Zum 75. Geburtstag von Caza

Bibliotheka Phantastika gratuliert nachträglich Caza, der bereits heute vor zwei Wochen seinen 75. Geburtstag feiern konnte. Caza ist das Kürzel, unter dem der am 14. November 1941 in Paris geborene Philippe Cazaumayou seine Arbeiten veröffentlicht, die ihn in der Frühphase des Die große Außenwelt von Caza(damals innovativen) Comicmagazins Métal Hurlant zu einem der wichtigsten Vertreter des neuen phantastischen französischen Erwachsenencomics machten. Seine Bedeutung lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass Les Humanoïdes Associés (der Verlag, in dem Métal Hurlant erschien) ihm 1979 einen Caza 30×30 betitelten Bildband (“30×30” verweist auf das ungewöhnliche LP-Format) gewidmet hat – eine Ehre, die außer ihm nur Moebius alias Jean Giraud und Phillippe Druillet zuteil geworden ist.
Bevor sich Caza einen Namen als Comic-Künstler gemacht hat, hat er zehn Jahre als Grafiker in der Werbung gearbeitet. Da ihn diese Tätigkeit auf Dauer nicht befriedigte, wandte er sich ab Ende der 60er Jahre den Comics zu und veröffentlichte 1970 mit Kris Kool ein erstes Album, das inhaltlich von Jean-Claude Forests Barbarella (der Vorlage für den vermutlich hierzulande bekannteren gleichnamigen Film mit Jane Fonda) beeinflusst war, während es grafisch ganz in der Tradition der Pop-Art-Alben Guy Peellaerts stand.
Ab Anfang der 70er Jahre begann er, Innenillustrationen und bald vor allem Titelbilder für die französischen SF-Magazine Galaxie und Fiction und SF- und Fantasyromane zu schaffen und entwickelte binnen kurzer Zeit den typischen Stil, der ein Caza-Cover unverkennbar macht und ihn zu einem der gefragtesten Titelbildzeichner auf dem französischen Buchmarkt werden ließ, der bis vor kurzem in diesem Bereich durchgängig aktiv war. Parallel dazu veröffentlichte er erste kurze Comics in Pilote, die sich grafisch deutlich von seinem ersten Album unterschieden.
Mitte der 70er Jahre zog Caza in die Cevennen, und dieser Rückzug aus der Zivilisation scheint seine Kreativität enorm beflügelt zu haben, denn die Kurzgeschichten, die er ab 1975 für das gerade gestartete Métal Hurlant – anfangs in Schwarzweiß, bald darauf dann auch in Farbe – zeichnete, machten ihn rasch zu einem der Stars des Magazins (s.o.). Während Caza sich in Métal Hurlant mit phantastischen Themen austobte – die immer häufiger auch einen erotischen Touch hatten – entstanden für Pilote satirische Geschichten, die meist ins Phantastische oder Surrealistische lappten (und in denen Caza selbst auftritt); sie wurden in drei Alben als Scènes de la vie de banlieue (1977-79; 2003 auch als “Intégrale” aka Omnibusausgabe) gesammelt veröffentlicht*.
Les Remparts de la Nuit von CazaNach seiner Rückehr in die Zivilisation wandte Caza sich auch in den Geschichten für Pilote endgültig voll und ganz der Phantastik zu: die kurz nach der Magazinveröffentlichung in den Alben Les Habitants du crépuscule (1982) und Les Remparts de la nuit (1984) unter dem Obertitel L’Âge d’ombre (unter diesem auch als Intégrale (1998)) gesammelten Geschichten hätten sowohl grafisch wie inhaltlich auch bestens in Métal Hurlant gepasst und verbreiten eine mal mehr, mal weniger düstere Endzeitstimmung. Eine dieser Geschichten (“Equinoxe”) hat der Regisseur René Laloux zusammen mit Caza als kurzen Zeichentrickfilm adaptiert – das Ergebnis kann man sich hier anschauen, und auch wenn sich Comic und Film in mehrfacher Hinsicht unterscheiden, kann man auch in dem Film ein paar typische Merkmale von Cazas phantastischen Comics erkennen, etwa seine Vorliebe für titanische Bauwerke, unbekleidete Frauen … und verrätselte Inhalte.
