: viktorianisches Setting

Cover des Buches Aether von Ian R. MacLeodEngland – Die Industrialisierung hat einen Höhepunkt erreicht. Die Fabriken arbeiten auf Hochtouren, vor allen Dingen um ein besonderes Produkt herzustellen: Aether. Ohne Aether würde nichts in England funktionieren. Aether hat England mächtig gemacht – und reich, vor allen Dingen einige Gilden, die eine Art Standesvertretung der verschiedenen Berufszweige sind, und deren führende Mitglieder, die Großmeister. Der junge Robert Borrows soll in einer der Aetherfabriken in der nordenglischen Provinz Werkzeugmacher werden, doch als seine Mutter unter grauenvollen Umständen stirbt, entschließt er sich, nach London zu gehen. Dort schließt er sich einer revolutionären Gruppe an und verliebt sich in ein Mädchen, das zu einer der mächtigsten Familien Englands gehört.

-Ich sehe sie immer noch. Ich sehe sie im ärmsten Teil von London. Jenseits der neuen Eisenbrücken, auf denen die Straßenbahnen über die Fähren hinweggleiten – dort, wo die Themse sich vielarmig im Schlick der Gezeitenzone ausbreitet.-
Teil 1 Großmeister

Aether (The Light Ages) ist ein Entwicklungsroman, der vom gesellschaftlichen Aufstieg eines Opportunisten erzählt, er erzählt aber auch von einer Liebe und von einer großen Lüge. Ian R. MacLeod übt Gesellschaftskritik und er vermittelt dem Leser das Gefühl, eine perfekte Beschreibung der englischen Klassengesellschaft im 19. Jahrhundert zu erhalten. Nur – der Roman spielt nicht im 19. Jahrhundert, sondern am Ende des Dritten Industriellen Zeitalters. Die Arbeiter schuften nicht in Bergwerken und Baumwollwebereien, sondern in Aetherfabriken. Nicht Adlige und Industriebarone haben die Macht, sondern die Großmeister der bedeutendsten Gilden und es gibt Klassenkämpfer, Sozialrevolutionäre, die das System stürzen wollen, auch wenn sie nicht Marx und Engels heißen. Ian R. MacLeod erschafft eine Welt, die dem Leser vertraut ist, weil sie zur europäischen Geschichte gehören zu scheint, andererseits ist sie faszinierend fremdartig. Der Aether hält zwar Maschinen zusammen, die ohne ihn auseinanderfallen würden, aber er birgt auch Gefahren. Mit Aether kann man aus Tieren Monster machen und es gibt Menschen, die nach Unfällen zu furchtbar entstellten Wesen wurden, leidende Kreaturen, die in besonderen Anstalten verwahrt werden müssen. Trotzdem schildert MacLeod keine Horrorszenarien, er legt es nicht darauf an, beim Leser Schockeffekte hervorzurufen, er beschreibt die Wirklichkeit des Dritten Industriellen Zeitalters auf eine selbstverständliche, unspektakuläre Weise und erschafft damit eine ganz besondere Atmosphäre und das obwohl die Menschen in Aether genauso sind, wie sie schon immer waren: Machtgierig, voller Ideale, desillusioniert, verliebt, aufopferungsvoll, egoistisch, widersprüchlich – kurz gesagt: menschlich.

Das Cover von Alaizabel Cray von Chris WoodingDer junge Thaniel Fox ist Hexenjäger, einer der gefährlichsten und anerkanntesten Berufe in ganz London, das seit einer Bombadierung durch Luftschiffe von sogenannten Hexlingen überannt wird – Kreaturen, die aus Mythen und Märchen zu stammen scheinen. Als Thaniel eines dieser gefährlichen Wesen zur Strecke bringen soll, findet er stattdessen ein junges Mädchen ohne Erinnerung, eine Verrückte vielleicht. Doch als Bruchstücke der Erinnerung von Alaizabel zurückkehren, wird klar, daß sie in eine große Bedrohung für ganz London verwickelt ist. Thaniel versucht dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, während sich Alaizabel in ständiger Gefahr befindet: Hexlinge werden von ihr angezogen wie Motten vom Licht.

-Bedrohlich tief kam das Luftschiff daher. Sein langer Bauch schimmerte, vom Licht der Gaslaternen unter ihm getroffen, silbern durch den Nebel.-
1 Verfolgungsjagd/Thaniel erlebt eine böse Überraschung/Erste Eindrücke

Luftschiffe, Hexenjäger und Serienmörder – Alaizabel Cray (The Haunting of Alaizabel Cray) verspricht einen abenteuerlichen Steampunk-Spaß, der sich aber gleich von der ersten Seite an als sprachlicher Rohrkrepierer erweist. Offenbar stand der Roman unter der Prämisse, sich mit hölzernem und effektheischendem Ausdruck an möglichst junge Leser anzubiedern, obwohl er thematisch am ehesten für ältere Jugendliche gedacht ist, die möglicherweise nicht mehr in jedem dritten Satz ein Ausrufezeichen brauchen, um sich gut und spannend unterhalten zu fühlen. Die Holzhammersprache bleibt leider auf der ganzen Länge des Romans erhalten, wirkt in actionreichen oder auch besonders leisen Szenen eher noch unpassender und verdirbt das ansonsten größtenteils doch sehr gelungene Ambiente.

Würden Sprache und Inhalt ein bißchen besser Hand in Hand gehen, so hätte Alaizabel Cray einiges zu bieten: ein nebliges London bei Gaslicht, in dessen Gassen neben Mördern und Wölfen auch mythische Wesen wie Gnome, Werwölfe und Dämonen ihr Unwesen treiben und in dem sich in den Nächten nur die Furchtlosen auf die Straßen wagen – oder diejenigen, die müssen, weil sie bei der industriellen Revolution auf der Verliererseite standen.
Diese düstere Atmosphäre hat Wooding im Prinzip sehr gut eingefangen und  gekonnt mit den phantastischen Elementen verknüpft – besonders gelungen sind ihm beispielsweise die zur Industrialisierungszeit passenden magischen Prozeduren wie die Arbeit mit diversen Reagenzien und magischen Zeichen, aber auch die Namensgebung der auftretenden Figuren zeugt eigentlich von einem guten Gefühl für das Setting.

Bei der Ausarbeitung der Charaktere hatte diese Sorgfalt allerdings auch schon wieder ein Ende – sie bestechen eher durch Coolness als durch Charme und haben eine starke Tendenz zu comicartigen, aufgeblasenen Superhelden, deren Beweggründe und Persönlichkeiten niemals übers Schablonenartige hinauskommen. Schade drum, denn die Geschichte an sich glänzt mit einer guten Balance zwischen Action und Ruhe und Wooding ist kein schlechter Erzähler. Er verbindet geschickt das kriminalistische Miträtseln an einer Verschwörungsgeschichte und einem Serienmord mit der langsamen Aufdeckung des Hauptplots – auch wenn es keine sensationellen Wendungen und Überraschungen gibt und die Bösewichte letzten Endes ziemlich ausgelutschte Nummern sind. Ein wenig Gruseln und Fingernägelkauen wären aber auf jeden Fall drin gewesen, nur schafft es der Autor nicht, den Leser ganz in die Welt zu ziehen oder mit seinen Charakteren mitfiebern zu lassen.
(rezensiert von: mistkaeferl)

Anno Dracula von Kim NewmanEs ist 1888 und Königin Victoria von England hat sich einen neuen Gemahl gewählt: den Grafen Dracula. Täglich wächst die Gemeinde der Vampire, mal mehr, mal weniger freiwillig und so spalten sich bald die Gruppen derer, die den Vampirismus begrüßen, und derer, die sich auf eine Rebellion vorbereiten. In diese sensiblen Situation einer Gesellschaft, die mit der Veränderung noch nicht ganz zurecht kommt, mischt sich nun auch ein Serienkiller ein, der es mit seinem Silbermesser auf Vampirhuren abgesehen hat.

