Zum 55. Geburtstag von Kristine Kathryn Rusch

Bibliotheka Phantastika gratuliert Kristine Kathryn Rusch, die heute 55 Jahre alt wird. Bei der am 04. Juni 1960 in Oneonta, New York, geborenen Kristine Kathryn Rusch handelt es sich um eine überaus fleißige und umtriebige Autorin und Herausgeberin, die seit Ende der 80er Jahre ein fester Bestandteil der amerikanischen Phantastik-Szene ist. Ihre erste Story erschien unter dem Titel “Sing” 1987 in der Februar/März-Ausgabe des Magazins Aboriginal SF, auf die rasch weitere folgen sollten, die bei der Leserschaft so gut ankamen, dass ihr 1990 der John W. Campbell Award als beste neue Autorin verliehen wurde. Auch im weiteren Verlauf ihrer Karriere hat sie sich immer wieder der kurzen Form zugewandt, so dass sie inzwischen auf ein Œuvre von mehr als 260 Kurzgeschichten und Erzählungen zurückblicken kann.
Parallel zu ihren ersten Schritten als Autorin gründete sie 1988 mit ihrem Mann Dean Wesley Smith den Kleinverlag Pulphouse Publishing und hat dort von 1988 bis 1993 mit Pulphouse: The Hardback Magazine ein (theoretisch) vierteljährlich erscheinendes Magazin sowie 29 Kurzgeschichtensammlungen in der Reihe Author’s Choice Monthly herausgegeben und editiert. Ihre Meriten als Herausgeberin der Pulphouse-Veröffentlichungen dürften mit dazu beigetragen haben, dass sie von 1991 bis 1997 in gleicher Funktion für das altehrwürdige und renommierte Magazine of Fantasy & Science Fiction verantwortlich war.
The White Mists of Power von Kristine Kathryn Rusch1991 veröffentlichte Kristine Kathryn Rusch mit The White Mists of Power (1991; dt. Die weißen Schleier der Macht (1995)) ihren ersten Roman, in dessen Mittelpunkt der Barde Byron steht, der bei seinem Herrn, dem Provinzpotentaten Lord Dakin, in Ungnade fällt und zum Tode verurteilt wird. In höchster Not von dem nicht sonderlich fähigen Magier Seymour gerettet, fliehen die beiden an den Hof des Königs. Doch im Inselkönigreich Kilot herrschen unruhige Zeiten, die sich auch auf das Leben bei Hof auswirken – und auf das des Thronerben Alric, dessen Schicksal mit dem des Barden (der möglicherweise mehr ist, als er zu sein scheint) verknüpft ist … In The White Mists of Power dreht sich fast alles um politische Intrigen, und das Ganze wird aus einer Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven so rasant erzählt, dass für heutige Lesegewohnheiten manches vielleicht ein bisschen zu schnell gehen bzw. zu wenig ausgearbeitet erscheinen könnte. Immerhin gibt der Roman bereits in etwa die Richtung vor, in die sich Kristine Kathryn Ruschs einige Jahre später erscheinendes Hauptwerk im Bereich der Fantasy entwickeln sollte.
Als nächstes verfasste Rusch zusammen mit Kevin J. Anderson einen SF-Roman, ehe sie sich mit Heart Readers (1993; dt. Die Herzleser (1996)) und Traitors (1993) wieder der Fantasy zuwandte, zwei Horroromane schrieb und sich auch im Alleingang an SF – Alien Influences (1994; dt. Fremde Einflüsse (1997)) – versuchte. Ebenfalls in dieser Zeit erschien mit The Big Game (1993) ein erster Beitrag zum Star-Trek-Kosmos, auf den im Laufe der Jahre noch ein gutes Dutzend weitere folgen sollten (alle in Zusammenarbeit mit Dean Wesley Smith).
The Sacrifice von Kristine Kathryn RuschIm Gegensatz zu allen vorangegangenen Werken, die für sich allein stehen konnten (wenn man von den Romanen zum Star-Trek-Franchise einmal absieht), bildete Sacrifice (1995; auch The Sacrifice (1996)) den Auftakt zu dem mehrbändigen Zyklus The Fey. Die titelgebenden Fey sind ein kriegerisches, in einer starren Kastengesellschaft organisiertes Volk, das angeführt von seinem Herrscher, dem Schwarzen König, aufgrund seiner Fähigkeiten im Kampf, vor allem aber dank seiner Blutmagie, den größten Teil der Welt erobert hat. Doch dann beginnt Rugar, der Sohn des Schwarzen Königs, gegen dessen Willen einen Feldzug gegen die Blaue Insel, und die Fey müssen feststellen, dass ausgerechnet die als so friedlich bekannten Bewohner dieser Insel, die sich viele Jahre lang allein auf den Schutz verlassen haben, den die hohen Klippen ihnen bieten, sich als ernstzunehmende Gegner erweisen. Die Invasion gerät ins Stocken – und plötzlich gewinnen die Visionen Jewels, der Enkelin des Schwarzen Königs, die von einer gemeinsamen Zukunft mit dem Herrscher der Blauen Insel künden, mehr und mehr an Bedeutung …
Der mit den Bänden Changeling (1996; auch: The Changeling (1996)), The Rival (1997), The Resistance und Victory (beide 1998) fortgesetzte (und 2001 um die als Prequel dienende Erzählung “Destiny” ergänzte) Zyklus überzeugt durch die zahlreich auftretenden, immer klar gezeichneten Figuren und eine stringente Handlung, die dennoch nicht frei von überraschenden Wendungen ist. Hinzu kommt, dass vor allem der erste Band in der Darstellung der Fey als brutales, von seiner eigenen Überlegenheit überzeugtes Kriegervolk so manches Element der etwas später aufgekommenen Grim-&-Gritty-Fantasy vorwegnimmt, dabei aber auf plumpe Schwarzweißmalerei ebenso verzichtet wie auf den diesem Subgenre häufig inhärenten Zynismus. Oder, anders gesagt: die Figuren handeln immer nachvollziehbar und – zumindest aus ihrer Sicht – auch logisch. The Fey ist als Das erste (zweite, dritte …) Buch der Fey auch auf Deutsch erschienen; die Titel der in der Übersetzung gesplitteten Bände lauten Die Felsenwächter (1999), Das Schattenportal, Der Thron der Seherin, Die Nebelfestung, Der Schattenprinz, Die Erben der Macht, Die Augen des Roca (alle 2000), Im Zeichen der Schwerter, Die roten Klippen und Das Seelenglas (alle 2001). Die unter dem Obertitel The Black Throne veröffentlichte zweibändige Fortsetzung – The Black Queen (1999) und The Black King (2000) – hat es aufgrund der Einstellung der betreffenden Fantasyreihe nicht mehr nach Deutschland geschafft. Unabhängig davon bleibt The Fey einer der sowohl hierzulande als auch in den USA zu Unrecht viel zu wenig wahrgenommenen großen Fantasy-Zyklen.
Nach The Fey scheint Kristine Kathryn Ruschs Interesse an der Fantasy ziemlich erloschen zu sein, denn sie hat seither nur noch zwei entsprechende Werke geschrieben: zum einen Fantasy Life (2003), zum anderen – einmal mehr gemeinsam mit Dean Wesley Smith, dieses Mal unter dem Pseudonym Kathryn Wesley – The 10th Kingdom (2000; dt. Das zehnte Königreich), die Novelisation der gleichnamigen fünfteiligen TV-Serie, in der es die junge Virginia aus dem zeitgenössischen New York in eine magische Parallelwelt verschlägt, deren neun Königreiche von Märchenfiguren bewohnt und beherrscht werden.
Seit der Jahrtausendwende hat Kristine Kathryn Rusch sich vor allem auf SF konzentriert – etwa auf die lesenswerte, ursprünglich siebenteilige, mittlerweile um sechs Bände ergänzte Serie über den Privatdetektiv Miles Flint, deren erste sechs Bände ebenfalls ins Deutsche übersetzt wurden –, schreibt aber auch Krimis (als Kris Nelscott) sowie Liebesgeschichten mit übernatürlichen (als Kristine Grayson), Krimi- (als Kristine Dexter) oder SF-Elementen (als Kris DeLake) und verfasst weiterhin regelmäßig phantastische Kurzgeschichten und Erzählungen.

