Autor: Fforde@Jasper

Cover des Buches "Im Brunnen der Manuskripte" von Jasper FfordeUm vor ihren Widersachern geschützt zu sein, zieht sich die schwangere Thursday Next in einen im Brunnen der Manuskripte lagernden Kriminalroman mit dem Titel Caversham Heights zurück, der so schlecht ist, dass er wahrscheinlich nie veröffentlicht werden wird. Aber lange kann sie ihren Aufenthalt dort nicht ungestört genießen. Ein Mörder geht um, der einen Jurisfiktion-Agenten nach dem anderen ins Jenseits befördert, Aornis manipuliert immer noch Thursdays Erinnerungsvermögen und ein weiteres Mal versucht ein Großkonzern die Welt der Bücher unter seine Kontrolle zu bringen.

-In einem unveröffentlichten Roman zu wohnen hatte durchaus seine Vorteile. Die ganzen Alltagsgeschäfte, die uns im sogenannten wirklichen Leben auf Trab halten, wären für eine Erzählung in der Regel zu langweilig und werden deshalb meist ausgeblendet. Der Wagen brauchte nie aufgetankt zu werden, ich wählte nie die falsche Nummer, es gab immer ausreichend heißes Wasser, und die Beutel für den Staubsauger paßten auch immer.
1. Die Abwesenheit des Frühstücks

Der dritte Thursday-Next-Roman ist nicht ganz so temporeich und überdreht wie seine Vorgänger, trotzdem steht er ihnen an Skurrilität, Humor und Spannung in nichts nach. Die zahlreichen Anspielungen auf die Weltliteratur sind an Witz kaum zu überbieten. Miss Havisham führt in Emily Brontes Wuthering Heights mit sämtlichen Protagonisten eine Jurisfiktion-Wutberatungs-Therapiesitzung durch, zwei russische Klatschbasen tratschen im Fußnotofon bis zum bitteren Ende über die Ehe der Karenins und vor Thursday Nexts Tür stehen die drei Hexen aus Macbeth und ergehen sich wie gewöhnlich in undurchsichtigen bedrohlichen Prophezeiungen. Endlich erfährt der Leser, warum es sinnlos ist weiter auf Godot zu warten und was hinter dem scheinbaren Idyll in Enid Blytons Geschichten lauert. Und dank Jasper Fforde wissen die Deutschen nun, was mit ihrer schönen Sprache geschehen ist: sie wurde vom NeuSchreib-Vyrus befallen.

Den Mispeling Vyrus hatte Konrad Duden nahezu gänzlich unter Kontrolle gebracht aber in letzter Zeit hat eine Clique von größenwahnsinnigen Qmiehs einen NeuSchreib-Vyrus in Umlauf gebracht, der gegen jede Vernunft resistent ist und auch schon einige literarische Werke zerstört haben soll. Die Deutschen können einem schon leid tun. Neulich stand ein ganzes Rudel am Tor und hat nach verloren gegangenen Adverbien gesucht. Ich hab’ sie natürlich nicht reingelassen. Man konnte gleich sehen, dass sie schwere Regelwut hatten.

Danke Jasper Fforde, dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Cover von Der Fall Jane Eyre von Jasper FfordeEngland, 1985: Der Krimkrieg zwischen England und dem zaristischen Rußland dauert schon über 130 Jahre. Wales ist eine Volksrepublik. Weite Strecken legt man mit dem Luftschiff zurück und manchmal gerät die Zeit aus den Fugen. Literatur besitzt einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Da lohnt es sich für gewissenlose Subjekte, Verbrechen an der Literatur zu begehen. Thursday Next ist LiteraturAgentin in den Diensten des Special Operations Network und arbeitet an der Aufklärung solcher Verbrechen. Meistens geht es dabei um Fälschungen oder Raubdrucke. Doch eines Tages stiehlt der skrupellose Acheron Hades Dickens Originalmanuskript des Martin Chuzzlewit und bald stellt sich heraus, daß diese Aktion nur als Generalprobe gedient hat: Für den Fall Jane Eyre.

-Mein Vater hat ein Gesicht, das eine Uhr stoppen kann.-

Sie kennen sich in der englischen Literatur aus? Und gleichzeitig besitzen Sie eine Vorliebe für Agentenkomödien? Sehr gut! Damit erfüllen Sie die Voraussetzung, um diesen Roman von Jasper Fforde voll und ganz genießen zu können.

