Bibliotheka Phantastika erinnert an Ardath Mayhar, die heute 85 Jahre alt geworden wäre. Geschrieben hat die am 20. Februar 1930 in Timpson, Texas, geborene Ardath Frances Hurst schon als Teenager (und im Alter von 19 Jahren ihre ersten Gedichte veröffentlicht), doch so richtig in Gang gekommen ist ihre Autorenkarriere erst, als sie sich Mitte der 70er Jahre (und nun unter dem Familiennamen ihres Mannes) der SF und Fantasy bzw. ganz allgemein der Belletristik zuwandte. Den Anfang machte die später in den zweiten Band der vierteiligen Fantasysequenz Tales of the Triple Moons eingearbeitete Kurzgeschichte “The Cat with the Sapphire Eyes” (1974 in Weirdbook Eight), auf die noch viele weitere folgen sollten, so dass Ardath Mayhars Bibliographie zum Zeitpunkt ihres Todes am 01. Februar 2012 mehr als 200 längere und kürzere Geschichten ausweist. Hinzu kommen rund 60 Romane quer durch (fast) alle Genres, von SF und Fantasy über historische Romane, Jugendbücher und prähistorische Abenteuerromane bis hin zu Western (die sie unter Pseudonymen wie John Killdeer, Frank Cannon oder Frances Hurst verfasst hat).
Mayhars frühe Romane lassen sich fast ausschließlich der Fantasy zurechnen; ihr Erstling How the Gods Wove in Kyrannon (1979) bildete den Auftakt der bereits erwähnten Tales of the Triple Moons, die mit The Seekers of Shar-Nuhn (1980), Warlock’s Gift (1982), und Lords of the Triple Moons (1983) weitergeführt wurden. Die vier nur locker durch den Hintergrund miteinander verbundenen Bände orientieren sich thematisch und inhaltlich mehr an klassischer Abenteuerliteratur als an der damals noch vorherrschenden Sword & Sorcery oder den gerade aufkommenden, mehr oder weniger tolkienesken Questen. Im ersten geht es darum, einen tyrannischen Herrscher zu stürzen (wobei diejenigen, die dabei eine wichtige Rolle spielen, sich zunächst einmal von einer vernichtenden Niederlage erholen müssen), im dritten muss sich ein Prinz sein Geburtsrecht zurückholen, was bedeutet, sich mit einem üblen Zauberer und Usurpator auseinandersetzen zu müssen, und auch im vierten ist der Feind ein despotischer Tyrann und Usurpator. Der zweite Band The Seekers of Shar-Nuhn fällt ein bisschen aus dem Rahmen (und ist vermutlich deswegen auch der interessanteste), denn in diesem Episodenroman geht es um Klah-Noh, einen “Seeker After Secrets” (oder modern: Detektiv) und seinen Assistenten Si-Lun, die mit immer neuen Rätseln und Geheimnissen konfrontiert werden. Nicht ganz unproblematisch an der Sache ist, dass jedes ungelöste Rätsel und jedes unaufgedeckte Geheimnis Klah-Noh grundsätzlich furchtbar nervös macht – und Si-Lun ein paar sehr persönliche Geheimnisse hat … Die Episoden leben nicht zuletzt von der Interaktion der beiden Hauptfiguren, und auch die Welt, auf der die gesamte Sequenz spielt – eine Welt, die eher an eine postapokalyptische Welt mit Fantasy-Elementen als an ein Fantasy-Standardsetting erinnert – gewinnt spürbar an Konturen.
Mal abgesehen von The Seekers of Shar-Nuhn wirken Ardath Mayhars Fantasyromane – und das gilt nicht nur für die anderen Bände der Tales, sondern auch für den etwa zeitgleich erschienenen Tyrnos-Zweiteiler (Soul-Singer of Tyrnos (1981) und Runes of the Lyre (1982)) oder spätere Titel wie Makra Choria (1987) oder The Exiles of Damaria (2009) – immer ein bisschen wie Jugendbücher, auch wenn sie nicht als solche konzipiert wurden bzw. in einem Jugendbuchverlag erschienen sind. Das hat einerseits vermutlich mit der inhaltlichen Ausrichtung am klassischen Abenteuerroman zu tun, dürfte aber andererseits vor allem auf die moralische Integrität ihrer Heldenfiguren zurückzuführen sein. Und natürlich darauf, dass sich meist junge Menschen ihren Platz im Leben erkämpfen und an dieser Aufgabe wachsen müssen. Ardath Mayhars häufig vermittelte Botschaft, dass Menschen mehr erreichen, wenn sie miteinander statt gegeneinander arbeiten (die z.B. auch in ihrem Post-Doomsday-Roman The World Ends in Hickory Hollow (1985) zu finden ist), mag heutzutage ein bisschen angestaubt wirken – was nicht heißt, dass die Idee als solche nicht bedenkenswert wäre.