– Last nights delivery was easier than the others. Much easier than last week’s. Perhaps, with practice and patience, everything becomes easier. If never easy. Never … easy. –
In the Fog, Dr Seward’s Diary, S. 11

Mit Anno Dracula entführt uns Autor Kim Newman in eine alternative Realität des 19. Jahrhunderts – drei Jahre nach Bram Stokers Dracula – und stellt die Frage: Was wäre, wenn es Van Helsing seinerzeit nicht gelungen wäre Graf Dracula zu vernichten? Was, wenn der Vampir stattdessen quicklebendig, oder besser gesagt quickuntot, ins britische Königshaus eingezogen und die Queen zu einer seiner Frauen gemacht hätte?
Im vorliegenden Roman ist genau dieses Szenario real geworden. Dracula hat aber nicht nur überlebt, er hat seine Widersacher auch ausgeschaltet und badet in Blut und in seiner neuen Machtposition als britischer Thronhalter. In drei Jahren Herrschaft des Grafen hat sich die Gesellschaft Englands daher stark verändert. Auf der einen Seite ist der Vampirismus gesellschaftsfähig geworden und gehört inzwischen sogar zum guten Ton. Neugeborene Vampire leben hier mit britisch höflicher Erziehung ihr gewohntes Leben nahezu unverändert weiter und stillen ihren Blutdurst an freiwillig spendenden “Warmen”. Auf der anderen Seite wird diese scheinbar friedliche Koexistenz von den mittelalterlichen Vorgehensweisen Draculas und dessen persönlicher karpatischer Leibgarde immer wieder durchbrochen, da sie ein eng gesponnenes Netz aus Angst und Kontrolle über die Stadt gelegt haben. Blutbäder, Menschenjagd, Konzentrationslager, Blut-Prostitution und gewaltsames Blutsaugen sorgen für die Bildung rebellischer Gruppen unter den Warmen. Doch auch unter den Vampiren herrscht keine vollkommene Einigkeit, stellt uns Kim Newman hier doch die Idee verschiedener Blutlinien vor, von denen Dracula keinesfalls die Älteste, ja nicht einmal eine angesehene besitzt. In dieses wackelige Gefüge einer Gesellschaft, die mit der drastischen Veränderung noch nicht ganz zurecht kommt, gesellt sich nun noch die Jagd nach dem grausamen Serienkiller Jack the Ripper dazu, der des nachts durch die von Gaslicht spärlich erhellten Straßen Whitechapels schleicht und untoten Prostituierten mit seinem Silbermesser zum endgültigen Tod verhilft.

Die Handlung von Anno Dracula ist ein aufwendig konzipiertes Intrigenspiel, in dem es um Politik und Serienmord geht, und doch ist es schwer die wahre Stärke des Romans richtig zu beschreiben. Spannungsgeladene Handlungsbögen liefert dieser Roman nicht, denn der Leser lernt den Mörder bereits auf den ersten Seiten kennen. Wovon er nicht sofort etwas ahnt, das sind die Fäden, die im Hintergrund gezogen werden und auf ein gemeinsames Ziel zusteuern. Im Gesamtkonzept präsentiert sich Anno Dracula daher weniger wie ein Roman mit stringenter Queste, vielmehr gewinnt man den Eindruck eines klassischen Spionageromans mit verschiedenen involvierten Parteien und vielen kleinen Einzelgeschichten, die zu einem homogenen Ganzen verbunden werden. Das Spannende besteht letztlich darin zuzusehen, wie Kim Newman das Bekannte mit dem Neuen verbindet, um damit eine wirklich gut ausgearbeitete Atmosphäre und Erzählung zu schaffen, in der der Leser auf viele bekannte Namen und Orte aus Film und Literatur trifft. Sherlock Holmes, Bram Stoker, Jeanne D’Arc, der Diogenes Club, Oscar Wilde, Jack the Ripper, Professor Moriarty, Inspector Lestrade, Dr. Jekyll … die Beispiele sind manigfaltig in die Geschichte verwoben und liefern ein interessantes Crossover quer durch alle Genres, die das viktorianische Zeitalter, real und fiktiv, zu bieten hat.
Anno Dracula ist unterhaltsam, bildgewaltig und beklemmend zugleich. Wer echte Vampire sucht, der findet sie in diesem Roman garantiert.

Was die Sprache angeht, ist Anno Dracula nur denen im Original zu empfehlen, die in der englischen Sprache geübt sind. Zahlreiche eher selten gesehene Vokabeln tummeln sich hier neben weniger verbreiteten Redewendungen oder Zitaten. Wer also nur gelegentlich mal in englischsprachigen Büchern schmökert, der sollte auf die (leider deutlich weniger schöne) deutsche Ausgabe Die Vampire aus dem Heyne Verlag zurückgreifen, welche die drei bisher veröffentlichten Romane des Zyklus in gesammelter Form enthält.

Zusatzmaterial:
Die hier besprochene Neuauflage von Anno Dracula enthält einiges an Zusatzmaterial. Von einer über Jahre hinweg zusammengetragenen Sammlung der verwendeten Namen, Autoren, Filme, Titel usw., über ein alternatives Ende des Romans bis hin zu einer Kurzgeschichte des Autors. Fast 100 Seiten bieten noch mehr Einblick in Newmans blutig neue Welt und verschiedene Hintergründe zu seinem Roman.

Blameless von Gail CarrigerVon ihrem Ehemann verschmäht, ihres Postens als Mujah enthoben und von Vampirattentätern verfolgt, begibt sich Lady Maccon auf die Suche nach Antworten in Bezug auf ihren seelenlosen und ausgesprochen schwangeren Zustand. Zusammen mit Madame Lefoux und ihrem Diener Floote reist sie nach Italien, wo vermutlich die größten aller Schrecken auf sie warten: Kaffee und Pesto!

– An image of her husband’s face momentarily broke her resolve. That look in his eyes the last time they saw each other – so betrayed. But what he believed of her, the fact that he doubted her in such a way, was inexcusable. How dare he leave her remembering some lost-puppy look simply to toy with her sympathies! –
Kapitel 1, S. 6

In Blameless (Entflammte Nacht) rückt der bisher vorhandene romantische Aspekt der Buchreihe deutlich in den Hintergrund. Wer sich die letzten Ereignisse aus Changeless (Brennende Finsternis) in Erinnerung ruft, wird darüber nicht allzu verwundert sein. Mit gewohnt bissigem Wortwitz und schrulligen wissenschaftlichen Erfindungen wie mechanischen und ausgesprochen mörderischen Marienkäfern, hebt sich Gail Carriger mit Blameless einmal mehr von der Romantasy-Welle ab und präsentiert ihren Lesern eine turbulente Abenteuergeschichte. Die Autorin greift außerdem einen Handlungsstrang auf, der in den ersten Bänden nur angedeutet bzw. als vollendete Tatsache präsentiert wurde.

Sehr sympathisch ist es, wie Gail Carriger ihre alternative Realität mit vertrauten Dingen bestückt und diese gleichzeitig in ein neues Licht setzt. So wird Pesto beispielsweise vollkommen zu Unrecht für eine leckere Speise gehalten, denn eigentlich handelt es sich hierbei, aufgrund der strategisch gut gewählten Zutaten, um eine effektive Waffe, sowohl gegen Werwölfe als auch gegen Vampire. Nicht verwunderlich also, dass Pesto sich trotz seiner zusätzlich schmackhaften Eigenschaften im von Vampiren und Werwölfen bevölkerten England keiner besonders großen Beliebtheit erfreut.
Man merkt Blameless zudem deutlicher an als den Vorgängern, dass die Autorin Archäologin ist und gerne in der Geschichte gräbt. So werden auch verschiedene bekannte Artefakte und geschichtliche Entdeckungen einer neuen Bedeutung zugeführt, die sich wunderbar in das Bild dieser multikulturellen Gesellschaft einfügt.

Wer sich auf Lord Maccon freut, wird in Blameless auf die Folter gespannt. Der grantige Werwolf hat leider nur wenige Auftritte, dafür sind diese aber kaum zu überbieten und sorgen für Lachanfälle vom Feinsten.
Fans der schrägen Hutmode dagegen wird es freuen zu hören, dass Miss Ivy Hisselpenny eine besonders delikate Aufgabe zuteil wird, die einen zunächst die Hände über dem Kopf zusammen schlagen und das Armageddon für die Modewelt befürchten lässt.

