Bibliotheka Phantastika erinnert an Sterling E. Lanier, der heute 85 Jahre alt geworden wäre. Dem am 18. Dezember 1927 in New York City geborenen Sterling Edmund Lanier hat das Genre nicht nur die Veröffentlichung von Frank Herberts Dune zu verdanken, für das er sich als Lektor eingesetzt hatte, nachdem es mehrfach abgelehnt worden war, sondern auch einige Romane und Kurzgeschichten aus Laniers eigener Feder.
In seine Geschichten spielte sowohl sein Wissen als Archäologe und Anthropologe hinein, wie auch seine militärische Familientradition und sein Interesse an Kryptozoologie. Besonders deutlich lässt sich das in den Club-Stories um Brigadier Donald Ffellowes erkennen, der zwischen den beiden Weltkriegen im Auftrag der britischen Krone durch die ganze Welt gereist ist und dabei allerhand unglaubliche Abenteuer erlebt hat, von denen er in einem New Yorker Club nur allzu gern erzählt. Die zwischen 1968 und 1982 im Magazine of Fantasy & Science Fiction veröffentlichten Geschichten wurden in den beiden Bänden The Peculiar Exploits of Brigadier Ffellowes (1971) und The Curious Quests of Brigadier Ffellowes (1986) gesammelt und seither leider nie wieder nachgedruckt.
Auch in den beiden Romanen um Per Hiero Desteen, einen Priester und Krieger in einer postapokalyptischen Welt tausende Jahre nach der nuklearen Zerstörung, spielt eine veränderte Tierwelt eine große Rolle. Die atomare Verseuchung hat zu Mutationen geführt, die in Form von Monstern dem Helden Hiero, der als “Computersucher” für seine Abtei auf der Jagd nach Relikten aus längst vergangener Zeit ist, nicht nur das Leben schwer machen, sondern ihm auch Gefährten bescheren, die maßgeblich daran beteiligt sind, dass Hiero’s Journey (1973, dt. Hieros Reise (1975)) aus der Masse thematisch ähnlicher Romane herausragt: Da wäre zunächst Hieros Reittier, der Riesenelch Klootz, der Hiero nicht nur durch die verwilderten Wald- und Sumpflandschaften des zerstörten Nordamerika bringt, sondern sich auch telepathisch mit ihm verständigen kann, vor allem aber Gorm, ein junger Schwarzbär, der ein treuer und humorvoller Reisebegleiter wird und auf ganz eigene Weise mit Hiero kommuniziert.
Mit seinen Verweisen auf die Relikte der alten Zivilisation und die Verheerung durch den Atomkrieg haftet Hiero’s Journey zwar durchaus der Odem des Kalten Krieges an, doch nicht nur die tierischen Gefährten und der trotz des Reise- und Abenteuermotivs sehr ruhige Erzählton machen es zu einer interessanten Lektüre, sondern auch viele Details wie etwa die nur noch marginal vorhandene weiße Bevölkerung Nordamerikas.
Die zehn Jahre später erschienene Fortsetzung The Unforsaken Hiero (1983, dt. Der unvergessene Hiero (1985)) erreicht nicht mehr ganz dieses Niveau und lässt am Ende auch einiges offen – einen abschließenden dritten Band hat Lanier nie geschrieben.
Hiero Desteen und Brigadier Ffellowes mögen vielleicht ein wenig Staub angesetzt haben, doch wenn man sich auf die Erzählstrukturen einlässt und über große Entwürfe staunen kann, denen vielleicht der letzte handwerkliche Schliff fehlt, ist der am 28. Juni 2007 mit 79 Jahren verstorbene Sterling E. Lanier ein lesenswerter Vertreter der enorm ideenreichen und experimentierfreudigen Genreliteratur der 1970er Jahre.