Bibliotheka Phantastika gratuliert Craig Shaw Gardner, der heute 65 Jahre alt wird. Der am 02. Juli 1949 in Rochester im amerikanischen Bundesstaat New York geborene Craig Shaw Gardner feierte sein Debüt als Schriftsteller 1978 mit der Kurzgeschichte “Rocket Roll” in der Frühjahrsausgabe des Magazins Unearth, auf die rasch weitere Stories folgen sollten. In einer dieser Geschichten, nämlich der im gleichen Jahr in der Oktoberausgabe von Fantastic erschienenen und in der Anthologie The Year’s Best Fantasy Stories: 5 (1980) nachgedruckten “A Malady of Magicks”, hatte der Magier Ebenezum seinen ersten Auftritt – und es sollte nicht sein letzter bleiben.
Zunächst trieb der an Magieallergie leidende Ebenezum in mehreren Original-Anthologien sein Unwesen, doch 1986 erschien mit A Malady of Magicks ein sogenanntes Fix-up, d.h. ein Roman, der aus den bislang veröffentlichten Geschichten zusammengesetzt und um neues Material ergänzt worden war und zugleich den Auftakt der Ebenezum Trilogy bildet, die mit A Multitude of Monsters (1986) und A Night in the Netherhells (1987) fortgesetzt wurde. Die Titel deuten ebenso wie das Konzept eines an Magieallergie leidenden Magiers bereits darauf hin, dass es sich bei diesen Romanen um Funny Fantasy bzw. humoristische Fantasy handelt – und zwar von der Sorte, die ihren Witz aus den slapstickhaften Situationen bezieht, in die Ebenezum und sein tollpatschiger Lehrling Wuntvor so unausweichlich wie häufig geraten. Die Trilogie – die auch als Sammelband unter dem Titel The Exploits of Ebenezum (1987) nachgedruckt wurde – erwies sich als erfolgreich genug, um mit The Ballad of Wuntvor eine zweite Trilogie nach sich zu ziehen, in deren Mittelpunkt allerdings der – wie bereits erwähnt überaus tollpatschige – Zauberlehrling Wuntvor steht. Ansonsten bieten A Difficulty with Dwarves (1987), An Excess of Enchantments (1988) und A Disagreement with Death (1989; alle drei auch als Sammelband The Wanderings of Wuntvor (1989)) mehr oder weniger das Gleiche wie die vorangegangenen Bände.
Da die Zahl der sich für Schenkelklopfer eignenden Situationen, in die man einen deutlich gehandicapten Magier und seinen ebenfalls eher untauglichen Lehrling in einer Standard-Fantasywelt bringen kann, letztlich begrenzt ist, musste Gardner sich für seine nächste lustige Trilogie etwas Neues einfallen lassen, und man kann ihm attestieren, dass ihm das mit The Cineverse Cycle auch recht erfolgreich gelungen ist. In der aus den Bänden Slaves of the Volcano God (1989), Bride of the Slime Monster und Revenge of the Fluffy Bunnies (beide 1990; alle drei auch als Sammelband The Cineverse Cycle (1990)) bestehenden Trilogie gerät der junge Erdenmensch Roger Gordon mit Hilfe seines Captain Crusader Decoder Rings in alternative Welten, die wie Manifestationen von B-Movie-Klischees wirken (in Wirklichkeit sind sie für besagte Klischees verantwortlich), und muss dort diverse Gefahren überstehen und sich mit üblen Schurken auseinandersetzen – was zumindest Lesern und Leserinnen mit einem ausgeprägten Faible für B-Movies durchaus Spaß machen kann.
Bei der darauf folgenden, Arabian Nights betitelten Sequenz handelt es sich um schon anhand ihrer Titel The Other Sinbad, A Bad Day for Ali Baba (beide 1991) und Scheherazade’s Night Out (1992; auch als The Last Arabian Night (1993)) als solche erkennbare, locker-leicht lesbare Parodien auf die Geschichten aus 1001 Nacht.