Alles in allem verliert der dritte Band aus der Reihe The Parasol Protectorate nichts von seinem Witz oder Charme und ist genauso lesenswert wie seine Vorgänger. Durch die neue Rahmenhandlung, die erst zum Schluss hin deutlich wird, gewinnt der Roman jedoch zusätzlich an Spannung. Während Soulless (Glühende Dunkelheit) in sich abgeschlossen ist und durchaus für sich allein stehen bleiben kann und auch Changeless lediglich ein weiterer Roman innerhalb der selben Welt mit den selben Protagonisten ist, lässt Blameless nun klar werden, dass es um eine größere Hintergrundgeschichte geht, welche den Ursprung aller Außer- und Übernatürlichen aufzudecken beginnt und in Heartless (Feurige Schatten) eine Fortsetzung findet. Der Leser begibt sich also nun auf Spurensuche und fühlt sich dabei ein wenig wie Indiana Jones auf der Jagd. Das Buch schließt diesmal ohne großen Cliffhanger ab, lässt aber viel Raum, um neugierig auf den vierten Band zu machen.

Cover von Bleicher Morgen von Colleen GleasonMiss Victoria Gardella Grantworth ist die letzte der Gardella-Blutlinie und damit auch die letzte vom Schicksal bestimmte Vampirjägerin. Sie ahnt von ihrer Bestimmung nichts, bis sie immer wieder von dem gleichen Traum heimgesucht wird, in dem Vampire sie verfolgen. Unsicher, was dies bedeutet, fragt sie ihre Tante Eustacia um Rat. Als sich das Geheimnis offenbart, muss Victoria eine Entscheidung treffen, die ihr Leben für immer verändern wird.

– Seine Schritte waren geräuschlos, und dennoch merkte Victoria, dass er sich bewegte. –
Unsere Geschichte nimmt ihren Anfang, S. 9

Zu Bleicher Morgen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Brennende Finsternis von Gail CarrigerLady Alexia Maccon findet das heimatliche Anwesen unerfreulicherweise ohne Ehemann vor. Während dieser sich ebenso ohne Vorankündigung nach Schottland begeben hat, haust im Vorgarten ein ansehnliches Rudel Werwölfe, das auf Alexias Gartengestaltung wenig Rücksicht nimmt. Als sich eine Art Krankheit, die aus den Übernatürlichen wieder Sterbliche macht,  in Conell Maccons Richtung bewegt, begibt sich Alexia kurzentschlossen selbst auf den Weg nach Schottland. Gewisse Ereignisse verlangen jedoch, dass sie dabei von der Erfinderin Madame Lefou, ihrer Freundin Ivy Hisselpenny und sogar ihrer Schwester begleitet wird – ein chaotisches Gespann mit Lachgarantie.

– Lord Conall Maccon, der Earl of Woolsey, brüllte. Laut. –
Alexia ärgert sich über Zelte und Ivy hat etwas bekannt zu geben, S. 7

Zu Brennende Finsternis liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Changeless von Gail CarrigerIn Changeless, dem 2. Teil des Parasol Protectorates, findet Lady Alexia Maccon das heimatliche Anwesen unerfreulicherweise ohne Ehemann vor. Während dieser sich ebenso ohne Vorankündigung nach Schottland begeben hat, haust im Vorgarten ein ansehnliches Rudel Werwölfe, das auf Alexias Gartengestaltung wenig Rücksicht nimmt. Als sich eine Art Krankheit, die aus den Übernatürlichen wieder Sterbliche macht,  in Conell Maccons Richtung bewegt, begibt sich Alexia kurzentschlossen selbst auf den Weg nach Schottland. Gewisse Ereignisse verlangen jedoch, dass sie dabei von der Erfinderin Madame Lefou, ihrer Freundin Ivy Hisselpenny und sogar ihrer Schwester begleitet wird – ein chaotisches Gespann mit Lachgarantie.

– Werewolf, was he? Well, Alexia Maccon’s parasol was tipped with silver for a reason. She walloped him again, this time making certain the tip touched his skin. At the same time, she rediscovered her powers of speech.
“How dare you! You impudent” – whack – “arrogant” – whack – “overbearing” – whack – “unobservant dog!” Whack, whack. –
Kapitel 1, S.18

Schon die ersten Seiten von Changeless (Brennende Finsternis) lassen erkennen, hier wird es wieder genauso absurd komisch wie im ersten Teil Soulless (Glühende Dunkelheit). Angereichert mit der gewohnt charmanten Prise Steampunk kommt der spitze Humor in Form britischer Trockenheit wieder frühzeitig in Fahrt und treibt die Mundwinkel in die Höhe. Skandalöse Kleidungsstile sowie der obligatorische  Sonnenschirm, in dem sich ein ganzes Arsenal an tödlichen Waffen verbirgt und der ein bisschen an James Bonds Kollegen Q denken lässt, lassen darüber hinaus keine Wünsche offen.

Während die Handlung dieses Mal etwas löchrig geraten ist, wurden die Figuren deutlich besser ausgearbeitet als im Vorgänger. Sie haben mehr Tiefe, mehr Persönlichkeit und wirken kurzum solide. Diese Nähe zu den Charakteren macht es einem leicht, sich von der Geschichte und ihren urkomischen Wendungen mitreißen zu lassen. Manch nervtötender Persönlichkeit möchte man da trotz ihrer Zierlichkeit gerne auch mal den Damenschuh in das fein zurechtgemachte Hinterteil treten.

Auch sprachlich ist Changeless wieder ein Highlight. Im Gegensatz zur deutschen Ausgabe kommt im Original natürlich auch der schottische Akzent in voller Pracht zum Vorschein und strapaziert gemeinsam mit den hitzigen Wortgefechten die Lachmuskeln zusätzlich. Schon allein deswegen macht das Original noch mal eine ganze Ecke mehr Spaß. Daneben fällt auch immer wieder auf, wie intensiv sich Gail Carriger mit den Details zu ihren Romanen befasst, seien es nun die Verhaltensregeln und Manieren, wissenschaftliche und technische Erfindungen oder die Beschaffenheit viktorianischer Mode. Mit einer sichtbaren Liebe für all diese Details schafft es die Autorin, wieder ein lebendiges Bild ihrer Welt zu zeichnen, ohne sich dabei in ermüdend langen Beschreibungen zu ergehen.

Mit Changeless liefert Gail Carriger erneut eine paranormale romantische Komödie ab, in der Geister, Mumien, zeterndes Weibsvolk und schottische Werwölfe in Kilts ihren großen Auftritt haben.
Besonders fies ist jedoch die letzte Wendung und der damit verbundene Cliffhänger zum Schluss. Da sollte man sich unbedingt den 3. Band, Blameless (Entflammte Nacht), frühzeitig zulegen und bereithalten.

Cover von Circes Rückkehr von Libba BrayGemma versucht weiterhin ihr Schicksal zu verfolgen und die Magie des magischen Reichs wieder an den Orden zu binden. Sie und ihre Freundinnen sind plötzlich in der Lage, die Magie dieser anderen Welt mit in ihr viktorianisches London zu holen, wo sie die Weihnachtsferien bei ihren Familien verbringen. So gerne Gemma das Chaos der magischen Welt für eine Weile vergessen würde, so akut ist jedoch die Bedrohung durch Circe, und die Mädchen begeben sich auf die Suche nach dem verlorenen Tempel, dem Schlüssel zur Kontrolle der Magie. Unterdessen ist Gemma hin und her gerissen zwischen dem exotischen Rakshana Kartik und dem attraktiven, aber nicht sehr tiefgründigen Lord Denby, der ihr den Hof macht.

– “Verbirg deine Absicht vor ihr. Gewinne ihr Vertrauen.” Und nach einer Pause: “Wenn nötig, mach ihr den Hof.”
Ich dachte an das selbstbewusste, eigensinnige Mädchen, dem ich auf Schritt und Tritt gefolgt war. “Sie lässt sich nicht so leicht den Hof machen.” “Jede Frau lässt sich gerne den Hof machen. Man muss es nur richtig anstellen.” –
Kapitel 1, S. 18

Zu Circes Rückkehr liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Entflammte Nacht von Gail CarrigerVon ihrem Ehemann verschmäht, ihres Postens als Mujah enthoben und von Vampirattentätern verfolgt, begibt sich Lady Maccon auf die Suche nach Antworten in Bezug auf ihren seelenlosen und ausgesprochen schwangeren Zustand. Zusammen mit Madame Lefoux und ihrem Diener Floote reist sie nach Italien, wo vermutlich die größten aller Schrecken auf sie warten: Kaffee und Pesto!

