Zum 70. Geburtstag von Glen Cook

Bibliotheka Phantastika gratuliert Glen Cook, der heute 70 Jahre alt wird. Dem Teil unserer Stammleserschaft, der öfter mal in unser Forum schaut, wird der nachfolgende Beitrag wenig oder gar nichts Neues bringen, denn ungeachtet der Tatsache, dass nur ein knappes Viertel seiner rund 50 Romane ins Deutsche A Shadow of all Night Falling von Glen Cookübersetzt wurde, ist der am 09. Juli 1944 in New York City geborene Glen Charles Cook einer der Autoren, deren Werke dort immer mal wieder erwähnt bzw. diskutiert werden. Cooks erste, dem Genre zuzurechnende Veröffentlichung war die Fantasystory “Silverheels” im Magazin Witchcraft & Sorcery # 6 im Mai 1971, die in der gleichen Welt spielt wie der Romanzyklus um das Dread Empire, der allerdings erst ein paar Jahre später erscheinen sollte. Auf zwei, drei weitere SF- und Fantasystories folgte als erster Roman The Heirs of Babylon (1972), ein Post-Doomsday-Roman, und danach ging es mit einer oder zwei Geschichten pro Jahr tröpfchenweise weiter – bis 1979.
Denn mit A Shadow of All Night Falling kam in besagtem Jahr nicht nur der Auftakt der Dread Empire Trilogy auf den Markt, sondern das Erscheinen dieses Romans kennzeichnet darüberhinaus den Beginn einer Phase, in der Glen Cook überaus produktiv war (vor allem, wenn man bedenkt, dass er die ganze Zeit über bei GM angestellt war und somit nur nebenberuflich geschrieben hat) und den jeweiligen Grundstein für all die Zyklen gelegt hat, die seinen Ruf begründet und ihn zu so etwas wie einem Kultautor gemacht haben. A Shadow of All Night Falling und die Folgebände October’s Baby und All Darkness Met (beide 1980) erzählen die Geschichte eines gewaltigen Krieges – oder, genauer, des gewaltigsten Krieges seit Menschengedenken (auch wenn es Figuren gibt, die sich an noch größere Kriege erinnern können) –, vor allem und in erster Linie drehen sich die drei Romane aber um die Schicksale einer Handvoll Personen, die auf die eine oder andere Weise miteinander verbunden sind. Das fängt an mit Mocker, dem kauderwelschenden Scharlatan, dessen Ziele lange Zeit so unklar bleiben wie seine Herkunft, geht weiter mit Nepanthe, der Tochter der Storm Kings von Iwa Skolovda, die anfangs nur eine Schachfigur in einem komplizierten Intrigenspiel ist, und mit Varthlokkur, dem letzten Erben von Ilkazar und gefürchtetsten Magier des Westens, bis sich allmählich Bragi Ragnarson in den Mittelpunkt des Geschehens schiebt, ein Nordmann und Abenteurer, der plötzlich mitten in einem Schlamassel steckt, der dem, dessentwegen er seine Heimat verlassen hat, verdammt ähnlich ist (und der den zwielichtigen Mocker von früher kennt). Ebenfalls eine nicht ganz unwichtige Rolle spielen Haroun bin Yousif, der König ohne Thron, und Mist, eine Prinzessin (und kurzfristige Kaiserin von Shinsan, dem Reich, das dem ganzen Zyklus seinen Titel gibt). Und dann ist da natürlich noch der Star Rider … Glen Cooks Dread Empire Trilogy ist ganz gewiss kein leichter, eingängiger Lesestoff. Als Leser wird man sehr unvermittelt ins Geschehen geworfen, und auch wenn es Cook von Anfang an gelingt, ebensosehr ein Gefühl für große Zeiträume zu vermitteln wie auch dafür, Zeuge gewaltiger, welterschütternder Ereignisse zu sein, dauert es einige Zeit, bis die Figuren an Konturen und Charaktertiefe gewinnen. Andererseits stehen trotz des epischen Rahmens immer die Figuren und ihre nur allzu menschlichen Hoffnungen und Wünsche, A Cruel Wind von Glen Cookihr Leiden und ihre Enttäuschungen im Fokus. Glen Cook erzählt in der (auch als Sammelband unter dem Titel A Cruel Wind (2006) erschienenen) Dread Empire Trilogy zwar von einem großen Krieg, aber vor allem von menschlichen Schicksalen.