Die Welt, in der Thursday Next lebt, wird – abgesehen vom Krimkrieg – vor allen Dingen von der Literatur bestimmt. Die Hälfte der Bevölkerung hat ihren Namen in “John Milton” umgeändert, aus Verehrung für den großen Dichter. Baconier gehen wie die Zeugen Jehovas von Tür zu Tür, um die Menschen davon zu überzeugen, daß Francis Bacon die Werke Shakespeares verfaßt hat. Die Frage, wer Hamlet, Macbeth, Romeo und Julia etc. verfaßt hat, wird äußerst heftig diskutiert. Allen Literaturfreunden kann ich verraten, daß dieses Rätsel schließlich definitiv gelöst wird. Aber das ist nur ein Nebenprodukt der Geschichte. Kenntnisse der englischen Literatur benötigt man nicht nur, um Spaß an dieser bizarren Welt zu haben, sondern auch, um die vielen Anspielungen und Zitate zu verstehen. Und wer seine Jane Eyre nicht gut genug kennt, wird die Spur nicht bemerken, die Fforde für den Leser legt.

Diese Hommage an die Literatur verbindet Jasper Fforde mühelos mit einer James-Bond-Parodie. Die Agentin Thursday Next macht sich auf, den Superschurken Acheron Hades zur Strecke zu bringen. Der bedroht zwar nicht die ganze Welt, aber er begeht ein Verbrechen an der Literatur, das zumindest die Welt der Fans des Romans Jane Eyre zusammenbrechen läßt. Wie bei James Bond gibt es auch einen Erfinder: Thursdays Onkel Mycroft. Onkel Mycroft hat bei einem seiner letzten Experimente seinen Assistenten in ein Baiser verwandelt, seitdem hilft Tante Polly ihrem Mann bei den Versuchen, die durchaus nicht alle tödlich enden. Mycroft ist es gelungen, Pizza per Fax zu versenden, er hat einen Bleistift mit eingebauter Rechtschreibprüfung erfunden und in seiner Garage steht ein Rolls Royce, der die Farbe wechseln kann. Außerdem hat er einen Weg gefunden, wie man in Bücher einsteigen kann und wenn man Glück hat, auch wieder heraus kommt. Falls Sie jetzt vermuten, daß dies ein zentraler Punkt der Handlung ist, dann liegen Sie richtig. Außerdem mischt Thursdays Vater von Zeit zu Zeit in der Geschichte mit und die “Goliath Corporation”, eine Organisation, die wie Orwells Big Brother nicht nur ihre Augen überall hat, sondern auch noch ihre schmutzigen Finger.

Grau von Jasper Fforde„Ich muss mich in Demut üben“: nach einem kleinen Scherz muss Eddie Russett diesen Anstecker tragen und in einem Dorf nahe der Gesindel-Grenze ebendieses tun, indem er eine Stuhlzählung durchführt – dabei hat er als Mensch mit einer exzellenten Rotwahrnehmung Zuhause beste Aussichten auf eine Prestige- und Farbtonreiche Heirat. Doch als in einer Filiale der NationalColor-Gesellschaft, die für die synthetische Colorierung der wohlhabenden Teile der Welt zuständig ist, ein Bürger unter mysteriösen Umständen stirbt, nehmen Ereignisse ihren Lauf, die Eddie nicht ignorieren kann. Und dann ist da auch noch Jane, die stupsnasige Schönheit, die versucht, ihn umzubringen…

2.4.16.55.021: Männer haben sich auf Interkollektivreisen nach Kleiderordnung Nr. 6 zu richten. Hüte werden ausdrücklich empfohlen, sind aber nicht vorgeschrieben. –
Ein Morgen in Zinnober, S. 5

Eddie Russett sieht rot. Was bei unsereins nur in Ausnahmefällen passiert – vielleicht wenn unser Lieblingsbuch out-of-print geht oder der 42. Band von Die Zwerge zum Bestseller wird –, ist für den jungen Protagonisten des neuen Romans von Japser Fforde ein Urteil von einer Tragweite, die der Leser erst nach und nach begreift. Ist die Bestimmung der Farbwahrnehmung eines Menschen einmal vollzogen, gleicht das Leben einem wohlbekannten Buch: man weiß genau, was passiert. Dieser Initiationsritus, Ishihara genannt, macht aus Kindern Erwachsene, was in Grau jedoch keinen großen Unterschied macht.