2 Kommentare zu Zum 55. Geburtstag von Kristine Kathryn Rusch

  1. Pogopuschel sagt:

    Ich habe mir damals, ich glaube es war 1999 oder 2000 die Ausgabe von Knaur (Excalibur) gekauft, die von einem gewissen Gerd Rottenecker heraugegeben wurde. 😉 Hatte mir damals sehr gut gefallen, weil es anders war, als die übliche Fantasy, die ich zu jener Zeit gelesen habe. Da gab es einige nette Einfälle, und ja, es war auch teilweise recht düster.

  2. gero sagt:

    Die Bücher der Fey haben damals für mich zu den Highlights in unserer Reihe gehört. Ich hätte sie auch gerne selbst redigiert, aber das hat aus einer Reihe von Gründen leider nicht geklappt.
    Und es ist natürlich schade, dass die beiden Fortsetzungsbände nicht mehr erschienen sind (obwohl Victory bzw. Das Seelenglas schon einen runden Schluss hat). Letztlich hat es nur ganz knapp nicht gereicht, denn zumindest The Black Queen war in der Vorschau bereits angekündigt (und mW auch schon übersetzt).
    Freut mich, dass dir der Zyklus gefallen hat. Bei einigen Bänden steht auf der hinteren Umschlagseite ein Zitat von mir, und das ist – im Gegensatz zu manchen anderen Klappen- bzw. Umschlagtexten – wirklich ernst gemeint (auch wenn ich mich furchtbar geärgert habe, dass “Melissa” es verwendet hat, ohne mich vorher zu fragen).

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