Mit The Swordbearer (1982) folgte ein Einzelband, in dem es um die Geschichte Gathrids geht, eines jungen Mannes, der von Heldentaten und Ruhm träumt und der eines Tages ein uraltes magisches Schwert findet und dadurch plötzlich die Chance bekommt, seine Träume Wirklichkeit werden zu lassen und sich an den Mördern seiner Familie zu rächen – allerdings muss er bald feststelle, dass die Sache einen verdammt großen Haken hat. Im gleichen Jahr erschien mit der Starfishers Trilogy eine komplette SF-Trilogie, ehe Cook sich mit den beiden Prequels The Fire in His Hands (1984) und With Mercy Toward None (1985) wieder dem Dread Empire zuwandte. In den beiden (auch als Sammelband A Fortress In Shadow (2007) erschienenen) Bänden lernen wir nicht nur den Propheten El Murid kennen, der davon träumt, die Stämme der Wüste Hammad al Nakir zu einen und ihnen Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand zu bringen, sondern begegnen u.a. auch Haroun bin Yousif, Bragi Ragnarson und Mocker wieder und erfahren mehr über ihre Vergangenheit.
Parallel zu diesen beiden Romanen kamen mit The Black Company, Shadows Linger (beide 1984) und The White Rose (1985) auch die ersten drei – gelegentlich auch als Books of the North bezeichneten – Bände des Werkes auf den Markt, das bis heute am ehesten mit Cooks Namen verknüpft (und vermutlich auch sein erfolgreichstes) ist: die Chronicles of the Black Company. Stilistisch noch ein bisschen schroffer als in seinen vorangegangenen Romanen lässt uns Glen Cook hier an den vom Ich-Erzähler Croaker geschilderten Abenteuern einer Söldnerkompanie teilhaben, die im Auftrag der – wie sie glaubt – guten Seite einen Aufstand nach dem anderen niederschlägt, bis … tja, bis sich nach und nach herausstellt, dass alles, was Croaker und die Seinen (und die Leser) zu wissen glaubten, vielleicht doch nicht so ganz der Wahrheit entspricht … In den drei (auch als Sammelband Chronicles of the Black Company (2007) erschienenen) Romanen begibt sich Cook endgültig auf das Level der grunts, der Frontschweine, die ihren Kopf (oder welchen Körperteil auch immer) hinhalten und Kriege ausfechten müssen, die aus ihnen unklaren Gründen ganz woanders beschlossen bzw. angezettelt wurden. Der Blutzoll, den die Söldner zu zahlen haben, ist hoch – und das bisschen Ruhm, das sie vielleicht erringen, schnell verblasst. Die mit Shadow Games, The Silver Spike (beide 1989), Dreams of Steel (1990) – auch als The Books of the South: Tales of the Black Company (2008) –, Bleak Seasons (1996), She is the Darkness (1997) – auch als The Return of the Black Company (2009) – sowie Water Sleeps (1999) und Soldiers Live (2000) – auch als The Many Deaths of the Black Company (2010) – fortgesetzten Chronicles of the Black Company lassen sich zweifellos der Grim-&-Gritty-Fantasy zurechnen, wirken dabei aber am ehesten wie realistische Kriegsromane aus einer Fantasywelt.
Zwischen den zehn Bänden der Black Company sind Ende der 80er Jahre mit Reap the East Wind (1987) und An Ill Fate Marshalling (1988) die ersten beiden Bände einer Folgetrilogie zur Dread Empire Trilogy erschienen. Das Manuskript des dritten Bandes wurde Glen Cook damals gestohlen, und lange Zeit hat es so ausgesehen, als würde er nie mehr erscheinen, doch im Rahmen der Neuauflage der Dread Empire Chronicles hat Cook A Path to Coldness of Heart (2012) doch noch einmal (wenn auch sicher ein bisschen anders als damals geplant) neu geschrieben, so dass einschließlich der in An Empire Unacquainted with Defeat (2008) gesammelten Stories inzwischen praktisch das gesamte Dread-Empire-Material in Buchform vorliegt.