– Als sein Gesicht kurz vor ihrem inneren Auge auftauchte, brachte das ihre Entschlossenheit für einen Moment ins Wanken. Dieser Ausdruck in seinen Augen, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten – so verletzt und betrogen. Doch das, was er von ihr glaubte, und dass er derart an ihr zweifelte, war unentschuldbar. Wie konnte er es wagen, sie nur mit der Erinnerung an seinen verlorenen Hundeblick alleinzulassen und derart mit ihrem Mitgefühl zu spielen! –
Die Misses Loontwill setzen sich mit einem Skandal in ihrer Mitte Auseinander, S. 14

Zu Entflammte Nacht liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Etiquette & Espionage von Gail CarrigerDie 14-jährige Sophronia Angelina Temminnick ist ein Wildfang, der ihrer Mutter mehr Arbeit und Sorge macht als alle (zahlreichen) Geschwister zusammen. Ihr Knicks ist zum Fürchten, ihr ständig zerrauftes Erscheinungsbild sowieso, und von ihrer freien Meinungsäußerung wachsen Mrs. Temminnick noch graue Haare. Höchste Zeit also, das Kind auf eine anständige Benimmschule für Mädchen zu verfrachten, wo man Sophronia die Flausen austreiben und aus ihr eine wohlerzogene junge Dame machen soll. Doch spätestens auf dem Weg dorthin wird schnell klar, dass hier irgendetwas im Busch ist, als die Kutsche von fliegenden Wegelagerern angegriffen wird.

– Mrs. Barnaclegoose had decided opinions on reforming other woman’s daughters. Sophronia did not want to be reformed. So she had pressed the dumbwaiter into the service of espionage. –
Lesson 1: The Start of Being Finished

Mit Etiquette & Espionage startet Autorin Gail Carriger in ihre neue Buchreihe The Finishing School Series. Die sachlichen Infos vorweg: Dieser Roman spielt in der selben Welt wie auch das Parasol Protectorate, ist aber ca. 20 Jahre früher angesiedelt und erschien als Jugendbuch. Auf pikantere Inhalte wird in dieser neuen Reihe entsprechend verzichtet.

Der Roman startet zunächst als klassische Internatsgeschichte im viktorianischen Stil. Das Konzept ist klar: Mädchen werden auf eine Benimmschule geschickt, schließen dort außergewöhnliche Freundschaften und sie bestehen gemeinsam ein Abenteuer.
Bei Gail Carriger allerdings macht die spezielle Würze den Unterschied aus. Etiquette & Espionage präsentiert, ähnlich wie schon das Parasol Protectorate, eine starke Heldin. Sophronias vorlaute Ehrlichkeit und ihr Entdeckergeist sind wie ein strammer Wind im Teenie-Schmonzetten-Regal. Hier geht es einmal nicht darum, sich möglichst schnell und unheilbar in irgendeinen mysteriösen Jungen zu verlieben, sondern darum, einen wichtigen Prototyp zu finden, dabei Luftpiraten abzuwehren, sich von mechanischen Hausdienern nicht erwischen zu lassen, Maschinenräume widerrechtlich zu betreten, in luftigen Höhen zwischen Zeppelin-Plattformen hin und her zu klettern, Ablenkungsmanöver korrekt einzusetzen, einen Verräter zu überlisten, und und und …
Die Devise heißt nicht »Sei brav!« sondern »Lass dich nicht erwischen!«, denn was Miss Geraldine’s Schule hervorbringt, sind zukünftige Spione, getarnt als wohlerzogene junge Damen. Für diese Aufgabe fühlt sich Sophronia, die an ihrer Grazie wohl noch eine Weile länger arbeiten muss, bestens geeignet und sie freut sich diebisch darüber. Erst recht, wenn sie daran denkt, was ihre Mutter wohl dazu sagen würde, hätte die auch nur den Hauch einer Ahnung von den Vorgängen.

Mit gewohnt humorvollem Erzählstil erweckt Gail Carriger ihre Geschichte mit vielen verspielten Details zum Leben. Viel deutlicher als im Parasol Protectorate kommen hier die Kennzeichen des Steampunks zum Vorschein und erschaffen eine lebendige Welt im technischen Wandel. Rauchende Schornsteine, Luftschiffe und mechanische Erfindungen en masse! Es quietscht, es tropft, es qualmt, wohin man auch blickt.
Schön sind außerdem die vielen Nebenfiguren, die aus dem Parasol Protectorate wieder aufgegriffen wurden. So trifft man u.a. auf Genevieve Lefoux und Lady Kingair in ihren jüngeren Jahren. Vorkenntnisse aus den vorherigen Büchern Carrigers braucht man an dieser Stelle nicht, es sorgt lediglich für Amüsement, die bekannten Figuren soviel jünger zu erleben.
Selbstverständlich trifft man in diesem Buch auch auf ganz neue Charaktere, bei denen nicht nur die Namen für heftiges Schmunzeln sorgen. Ebenso begegnen wir wieder Vampiren und Werwölfen im feinen (und weniger feinen) Zwirn.

Ein paar Abzüge gibt es freilich auch zu nennen. Die Idee einer Spionage-Schule ist durchaus mal etwas neues. Es hat jedoch oft den Anschein, dass das Potential dieser Schule und ihrer Charaktere nicht ausgeschöpft wurde. Manches wirkt etwas zu gut konstruiert und die Charaktere agieren gelegentlich zu clever (insbesondere für ihr Alter), auch mangelt es dem Plot an Substanz, vorhersehbar ist er leider auch recht schnell. So ganz warm geworden scheint die Autorin mit ihrer neuen Reihe noch nicht zu sein. Nichtsdestotrotz ist Etiquette & Espionage eine tolle Abwechslung zu sonstigen Jugendbüchern und liefert vor allem Mädchen ein Vorbild, das mehr kann als sich unsterblich zu verlieben und alle Handlungen um diese Liebe herum aufzubauen. Sophronia ist da deutlich vielseitiger und auch vielseitiger interessiert. Mal sehen, ob es Gail Carriger schafft, mit dem Nachfolger auch wieder zu etwas mehr inhaltlicher Überzeugungskraft zurück zu finden.

Feurige Schatten von Gail CarrigerLady Alexia Maccon kann es wieder einmal nicht lassen. Obwohl sie bereits im achten Monat schwanger ist und den gefühlten Umfang eines Walfisches angenommen hat, lässt sie sich von ihren Pflichten als Mujah in eine abenteuerliche, kriminologische Suche verwickeln. Nachdem sie ein reichlich verwirrter Geist gewarnt hat, die Königin solle ermordet werden, macht sich Alexia sofort auf die Suche nach der Bedrohung, wenig beeindruckt von ihrem unerhört großen Bauch oder dem Westminster Hive, welches die werdende Mutter weiterhin nur in einer Form sehen möchte: tot und das möglichst schnell.

– Lady Alexia Maccon gefiel es ganz und gar nicht, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Wütend funkelte sie die Männer vor ihr an. Erwachsene, gestandene Männer, die etliche Jahrhunderte älter waren als sie, und dennoch brachten sie es fertig, wie betretene kleine Jungen auszusehen. –
Lady Alexia Maccon watschelt

Zu Feurige Schatten liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Gemmas Visionen von Libba Bray1895 – Gemma Doyle, ein launischer und verwöhnter Teenager, feiert ihren sechzehnten Geburtstag, als sie zum ersten Mal von einer Vision heimgesucht wird, die ihr bisheriges Leben völlig verändert. Gemma sieht, wie ihre Mutter sich selbst tötet, um einem Schattenwesen zu entkommen, das sie zu verschlingen droht. Gemma, die ihr Leben in Indien verbracht hat, wird zu ihrer Familie nach London geschickt, wo sie ein Pensionat für junge Damen besuchen soll. Niemand ahnt etwas von ihren Visionen, die nur der Anfang eines viel größeren Geheimnisses sind.

