Zum 75. Geburtstag von Hugh Walker

Bibliotheka Phantastika gratuliert Hugh Walker, der heute seinen 75. Geburtstag feiern kann. Das heißt, eigentlich gratulieren wir dem am 04. Februar 1941 in Linz an der Donau geborenen Fantasy-, Horror- und SF-Autor, Herausgeber und Übersetzer Hubert Straßl, der seine Romane und Erzählungen fast alle unter dem Pseudonym Hugh Walker veröffentlicht und es auch für seine Tätigkeit als Herausgeber genutzt hat. Wie viele andere Autoren und Autorinnen seiner Generation begann Straßl seine schriftstellerische Karriere im Fandom, genauer gesagt auf den Seiten des von der Wiener SF-Gruppe herausgegebenen Fanzines Pioneer, in dem ab Anfang der 60er Jahre seine ersten Geschichten erschienen, und zu dem er auch Artikel, Rezensionen und Übersetzungen beisteuerte. Seine Begeisterung für die in den USA damals boomende Fantasy (die zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger mit Sword & Sorcery bzw. Heroic Fantasy gleichzusetzen war) und deren Autoren sowie sein Interesse an strategischen Spielen machte ihn Mitte der 60er Jahre zu einem der Mitgründer von FOLLOW (das steht für “Fellowship of the Lords of the Lands of Wonder”), dem ersten deutschsprachigen Fantasyclub, in dem eine eigene Welt entworfen wurde, auf der ab 1968 das (auch heute noch fortgeführte) “Ewige Spiel” gespielt wurde. Was das mit dem Schriftsteller Hubert Straßl bzw. Hugh Walker zu tun hat? Eine ganze Menge, denn diese anfangs noch namenlose Welt bildet den Hintergrund für den vielleicht wichtigsten Teil seines Schaffens, den mehrfach überarbeiteten Magira-Zyklus.
Reiter der Finsternis von Hugh WalkerDoch bis zur professionellen Veröffentlichung des Magira-Zyklus sollte es noch einige Zeit dauern, auch wenn bereits 1969 eine erste Magira-Story (der bald weitere folgten) im Fanzine Pioneer of Wonder erschien. Inzwischen hatte Straßl allerdings ein paar Horror- und SF-Stories an Verlage wie Heyne oder Pabel verkaufen können, und ab 1971 kamen seine ersten SF-Heftromane auf den Markt, für die er – mit einer Ausnahme – das Pseudonym Hugh Walker nutzte, das ihn von nun an begleiten sollte.
Etwa um die gleiche Zeit wurde er vom Pabel Verlag – an den er seine Magira-Stories geschickt hatte – aufgefordert, auf dieser Grundlage ein Konzept für eine Fantasy-Serie zu entwerfen, da man sich bei Pabel angesichts des allmählich auch in Deutschland aufflackernden Interesses an Fantasy gute Chancen ausrechnete, eine derartige Serie am Markt etablieren zu können. Doch Walkers Konzept kam nicht zum Zuge; man entschied sich für ein anderes Konzept, in dem auf den Atlantis-Mythos zurückgegriffen wurde, was zusammen mit dem SF-lastigen Einstieg aus Dragon – Söhne von Atlantis, der so vollmundig angekündigten “ersten deutschen Fantasy-Serie”, einen am ehesten als Sword & Planet zu bezeichnenden Hybrid machte (wenn man von den wesentlich fantasyhafteren Abenteuern auf “Danilas Welt” absieht). Hugh Walker steuerte insgesamt dreizehn Romane zu Dragon bei, die sicher nicht zu seinen besten Arbeiten zählen, aber deutlich mehr Fantasy-Atmosphäre vermittelten als die fast aller seiner Kollegen.
1972 erschien mit Vampire unter uns Hugh Walkers erster Horror-Heftroman als erstes Heft der neu gestarteten Reihe Vampir Horror Roman, auf den rasch weitere folgen sollten. Walkers untypische, den eigentlich sehr schematischen Regeln für Heftromane selten folgende Romane haben ihn nicht nur zum Kultautor im deutschsprachigen Horror-Fandom gemacht, sondern waren einer der entscheidenden Gründe, warum dem Vampir Horror Roman im Hinblick auf die ersten 100, vor allem aber die ersten 50 Hefte ein deutlich höheres qualitatives Niveau bescheinigt wird als den zur gleichen Zeit erscheinenden Konkurrenzreihen*.
1974 wurde Hugh Walker Herausgeber der Taschenbuchreihe Terra Fantasy, in der er Autoren und Autorinnen wie John Jakes (die Geschichten um Brak, den Barbar), Andre Norton (Teile des Hexenwelt-Zyklus), Michael Moorcock (die beiden Runenstab-Zyklen), Leigh Brackett (die der Fantasy zuneigenden Marsgeschichten mit und ohne Eric John Stark), Thomas Burnett Swann, A. Merritt, Lin Carter (die Flashing-Swords- und Year’s-Best-Anthologien) und last but not least Robert E. Howard (die Geschichten über Kull, Solomon Kane, Bran Mak Morn und etliche nichtphantastische Stories) veröffentlicht und jeweils mit einem kurzen Vorwort vorgestellt hat (was im Prä-Internet-Zeitalter eine großartige Idee war), und in der nun endlich auch sein Magira-Zyklus seinen Platz fand.
Der Zyklus startete 1975 mit Reiter der Finsternis und wurde anfangs im Halbjahresrhythmus, später teilweise in etwas längeren Abständen mit Das Heer der Finsternis (1975), Boten der Finsternis, Gefangene der Finsternis (beide 1976), Stadt der Götter (1977), Dämonen der Finsternis (1978), Diener der Finsternis und Das Auge und das Schwert (beide 1979) fortgesetzt, hinzu kommt noch eine nur indirekt mit der Haupthandlung verbundene Novelle (“Die Rache der Toten”) in der Anthologie Schwerter, Schemen und Schamanen (1977). In dieser ersten, noch ganz der Tradition der Heroic Fantasy verpflichteten Version des Magira-Zyklus gerät Franz Laudmann, einer der Spieler des “Ewigen Spiels”, auf jene Spielwelt, deren Gott er doch eigentlich als Spieler sein müsste – schlimmer noch, er landet als Ketzer auf dem Altar der Äope, tief im Waldreich von Ish. Doch die junge Hohepriesterin Ilara erkennt, dass dieser auf ihrer Welt Frankari genannte Mann mehr ist als ein Ketzer, und daher flieht sie, die eigentlich das Menschenopfer vollziehen sollte, zusammen mit dem Fremden – und setzt damit Dinge in Bewegung, deren Auswirkungen auf Magira nicht abzusehen sind …