Ebenfalls in den 80ern – wie gesagt, Cook war da einige Jahre sehr fleißig – ist auch eine aus den Bänden Doomstalker, Warlock (beide 1985) und Ceremony (1986) bestehende Science-Fantasy-Trilogie mit dem Titel Darkwar (auch als gleichnamiger Sammelband (2009)) auf den Markt gekommen, dazu drei weitere SF-Romane und der Fantasyroman The Tower of Fear (1989), in dem so ziemlich alle Elemente, die Cooks Fantasy ausmachen, in stark eingedampfter Form enthalten sind (und der außerdem mit einer faszinierend ambivalenten Hauptfigur aufwartet).
Last but not least hatte in diesem Jahrzehnt auch der Privatdetektiv Garrett (in Sweet Silver Blues (1987)) seinen ersten Auftritt. Garrett ist ganz eindeutig ein Nachfahre von Sam Spade und Philip Marlowe, der seine unter dem Obertitel Garrett, P.I. laufenden Abenteuer allerdings in einer Fantasywelt erlebt – und das in mittlerweile vierzehn Bänden; auf den o.g. Auftaktband folgten Bitter Gold Hearts, Cold Copper Tears (beide 1988), Old Tin Sorrows (1989), Dread Brass Shadows (1990), Red Iron Nights (1991), Deadly Quicksilver Lies (1994), Petty Pewter Gods (1995), Faded Steel Heat (1999), Angry Lead Skies (2002), Whispering Nickel Idols (2005), Cruel Zinc Melodies (2008), Gilded Latten Bones (2010) und Wicked Bronze Ambition (2013).
Mit dem aus den Romanen The Tyranny of the Night (2005), Lord of the Silent Kingdom (2007), Surrender to the Will of the Night (2010) und Working God’s Mischief (2014) bestehenden, vierteiligen Zyklus The Instrumentalities of the Night ist Glen Cook (der diesen Zyklus gerne einen Band länger gemacht hätte) fast wieder ein bisschen zu seinen Anfängen zurückgekehrt, wobei das weder für die Ausgangssituation der in einem leicht verfremdeten Mittelmeerraum angesiedelten Handlung noch die Figurenkonstellation direkt gilt, sondern heißen soll, dass er sich wieder eines epischen Handlungsrahmens bedient, in den auch in diesem Fall viele kleinere Konflikte auf der persönlichen Ebene eingeflochten sind. Hinzu kommt eine nochmal gesteigerte Komplexität, die auch die Instrumentalities of the Night zu einem durchaus fordernden Lesestoff macht.
Was die deutschen Veröffentlichungen Cooks angeht, sieht es – wie eingangs erwähnt – eher nicht so gut aus. Außer den ersten drei Black-Company-Bänden, die es unter dem Obertitel Die Schwarze Schar (Einzeltitel: Im Dienst der Seelenfänger, Nacht über Juniper und Die Rückkehr des Bösen (alle 1999)) nach Deutschland geschafft haben, ist das nur Garrett, P.I.Cover von Chronicles of the Black Company von Glen Cook in einer als Die Rätsel von Karenta betitelten Serie neun Bände lang gelungen, die hierzulande als Zentaurengelichter, Fauler Zauber, Tempelhyänen, Geisterstunde, Schattentänzer (alle 1996), Heißes Eisen, Spitze Buben, Göttergetöse (alle 1997) und Goldfieber (2001) erschienen sind.
In den USA hingegen hat Glen Cook in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt, die nicht nur zu einer Neuauflage (teils in Form der o.g. Sammelbände) seiner Werke aus den 80er und 90er Jahren geführt hat, sondern mit Winter’s Dreams (2012) auch einen zweiten Band mit seinen bislang verstreut in diversen Anthologien und Magazinen erschienenen Kurzgeschichten hervorgebracht hat.

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