Bibliotheka Phantastika erinnert an Mervyn Wall, der heute vor 15 Jahren gestorben ist. Das schriftstellerische Oeuvre des am 23. August 1908 in Dublin, Irland, geborenen und am 23. Mai 1997 im Alter von 89 Jahren gestorbenen Mervyn Wall ist ziemlich überschaubar – ein paar Theaterstücke, eine Handvoll Romane und Erzählungen – doch die beiden Romane, die er ziemlich zu Beginn seiner Karriere schrieb, sind wunderbare Beispiele schrullig-phantastischen Erzählens und hätten einen höheren Bekanntheitsgrad mehr als verdient.
The Unfortunate Fursey (1946) erzählt die Geschichte des Laienbruders Fursey, der es etwa um das Jahr 800 n.Chr. herum im irischen Kloster Clonmacnoise mit einer Horde Teufel und Dämonen zu tun bekommt, die in seiner Zelle Zuflucht vor den Gebeten der rechtschaffenen Mönche suchen und sich dort – da Fursey die notwendigen Gebete für einen korrekten Exorzismus nicht schnell genug aufsagen kann – häuslich einrichten. Was zur Folge hat, dass der arme Fursey mit Schimpf und Schande aus dem Kloster gejagt wird … und damit fangen seine Probleme dann erst so richtig an. Denn Fursey, der doch eigentlich nur eines will, nämlich ins Kloster zurückkehren und wieder in der Küche arbeiten, muss nicht nur wider Willen eine Hexe heiraten, sondern wird vollkommen unabsichtlich und ohne eigenes Zutun auch noch zu einem Zauberer. Und all seine Versuche, der Kirche seine Unschuld zu beweisen, scheitern, so dass er seine Rettung – wenn man denn das, was am Ende geschieht, als Rettung bezeichnen will – letztlich dem großen Widersacher seiner ehemaligen Mitbrüder zu verdanken hat. In The Unfortunate Fursey (dt. Der unheilige Fursey oder das Irland der Frommen (1983)) balanciert Wall gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Komödie und Tragödie bzw. vermischt auf virtuose Weise humoristische und ernste oder traurige Elemente – und zeigt nebenher, dass sich die Fantasy durchaus dazu eignen kann, die Abenteuer eines eher unbedeutenden Mannes zu schildern. In The Return of Fursey (1948; dt. Furseys Rückkehr in das Irland der Frommen (1987)) ist der Humor dann noch ein bisschen schwärzer, galliger, und die satirischen Seitenhiebe auf Politik, Kirche und Bürokratie sind schärfer. Trotzdem sorgen die Versuche des vom Christentum und seinen ehemaligen Mitbrüdern aus nachvollziehbaren Gründen enttäuschten Fursey, böse und sündhaft und ein richtiger Zauberer zu werden, in Anbetracht seiner entsprechenden Erfolge natürlich immer noch für so manches Schmunzeln; nur so richtig herzhaft lachen mag man nicht mehr …
Nach den beiden Fursey-Romanen hat Wall sich der zeitgenössischen Literatur zugewandt und ist nur für ein paar Erzählungen in den 70er und 80er Jahren noch einmal zur Phantastik zurückgekehrt, doch seinen Platz im Fantasy-Pantheon hatte er sich bereits in den 40er Jahren verdient. Wobei es mindestens ebenso bedauerlich wie interessant ist, dass Mervyn Wall und seine Fantasyromane im anglophonen Sprachraum fast vergessen bzw. nur einer Handvoll Spezialisten bekannt sind. Immerhin hat Fursey es in den 80er Jahren auch nach Deutschland geschafft, wo er passenderweise in einer Reihe mit Romanen von T.H. White (dessen Humor dem Walls nicht ganz unähnlich ist) und James Stephens (einem ebenfalls kaum noch bekannten irischen phantastischen Erzähler) erschienen ist, noch dazu in einer wirklich schön gestalteten und angemessen übersetzten Ausgabe.
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Hm, das klingt richtig interessant…
Ist das denn – so wie es klingt – eine eher angenehme “Zwischendurchmahlzeit” zum Lesen oder hat das Buch dann doch einen eher hohen Anspruch an den Leser? Ich brauch irgendwie mal wieder was leichteres…
@ Elric:
Das eignet sich mMn schon als Zwischenmahlzeit. Die Bücher sind nicht sehr dick, und weder sprachlich noch inhaltlich kompliziert. Letzten Endes sind es die Abenteuer eines eher unbedarften, aber keinesfalls bösen Menschen, der durch widrige Umstände in diverse Situationen gerät, in denen er einfach den Kürzeren ziehen muss. Ich habe mir gestern beim Schreiben des Beitrags die ganze Zeit überlegt, mit welchen bekannteren Autoren ich Wall bzw. seine Fursey-Romane vergleichen könnte, aber es ist mir keiner eingefallen, der so ganz passt. Mervyn Wall ist ein bisschen wie T.H. White (allerdings ohne die Bitterkeit, die “The Once and Future King” dann irgendwann durchzieht), ein bisschen wie Barry Hughart, ein kleines bisschen wie Terry Pratchett. Und er ist ganz sicher nicht wie Piers Anthony oder Craig Shaw Gardner oder diese Art von Humoristen.
Hdh –
Gerd (wenn ich meine Gedanken mal wieder besser sortiert habe, fällt mir ja eventuell noch mehr ein ;))
Hah, das klingt genau richtig. Muss ich doch tatsächlich mal sehen, dass ich mir da was besorge. Ich hatte schon nen Pratchett überlegt, aber irgendwie ist mir nicht so 100%ig danach. Dann schau ich mal, dass ich da ein Buch bekommen kann…
Danke Gerd!
Vielen Dank für die tolle Beschreibung! Ich habe das Buch damals in den 80ern gleich mehrmals gelesen und es bis heute im Regal. Das es aber davon eine Fortsetzung gibt, wußte ich noch nicht. Flugs bestellt und sehr gespannt. 🙂