es gelungen, ein Mädchen mit königlichem Blut zu verstecken – und durch dunkle Magie wächst sie unwissend als Junge auf, verfolgt vom Geist eines verstorbenen Bruders, dessen Gestalt sie angenommen hat. Im Verlauf der drei Bände The Bone Doll’s Twin (2001, dt. Das Orakel von Skala (2003) bzw. Der verwunschene Zwilling (2008)), Hidden Warrior (2003, dt. Die verborgene Kriegerin (2009)) und The Oracle’s Queen (2006, dt. Die prophezeite Königin (2009)) wird die Maskerade immer schwieriger, während die potentielle Königin das Teenager-Alter erreicht und mit gleichaltrigen Jungen das Kriegshandwerk erlernt.
Nicht nur mit der Geschichte der Königin Tobin/Tamír stellt Lynn Flewelling Genderrollen infrage und lotet in ihrer Welt, in der bi- und homosexuelle Beziehungen gesellschaftlich akzeptiert sind, die Bandbreite sexueller Orientierungen und Identitäten aus, was neben ihrem sehr dicht an den Figuren ausgerichteten Erzählstil dafür sorgt, dass eine treue Fangemeinde weiteren Abenteuern aus Skala und Umgebung entgegenfiebert und es Lynn Flewelling ermöglicht, ihre Welt immer weiter auszubauen.

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The Eye of the World von Robert JordanBibliotheka Phantastika erinnert an Robert Jordan, der heute 65 Jahre alt geworden wäre. Wobei Robert Jordan nur eines von mehreren Pseudonymen war, die der am 17. Oktober 1948 in Charleston, South Craolina, geborene James Oliver Rigney jr. im Laufe seiner Karriere benutzte; denn bevor er als Autor neuer Conan-Pastiches zum ersten Mal als Robert Jordan in der Fantasyszene von sich reden machte, hatte er bereits einen Western (als Jackson O’Reilly) und die ersten drei einer auf deutlich mehr Bände angelegten, zur Zeit der amerikanischen Revolution spielenden Sequenz historischer Liebesromane (als Reagan O’Neal) veröffentlicht, und es war keineswegs abzusehen, dass er wenige Jahre später mit dem Megazyklus The Wheel of Time die Fantasylandschaft nachhaltig verändern und zu einem der erfolgreichsten Fantasyautoren aller Zeiten werden würde.
Jordans in kurzen Abständen erschienene sechs Conan-Pastiches – Conan the Invincible, Conan the Defender (beide 1982), Conan the Unconquered, Conan the Triumphant (beide 1983), Conan the Magnificent und Conan the Victorious (beide 1984) – sollten das zum damaligen Zeitpunkt etwas lahmende Conan-Franchise (das gerade zu Tor Books gewechselt war) neu befeuern und den cimmerischen Barbaren rechtzeitig zum zweiten Conan-Film – dessen Novelisation unter dem Titel Conan the Destroyer (1984; dt. Conan der Zerstörer (1984)) Jordan ebenfalls geschrieben hat – auf dem Buchmarkt wieder präsenter machen. In den sechs Pastiches, die als Conan der Unbesiegbare (1985), Conan der Verteidiger (1986), Conan der Unüberwindliche, Conan der Siegreiche (beide 1985), Conan der Prächtige (1986) und Conan der Glorreiche (1987) alle auch auf Deutsch veröffentlicht wurden, erwies sich Jordan als kompetenter Autor actionbetonter Sword & Sorcery bzw. Heroic Fantasy, auch wenn sein Conan kaum mehr als den Namen mit dem von Robert E. Howard erfundenen Helden gemeinsam hat (ein Problem, das sich allerdings durch praktisch alle Pastiches zieht).
Danach wurde es um den Autor Robert Jordan zunächst einmal still; aber wie später bekannt wurde, arbeitete er bereits seit 1984 an einem ursprünglich auf sechs Bände angelegten epischen Fantasyzyklus namens The Wheel of Time, dessen erster Band im Januar 1990 unter dem Titel The Eye of the World erschien. Was da als erster von geplanten sechs Bänden noch mit unübersehbaren Tolkien-Anleihen auf den Markt kam, entwickelte bereits im zweiten Band The Great Hunt (ebenfalls 1990) deutlich eigenständigere Züge, denn Jordan ergänzte die seit Tolkien und seinen Epigonen bekannten und gern genutzten Elemente wie den einst besiegten, auf seine Wiederkehr hin arbeitenden Dunklen Lord und seine Handlanger oder die anfangs kleine Gruppe unterschiedlicher Gefährten, die ebensoviel mit sich wie mit den ihnen drohenden Gefahren zu tun haben, um Motive und Konzepte aus den verschiedensten irdischen Religionen, Mythen und Legenden. Das Ergebnis war und ist ein monumentales Epos, dessen zugrundeliegender Plot vergleichsweise schlicht ist, das aber durch die Vielzahl der in ihm verarbeiteten Einflüsse, das Motiv des durch das Rad der Zeit symbolisierten zyklischen Geschichtsverlaufs, die mit der Haupthandlung verwobenen Subplots und ein schier unüberschaubares Figurenarsenal eine enorme Breite und Dichte und – in seinen besseren Momenten – eine nicht zu leugnende emotionale Intensität aufweist. Das hat nicht zuletzt mit dem jugendlichen Alter einer ganzen Reihe wichtiger Figuren zu tun, die sich teils eifrig, teils widerwillig in ihre Rolle hineinarbeiten müssen The Fires of Heaven von Robert Jordanund dabei immer mal wieder in die Irre gehen und falsche Entscheidungen treffen. Das enorme Figurenarsenal und die vielen, teilweise parallel laufenden Handlungsstränge haben allerdings auch dazu geführt, dass aus den ursprünglich geplanten sechs schließlich vierzehn Bände wurden – und dass nach The Dragon Reborn (1991), The Shadow Rising (1992), The Fires of Heaven (1993) und dem mit einem der Höhepunkte des ganzen Zyklus endenden Lord of Chaos (1994) der Schwung spürbar dahin war und die nächsten Bände A Crown of Swords (1996), The Path of Daggers (1998), Winter’s Heart (2000) und Crossroads of Twilight (2003) von vielen Lesern und Leserinnen als nicht immer leicht zu überwindende Durststrecke betrachtet werden. Noch bevor Jordan mit Knife of Dreams (2005) zumindest teilweise an die Stärken der Anfangsbände anknüpfte, erschien mit New Spring: The Novel (2004) ein aus einer Erzählung hervorgegangenes, zwanzig Jahre vor den Ereignissen in The Eye of the World spielendes Prequel, in dem die Vorgeschichte zweier wichtiger Figuren des Hauptzyklus erzählt wird.