– Ich starre einer Kobra in die Augen. –
1. Kapitel

Zu Gemmas Visionen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Glühende Dunkelheit von Gail CarrigerMiss Alexia Tarabotti hat ein Problem. Sie ist nicht nur eine Außernatürliche, d.h. vollkommen seelenlos, und die Tochter eines (toten) Italieners, nein, sie hat auch gerade einen Vampir mit ihrem Sonnenschirm ermordet. Selbstverständlich blieb ihr nichts anderes übrig, denn der wenig elegante Gentleman war so unhöflich, sie beim Tee zu stören und zu allem Überfluss auch noch beißen zu wollen! Damit tritt sie eine Welle von Ereignissen los, die ihr Leben als alte Jungfer gründlich umkrempelt und ungebremst über den Werwolf-Alpha, Lord Maccon, hinweg rollt.

-Alexias Bücher nannten dieses Ende des Lebenszyklus eines Vampirs Deanimation. Alexia, die der Meinung war, dass der Vorgang erstaunlich dem In-sich-Zusammenfallen eines Soufflés ähnelte, beschloss in diesem Augenblick, es den Großen Kollaps zu nennen.-

Soulless von Gail Carriger
Im Vergleich: Das Cover der Originalausgabe

Vorweg ein Wort zur Optik. Es kommt außerordentlich selten vor, dass man dies über ein bei uns übersetztes Buch sagen kann, doch in diesem Fall fällt es wirklich nicht schwer: Die deutschen Cover lassen das Original weit hinter sich. Das Model der deutschen Ausgabe ist zwar eindeutig zu jung und etwas zu perfekt geraten für eine Protagonistin, die durch ihre Ecken und Kanten trumpft, doch die Gesamtgestaltung transportiert das Steampunk-Setting ausgesprochen gut, wirkt liebevoll gemacht und schafft sofort die richtige Atmosphäre. Eine wirklich gute Arbeit! Endlich mal ein Buch im Vampirregal, um das man weder optisch noch inhaltlich einen Bogen machen muss.

Wer es gerne very british mag, der sollte sich Glühende Dunkelheit (Soulless) von Gail Carriger zu Gemüte führen. Zugegeben, so richtig blutrünstig sind Carrigers Werwölfe und Vampire auch nicht, aber immerhin glitzern sie nicht in der Sonne, gehen nicht seit 400 Jahren auf die High-School und scheuen nicht einmal vor erotischen Gratwanderungen zurück. Angesichts des vielen Tees, bestickter Handschuhe und anderer dekorativer Eigenschaften bleibt das Buch aber wohl dennoch ein Werk, welches hauptsächlich für die Damenwelt interessant sein dürfte.

Wir befinden uns im viktorianischen London. Die Industrie bringt immer mehr erstaunliche Erfindungen hervor, wie etwa die von Miss Tarabotti bewunderten Luftschiffe. Die Gesellschaft hat einige Jahrzehnte zuvor eine weitreichende Veränderung erlebt, als Werwölfe und Vampire zu akzeptierten und anerkannten Bügern und Bürgerinnen wurden. Seitdem bekleiden sie hochrangige Ämter und sind gern gesehene Gäste auf Dinnerpartys der feinen Gesellschaft. Menschen schließen sich ihnen als Drohnen oder Claviger an und gebissen wird nur, wenn alles seine bürokratische Korrektheit hat.
Dass die Gesetze zwischen Übernatürlichen und Normalen auch gewahrt und kontrolliert werden, sichert das BUR (Bureau of Unnatural Registry). Dessen Leiter, Lord Conall Maccon, 4. Earl of Woolsey und Alpha des Londoner Werwolfrudels ist ein großer, grober schottischer Kerl, der für gewöhnlich bestimmt, wo es lang geht, und keine Widerworte hört – bis er auf die überaus schlagfertige Miss Tarabotti trifft.

Man ahnt es schon auf den ersten Seiten, dass das nur in einer schockierenden Liaison enden kann. Da sprühen die Funken zwischen dem ruppigen Werwolf und der widerspenstigen Jungfer, es wird sich gezankt, was die Regeln der Höflichkeit zulassen, und beim Leser bleibt angesichts witziger Wortgefechte kein Auge trocken. Es ist erstaunlich, wie Frau Carriger es schafft, in einem Atemzug eine pedantisch affektierte “Britishness” mit so viel Humor zwischen Tee und Hühnchengerippen zu füllen, während im Hintergrund Entführungen stattfinden und geheime Organisationen wissenschaftliche und höchst illegale Experimente durchführen. Sprachlich muss man das Buch wirklich noch einmal extra loben, das wirkt bis ins kleinste Detail viktorianisch altmodisch und entsprechend blumig, mit einer sehr schönen und stark am Original gehaltenen Übersetzung. Einzig der herrliche schottische Akzent von Lord Conall Maccon, der umso stärker durchbricht, je mehr sich der Alpha aufregt, geht aufgrund des Sprachwechsels zwangsweise verloren.

Ebenso gelungen wie die Sprache selbst sind auch die verschiedenen Charaktere, die allesamt ihre verrückten kleinen Eigenarten haben und gerade durch ihre Fehler zu Sympathieträgern werden. Etwa Miss Ivy Hisselpenny und ihr Hang zu absolut grauenhaften Hüten oder Lord Akeldama, dessen modische Verirrungen ihn derart in Streit mit seinem Vampir-Stock brachten, dass er selbigen kurzerhand verließ.

Wer angesichts des eher Liebes-fixierten Klappentextes eine weitere Teenie-Schmonzette à la Bis(s) und Konsorten erwartet, wird hier nur bedingt fündig. Die Liebelei zwischen Miss Tarabotti und Lord Maccon spielt durchaus keine unwichtige Rolle in dem Roman, kitschig oder gar prüde geht es hier aber nicht zu. Ausnahmsweise finden sich in Glühende Dunkelheit erwachsene Liebende und ebenso erwachsene Liebesszenen, bei denen man nicht peinlich berührt die Hand vor die Augen schlagen muss oder da sitzt und sich fragt, weshalb man sich bei einem simplen Kuss derart panisch anstellt. Natürlich hat unsere Protagonistin auch einige Probleme damit, sich den für sie völlig neuen erotischen Gepflogenheiten anzupassen, angesichts des Zeitalters ist das aber weder verwunderlich, noch nervtötend, wie es in anderen Büchern der Fall ist. Die Autorin hat sich hier gut an den gesellschaftlichen Regeln orientiert und dem, was einem in dieser Zeit an Informationen zur Verfügung gestanden hat.
Man darf also mit ein wenig Romantik rechnen, allerdings auch mit einer Prise Erotik, verpackt in ein äußerst ulkiges Gefüge, welches zum pausenlosen Grinsen und albernen Kichern einlädt.

Das einzige, was an diesem Buch zu bemängeln bleibt, ist die Titelgebung. Schwer zu sagen, woher dieser deutsche Drang stammt, Titel möglichst absurd und beschämend zu übersetzen. Wie man bei Soulless = Seelenlos auf Glühende Dunkelheit kommt, sollte dringend mal untersucht werden und bleibt für die Leser wohl doch ein Rätsel.

A Great And Terrible Beauty von Libba Bray1895 – Gemma Doyle, ein launischer und verwöhnter Teenager, feiert ihren sechzehnten Geburtstag, als sie zum ersten Mal von einer Vision heimgesucht wird, die ihr bisheriges Leben völlig verändert. Gemma sieht, wie ihre Mutter sich selbst tötet, um einem Schattenwesen zu entkommen, das sie zu verschlingen droht. Gemma, die ihr Leben in Indien verbracht hat, wird zu ihrer Familie nach London geschickt, wo sie ein Pensionat für junge Damen besuchen soll. Niemand ahnt etwas von ihren Visionen, die nur der Anfang eines viel größeren Geheimnisses sind.

– She walks out towards them, an apparition in white and blue velvet, her head held high as they stare in awe at her, the goddess. I don’t yet know what power feels like. But this is surely what it looks like, and I think I’m beginning to understand why those ancient women had to hide in caves. Why our parents and teachers and suitors want us to behave properly and predictably. It’s not that they want to protect us; it’s that they fear us. –
Kapitel 8, S. 207

A Great And Terrible Beauty (Gemmas Visonen), der erste Roman aus der Trilogie Gemma Doyle (Der geheime Zirkel), entführt in das ausklingende viktorianische Zeitalter und öffnet gleichzeitig die Tür in eine andere Welt, die man vielleicht am ehesten mit einem magischen Garten Eden vergleichen könnte. Der Roman spielt mit historischen Elementen der Hexerei, Mythologie, phantastischen Zwischenwelten, Dämonen und anderen mystischen Einflüssen, bleibt dabei aber bodenständig und relativ realitätsnah. Der Handlungsort wechselt zwischen Indien, England und den magischen Landen, wodurch auch Themen wie Klassengesellschaft und der Umgang mit anderen Völkern angesprochen werden.