Auch die Inhalte der für Métal Hurlant entstandenen Geschichten – die in den Alben Arkhê (1982) und Laïlah (1988) gesammelt wurden – erschließen sich nicht unbedingt auf Anhieb, und das gilt ebenfalls für Cazas magnum opus, die aus neun Alben bestehende Reihe Le Monde d’Arkadi. Schauplatz des 1989 mit Les Yeux d’Or-Fé begonnenen und mit Le Grand Extérieur (1990), Arkadi (1991), La Corne rouge (1992), Les Voyageurs de la mer morte (1993), Noone (1996), Le Château d’Antarc (2004), Pierres de Lune (2007) und Le Jour de l’arche (2008) fortgesetzten (die lange Pause zwischen Band sechs und sieben war u.a. einem Verlagswechsel geschuldet) und um einen Prolog – Nocturnes (2000) – ergänzten Zyklus ist eine Erde in ferner Zukunft, die umgeben von einem zum Asteroidenschwarm zerfallenen Mond ihre Rotation längst eingestellt hat, so dass es auf einer Seite immer hell ist, während die andere in ewiger Dunkelheit liegt. Nur in der Zwielichtzone können die auf eine primitive Kulturstufe zurückgefallenen Menschen überleben. Einer von ihnen ist Arkadi, der Sohn des Kriegers Arkas, der von mehreren Gefährten begleitet zu einer Queste aufbricht, die ihn nach Dité führen soll, der Kuppelstadt mitten im Herzen der Dunkelheit. Dort leben – umgeben von einer Hochtechnologie – ebenfalls Menschen, um die sich Titanen genannte Cyborgs kümmern. Einer dieser Cyborgs – ein Dichter namens Or-Fé – ist für den Fortbestand von Dité sehr wichtig – was allzu deutlich wird, als er verschwindet …
Pierres de Lune von CazaDie mittels abwechselnd im “Draußen” und in Dité spielender Handlungsstränge und grafisch in einem vor allem im Hinblick auf die Figurendarstellung ein bisschen näher an Moebius gerückten Stil erzählte Geschichte erschließt sich erst sehr allmählich (wobei der nachgelieferte Prolog – wie schon im Fall der Rork-Geschichten von Andreas – das Ganze etwas einfacher macht); das gilt allerdings nicht für deutschsprachige Leser und Leserinnen, denn die deutsche Ausgabe des Zyklus Die Welt von Arkadi wurde nach vier Alben – Die Augen von Or-Fé (1995), Die große Außenwelt, Arkadi (beide 1996) und Das rote Horn (1998) – abgebrochen. Was bedauerlich ist, da Caza ein farbiges und detailreiches, phantastisch umgesetztes Setting geschaffen hat, das weit mehr ist als eine Kulisse für eine durchaus originelle Geschichte.
Aber was Veröffentlichungen in deutscher Sprache betrifft, hat Caza ohnehin noch nie zu den (ganz) Glücklichen gezählt – aber auch nicht zu den (ganz) Unglücklichen, denn immerhin ist ein Großteil seiner frühen Arbeiten für Pilote und Métal Hurlant in ihren jeweiligen deutschen Pendants Pilot und Schwermetall erschienen und in fünf Caza betitelten und von eins bis fünf durchnummerierten Alben (mit dem Untertitel “Gesammelte Werke beim Volksverlag”, alle 1984) nachgedruckt worden**; dazu kommt der Band Die Träume des Caza (1979), der Geschichten enthält, die nicht in den Magazinen veröffentlicht wurden.
Was wäre noch über Caza zu sagen? Dass er für die zeichnerische Umsetzung von Gandahar (1988) verantwortlich war, einem 83-minütigen Zeichentrickfilm von (wieder) René Laloux, bei dem es sich um die Adaption des Romans Les Hommes-machines contre Gandahar von Jean-Pierre Andrevon handelt? Oder dass er das Szenario für den sogar noch etwas längeren Zeichentrickfilm Les Enfants de la pluie (2003) geschrieben hat, der eine freie Adaption des Serge-Brussolo-Romans À l’image du dragon darstellt? Oder dass er sich auch als Comic-Szenarist betätigt hat, und zwar für die vierteilige Albenreihe Amiante (1993-97, Zeichnungen Patrick Lemordan)?
Aber da sich Cazas Œuvre ohnehin nicht in ein paar dürren Zeilen erfassen lässt, soll an dieser Stelle einfach der Hinweis genügen, dass er ein leider hierzulande viel zu wenig bekannter Comickünstler ist, dessen phantastische Bilder – im eigentlichen und im übertragenen Sinn – einem lange im Gedächtnis bleiben.

* – lustig ist, dass die Cover der Alben bei Neuauflagen jeweils ausgetauscht wurden, so dass man Cazas Entwicklung und/oder Vermarktung hier sehr schön erkennen kann (einfach durchklicken)
** – ich kann leider nicht sagen, was in welchem Band ist, meine mich aber erinnern zu können, dass nur die letzten beiden Alben durchgängig farbig sind

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