Es wirkt wie eine Ironie des Schicksals, dass Robert Jordan kurz nach der Veröffentlichung von Knife of Dreams – und damit zu einem Zeitpunkt, als alles darauf hindeutete, als hätte er den erzählerischen Schwung, der ihn durch die frühen Bände getragen hatte, wiedergefunden – mit einer niederschmetternden Diagnose konfrontiert wurde: im März 2006 gab er bekannt, dass er an Amyloidose leide, einer seltenen Blutkrankheit, bei der selbst mit medizinischer Unterstützung nur noch eine Lebenserwartung von vier Jahren bestehe. Jordan gab sich zwar kämpferisch, doch letztlich waren ihm nicht einmal mehr diese vier Jahre vergönnt, denn am 16. September 2007 ist er der tödlichen Krankheit erlegen. In seinem letzten Lebensjahr hat er, wann immer es ihm möglich war, an A Memory of Light, dem Abschlussband des gesamten Zyklus gearbeitet und alle relevanten Plotpunkte und Figurenentwicklungen mit seiner Frau und Lektorin Harriet McDougal besprochen bzw. schriftlich niedergelegt. Aus diesen Fragmenten und Notizen hat der von ihr persönlich ausgewählte Brandon Sanderson (der mit seinen eigenen Werken schon ein bisschen mehr als nur ein gerade aufstrebender Stern am Fantasyhimmel war) schließlich die drei Romane The Gathering Storm (2009), Towers of Midnight (2010) und A Memory of Light (2013) gemacht und den derzeit umfangreichsten epischen Fantasyzyklus damit beendet.
The Wheel of Time ist ein Zyklus, der geradezu exemplarisch die Stärken und Schwächen mehrbändiger epischer Fantasyzyklen aufzeigt. Einerseits bietet er durch seinen Umfang, das durchaus überzeugend gestaltete Setting, die vielen unterschiedlichen Figuren und die mal mehr, mal weniger starke Abwandlung und Modifikation vertrauter Plotelemente vor allem Lesern und Leserinnen, die sich in eine Fantasywelt hineinfallen lassen wollen, hierzu viele Möglichkeiten. Andererseits werden erfahrene Fantasyafficionados vor allem in den Bänden sieben bis zehn gelegentlich das Gefühl haben, die Geschichte seA Memory of Light von Robert Jordan und Brandon Sandersoni dem Autor aus dem Ruder gelaufen und komme nur noch im Schneckentempo von der Stelle. Interessanterweise hat Letzteres auf den kommerziellen Erfolg des Zyklus nicht den geringsten Einfluss gehabt. Die Bände acht bis vierzehn erreichten alle Platz eins auf der Bestsellerliste der New York Times, und man geht davon aus, dass bis heute weltweit mehr als 80 Millionen Romane verkauft wurden, was The Wheel of Time zum mit Abstand erfolgreichsten modernen epischen Fantasyzyklus macht. Darüber hinaus hat Robert Jordan mit seinen Romanen einer ganzen Reihe von Nachziehern den Boden bereitet, auch wenn keiner der Zyklen, die alljährlich als Big Commercial Fantasy auf dem Markt lanciert wurden, bisher ähnlich erfolgreich war (wobei sich das allerdings in den nächsten Jahren eventuell ändern könnte).
In Deutschland wurde der Zyklus ab 1993 unter dem Titel Das Rad der Zeit veröffentlicht. Da die umfangreichen Originalbände in zwei, drei oder gar vier Teilbände gesplittet wurden, erscheint eine Titelauflistung dieser Ausgabe an dieser Stelle wenig sinnvoll. Seit Anfang dieses Jahrtausends erscheint außerdem eine – sinnigerweise mit “Das Original” untertitelte – Ausgabe, die den amerikanischen Originalbänden entspricht; die ersten sieben Bände Die Suche nach dem Auge der Welt, Die Jagd beginnt (beide 2004), Die Rückkehr des Drachen (2005), Der Schatten erhebt sich (2008), Die Feuer des Himmels (2010), Herr des Chaos (2011) und Die Krone der Schwerter (2013) liegen dabei als voluminöse Paperbacks vor, die Bände acht bis vierzehn (Der Weg der Klingen, In den Klauen des Winters, Zwielichtige Pfade, Traumklinge, Sturm der Finsternis, Mitternachtstürme und Das Vermächnis des Lichts (alle 2013) nur als eBook.

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