Hiero ist ein Priester, zum Kampf körperlicher und geistiger Art trainiert, der die kaum mehr wiederzuerkennende Welt tausende von Jahren nach dem “Tod”, der atomaren Zerstörung, bereist. Gefährlich mutierte – intelligent gewordene – Tiere durchstreifen die riesigen Wälder, und die Menschen leben zurückgedrängt in kleine Siedlungen. Die größte Gefahr jedoch geht von der Schwarzen Bruderschaft aus, mutierten Menschen, die sich den Rest der Menschheit untertan machen wollen.
Hiero wurde zusammen mit seinem klugen Reittier, dem Elch Klootz, aus seiner Abtei ausgesandt, um längst vergessene Hilfsmittel der früheren Zivilisation zu suchen, die den Kampf gegen die Schwarze Bruderschaft erleichtern sollen.
-Computersucher, dachte Hiero. Das klingt interessant und wichtig. Aber, fügte der pessimistische Teil seines Ich sogleich hinzu, auch ziemlich unverständlich, vorläufig wenigstens.-
1 Das Zeichen des Angelhakens
Das Horrorszenario des Atomkriegs liegt in Hieros Reise schon eine ganze Weile zurück, hat aber aufgrund der veränderten, gefährlichen Welt und des sichtbaren Niedergangs der Menschheit seinen Schrecken nicht verloren. Sterling E. Lanier ist es in seiner Endzeit-Heldenreise (wobei der Gleichklang hero-Hiero im Original natürlich naheliegender ist) gelungen, eine faszinierende, wieder-verwilderte Natur darzustellen, gegen die der Mensch kaum bestehen kann. Die Schauplätze sind riesige Wälder, Moore, Uferlandschaften und ab und zu eine versunkene Stadt. Die Wesen, denen Hiero begegnet, sind meistens monströs und darauf aus, den Helden aufzufressen oder ihm sonstwie zu schaden.
Die meisten Bewohner dieser menschenfeindlichen Umwelt sind “Standard-Mutanten”, denen heute eine leichte Staub-Patina anhaftet, allerdings gibt es ein paar originelle und sehr gelungene Ausnahmen, die Laniers Szenario zu etwas Außergewöhnlichem machen.
Besonderen Augenmerk hat der Autor aber auch auf die Weiterentwicklung der menschlichen Kultur gelegt: Relikte aus der Vergangenheit haben eine eigene, verwandelte Bedeutung erlangt, und die weiße Bevölkerung wurde in eine eher untergeordnete Rolle gedrängt, was zu recht interessanten Konstellationen führt (die Hauptpersonen sind übrigens indianischer oder afroamerikanischer Abstammung). Da Hiero ein christlicher Priester ist, erfährt man auch einiges über die Entwicklung des Glaubens und die Wirkung des Atomkriegs darauf. Hier läßt sich der Einfluß der über 10 Jahre seit dem Erscheinen von Walter M. Millers Canticle for Leibowitz nicht leugnen, doch wo Miller den Fokus auf Wissen, Glauben und gesellschaftliche Entwicklung legte, stehen bei Lanier das Abenteuer und die (nicht nur) negativ veränderte Welt im Vordergrund.
Besonders zu Beginn ist die Hauptfigur der einzige Bezugspunkt für den Leser, während Hiero alleine durch die Gegend reitet – seine Kommunikation beschränkt sich auf telepathischen Gedankenaustausch mit seinem Elch. Die intelligenten Tiere sind ein charmanter Aspekt des Romans, der vor allem in Form des später hinzukommenden Bären Gorm auch für eine Portion Humor sorgt. Die tut zu diesem Zeitpunkt allerdings auch Not, denn Hiero ist fast eine Spur zu sicher, zu übermenschlich gut, um als alleiniger Held heutigen Ansprüchen noch zu genügen. Je mehr Begleitung er bekommt, desto interessanter liest sich das Buch.
Der Held hat eine einfache Queste zu bestreiten und wandert auf einem mit Hindernissen gesäten Weg. Einigen Einzelabenteuern, die Hommagen an Phantastik-Wegbereiter wie William Hope Hodgson vermuten lassen, und auch dem Sprachstil des Autors, der sich selbst recht häufig mit Erklärungen und Hintergrundinformationen einbringt, merkt man das Alter von über dreißig Jahren an. Die Angst vor atomarer Vernichtung, die während des kalten Krieges präsent war, ist Zeugnis dafür, und einige handlungstechnische Ideen, die man in der Zwischenzeit schon des öfteren gelesen oder auch in Filmen gesehen hat – wer erinnert sich nicht an diverse Szenen, wo ein Kreuz-Anhänger eine tödliche Kugel abfängt?
Ein Relikt ist das Buch deswegen aber noch nicht, denn die Ideen rund um die Suche nach Überbleibseln der verlorenen Zivilisation, das düstere, aber äußerst lebendige Zukunftszenario und der vergnügliche Humor lassen sich auch heute noch gut lesen und zeichnen ein bunteres Bild von Fantasy als so mancher Roman aus dem üblichen Einheitsbrei.