Was diese erste Inkarnation des Magira-Zyklus interessant macht, ist einerseits die ungemein dichte Atmosphäre, die Hugh Walker in den – vergleichsweise langsam erzählten – Bänden immer wieder heraufbeschwören kann, und andererseits das überaus plastisch und lebendig wirkende Setting. Hinzu kommen – neben Ilara und Frankari – Figuren wie Bruss, der immer zweifelnde und grübelnde Adept der Magie, oder die beiden Abenteuer Thorich und Thuon, und noch ein paar andere, und schließlich die schwer begreifbaren und fassbaren Mächte und Wesen wie die Mythanen oder der titelgebende Reiter der Finsternis. Auch wenn der Zyklus ab dem fünften oder sechsten Band spürbar an Stringenz verliert, ist er ein wunderbares Beispiel für frühe, nur ganz am Rande von amerikanischen Vorbildern beeinflusste deutsche Fantasy (und immerhin wurden die ersten drei Bände sogar ins Englische übersetzt).
Die Welt des Spielers von Hugh WalkerHugh Walker hat möglicherweise selbst gemerkt, dass ihm die Geschichte irgendwann ein bisschen aus dem Ruder gelaufen ist; zumindest würde das erklären, warum er den Zyklus nicht fortgesetzt hat. Und somit ist diese erste Version des Magira-Zyklus unvollendet geblieben – und der Fluch, der auf dem Zyklus zu liegen schien, hat dafür gesorgt, dass auch die späteren, deutlich überarbeiteten Versionen in der neu aufgelegten – und dieses Mal im Gegensatz zur Vorgängerreihe zumindest theoretisch auch über den Buchhandel vertriebenen und lieferbaren – Terra-Fantasy-Reihe nach drei Bänden (Die Welt des Spielers, Die ewige Schlacht (beide 1985) und An den Gestaden der Finsternis (1986)) bzw. der Hardcoverausgabe des HJB-Verlags (Die Welt des Spielers (1996)) nach einem Band (in dem aber die drei o.g. Romane enthalten sind) abgebrochen wurden.
Erst 2005/2006 erschien der sich deutlich von seiner ursprünglichen Version unterscheidende Magira-Zyklus erstmals vollständig in vier Bänden mit den Titeln Die Welt des Spielers, Die Macht der Finsternis (beide 2005), Die Stadt der Götter und Die Ufer der Wirklichkeit (beide 2006). Der Vergleich beider Versionen hat einen ganz eigenen Reiz, denn auch wenn die neue Version – zumindest vordergründig – immer noch in der Tradition der Heroic Fantasy zu stehen scheint, steckt in ihr doch wesentlich mehr, und sie wirft interessante Fragen auf.
Natürlich war Hugh Walker auch an der zweiten deutschen Fantasy-Heftserie Mythor beteiligt, sie beruht sogar zu einem wesentlichen Teil auf einem von ihm eingereichten Konzept, das allerdings abgewandelt wurde, um die Serie massenkompatibler zu machen. Hugh Walker schrieb den Auftaktband zwei Mal. Die eine Version ist im Frühjahr 1980 unter dem Titel Der Sohn des Kometen als Band 1 der Heftserie erschienen, die andere, ursprüngliche mit dem Titel Zauberei in Tainnia war lange Zeit nur als semiprofessionelle Ausgabe (im Magazin Magira #37 (1987)) verfügbar (bzw. eher nicht verfügbar). Diese Version wurde allerdings vor wenigen Wochen im Rahmen der Hugh-Walker-Werkausgabe beim Kleinverlag Emmerich Books & Media veröffentlicht, und auch hier ist ein Vergleich – nicht zuletzt im Hinblick auf die Frage, was (Heftroman-)Verlage für besser verkäuflich halten – höchst interessant. Und natürlich darf im Zusammenhang mit Mythor die “Subserie” um den Barbaren Nottr nicht unerwähnt bleiben, da diese Romane ein Highlight in der ansonsten immer mal wieder schwächelnden Serie um den “Sohn des Kometen” und seine vielen – vielleicht zu vielen – Gefährten waren.
Mythor - Der Sohn des KometenIn der oben bereits kurz erwähnten Werkausgabe wurde in den letzten knapp zweieinhalb Jahren ein großer Teil der nicht im Rahmen einer Serie geschriebenen Horror- und SF-Romane Hugh Walkers in ansehnlichen, häufig mit einem informativen Nachwort versehenen Ausgaben neu aufgelegt (die restlichen Titel werden in absehbarer Zeit folgen), was bei einem Autor, der in der deutschsprachigen Fantasy und im deutschsprachigen Horror aus gutem Grund eine Sonderstellung einnimmt, und dessen frühere Werke fast ausschließlich über den Zeitschriften- und Bahnhofsbuchhandel vertrieben wurden, mehr als zu begrüßen ist.
Es gäbe noch viel über Hugh Walker zu sagen, der u.a. die Buchausgaben der beiden Fantasy-Serien Dragon und Mythor bearbeitet und Erstere mit einem runderen Abschluss versehen hat (sowie jeweils einen zusätzlichen Einzelroman – Krieger des Namenlosen (2001) bzw. Fluch der Schattenzone (2000) – verfasst hat), der im Rahmen der Terra-Fantasy-Reihe zusammen mit einem Co-Autor noch einen weiteren Kurzzyklus (Welt der Türme) veröffentlicht hat, und der mit seiner Arbeit als Autor und Herausgeber Pionierarbeit für die Fantasy in Deutschland geleistet hat, aber an dieser Stelle bleibt uns nur noch eins: Herzlichen Glückwunsch, Hugh!