Zu diesem Zeitpunkt dürfte Craig Shaw Gardner vermutlich nicht nur in seiner Heimat der neben Robert Asprin bekannteste amerikanische Funny-Fantasy-Autor gewesen sein. Die englischen Ausgaben seiner Romane wurden von Josh-Kirby-Titelbildern geschmückt, und drei seiner vier humoristischen Trilogien hatten es zu deutschen Übersetzungen gebracht: die Bände um Ebenezum und Wuntvor erschienen hierzulande als Die Ballade von Wuntvor (Einzeltitel: Ein Magier in Nöten, Ein Magier im Monsterland (beide 1989), Ein Magier auf Höllentrip (1990), Zwergenzwist im Monsterland, Hexenhatz im Monsterland (beide 1991) und Totentanz im Monsterland (1992)), und die Arabian Nights ohne Zyklustitel als Der andere Sindbad, Ein schwarzer Tag für Ali Baba (beide 1994) und Scheherazade macht Geschichten (1995).
Laut Gardners Aussage war es sein amerikanischer Stammverlag, der ihm vorgeschlagen hat, es doch einmal mit “ernsthafter” Fantasy zu versuchen (dazu passt, dass Gardner mit ihnen bei Ace Books zum Hardcover-Autor aufstieg), und das Ergebnis war The Dragon Circle – drei Romane (Dragon Sleeping (1994; auch als Raven Walking (1994)), Dragon Waking (1995) und Dragon Burning (1996)), in denen es ein ganzes Stadtviertel von der Erde in eine typische Fantasywelt verschlägt, wo sich die Menschen mit den neuen Gegebenheiten (und natürlich auch dem titelgebenden Drachen) auseinandersetzen müssen, und die Gardner selbst für seine besten Werke hält. Doch wie es scheint, sind seine Leser ihm nicht gefolgt, denn The Dragon Circle hat sich dem Vernehmen nach nicht besonders gut verkauft.
Vermutlich hat er sich sogar richtig schlecht verkauft, denn Craig Shaw Gardners nächste, auch wieder “ernsthafte” Trilogie The Changeling Saga (The Changeling War, The Sorcerer’s Gun (beide 1999) und The Magic Dead (2000)) erschien unter dem Pseudonym Peter Garrison. Nach Erscheinen des dritten Bandes war die Karriere von “Peter Garrison” dann bereits wieder beendet – und anscheinend auch die von Craig Shaw Gardner, denn seit der Jahrtausendwende sind nur noch zwei Romane zu TV-Serien (einmal zu Angel und einmal zu Battlestar Galactica) sowie ein Horrorroman (unter Verlagspseudonym) von ihm erschienen. Und das ist schon merkwürdig für einen Autor, der jahrelang drei bis vier Romane pro Jahr veröffentlicht hat (parallel zu den bisher genannten Titeln hat Gardner eigentlich immer im Laufe seiner Karriere Film-Novelisationen und Romane zu TV-Serien bzw. Comicuniversen geschrieben). Es scheint im Hinblick auf den kommerziellen Erfolg gerade im Genrebereich wirklich nicht ganz ungefährlich zu sein, das (Sub-)Genre zu wechseln.
Außerdem wollen wir die Gelegenheit nutzen, anlässlich seines 100. Geburtstags an Hannes Bok zu erinnern. Hannes Bok, der am 02. Juli 1914 als Wayne Francis Woodard in Kansas City, Missouri, geboren wurde, hat sich dieses Pseudonym Anfang der 30er Jahre zugelegt, als er anfing, Illustrationen an SF-Fanzines zu schicken und die ersten Schritte in dem Metier machte, mit dem sein Name in erster Linie verbunden wird. Denn er war vor allem Grafiker, der rund 150 Titelbilder (und mehrere 100 Innenillustrationen) für die verschiedensten amerikanischen Phantastik-Magazine geschaffen hat und dessen Bilder auch die Umschläge von etlichen Büchern aus in den 30er und 40er Jahren aktiven Kleinverlagen wie Shasta oder Arkham House zieren.
Doch Hannes Bok hat auch phantastische Erzählungen und Kurzromane geschrieben, die in Magazinen wie Science Fiction Quarterly, Weird Tales, Future Fantasy and Science Fiction, Planet Stories, Startling Stories oder Fantastic Universe erschienen sind. Thematisch und erzählerisch war er stark von den Werken seines Freundes Abraham Merritt beeinflusst, und so ist es kein Wunder, dass er zwei von Merritt bei dessen Tod hinterlassene Fragmente ergänzt hat. Diese beiden posthumen Kollaborationen – The Fox Woman and The Blue Pagoda (1946) sowie The Black Wheel (1947) – waren die einzigen erzählerischen Werke, die noch zu Boks Lebzeiten in Buchform veröffentlicht wurden, denn seine beiden Romane The Sorcerer’s Ship (1969) und Beyond the Golden Stair (1970) erschienen erst einige Jahre nach seinem Tod in der von Lin Carter herausgegebenen Reihe Ballantine Adult Fantasy als Taschenbuch.
