Bibliotheka Phantastika gratuliert Mildred Downey Broxon, die heute 70 Jahre alt wird. Die am 07. Juni 1944 in Atlanta, Georgia, geborene Mildred Downey Broxon gehört zu der gar nicht einmal so seltenen Kategorie von Autoren oder Autorinnen, die für ein paar Jahre auf der Bildfläche erscheinen und dann schlagartig wieder von ihr verschwinden. Immerhin ist es erstaunlich, dass ein knappes Drittel ihrer Geschichten und alle drei Romane, die sie geschrieben hat bzw. an denen sie beteiligt war, auch ins Deutsche übersetzt wurden.
M. D. Broxons erste Veröffentlichung war die Story “Asclepius Has Paws” in der Anthologie Clarion III (1973), auf die in den nächsten Jahren ein knappes Dutzend weitere – teils in anderen Anthologien, teils in SF-Magazinen wie Vertex – folgen sollten. 1979 kam dann ihr erster Roman auf den Markt, allerdings ist Eric Brighteyes #2: A Witch’s Welcome nicht unter ihrem richtigen Namen, sondern unter dem Pseudonym Sigfriour Skaldaspillir erschienen, dessen Vorname sich bei der deutschen Ausgabe (Die Hexe von Orkney (1986)) lustigerweise in Sigfridur verwandelt hat. Da A Witch’s Welcome als Fortsetzung von Henry Rider Haggards Eric Brighteyes vermarktet wurde und sich stilistisch eng an diesen Roman anlehnt (in dem Haggard seinerseits versucht hat, den Sprach- und Erzählduktus der altisländischen Sagas nachzuempfinden), passt das isländisch klingende Pseudonym sogar irgendwie. Nur ist der Roman keine Fortsetzung von Eric Brighteyes (was aus bestimmten Gründen eh schwierig wäre); stattdessen erzählt er praktisch die gleiche Geschichte, dieses Mal jedoch aus der Sicht von Erics Gegenspielerin, der Zauberin Swanhild the Fatherless (aka Schwanhild die Vaterlose). Das Ergebnis ist besser, als man erwarten würde, und vor allem für diejenigen, die Haggards Roman gern gelesen haben, könnte es interessant sein, Swanhild dieses Mal nicht als böse Hexe, sondern als Frau mit nachvollziehbaren Motiven und Absichten zu erleben. Man sollte allerdings bereit sein, sich mit einem Stil und einer Sprache auseinanderzusetzen, die heutzutage vermutlich sehr merkwürdig und fremdartig wirken.
Im gleichen Jahr wie A Witch’s Welcome erschien Mildred Downey Broxons zweiter Roman The Demon of Scattery (1979), und hier stand tatsächlich ihr Name auf dem Cover – wenn auch nur als Co-Autorin, denn der Roman ist in Zusammenarbeit mit Poul Anderson entstanden. Die Schlange von Scattery (1983) – so der deutsche Titel – ist ein solider historischer Fantasy-Abenteuerroman mit Wikingern, die genau das tun, was die Wikinger im 9. Jahrhundert auf ihren Raubzügen eben so getan haben, mit christlichen Mönchen und vor allem einer Nonne namens Birgit, deren Glaube schwer geprüft wird, und einer alten Gottheit, die Birgit die Hilfe gewähren kann, die sie so dringend braucht. Und natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte, wie überhaupt in diesem Roman nicht viel passiert, das man nicht in etwa so erwartet hätte.
Too Long a Sacrifice (1981), Mildred Downey Broxons dritter Roman, auf dessen Cover nur ihr richtiger Name stand, war wesentlich ambitionierter als die beiden vorangegangenen Werke. Darin geraten im Irland des 6. Jahrhunderts zwei Menschen, der Barde Tadgh MacNiall und dessen Frau, die Heilerin Maire ni Donnall, in Kontakt mit den Sidhe und verschlafen in deren Königreich die Jahrhunderte. Als sie in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts in Belfast wieder in die Welt der Menschen zurückkehren, geraten sie mitten in die heiße Phase des Nordirlandkonflikts. Mehr noch, sie stehen auf verschiedenen Seiten, denn sie sind nicht nur getrennt voneinander zurückgekehrt, sondern außerdem die Avatare alter Gottheiten, die genau wie die Menschen des Landes, aus dem sie kommen, miteinander in ewigem Streit liegen … Too Long a Sacrifice (dt. Im Bann der Grünen Insel (1983)) ist ambitioniert und bemüht sich um eine ausgewogene Darstellung der Konfliktparteien; auch die Vermischung von keltischer Mythologie bzw. romantisierendem Keltentum und der Welt des 20. Jahrhunderts (die in diesem Fall von Terroranschlägen, Bomben und automatischen Waffen geprägt wird) funktioniert recht ordentlich. Trotzdem ist der Roman nicht rundum gelungen, wirkt eher wie ein Versprechen auf Werke, die vielleicht noch erscheinen werden. Doch dazu ist es – abgesehen von einer Handvoll Kurzgeschichten – nie gekommen, denn in der zweiten Hälfte der 80er Jahre ist Mildred Downey Broxon zumindest als Autorin phantastischer Literatur verstummt.
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