Eine Sonderstellung unter ihren Fantasyromanen nimmt auch The Saga of Grittel Sundotha (1985) ein; Ardath Mayhar selbst sagt über die Titelheldin des (aus der in Amazons II veröffentlichten Geschichte “Who Courts a Reluctant Maiden” hervorgegangenen) Romans: “Grittel Sundotha is A. Mayhar, if I had been seven feet instead of five feet two”, und lässt die nicht nur überdurchschnittlich große, sondern auch entsprechend kräftige Grittel Abenteuer in bester Sword-&-Sorcery-Manier erleben.
Ardath Mayhars vielleicht bekanntester Roman dürfte Golden Dream: A Fuzzy Odyssey (1982) sein, ein SF-Roman und Teil eines Versuchs, aus den von H. Beam Piper erfundenen “Fuzzies” ein Franchise zu machen (ein Versuch, den man mit dem von John Scalzi unter dem Titel Fuzzy Nation (2011) verfassten “Reboot” der originalen Fuzzy-Reihe übrigens kürzlich ein weiteres Mal unternommen hat). In der ersten Hälfte von Golden Dream verleiht sie den Fuzzies (oder Gashta, wie sie sich selbst nennen), aus denen Michael Whelan vermutlich die cutest aliens ever gemacht hat, deutlich mehr Konturen als je zuvor, gibt ihnen eine eigene Sprache und soziale und familiäre Strukturen, und bettet das Ganze in eine abenteuerliche Handlung, bei der es um nichts weniger als das Überleben der Fuzzies geht. Denn diese sind die Nachkommen von vor mehreren Generationen gestrandeten Raumfahrern und haben alle Mühe, auf der für sie fremden Welt Zarathustra zu überleben. In der zweiten Hälfte geht es dann um den ersten Kontakt mit den “Hagga”, den Menschen – was bedeutet, dass in ihr der erste Fuzzy-Roman H. Beam Pipers (dieses Mal eben aus Sicht der Fuzzies) nacherzählt wird. Man sollte sich übrigens von Michael Whelans putzigem Cover (das hier in voller Größe und ohne störende Typographie zu bewundern ist) nicht täuschen lassen. Paradiesisch geht es im Tal der Fuzzies wahrlich nicht zu, ganz im Gegenteil …
Ardath Mayhar war gewiss keine “große” Autorin, die der Fantasy oder der SF wesentliche Impulse verliehen oder unsterbliche Werke hinterlassen hat; dessen ungeachtet eignen sich ihre Romane nicht zuletzt aufgrund ihrer klaren moralischen Standpunkte als Einstiegslektüre für jugendliche Leser und Leserinnen. Darüberhinaus war sie ein wichtiger Bestandteil der texanischen SF- und Fantasy-Community und wurde von ihren Kollegen und Kolleginnen in der SFWA als Author Emeritus geehrt. Und die Einleitung zu ihrer 1994 erschienenen ersten Kurzgeschichtensammlung Mean Little Old Lady at Work: The Selected Works of Ardath Mayhar (1994) hat kein Geringerer als ihr berühmter texanischer Kollege Joe R. Lansdale verfasst.
Auf Deutsch sind von Ardath Mayhar nur drei Romane erschienen; der Battletech-Roman Das Schwert und der Dolch (1990; OT: The Sword and the Dagger (1987)) zeigt dabei deutlich, dass Military SF nicht unbedingt zu ihren Stärken zu zählen ist (aber den Roman hat sie auch nur geschrieben, weil Margaret Weis & Tracy Hickman plötzlich einen lukrativeren Auftrag in der Tasche hatten und man bei FASA jemanden brauchte, der schnell einspringen konnte). Bei Der Windtänzer (1998; OT: People of the Mesa (1992)) und Der Traumhüter (2001; OT: Island in the Lake (1993)) handelt es sich um die ersten beiden Romane einer im Original Lost Tribes übertitelten vierbändigen Sequenz, in deren Mittelpunkt prähistorische Indianerstämme stehen. Hinzu kommen eine Handvoll Kurzgeschichten, darunter auch die bereits erwähnte um Grittel Sundotha, die als “Der Widerspenstigen Rache” in der Anthologie Neue Amazonen-Geschichten (1983) enthalten ist.
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