Anfangs kommt der Roman nur schwer in Fahrt und konzentriert sich eher auf Ortsbeschreibungen und die Schilderung gesellschaftlicher Zustände als auf die Anstoß gebenden Visionen der Protagonistin. Die magischen Lande werden nur kurz besucht und erkundet, der Aufenthalt dort wiederholt sich ein paar Mal ohne große Änderungen. So wird die eigentliche Handlung erst zur Buchmitte hin wirklich spannend, liefert einem dann aber ein altes Tagebuch mit dunklen Geheimnissen, eine Spur scheuer und verbotener Romantik und heranwachsende Frauen mit einem ausgeprägten Hang zu Abenteuern, Entdeckungstouren und anderen, verbotenen Dingen. Auf folgsame, unterwürfige Frauen, die einen Beschützer suchen, braucht man in diesem Roman nicht zu warten, denn es geht hier recht feministisch zu. Da sich die Autorin insgesamt an die realen Zustände jener Zeit hält und ihre Gesellschaft entsprechend formt, zeichnet A Great And Terrible Beauty ein aus heutiger Sicht bedrückendes Bild viktorianischer Mädchen und Frauen, die zu gerne aus den vorbestimmten Bahnen ausbrechen würden. Dabei wirkt die Handlung nicht überzogen, nicht zu modern feministisch, es bleibt der Zeit angemessen glaubwürdig und verbindet alles mit dieser magischen Welt des Gartens. Die phantastischen Elemente halten sich aber doch stark zurück, so dass der Roman mehr zu einem nostalgischen Mystery-Abenteuer mit viel erzählerischem Ausbau wird.
Tragische Ereignisse und Enttäuschungen bleiben ebenfalls nicht außen vor, denn dieser Roman ist nicht darauf ausgelegt, eine schillernde, softe Heldinnenreise zu beschreiben.

Sich als LeserIn mit den Hauptcharakteren zu identifizieren, gestaltet sich anfangs schwierig. Gemma ist ein launischer, verwöhnter Teenager von sechzehn Jahren. Zickig, ein bisschen hochnäsig und verantwortungslos. Im Laufe des Romans entwickelt sie sich langsam weiter, bleibt aber insgesamt sprunghaft und ignoriert Dinge, die ihr unliebsam sind. Neben ihrem jugendlichen Verhalten denkt sie allerdings recht emanzipiert und ist keine Freundin der herrschenden Geschlechterrollen, was eine erfrischende Abwechslung zu den zahlreichen Jugendbüchern mit sehr klischeehaften Rollenbildern bietet.
Auch Gemmas Freundinnen sind keine großen Symphatiträgerinnen. Die Mädchen begegnen sich mit Hass und intrigantem Verhalten und schließen sich mehr aus der Not heraus zusammen denn aus echter Freundschaft. Keine kann die Andere so richtig leiden und sie trauen einander auch nicht. Nach und nach wird aber deutlich, dass jedes der Mädchen, so unsympathisch sie einem zunächst bleiben, ein ernüchterndes Geheimnis hat, sich alle vor der Zukunft fürchten und sich als Frauen mehr Wertschätzung wünschen. Es sind halbwüchsige Teenager an der Schwelle zum Erwachsensein, mit all den Fehlern, Launen, rebellischen Gedanken und Dummheiten. Sie sind auf der Suche nach sich selbst und einem Sinn für ihr Leben. Erst mit Einbruch einer Katastrophe realisieren sie allmählich, dass ihr oft überstürztes und nicht durchdachtes Handeln sie von ihren Zielen und Wünschen immer weiter entfernt.

Es gibt viele gegensätzliche Impulse in A Great And Terrible Beauty. Neben der vorhandenen emanzipierten Denkweise träumen die Mädchen manchmal auch einfach nur von ihrem Traumprinzen oder vielmehr einem Ideal der wahren Liebe. Sie lernen gerade erst mit der veränderten Wahrnehmung von Männern und Frauen umzugehen und auch mit den damit verbundenen sexuellen Empfindungen – in einer Zeit, in der ein unbedeckter Fußknöchel bereits als skandalös gilt. Verdeutlicht wird dieses Spiel mit den Gegensätzen z.B. anhand einer der wenigen männlichen Figuren des Romans. Kartik, der von seiner Bruderschaft, den Rakshana, damit beauftragt wurde, Gemma zu bewachen und sie von den magischen Landen fern zuhalten, tritt gleichzeitig auch als ihr Beschützer auf. Er ist abwechselnd herrisch und fürsorglich, unsicher, wie er sich richtig verhalten muss. Es führt dazu, dass zwischen Kartik und der selbstbewussten Gemma eine offensichtliche Rivalität und gleichzeitig naive Unsicherheit herrscht. Ähnlich wie es Gemma nicht möglich ist eine klare Entscheidung zu treffen, weiß man als LeserIn ebenfalls lange nicht, ob Kartik Freund oder Feind ist, ob man ihn begehren oder zum Teufel schicken soll. Um die Dinge möglichst kompliziert zu gestalten, ist natürlich auch beides gleichzeitig möglich – es lebe die Pubertät mit ihren verwirrenden Auswirkungen. Libba Bray zeichnet in ihrem Debütroman keine Teenager mit einem unrealistisch erwachsenen Denkmuster oder utopischen Vorstellungen von der ersten und einzig wahren, ewig existierenden Liebe. Sie liefert Jugendliche auf der Suche nach dem eigenen Weg ins Erwachsensein und dem Erkennen des Unterschieds von Wunsch und Realität.

Dieses Buch wird durchaus nicht jedem gefallen, denn man muss sich auf wirklich launische und nicht immer vernünftig handelnde Heranwachsende einlassen können. Was aber klar für diesen Roman spricht, ist ein komplex verflochtenes Netz verschiedener, schwieriger Themen, seine viktorianisch-elitäre Atmosphäre und seine überzeugende Darstellung, die einen an die eigene, manchmal schwierige Jugendzeit erinnert.

Sprachlich ist A Great An Terrible Beauty keine große Herausforderung. Das Buch sollte für halbwegs geübte Leser auch im englischen Original mühelos verständlich sein.

Heartless von Gail CarrigerLady Alexia Maccon kann es wieder einmal nicht lassen. Obwohl sie bereits im achten Monat schwanger ist und den gefühlten Umfang eines Walfisches angenommen hat, lässt sie sich von ihren Pflichten als Mujah in eine abenteuerliche, kriminologische Suche verwickeln. Nachdem sie ein reichlich verwirrter Geist gewarnt hat, die Königin solle ermordet werden, macht sich Alexia sofort auf die Suche nach der Bedrohung, wenig beeindruckt von ihrem unerhört großen Bauch oder dem Westminster Hive, welches die werdende Mutter weiterhin nur in einer Form sehen möchte: tot und das möglichst schnell.

– “Oh, blast it, I’m positively starving.”
Instantly, all three men proffered up comestibles extracted from inner waistcoat pockets. (…) Months of training had seen the entire werewolf household running attendance on an increasingly grumpy Alexia and learning, to a man, that if food was not provided promptly, fur might fly, or worse, Lady Maccon would start to weep. As a result, several of the pack now crinkled as they moved, having desperately stashed snacks all about their personage. –
Kapitel 1, S. 12

Erheben wir die Teetassen für ein weiteres Abenteuer des Parasol Protectorate! Man darf sich wieder auf viel Witz und unvorhersehbare Wendungen freuen, Verbindungen die man so sicher nicht erwartet hat, und die ein oder andere äußerst pikante Erfindung. In Heartless (Feurige Schatten) werden bekannte Probleme zum Teil neu aufgegriffen und andere weiter verfolgt. Nur eines bleibt ungeklärt: die Vorgeschichte der Preter- und Supernaturals, welche nach Blameless (Entflammte Nacht) auf eine Ausarbeitung hoffen ließ. Wer sich also nach dem Ende von Blameless auf Heartless gefreut hat, weil er erfahren wollte, wie es mit diesem Faden der Geschichte weitergeht, der wird sich leider vorerst mit Warten begnügen und auf Timeless hoffen müssen. Die Handlung im vorliegenden Band ist nämlich wieder eine gänzlich andere, diesmal in Manier eines klassischen Detektivromans nach dem Vorbild eines Sherlock Holmes etwa. Gegner der Romantik dagegen dürfen sich freuen, denn es geht in Heartless recht nüchtern zur Sache.

