Zum 60. Geburtstag von Kara Dalkey

Bibliotheka Phantastika gratuliert Kara Dalkey, die heute 60 Jahre alt wird. Die am 04. November 1953 in Los Angeles geborene Kara Mia Dalkey begann zu schreiben, nachdem sie Ende der 70er Jahre nach Minneapolis gezogen war und dort The Scribblies kennenlernte, eine Gruppe von Fantasy-Autorinnen und -Autoren, zu der u.a. Emma Bull, Steven Brust und Will Shetterly gehörten. Interessanterweise erfolgte ihre erste professionelle Veröffentlichung ebenfalls im Umfeld der Scribblies, denn die Kurzgeschichte “The Hands of the Artist” war in Liavek (1985) enthalten, dem ersten Band einer von Emma Bull und Will Shetterly herausgegebenen gleichnamigen Shared-World-Anthologiereihe (der sie auch weiterhin treu blieb).
1986 erschien mit The Curse of Sagamore Kara Dalkeys erster Roman, eine Parodie auf die damals im Genre recht beliebten dynastischen High-Fantasy-Romane: vor vier Generationen hat König Thalion von Euthymia – called the Wise, but known as the Fool – seine Krone seinem Hofnarren Sagamore übergeben, der daraufhin als Sagamore the Shrewd seine eigene Dynastie gegründet hat; auf König Vespin the Sneaky und König Valgus the Brutal sollte jetzt eigentlich Prinz Abderian folgen. Das Dumme ist nur, dass Abderian gar nicht König werden will … Drei Jahre später folgte mit The Sword of Sagamore eine Fortsetzung, die ein bisschen ernstere Töne anschlägt, ohne die humoristische Ebene wirklich zu verlassen. Zwischen den beiden Sagamore-Romanen kamen noch zwei Einzelromane heraus: The Nightingale (1988) erschien in der Reihe Terri Windling’s Fairy Tales und erzählt Hans Christian Andersens gleichnamiges (manchmal auch “Des Kaisers Nachtigall” genanntes) Kunstmärchen als Fantasyroman nach, wobei Kara Dalkey den Schauplatz der Handlung von China Euryale von Kara Dalkeyins Japan der Heian-Periode verlegt und die titelgebende Nachtigall bei ihr ein Flöte spielendes junges Mädchen am kaiserlichen Hof ist. Euryale (1988) ist die Geschichte der gleichnamigen jungen Frau, die eines Tages im Rom des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts auftaucht und die Antwort auf eine Frage sucht: “What can change stone into living flesh?” Vor langer Zeit wurde sie von der Göttin Athene verflucht und muss seither verhüllt durch die Welt gehen, und in ihrem Haus gibt es nur blinde oder stark kurzsichtige Bedienstete – doch der Mann, den sie liebt, hat Euryale einst angesehen … Genau wie The Nightingale fußt auch Euryale auf bekanntem Material, dessen Transformation in einen Fantasyroman in diesem Fall als sehr gelungen bezeichnet werden kann.
Auch in ihrem nächsten, nach einigen Jahren Pause erschienenen Werk bediente sich Kara Dalkey eines historischen Settings: Der Dreiteiler Blood of the Goddess schildert die Abenteuer des jungen Apothekergehilfen Thomas Chinnery, der am Ende des 16. Jahrhunderts auf dem Weg nach Cathay (aka China) ist, um für seinen Meister fernöstliche Heilmittel zu besorgen. Als er eher zufällig über das Geheimnis des titelgebenden Blood of the Goddess – ein Pulver, mit dem Tote zum Leben erweckt werden können – stolpert, beginnt für ihn eine Odyssee, die ihn zunächst nach Goa (1996) – und in die Kerker der Inquisition –, dann weiter ins damals zum Mogulreich gehörende Bijapur (1997) und schließlich nach Bhagavati (1998) führt, in die geheimnisvolle Stadt, in der die Göttin lebt, deren Blut so mächtig und begehrenswert ist. Natürlich ist er nicht der Einzige, der sich auf diese Jagd begeben hat, und unabhängig davon, dass seine Konkurrenten parallel zu ihm das gleiche Ziel verfolgen, kann er noch nicht einmal seinen Begleitern trauen. Und was ist mit der Göttin selbst, die sich in ihren Palästen seit Jahrhunderten nur blinde Mönche als Liebhaber nimmt? Was in Goa als historischer Abenteuerroman mit leichten phantastischen Obertönen beginnt, wird in Bijapur zu einem bereits deutlich phantastischeren Kaleidoskop aus exotischen Bildern und Eindrücken, um in Bhagavati in einen stellenweise surrealistisch anmutendenBijapur von Kara Dalkey Fiebertraum zu münden, dem sich Thomas Chinnery ebensowenig entziehen kann wie der Anziehungskraft des ebenso exotischen wie gefährlichen Landes oder der schönen Aditi, für die das Gleiche gilt. Als bisher einziges Werk Kara Dalkeys ist diese historische Fantasy-Trilogie auch auf Deutsch erschienen: zuerst unter dem Zyklustitel Das Elixier der Nacht (Einzeltitel: Die Kerker von Goa, Die verborgene Stadt, Das Blut der Göttin (alle 1998)), und einige Jahre später noch einmal als historische Romane “verkleidet” mit leicht geänderten Einzeltiteln (Die Geheimnisse von Goa, Die verborgene Stadt, Die Schleier der Göttin (alle 2003)); geholfen hat es übrigens nichts – die Romane haben bei uns überhaupt nicht funktioniert.
Parallel zu Blood of the Goddess sind mit Little Sister (1996) und The Heavenward Path (1998) die ersten beiden Jugendbücher von Kara Dalkey auf den Markt gekommen, die – wie schon The Nightingale – wieder im Japan der Heian-Periode angesiedelt sind. In ihnen macht sich die dreizehnjährige Mitsuko auf die Suche nach ihrer Schwester Amaiko, die ihrerseits nach der Seele ihres getöteten Mannes sucht und daher ihren Körper zurückgelassen und sich auf eine Seelenreise in die Reiche der Geister und Toten begeben hat. Steel Rose (1997) und Crystal Sage (1999) wiederum sind Urban-Fantasy-Romane, in denen es um Streitigkeiten zwischen Sidhe und Faeries und um verzauberte Gitarren geht – und darum, dass man sich gut überlegen sollte, mit alten keltischen Manuskripten musikalisch zu experimentieren. Genpei (2000) schließlich ist erneut ein im Japan der Heian-Periode (Kara Dalkey mag diese Epoche laut eigener Aussage sehr) spielender historischer Fantasyroman, in dem zwei rivalisierende Clans um Macht und Ansehen und politischen Einfluss streiten und sich dabei der Hilfe von Göttern und Dämonen bedienen.
Wenig später wandte sich Kara Dalkey mit der Water Trilogy erneut dem Jugendbuch zu. In Ascension, Reunion und Transformation (alle 2002) verknüpft sie die Atlantis-Sage mit Elementen des Artus-Mythos und cephalopoiden Aliens, was sich zumindest nach einer originellen Mischung anhört. Seither sind keine Romane mehr von ihr erschienen, sondern nur noch ein paar Erzählungen z.B. in der Firebirds-Anthologiereihe. Da Kara Dalkey schon immer parallel zu ihrer Schriftstellerei Musik gemacht und sich als Songwriterin betätigt hat, bleibt abzuwarten, ob sie noch einmal als Romanautorin zurückkehrt.

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