* – von den sechzehn Romanen, die Hugh Walker zum Vampir Horror Roman beigesteuert hat, sind allein neun zwischen Band 1 und 50 erschienen

3 Kommentare zu Zum 75. Geburtstag von Hugh Walker

  1. Pogopuschel sagt:

    Eine spannendes Stück deutsche Genregeschichte, die du hier in die Geburtstagsgratulation gepackt hast. Liest sich spannend. Auch wenn ich nie etwas von ihm gelesen habe, war der Name doch stets präsent.

    Auch von mir alles Gute!

  2. Andreas sagt:

    Eine sehr gelungene Zusammenfassung!
    Bei Hubert fallen mir die 80er Jahre ein, als ich bei seinen monatlichen Spieleabenden dabei sein durfte, die Lore und er in ihrem wunderschön abgeschieden gelegenen Haus im bayrischen Wald nahe Passau ausrichteten. Da waren nicht nur die Passauer EDFC-ler dabei, sondern immer auch Bob Dylan-Fans, die sich an seiner riesigen Bootleg-Sammlung erfreuten.
    Die beiden hatten auch eine immense Sammlung englischer Enzyklopädien und Dictionaries, die sie für ihre Übersetzungsarbeiten benötigten – völlig unverständlich für mich damals, der ich schon mit dem Standard-Dictionary in der Schule überfordert war. Mein Respekt für Übersetzer stieg da ungemein!

  3. gero sagt:

    Danke, ihr beiden!

    Ich denke, dass man das Schaffen und Wirken von Hubert Straßl/Hugh Walker eigentlich nicht von der Entwicklung der Fantasy in Deutschland – bzw. von dem Teil dieser Entwicklung, die außerhalb der Buchhandels-Schiene stattgefunden hat – trennen kann. Das und die Tatsache, dass die Magira-Romane den Schwerpunkt des Beitrags bilden sollten (weil sie mMn der für unsere Leserschaft interessanteste Teil seines Werks sind), hat die Struktur des Ganzen dann mehr oder weniger vorgegeben.

    Zum Ende hin ist mir dann leider ein bisschen die Zeit davongelaufen (ja, ich wusste, wann der Text fällig war, aber es ist halt manchmal, wie’s ist), denn eigentlich wollte ich noch zwei, drei Sätze zur Welt der Türme schreiben und noch ein bisschen intensiver auf Huberts Leistung als Herausgeber eingehen, aber das hat schlicht nicht mehr geklappt.

    Je, nu. Da diese Texte ja immer eher ein Schlaglicht auf den betreffenden Autor bzw. sein Werk werfen sollen, muss man halt damit leben, dass auch ein bisschen was im Dunkel bleibt – vor allem, wenn es um Autoren oder Autorinnen geht, die mehr als eine Handvoll Romane oder einen einzigen Zyklus veröffentlicht haben.

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