Ganz ohne Kritik kommt der aktuelle Band diesmal jedoch nicht davon, auch wenn die Kritikpunkte in ihrer Gewichtung eher als kleine Flecken auf einer ansonsten schneeweißen Weste betrachtet werden sollten. Im Ganzen gesehen, ist Heartless einfach nur ein wenig anders als seine Vorgänger. Es sind die bekannten Personen, die gewohnten wunderbaren Wortgefechte, selten komische Modeaccessoires, zweckentfremdete Wandschränke und eine außerordentlich auffällige Erfindung.
Technisch betrachtet wirkt die Story diesmal allerdings ein wenig zu konstruiert mit zu vielen scheinbar zufälligen Vernetzungen, die nicht  ganz so überraschend einschlagen, wie es wohl der Plan war. Das Geschehen kann so auch nicht wirklich überzeugen. Heartless ist durchaus noch witzig und erfinderisch, individuell betrachtet aber der bisher schwächste und weniger amüsanteste Teil dieser Reihe. Es scheint, als bereite Heartless ein alles verbindendes Finale für Timeless vor und wirkt dadurch weniger in sich geschlossen. Man darf gespannt sein, ob es dann letztlich auch so kommen wird oder ob Teile der bisherigen Ereignisse im Sande verlaufen werden.

Anders sind vor allem auch die Protagonisten. Eine hochschwangere Heldin, die noch dazu keine Sentimentalitäten für ihr “infant inconvenient” aufkommen lässt, ist sicherlich eine Besonderheit und sorgt nicht selten für eine ganz spezielle Komik. Alexia dürfte in diesem Roman eine ihrer besten Shows abgeliefert haben, so überzeugend und plastisch wie sie sind die übrigen Charaktere in Heartless aber nicht. Man gewinnt den Eindruck, jede bis hierher erwähnte Figur sollte noch einmal zum Zuge kommen und die Rolle eines wichtigen Puzzleteils im Gesamtbild übernehmen. Das hat unweigerlich zur Folge, dass man das Gefühl hat, keinen so richtig anzutreffen. Es ist wie ein flüchtiges Zusammenstoßen zwischen Tür und Angel. Das mag natürlich ein persönlicher Eindruck sein, doch vor allem Professor Lyall wirkt in diesem Teil des Parasol Protectorates wie eine völlig neue Person: weniger gewitzt, weniger organisiert, mehr wie ein unbesungener und vor allem tragischer und verzweifelter Held eines ebenso tragischen Bühnenstücks. Man erfährt zwar deutlich mehr über seine Vergangenheit, im Gegenzug verliert er aber leider viel von seiner bisherigen Ausstrahlung. Was ein beklagenswerter Verlust für diesen sonst so souveränen Charakter ist.

Sprachlich ist an dem Roman dafür weiterhin nichts zu kritisieren. Im Gegenteil. Schon Kapitelüberschriften wie The Octopus Stalks at Midnight oder Death by Teapot zeigen einmal mehr die humorvollen Qualitäten der Autorin. Manche Szene wirkt dank der sprachlichen Finesse derart real, dass einem unweigerlich die absurdesten Bilder lebhaft vor dem Auge herumtanzen und herzhaftes Gelächter auslösen. Freunde der bekannten Erzählstruktur, sprachlichen Eleganz und der vielfältigen Ideen werden also auch in Heartless wieder voll auf ihre Kosten kommen.

Kartiks Schicksal von Libba BrayDie Lage ist ernst. Der Kampf um das magische Reich und die Magie spitzt sich zu, auch das Verhältnis zwischen Gemma und ihren Freundinnen ist angespannt. Jeder möchte die Magie kontrollieren und Gemma notfalls dazu zwingen, sie abzugeben. Die junge Frau muss sich entscheiden, wem sie die Magie überlässt und welchen Pfad sie in ihrem Leben einschlagen will. Doch wird sie lange genug leben, um diese Wahl zu treffen? Und wird sie mit ihrer Entscheidung das drohende Unheil verhindern oder entfesseln?

– Es gibt einen speziellen Kreis der Hölle, der in Dantes berühmtem Buch nicht erwähnt wird. Er heißt Benehmen und er existiert in allen Schulen für junge Damen landauf und landab im ganzen englischen Königreich. –
Kapitel 1

Zu Kartiks Schicksal liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Landkarte der Zeit von Félix J. PalmaSie planen eine Zeitreise? Besser, Sie packen eine passende Landkarte ein! Zeitparadoxa sind in diesem Roman vorprogrammiert und laden den Leser dazu ein, sich irgendwo in der Zeit zu verlieren.
In drei Episoden folgt man einem jungen Mann, der seine Geliebte an Jack the Ripper verloren hat und in die Vergangenheit reist, um das Verbrechen zu verhindern; dann trifft man auf Claire, die sich in ihrer Gegenwart des 19. Jh. fehl am Platz fühlt und sich ins Jahr 2000 flüchtet, wo sie sich unerwartet verliebt; zuletzt begleitet man Inspektor Garrett bei der Jagd nach einem Mörder, dessen Waffe noch gar nicht erfunden wurde – und alles läuft zusammen bei H.G. Wells höchstpersönlich …

– Andrew Harrington wäre gern mehrere Tode gestorben, wenn er sich unter all den Pistolen, die sein Vater in den Vitrinen des Salons aufbewahrte, nicht für eine einzige hätte entscheiden müssen. Entscheidungen waren nicht seine Stärke. Genau besehen erwies sich sein Dasein als eine Kette von Fehlentscheidungen, deren letzte ihren langen Schatten bis in die Zukunft zu werfen drohte. Doch mit diesem wenig beispielhaften Leben voller Fehlgriffe war jetzt Schluss. –
1

Die Landkarte der Zeit (El mapa del tiempo) ist kein leicht zu rezensierendes Buch, denn es steckt voller Gegensätze. Autor Félix J. Palma spielt mit den Erwartungen seiner Leser, führt sie bewusst hinters Licht, nur um sie dann mit der nächsten Wendung zu überraschen. Manchmal macht er das sehr geschickt, dann wieder sehr bemüht, manches ist entweder ein schlauer Kniff oder eine bittere Enttäuschung. Das Buch ist außerdem Liebesroman, Science Fiction, Krimi, Historischer Roman und Drama in einem. Der ein oder andere wird jetzt vielleicht schon ahnen, dass Die Landkarte der Zeit die ausgeprägte Fähigkeit besitzt, Meinungen zu spalten.

Der Roman besteht aus drei Teilen. Jeder davon hat andere Hauptfiguren und erzählt eine eigene Geschichte, die in sich abgeschlossen ist. Es gibt dabei aber Charaktere, die in allen Teilen auftauchen und eine interessante Verstrickung der Geschichten offenbaren. Nebenfiguren werden zu Hauptfiguren und umgekehrt, je nachdem, wessen Geschichte man gerade folgt. Dabei ist dieser Roman recht intelligent aufgebaut und ab und an blitzt auch der köstliche Humor des allwissenden Erzählers durch, der an den (Film-)Erzähler von Per Anhalter durch die Galaxis erinnert.

Weltenbau und Charaktere sind ebenfalls allesamt sehr lebendig gezeichnet mit einer deutlichen Liebe fürs Detail. Es ist ein Leichtes, sich das viktorianische Setting der Erzählungen vorzustellen – die schmutzigen Gassen Whitechapels, die prachtvollen Herrenhäuser Londons, die feinen Teesalons, die massiven Heldenstatuen, die Zeitmaschine von H.G. Wells … Gerüche und Figuren werden lebendig, hier erweist sich auch der spielerische Umgang mit der Sprache als großer Vorteil.

