Zum 90. Geburtstag von Hilbert Schenck

Bibliotheka Phantastika erinnert an Hilbert Schenck, der heute 90 Jahre alt geworden wäre. Der am 12. Februar 1926 in Boston, Massachusetts, geborene Hilbert van Nydeck Schenck Jr. zählt zu den Autoren, über die kaum etwas bekannt ist – außer, dass er Ingenieur war und an der Universität von Rhode Island gelehrt hat. Allem Anschein hatte er ein großes Interesse an Ozeanografie bzw. hat in diesem Bereich möglicherweise auch gearbeitet und in den 50er und 60er Jahren wohl mehrere Sachbücher zu entsprechenden Themen verfasst. Darüberhinaus hat er vier Romane und ein gutes Dutzend längere und kürzere Geschichten geschrieben, in denen seine Liebe zum Meer fast immer deutlich spürbar wird.
Hilbert Schencks erste Story “Tomorrow’s Weather” erschien bereits 1953 in der Aprilausgabe des Magazine of Fantasy and Science Fiction, doch danach sollte es 24 Jahre dauern, bis mit “Three Days at the End of the World” seine nächste Story – ebenfalls im Magazine of F&SF – veröffentlicht wurde, auf die rasch ein knappes halbes Dutzend weitere folgten, die alle in dem Sammelband Wave Rider (1980) zu finden sind. In diesen Geschichten spielt ebenso wie in den meisten späteren Stories und seinen ab Anfang der 80er Jahre erschienenen Romanen das Meer eine wichtige Rolle – doch die wichtigste und vor allem eine ganz besondere Rolle spielt es in seinem Erstling At the Eye of the Ocean (1981), der auch der Grund ist, warum Hilbert Schenck heute hier überhaupt erwähnt wird.
At the Eye of the Ocean erzählt die Lebensgeschichte von Abel Roon, der im Winter 1828 auf Nashawena – einer Insel, die zu den Elizabeth Islands gehört, einer kleinen Inselkette vor der Südküste von Cape Cod – geboren wird und unter den rauen Bedingungen, die mit dem Leben in dieser Umgebung einhergehen, aufwächst. Schon als Kind merkt Abel, dass er über eine ungewöhnliche Fähigkeit verfügt, denn er kann “hören”, wie das Meer – die Gezeiten und die unterseeischen Strömungen, das Leben in ihm und das Wetter über ihm – zu ihm “spricht”. Als er mit knapp dreizehn zur Waise wird, kommt er in die Obhut des überzeugten Abolitionisten Judge Folger und ist schon bald damit beschäftigt, entflohenen Sklaven zu helfen, indem er als Lotse die Schiffe mit ihnen an Bord sicher nach Kanada bringt (wobei ihm seine besonderen Fähigkeiten natürlich gute Dienste leisten). Und er lernt im Haus des Richters dessen Enkelin Hope Mayhew und damit die Liebe seines Lebens kennen. Doch seine besondere Begabung treibt ihn – u.a. als Kapitän eines Walfängers – immer wieder hinaus aufs Meer, denn er sucht das titelgebende “eye of the ocean”, den mystischen Mittelpunkt des Meeres …
At the Eye of the OceanAt the Eye of the Ocean ist ein auch strukturell sehr eigenwilliger Roman, der sich nicht so ohne Weiteres in eine der üblichen Genreschubladen stecken lässt, der aber – wenn man sich auf seinen über weite Strecken einer sanften Dünung nicht ganz unähnlichen Rhythmus einlässt – mit einem in dieser Form im Genre nur selten zu findenden Leseerlebnis aufwartet. Egal, ob es um die harten Lebensbedingungen vor der Küste von Cape Cod geht, um die eigentlich nur im Vorbeigehen gestreifte, aber dennoch eindringlich geschilderte Sklavenproblematik, um die einfühlsam und überzeugend charakterisierten Hauptfiguren Abel und Hope und die Liebe zwischen ihnen, oder um das Meer in all seiner Schönheit und nie geleugneten Gefährlichkeit – At the Eye of the Ocean ist ein großartiger, das Leben und die Liebe bejahender Roman, der auch nach dem Lesen noch lange nachwirkt. Und den man sogar auf Deutsch lesen kann, denn er ist tatsächlich unter dem Titel Im Auge des Ozeans (1987) auch hierzulande erschienen*.
Hilbert Schencks übrige, mehr der SF zuneigende Romane sind ebenfalls lesenswert, allen voran A Rose for Armageddon (1982), der thematisch seinem Erstling am nächsten steht. Das Gleiche gilt für die meisten seiner Stories, von denen immerhin drei übersetzt wurden.
Nachdem Hilbert Schenck während der 80er Jahre relativ aktiv war – neben den o.g. hat er noch die Romane Steam Bird (1984 als zweiteilige Serie in der April- und Maiausgabe des Magazine of F&SF; Buchausgabe 1988) und Chronosequence (1988) sowie ein paar weitere Geschichten veröffentlicht –, hat er sich 1993 mit der Story “A Present for Santa” von der Schriftstellerei verabschiedet, und am 02. Dezember 2013 ist er im Alter von 87 Jahren gestorben.

* – und zwar in der kurzlebigen Reihe Magische Literatur (Goldmann), allerdings mit dem klitzekleinen Schönheitsfehler, dass man es geschafft hat, Schencks Nachnamen auf dem Cover und dem Buchrücken falsch – nämlich Schenk – zu schreiben; lustigerweise ist er in dem Text “Über den Autor” richtig geschrieben …

2 Kommentare zu Zum 90. Geburtstag von Hilbert Schenck

  1. Pogopuschel sagt:

    BPB – Bibliotheka Phantastika bildet. Wieder ein Autor, der mir bisher unbekannt war. 🙂

  2. Timpimpiri sagt:

    Und der ein Buch geschrieben hat, das mich sofort total reizt. Lebensbejahend und Meer als Mittelpunkt, das klingt nach einer Lektüre, mit der ich mich am liebsten gleich zurückziehen würde. Am liebsten irgendwohin ans Meer. 😉

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