Zum 60. Geburtstag von Ellen Kushner

Bibliotheka Phantastika gratuliert – aus technischen Gründen leicht verspätet – Ellen Kushner, die gestern 60 Jahre alt geworden ist. Noch bevor die am 06. Oktober 1955 in Washington, DC, geborene Ellen Kushner als Autorin von sich reden machte, betrat sie die amerikanische Fantasyszene als Herausgeberin der Anthologie Basilisk (1980), deren Geschichten allesamt von Terri Windling illustriert waren, mit der sie ab diesem Zeitpunkt häufiger zusammenarbeiten sollte. So erschien nicht nur Kushners erste Erzählung überhaupt unter dem Titel “The Unicorn Masque” in der von Windling und Mark Alan Arnold herausgegebenen Anthologie Elsewhere (1981), sondern sie steuerte auch etliche Geschichten zu der von Windling entwickelten, aus Anthologien und Romanen bestehenden Young-Adult-Reihe Chronicles of the Borderlands bei. Interessanterweise lassen sich in “The Unicorn Masque” bereits einige Themen und Motive finden, die auch in Ellen Kushners erstem Roman Swordspoint (1987) eine wichtige Rolle spielen.
In Swordspoint befinden wir uns zum ersten Mal – naja, fast, wenn man die Kurzgeschichte “Red-Cloak” (in Whispers # 17-18, August 1982) ignoriert – in jener namenlosen, so etwa im Zeitalter der Renaissance zu verortenden Stadt, die als Schauplatz der Handlung von mittlerweile drei Romanen und einem halben Dutzend Kurzgeschichten dient. Hier – oder genauer, auf der kleinen Insel Riverside (die inmitten des Flusses liegt, der quer durch die Stadt fließt, und der der ganze, als The World of Riverside Swordspoint von Ellen Kushnerbekannte Zyklus seinen Namen verdankt) – wohnen und agieren die beiden Figuren, um deren Schicksal es in diesem Roman in erster Linie geht: Da wäre zum einen Richard St. Vier, der beste Fechter der Welt, der sich von den die Stadt beherrschenden Adligen anheuern lässt, um sie in ihren Ehrenhändeln als anscheinend unbesiegbarer Duellant zu vertreten, und zum anderen Alec, sein Lebensgefährte, ein Gelehrter, der in seinem Äußeren und seinem Verhalten einen ziemlichen Gegensatz zu dem ebenso eleganten wie eloquenten Richard bildet. Die Gefahren und Intrigen, in die die beiden alsbald hineingeraten, sind dabei allesamt sehr “irdisch” – soll heißen: Swordspoint kommt – genau wie die beiden anderen in Riverside angesiedelten Romane und die Kurzgeschichten – ohne echte phantastische Elemente aus, lebt vor allem durch die Figuren und ihren Umgang miteinander und gilt als erste fantasy of manners (analog zur comedy of manners – hierzulande Sittenkomödie genannt).
The Fall of the Kings (2002), der nächste Roman des Zyklus, den Ellen Kushner zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Delia Sherman verfasst hat, spielt etwa eine Generation nach den Ereignissen in Swordspoint (und ist als Die Legende vom letzten König (2009) auch auf Deutsch erschienen); in ihm geht es u.a. um die mythische Vergangenheit der Stadt, die ein Geschichtsprofessor aus dem einfachen Volk und ein adliger Student gemeinsam erforschen – mit Folgen auf der politischen und der persönlichen Ebene. The Privilege of the Sword (2006; dt. Die Dienerin des Schwertes (2008)) ist zeitlich wieder näher am ersten Roman angesiedelt und hat mit Katherine eine interessante junge Heldin, denn das anfangs naive Mädchen vom Lande, das sich mit den Konventionen und Verhaltensweisen der adligen Gesellschaft schwertut, ist bald in einer … nun ja, vielleicht nicht ganz typischen Hosenrolle zu erleben, als ihr Onkel, der Mad Duke Tremontaine, sie zur Fechterin und Leibwächterin ausbilden lässt …
Ein bisschen konventioneller – im Hinlick auf Genrekonventionen – und phantastischer geht es in Thomas the Rhymer (1990; dt. Thomas der Barde (1993)) zu, einem Roman um die gleichnamige Balladengestalt und den Helden vieler keltisch inspirierter Feen- und Elfensagen, den Ellen Kushner zwischen dem ersten und zweiten Band der World of Riverside verfasst hat. Der mit dem World Fantasy Award und dem Mythopoeic Award ausgezeichnete Roman erzählt die Geschichte des Barden Thomas, der aufgrund seiner meisterlichen Fähigkeiten ins Reich der Elfen gerät – und als er zurückkommt, ein Geschenk mitbringt, das ihm das Leben in der Welt der Menschen nicht unbedingt leicht machen wird.
Neben ihrer Tätigkeit als Autorin hat Ellen Kushner außerdem etwa fünfzehn Jahre lang als Radiomoderatorin gearbeitet und ist auch die Stimme der originalen Hörbuchversionen ihrer Riverside-Romane.

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