The Sorcerer’s Ship (1969; erstmals unter dem gleichen Titel in der Dezemberausgabe 1942 von Unknown erschienen) erweist sich einerseits als deutlich von A. Merrits The Ship of Ishtar inspiriert, ist aber weit davon entfernt, ein schlichtes Plagiat zu sein. Das fängt mit der Hauptfigur an, denn der Postangestellte Gene, der am Anfang des Buches als Schiffbrüchiger auf einer Planke im Ozean treibt, bis er von einer Galeere in einer offensichtlich anderen Welt aufgefischt wird, ist kein im Umgang mit antiken Waffen vertrauter Tatmensch wie Merritts Kenton, und auch die Situation auf dem Schiff (auf dem es ebenfalls zwei unterschiedliche Fraktionen gibt, die den Mann aus einer anderen Welt zu benutzen versuchen) ist ein bisschen anders – genauso wie der weitere Verlauf der Reise. Bok mag die fiebrige Intensität fehlen, mit der Merritt die Abenteuer seiner Figuren schildert, aber ihm gelingt ein farbiges Beispiel von zu Unrecht vollkommen vergessener Abenteuerfantasy der Prä-Tolkien-Ära.
Dies gilt auch für Beyond the Golden Stair (1970; ursprünglich in einer kürzeren Version als “The Blue Flamingo” 1948 in der Januarausgabe von Startling Stories erschienen). In diesem Roman gerät der etwas naive Hibbert zu Unrecht ins Gefängnis, wo er den Schlägertypen Scarlatti kennenlernt – und schon wenig später, nach einem geglückten Gefängnisausbruch, eher widerwillig mit Scarlatti, dessen Freundin Carlotta und einem Mann namens Burks unterwegs in die Everglades ist. Dort stoßen die vier auf eine goldene Treppe, die ins Nichts zu führen scheint, in Wirklichkeit aber zu einem Teich, der möglicherweise die Quelle der ewigen Jugend ist und von einem blauen Flamingo bewacht wird … allerdings nicht mehr lange. Der Weg der vier ungleichen Gefährten ist damit jedoch noch lange nicht zu Ende, und das, was am Ende der nächsten Treppe auf sie wartet, macht den Roman zu einem in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlichen Werk.
Wenn man bedenkt, dass Hannes Bok diese Romane noch relativ jung – nämlich mit Ende 20 bzw. Anfang 30 – geschrieben hat, kann man es eigentlich nur bedauern, dass er anscheinend keine schriftstellerische Karriere angestrebt hat, sondern hautpsächlich als Grafiker arbeiten wollte. Nicht zuletzt, weil er sich Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre mit etlichen Auftraggebern überworfen hat und es auch kaum noch Bilder von ihm gegeben hat. Im Verlauf der 50er Jahre ist er dann mehr und mehr in Richtung Okkultismus und Astrologie abgedriftet, und am 11. April 1964 ist er mit 49 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Zumindest offiziell. In der amerikanischen SF-Szene hält sich allerdings hartnäckig das Gerücht, dass Hannes Bok – der in seinen letzten Jahren praktisch keine Titelbild- oder Illustrationsaufträge mehr bekommen hat und völlig verarmt ist – im wahrsten Sinne des Wortes verhungert ist.
Wer jetzt übrigens meint, dass in diesem Text der Grafiker Hannes Bok ein bisschen zu kurz gekommen ist, hat völlig recht. Immerhin können wir (mal abgesehen von den Weiten des Internets, die in dieser Hinsicht ebenfalls Einiges zu bieten haben) an dieser Stelle zumindest auf ein paar Bildbände verweisen, die eine recht große Bandbreite des ziemlich unverwechselbaren grafischen Ouevres von Hannes Bok präsentieren, wie Beauty and the Beasts: The Art of Hannes Bok (1978), A Hannes Bok Treasury (1993), A Hannes Bok Showcase (1995), Hannes Bok – Drawings and Sketches (1996) und das leider sehr teure Hannes Bok: A Life in Illustration (2012).