Jasper Fforde schafft mit seinem Roman eine Zukunftsvision, die trotz aller Farbenprächtigkeit und der Bemühungen von NationalColor düster erscheint. Ungefähr 500 Jahre in der Zukunft regelt eine Zentrale alle Bereiche des Lebens, immer ausgehend davon, welche Farbe ein Mensch wahrnehmen kann. Die handelnden Figuren bleiben dabei zum größten Teil so monochrom wie ihr Sehvermögen, wobei jeder durch ausgesuchte Boshaftigkeit immer aufs Neue zu überraschen weiß. Diskriminierungsgründe glaubt der Mensch viele zu kennen, und keiner ist so bequem und schnell bei der Hand wie die Farbe. In der Welt des Eddie Russett, wo Vorurteile sich als Regeln tarnen, wird nichts so ausführlich zelebriert wie die Unterwürfigkeit auf der einen und unverrückbare Dominanz auf der anderen Seite. Das daraus resultierende Gefühl der Stagnation zieht sich wie ein Faden durchs Buch, der aufgrund seiner Farbe scheinbar von niemandem außer dem Leser wahrgenommen werden kann. Doch Eddie ist nicht umsonst ein Roter, und so begeht er eine Ungeheuerlichkeit: er beginnt, Fragen zu stellen.

Denn alle Regeln werden grundsätzlich befolgt, ohne hinterfragt zu werden. Soziale Beziehungen werden ausschließlich aufgrund von Kosten-Nutzen-Rechnungen gepflegt; Freundschaften sind limitiert und werden ganz im Stile unserer sozialen Netzwerke angeboten: Die Frage „Freundschaft?“ kann formal abgelehnt oder angenommen werden; dabei spielt weniger Sympathie, sondern Berechnung eine Rolle und treibt die Tendenz zur Sinnentleerung des Begriffes auf die Spitze.
Sinnentleert sind übrigens viele Regeln, die Munsell, eine Art Prophet, einst formulierte und nach deren Wortlaut die Gesellschaft handelt und funktioniert. Zahlreiche Tabus beengen jeglichen Handlungs- und Gefühlsspielraum, und der Leser kann nicht anders, als die mit Postleitzahl und Barcode klassifizierten Bürger als Gefangene ihres eigenen Systems zu begreifen.

Fforde führt den Leser behutsam an seinen Weltentwurf heran und lässt den Einstieg farbenfroh erscheinen. Als Leser erfreut man sich zunächst an den skurrilen Rückbezügen zu unserer heutigen Zeit und an den faszinierenden (Hierarchie-)Strukturen einer chromatischen Diktatur. Gemeinsam mit Eddie Russett begreift man schließlich mehr und mehr Facetten von Grau, bis einem das Lachen ab und an im Halse stecken bleibt. Denn so witzig die Absurditäten einer bis ins kleinste Detail von Regeln durchflochtenen Gesellschaft sind, so weiß man auch: man selbst möchte um keinen Preis in der Haut einer Fford’schen Romanfigur stecken. Die Unbeschwertheit seiner Zukunftsvision verliert sich im Laufe der Kapitel zwangsläufig mit Eddies schrittweiser Erkenntnis – zurück bleibt der gewohnte Fford’sche Humor und eine ordentliche Portion Unbehagen. Während Eddie Farbschicht um Farbschicht abträgt, um der Wahrheit unter all der Fassade näherzukommen, bekommt er es mit Nachtangst, Apokryphen und einer Menge Gesindel innerhalb der eigenen Dorfgrenzen zu tun. Und mit Jane.

Ja, Grau ist auch eine Liebesgeschichte, die zwangsläufig ohne rosaroten Kitschglanz auskommen muss. Denn Jane ist eine Graue, gehört also der niedrigsten gesellschaftlichen Schicht an und ist zudem das, was man als militante Freidenkerin bezeichnen könnte. Ihre Ideale sind losgelöst von jeder Farbwahrnehmung und bar jedes pazifistischen Gedankens. Das “Greater Good” verlangt Opfer, zu denen auch Eddie von Zeit zu Zeit zählt. Wenn dieser nicht gerade umgebracht werden soll, entwickelt er sich vom ahnungslosen, aber ungefährlichen Naivling zum Feind Eurer Farbenprächtigkeit. Dass die farbenprächtigsten Bewohner des Dorfes nicht imstande sind, menschliche Facetten abseits ihres schwarz-weißen Barcodes wahrzunehmen, ist bezeichnend für Ffordes Gespür für Ironie. Und nicht zuletzt beweisen die letzten Kapitel, die einer Erkenntnisexplosion gleichkommen, wie erschreckend gut der Autor seine Welt durchdacht hat. Radikaler als Thursday Next und mit hochaktuellen Themen, ist Grau nicht nur ein witziges Absurditätenkabinett, sondern eine rasante Dystopie, von der man mit Sicherheit eines sagen kann: von Schwarz-Weiß-Malerei ist sie weit entfernt.

