Zum 65. Geburtstag von Robert Jordan

The Eye of the World von Robert JordanBibliotheka Phantastika erinnert an Robert Jordan, der heute 65 Jahre alt geworden wäre. Wobei Robert Jordan nur eines von mehreren Pseudonymen war, die der am 17. Oktober 1948 in Charleston, South Craolina, geborene James Oliver Rigney jr. im Laufe seiner Karriere benutzte; denn bevor er als Autor neuer Conan-Pastiches zum ersten Mal als Robert Jordan in der Fantasyszene von sich reden machte, hatte er bereits einen Western (als Jackson O’Reilly) und die ersten drei einer auf deutlich mehr Bände angelegten, zur Zeit der amerikanischen Revolution spielenden Sequenz historischer Liebesromane (als Reagan O’Neal) veröffentlicht, und es war keineswegs abzusehen, dass er wenige Jahre später mit dem Megazyklus The Wheel of Time die Fantasylandschaft nachhaltig verändern und zu einem der erfolgreichsten Fantasyautoren aller Zeiten werden würde.
Jordans in kurzen Abständen erschienene sechs Conan-Pastiches – Conan the Invincible, Conan the Defender (beide 1982), Conan the Unconquered, Conan the Triumphant (beide 1983), Conan the Magnificent und Conan the Victorious (beide 1984) – sollten das zum damaligen Zeitpunkt etwas lahmende Conan-Franchise (das gerade zu Tor Books gewechselt war) neu befeuern und den cimmerischen Barbaren rechtzeitig zum zweiten Conan-Film – dessen Novelisation unter dem Titel Conan the Destroyer (1984; dt. Conan der Zerstörer (1984)) Jordan ebenfalls geschrieben hat – auf dem Buchmarkt wieder präsenter machen. In den sechs Pastiches, die als Conan der Unbesiegbare (1985), Conan der Verteidiger (1986), Conan der Unüberwindliche, Conan der Siegreiche (beide 1985), Conan der Prächtige (1986) und Conan der Glorreiche (1987) alle auch auf Deutsch veröffentlicht wurden, erwies sich Jordan als kompetenter Autor actionbetonter Sword & Sorcery bzw. Heroic Fantasy, auch wenn sein Conan kaum mehr als den Namen mit dem von Robert E. Howard erfundenen Helden gemeinsam hat (ein Problem, das sich allerdings durch praktisch alle Pastiches zieht).
Danach wurde es um den Autor Robert Jordan zunächst einmal still; aber wie später bekannt wurde, arbeitete er bereits seit 1984 an einem ursprünglich auf sechs Bände angelegten epischen Fantasyzyklus namens The Wheel of Time, dessen erster Band im Januar 1990 unter dem Titel The Eye of the World erschien. Was da als erster von geplanten sechs Bänden noch mit unübersehbaren Tolkien-Anleihen auf den Markt kam, entwickelte bereits im zweiten Band The Great Hunt (ebenfalls 1990) deutlich eigenständigere Züge, denn Jordan ergänzte die seit Tolkien und seinen Epigonen bekannten und gern genutzten Elemente wie den einst besiegten, auf seine Wiederkehr hin arbeitenden Dunklen Lord und seine Handlanger oder die anfangs kleine Gruppe unterschiedlicher Gefährten, die ebensoviel mit sich wie mit den ihnen drohenden Gefahren zu tun haben, um Motive und Konzepte aus den verschiedensten irdischen Religionen, Mythen und Legenden. Das Ergebnis war und ist ein monumentales Epos, dessen zugrundeliegender Plot vergleichsweise schlicht ist, das aber durch die Vielzahl der in ihm verarbeiteten Einflüsse, das Motiv des durch das Rad der Zeit symbolisierten zyklischen Geschichtsverlaufs, die mit der Haupthandlung verwobenen Subplots und ein schier unüberschaubares Figurenarsenal eine enorme Breite und Dichte und – in seinen besseren Momenten – eine nicht zu leugnende emotionale Intensität aufweist. Das hat nicht zuletzt mit dem jugendlichen Alter einer ganzen Reihe wichtiger Figuren zu tun, die sich teils eifrig, teils widerwillig in ihre Rolle hineinarbeiten müssen The Fires of Heaven von Robert Jordanund dabei immer mal wieder in die Irre gehen und falsche Entscheidungen treffen. Das enorme Figurenarsenal und die vielen, teilweise parallel laufenden Handlungsstränge haben allerdings auch dazu geführt, dass aus den ursprünglich geplanten sechs schließlich vierzehn Bände wurden – und dass nach The Dragon Reborn (1991), The Shadow Rising (1992), The Fires of Heaven (1993) und dem mit einem der Höhepunkte des ganzen Zyklus endenden Lord of Chaos (1994) der Schwung spürbar dahin war und die nächsten Bände A Crown of Swords (1996), The Path of Daggers (1998), Winter’s Heart (2000) und Crossroads of Twilight (2003) von vielen Lesern und Leserinnen als nicht immer leicht zu überwindende Durststrecke betrachtet werden. Noch bevor Jordan mit Knife of Dreams (2005) zumindest teilweise an die Stärken der Anfangsbände anknüpfte, erschien mit New Spring: The Novel (2004) ein aus einer Erzählung hervorgegangenes, zwanzig Jahre vor den Ereignissen in The Eye of the World spielendes Prequel, in dem die Vorgeschichte zweier wichtiger Figuren des Hauptzyklus erzählt wird.
