Zum 75. Geburtstag von Vicente Segrelles

Bibliotheka Phantastika gratuliert Vicente Segrelles, der heute 75 Jahre alt wird. Als 1982 mit El Pueblo del Fuego Sagrado das erste Album der Comicserie El Mercenario in Spanien auf den Markt kam – das noch im gleichen El Mercenario 1 von Vincente SegrellesJahr als Der Söldner auch in Deutschland erschien –, hatte sich der am 09. September 1940 in Barcelona geborene Vicente Segrelles längst weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus einen Namen als Illustrator und Coverzeichner gemacht. Und grafisch war schon dieses erste Album mit seinen wie Gemälde komplett in Öl gemalten Panels ein echter Hingucker (vor allem im Vergleich zu dem, was es ansonsten zu diesem Zeitpunkt im Comicbereich gab); erzählerisch hingegen gab es noch jede Menge Luft nach oben – und das sollte auch in den folgenden Alben so bleiben. Wobei Segrelles selbst sagt, dass er gar kein Interesse daran hatte, komplexe Plots zu entwickeln. Seine Geschichten dienen ihm primär als Vehikel, das zu malen, was er am liebsten malt: grandiose Landschaftspanoramen, Gebäude und Stadtsilhouetten, Waffen und Rüstungen – und leicht oder gar nicht bekleidete Frauen.
El Mercenario, der namenlose (und immer namenlos bleibende) Söldner, lebt etwa um das Jahr 1000 herum im Land der Ewigen Wolken, einem Landstrich irgendwo im Himalya, wo die Berge wie Inseln aus den Wolken herausragen, und dessen Bewohner (zumindest die meisten) nichts von der Welt unter den Wolken wissen. Hier gibt es noch Drachen und andere reptilische Ungeheuer, und hier haben die Abenteuer El Mercenarios ihren Ausgangspunkt, die ihn ab dem zweiten Album La Fórmula (1983; dt. Die Formel des Todes (1985)) im Auftrag des Mönchsordens aus dem Krater auch in die Welt unter den Wolken – z.B. in den arabischen Raum, auf die iberische Halbinsel oder ins Reich der Maya und Tolteken – und sogar auf einen anderen Planeten führen. Auf seinen Reisen, die er meist auf dem Rücken eines Drachen antritt, muss El Mercenario sich nicht nur mit allerlei Schurken, Monstren und anderen Widrigkeiten herumschlagen, sondern auch immer mal wieder eine leicht bekleidete damsel in distress retten, die bei ihm anschließend dank seines ausgeprägten Ehrenkodex in den allerbesten Händen ist …
Die Geschichten an sich sind alle eher schlicht und ausgesprochen linear erzählt, aber vor allem in den späteren Alben – etwa ab Band sechs oder sieben – vermitteln sie gelegentlich aufgrund der zunehmend auftauchenden absurd-phantastischen oder SF-Elemente das Feeling eines ungemein farbigen, einer eigenen Logik gehorchenden Traums. El Mercenario selbst ist ein echter good guy, ein Held, wie er im Buche steht – er weiß um seine Stärken und Schwächen, ist treu, ehrlich und loyal und hätte auch in den Pulps der 30er Jahre eine gute Figur gemacht.
Wenn man El Mercenario unter comicspezifischen Gesichtspunkten betrachtet, fällt auf, dass Segrelles’ Bildern die Dynamik, die z.B. in den Zeichnungen eines Jeff Smith oder eines Hayao Miyazaki zu finden ist, größtenteils abgeht. Vor allem die Panels, in denen die Figuren mehr oder weniger freigestellt vor einem diffusen monochromen Hintergrund agieren, wirken recht statisch, während die großen Panoramen durchweg beeindruckende Schauwerte bieten.
El Mercenario 4 von Vincente SegrellesUnd an besagten Schauwerten mangelt es El Mercenario wirklich nicht; was das angeht, hat Vicente Segrelles in den insgesamt vierzehn von 1982 bis 2014 erschienenen Alben den im ersten Band gesetzten Standard gehalten. Wer sich am schlichten Erzählduktus und dessen etwas trashiger Umsetzung im Stil alter Sword-&-Planet-Stories nicht stört oder ein Faible für Letzteres hat, kann daher durchaus Spaß an den Abenteuern El Mercenarios und seiner gelegentlichen Begleiterinnen Nan-Tay und Ky (die beide keine damsels in distress sind – ganz im Gegenteil) haben bzw. in den teilweise wirklich nur grandios zu nennenden Bildern schwelgen.
In Deutschland hatte El Mercenario zwar einen guten bzw. frühen Start (das erste Album ist wie erwähnt schon kurz nach der Originalausgabe erschienen, und die ersten vier Alben wurden von keinem Geringeren als Wolfgang Hohlbein sogar in Buchform nacherzählt), doch aufgrund von Retuschen, Kürzungen und mehreren Verlagswechseln kann man die erste deutsche Ausgabe eigentlich nur als suboptimal bezeichnen. Die neue, ab 2012 beim neuen Splitter Verlag erschienene (und mittlerweile komplett vorliegende) Ausgabe bietet nicht nur in jedem Album Zusatzmaterial zur Serie, zu Segrelles selbst und zu seinen anderen Arbeiten, sondern mit dem speziell für diese Ausgabe entstandenen vierzehnten Album Der letzte Tag (bei dem es sich um keinen Comic sondern um eine mit ganzseitigen Illustrationen versehene längere Erzählung handelt) auch einen runden Abschluss der Abenteuer El Mercenarios.

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