Cover des Buches "In einem anderen Buch" von Jasper FfordeSeit Thursday Next aus Jane Eyre zurückgekehrt ist, hat ein regelrechter Medienrummel um sie eingesetzt. Ständig muss sie zu Fototerminen oder Zeitungsinterviews geben, jetzt soll sie auch noch in der Adrian-Lush-Show auftreten, darf aber nichts Essentielles sagen, da dies entweder gegen die Dienstordnung von SpecOps verstößt oder gegen die militärische Geheimhaltung oder gegen die Firmengrundsätze der Goliath Corporation, der die Fernsehstudios gehören. Thursday hat die Nase gestrichen voll, sie möchte nichts anderes als ihr Leben mit ihrem Ehemann Landen genießen. Doch gerade als es den Anschein hat, dass glückliche Zeiten für sie anbrechen, wird Landen genichtet. Jemand ist in die Vergangenheit gereist und hat dafür gesorgt, dass Landen im Alter von zwei Jahren stirbt. So soll Thursday dazu gezwungen werden Jack Schitt aus Poes Der Rabe herauszuholen. Und als ob das nicht schon genug Schwierigkeiten wären, trachtet auch noch ein Unbekannter nach Thursdays Leben und außerdem wird am 12. Dezember die Welt untergehen.

-Ich hatte nicht darum gebeten, eine Berühmtheit zu werden. In der Adrian-Lush-Show wollte ich auch nicht auftreten, und solange nicht gerade ein Weltuntergang droht, würde ich so etwas Albernes wie Das Thursday Next Fitness-Video auch nicht machen.-
I. Die Adrian-Lush-Show

Falls der ein oder die andere nicht jedes Wort der Inhaltsangabe verstanden hat, so ist das kein Grund zu Beunruhigung, zeigt es doch nur, dass Thursdays zweiter Fall genauso abgefahren, voll überbordender Phantasie und skurrilem Witz ist wie der erste. Schon die Auflistung der Zuschauerzahlen der Fernsehsender im September 1985 auf der ersten Seite sorgt für Lacher. Eigentlich soll sie dokumentieren, dass die Adrian-Lush-Show die meistgesehene Show in Thursdy Nexts Welt ist, doch schon an der sechsten Stelle folgt die Sendung Gefährliche Irre diskutieren im Fernsehen. Der Rezensent kann keine rationale Erklärung dafür abgeben, warum ihm da sogleich sonntagabendliche Polit-Talkshows eingefallen sind, gibt es doch noch zahlreiche andere im deutschen Fernsehen, die gemeint sein könnten – Talkshows natürlich.
Jasper Fforde liefert nicht nur wieder eine höchst vergnügliche phantastische Agentenparodie, sondern er verteilt auch kräftig Seitenhiebe, z.B. gegen selbstgefällige Talkshow-Moderatoren, deren Gäste viel reden, aber möglichst nichts sagen sollen, es sei denn etwas Werbewirksames über den Sponsor der Show. Und natürlich sind Jasper Fforde auch Weltkonzerne vom Schlag einer Goliath Corporation ein Dorn im Auge, die die Welt beherrschen wollen, indem sie die Medien beherrschen und wirtschaftliche und politische Macht ausüben.

Schräge Agentenparodien gibt es einige, was Ffordes Romane von ihnen unterscheidet und die Thursday-Next-Bücher so lesenswert macht, ist, dass sie unbändige Lust wecken, sich mit der Literatur zu beschäftigen in die Thursday bei ihren Einsätzen hineingerät oder auf die Fforde intelligent anspielt.
Thursday muss sich nicht nur in Poes Raben hineinbegeben, sie findet sich auch plötzlich in einem Prozeß à la Kafka wieder. Miss Havisham aus Dickens Große Erwartungen lehrt sie, wie man in Bücher springt. Thursday landet in Verstand und Gefühl, trifft die Herzkönigin und die Grinsekatze und gerät auch schon einmal in eine Waschanleitung. Unzählige Werke werden nur kurz erwähnt wie Marlowes Edward II.; Romeo und Julia, Julius Caesar, David Copperfield, Ulysses, Die Abenteuer des David Balfours, Barchester Towers, König Salomos Schatzkammer oder Vergessene Welt. Wer da keine Lust bekommt, in seinem Bücherregal zu stöbern, dem ist nicht mehr zu helfen.