Es wirkt wie eine Ironie des Schicksals, dass Robert Jordan kurz nach der Veröffentlichung von Knife of Dreams – und damit zu einem Zeitpunkt, als alles darauf hindeutete, als hätte er den erzählerischen Schwung, der ihn durch die frühen Bände getragen hatte, wiedergefunden – mit einer niederschmetternden Diagnose konfrontiert wurde: im März 2006 gab er bekannt, dass er an Amyloidose leide, einer seltenen Blutkrankheit, bei der selbst mit medizinischer Unterstützung nur noch eine Lebenserwartung von vier Jahren bestehe. Jordan gab sich zwar kämpferisch, doch letztlich waren ihm nicht einmal mehr diese vier Jahre vergönnt, denn am 16. September 2007 ist er der tödlichen Krankheit erlegen. In seinem letzten Lebensjahr hat er, wann immer es ihm möglich war, an A Memory of Light, dem Abschlussband des gesamten Zyklus gearbeitet und alle relevanten Plotpunkte und Figurenentwicklungen mit seiner Frau und Lektorin Harriet McDougal besprochen bzw. schriftlich niedergelegt. Aus diesen Fragmenten und Notizen hat der von ihr persönlich ausgewählte Brandon Sanderson (der mit seinen eigenen Werken schon ein bisschen mehr als nur ein gerade aufstrebender Stern am Fantasyhimmel war) schließlich die drei Romane The Gathering Storm (2009), Towers of Midnight (2010) und A Memory of Light (2013) gemacht und den derzeit umfangreichsten epischen Fantasyzyklus damit beendet.
The Wheel of Time ist ein Zyklus, der geradezu exemplarisch die Stärken und Schwächen mehrbändiger epischer Fantasyzyklen aufzeigt. Einerseits bietet er durch seinen Umfang, das durchaus überzeugend gestaltete Setting, die vielen unterschiedlichen Figuren und die mal mehr, mal weniger starke Abwandlung und Modifikation vertrauter Plotelemente vor allem Lesern und Leserinnen, die sich in eine Fantasywelt hineinfallen lassen wollen, hierzu viele Möglichkeiten. Andererseits werden erfahrene Fantasyafficionados vor allem in den Bänden sieben bis zehn gelegentlich das Gefühl haben, die Geschichte seA Memory of Light von Robert Jordan und Brandon Sandersoni dem Autor aus dem Ruder gelaufen und komme nur noch im Schneckentempo von der Stelle. Interessanterweise hat Letzteres auf den kommerziellen Erfolg des Zyklus nicht den geringsten Einfluss gehabt. Die Bände acht bis vierzehn erreichten alle Platz eins auf der Bestsellerliste der New York Times, und man geht davon aus, dass bis heute weltweit mehr als 80 Millionen Romane verkauft wurden, was The Wheel of Time zum mit Abstand erfolgreichsten modernen epischen Fantasyzyklus macht. Darüber hinaus hat Robert Jordan mit seinen Romanen einer ganzen Reihe von Nachziehern den Boden bereitet, auch wenn keiner der Zyklen, die alljährlich als Big Commercial Fantasy auf dem Markt lanciert wurden, bisher ähnlich erfolgreich war (wobei sich das allerdings in den nächsten Jahren eventuell ändern könnte).
In Deutschland wurde der Zyklus ab 1993 unter dem Titel Das Rad der Zeit veröffentlicht. Da die umfangreichen Originalbände in zwei, drei oder gar vier Teilbände gesplittet wurden, erscheint eine Titelauflistung dieser Ausgabe an dieser Stelle wenig sinnvoll. Seit Anfang dieses Jahrtausends erscheint außerdem eine – sinnigerweise mit “Das Original” untertitelte – Ausgabe, die den amerikanischen Originalbänden entspricht; die ersten sieben Bände Die Suche nach dem Auge der Welt, Die Jagd beginnt (beide 2004), Die Rückkehr des Drachen (2005), Der Schatten erhebt sich (2008), Die Feuer des Himmels (2010), Herr des Chaos (2011) und Die Krone der Schwerter (2013) liegen dabei als voluminöse Paperbacks vor, die Bände acht bis vierzehn (Der Weg der Klingen, In den Klauen des Winters, Zwielichtige Pfade, Traumklinge, Sturm der Finsternis, Mitternachtstürme und Das Vermächnis des Lichts (alle 2013) nur als eBook.

3 Kommentare zu Zum 65. Geburtstag von Robert Jordan

  1. Elric sagt:

    Das ist eine super Zusammenfassung, lieber Gerd!
    Und ja, ich gebe zu, dass es stellenweise langatmig war. Aber trotzdem eine tolle Leseerfahrung!

  2. gero sagt:

    Danke, Elric.

    Diese Texte sind bei Autoren wie Robert Jordan, bei dem es mMn ebenso Licht wie Schatten gibt, immer eine Gratwanderung. Von daher freut es mich, wenn dir der Text gefällt.

    Ich persönlich werde Robert Jordan immer für seinen lesenden Ogier dankbar sein – das war wirklich eine nette, originelle Idee. 😉

  3. Elric sagt:

    Jap, mit seinen artistischen Augenbrauen! 😀
    Man kann Jordan vieles vorwerfen, aber fehlende Ideen sicher nicht! Besonders seine Begeisterung bei allen möglichen Dingen dabei sein zu wollen und seine “kindliche” Begeisterung. 😉
    Ja, ich weiß was du meinst! 🙂

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