Auf der anderen Seite gibt es oft Längen und Monologe, in denen man das Gefühl hat, der Autor hört sich einfach gerne selbst reden. Jene Monologe sind besonders deswegen so störend, weil sie in der Regel nur 1:1 nacherzählen, was kurz vorher erst geschehen ist oder geschichtliche Ereignisse werden unnötig genau zusammengefasst – als rechnete man mit plötzlicher Amnesie oder eklatanten Bildungslücken beim Leser. Manches ist dabei auch zu leicht vorhersehbar, was die Stärken des Romans leider ab und an in den Schatten stellt. Durch diese starken Gegensätze von intelligenter Unterhaltung und langweiligen Seitenfüllern schwankt der Lesegenuss öfter mal vom einen ins andere Extrem und am Ende weiß man nicht, ob man dieses Buch mag oder nicht.

Die Landkarte der Zeit ist auch ohne die erwähnten Längen kein spannungsgeladenes Buch. Es ist eine ruhige Geschichte mit kniffligen Verknüpfungen und teils abenteuerlichen Entwicklungen. Wer Zeitreisen sucht, muss sich vor allem ihren theoretischen Möglichkeiten stellen und sich darüber im klaren sein, dass es kein Zukunftsroman ist und die Haupthandlung 1896 stattfindet. Vielmehr ist Die Landkarte der Zeit daher ein Buch für Nostalgiker, die gerne durch die Vergangenheit schlendern und hier und da ein paar Schlenker durch die Zeit schlagen wollen.

Wer gefallen an der Erzählung findet, kann sich mit Die Landkarte des Himmels außerdem über eine Fortsetzung freuen. Dieser erste Band ist aber in sich abgeschlossen und besteht auch problemlos als Einzelband.

Mayhem von Sarah PinboroughEs ist 1888 und zerstückelte Frauenkörper pflastern die Straßen in Whitechapel, London. Dr. Bond untersucht die gefundenen Überreste und kommt schon bald zu der Erkenntnis, dass Jack the Ripper nicht der einzige Serienmörder ist. Ein zweiter Killer treibt sich in den Armenvierteln herum und erlegt seine Opfer auf weit grausamere Weise. Was ist seine Motivation? Weshalb finden sich so viele Körperteile in der Themse wieder und andere bleiben verschollen? Bald schon macht Dr. Bond eine dämonische Entdeckung, die sein rationaler Verstand nicht zu begreifen bereit ist.

– »You cannot see it,« he whispered, eventually. »You cannot.« He smiled at her, and she found that she was sobbing. »But I will tell you a secret,« he whispered into her ear. There was a moment’s pause, and in it she held her terrified breath.
»It can see you.« –
Part One

»The Carnival of blood« – so nennen die Zeitungen den Sommer der ersten Morde. Mayhem zeichnet eine alternative Realität der Ripper-Morde und fügt den Fakten ein paar neue, übernatürliche Elemente hinzu, sowie einen weiteren Killer. Das zeitgleiche Agieren der beiden Mörder ist allerdings ein wenig irritierend, da der Roman nicht klar machen kann, weshalb er diese Figuren beide braucht. Zwar gibt es eine früh genannte Erklärung, die Notwendigkeit ist jedoch zweifelhaft, da Jack-the-Ripper stets nur beiläufig genannt wird und keine rechte Funktion erfüllt. Wenn man sich davon nicht zu sehr beeindrucken lässt, ist Mayhem aber ein interessantes und blutiges Leseerlebnis mit unter die Haut kriechendem Horror. Interessant daran ist, dass es nicht die Morde selbst sind, die schocken, sondern vielmehr die langsame Entdeckung des verantwortlichen Dämons und seine … Beschaffenheit.

Aufgebaut ist der Roman in drei Teilen. Im ersten Teil werden die Morde und die Nachwehen beschrieben, die die Bestie hinterlässt. Man startet also mitten im Geschehen, während den jüngsten Mordermittlungen.
Der zweite Teil ist der wirklich unheimliche Teil von Mayhem und wirkt noch besser bei stiller Umgebung und nächtlichen Lesestunden. Hierin lernen die LeserInnen die Bestie kennen, begegnen dem Menschen, von der sie Besitz ergriffen hat, und man verfolgt die schleichende Übernahme, der der Wirt wehrlos ausgeliefert ist.
Im dritten Teil schließlich folgt das Erkennen und Aufspüren der Bestie durch die Ermittler.
Entsprechend wechselt auch die Erzählperspektive. Der Hauptteil wird aus der Sicht von Dr. Bond erzählt, ein anderer Teil aus der Sicht des allwissenden Erzählers und wieder anderes durch Zeitungsschnippsel, die entsprechend optisch aufgemacht wurden. Die Erzählung verläuft nicht in chronologischer Linie, sondern mit Sprüngen in die Vergangenheit, um zur rechten Zeit ein wichtiges Detail zu verraten. Wer Rückblenden in Büchern verwirrend findet, sollte sich Mayhem vielleicht nicht unbedingt zulegen.

Die Charaktere in Mayhem sind ein wenig blass. Dr. Bond, der Arzt mittleren Alters, bietet da noch das beste Profil mit seiner Opiumsucht, seiner Schlaflosigkeit und den Alpträumen. Begleitet wird er von einem verkrüppelten Jesuitenpriester und einem tscheschichen Einwanderer, der von Visionen geplagt wird und dank einer ausgeprägten Furcht vor dem Wasser zum Himmel stinkt. Gemeinsam versuchen sie den Dämon aufzuspüren, scheinen aber immer einen Schritt hinterher zu hinken und müssen noch dazu im Schatten der offiziellen Polizeiermittlungen agieren. Denn wer würde dem seltsamen Trio schon die Geschichte von einem Dämon in Menschengestalt abkaufen? Helfen würde es Dr. Bonds Reputation freilich nicht.

Mayhem ist ein schwierig zu beurteilendes Buch. Einerseits sind die Ideen gut, doch der Ausarbeitung mangelt es zu oft an Herz, so dass alles ein wenig oberflächlich bleibt und es schwerfällt, von der Handlung mitgerissen zu werden. Wer sich aber gerne mit einer alternativen Erzählung der Rippermorde unterhalten möchte und ein wenig Gänsehaut hier und da sucht, findet in Mayhem eine solide Story mit Potential.
Ein weiteres Abenteuer von Dr. Bond ist bereits geplant, Mayhem schließt allerdings mit einem runden Ende ab und kann für sich stehend als Einzelband gelesen werden.

Der Nachtzirkus von Erin MorgensternDer Zirkus erscheint plötzlich. Er ist nur bei Nacht geöffnet und seine Zelte, seine Akteure, alles ist ganz und gar schwarz und weiß. Hellseher, Illusionisten, Zelte, die in die Wolken oder in weiße Gärten aus Eis führen. In seinem Zentrum brennt ein weißes Feuer, das niemals erlischt. Der Nachtzirkus ist anders als jeder normale Zirkus, er ist der Inbegriff der Mystik.
Doch was niemand weiß: er ist das neue Spielbrett zweier sehr alter Magier, die ihre eigenen Schüler gegeneinander antreten lassen – in einem Wettstreit um Leben und Tod. Es gab schon viele Schüler, und nun gibt es zwei Neue: Celia und Marco wachsen getrennt voneinander auf, werden verschieden ausgebildet, gefangen in einem lebenslangen Spiel, dessen Regeln sie nie erfahren.

– Der Zirkus kommt überraschend.
Es gibt keine Ankündigung, keine Reklametafeln oder Plakate an Litfaßsäulen, keine Artikel und Zeitungsanzeigen. Plötzlich ist er da, wie aus dem Nichts. –
Gespannte Erwartungen

Zu Der Nachtzirkus liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Night Circus von Erin MorgensternDer Zirkus erscheint plötzlich. Er ist nur bei Nacht geöffnet und seine Zelte, seine Akteure, alles ist ganz und gar schwarz und weiß. Hellseher, Illusionisten, Zelte, die in die Wolken oder in weiße Gärten aus Eis führen. In seinem Zentrum brennt ein weißes Feuer, das niemals erlischt. Der Nachtzirkus ist anders als jeder normale Zirkus, er ist der Inbegriff der Mystik.
Doch was niemand weiß: er ist das neue Spielbrett zweier sehr alter Magier, die ihre eigenen Schüler gegeneinander antreten lassen – in einem Wettstreit um Leben und Tod. Es gab schon viele Schüler, und nun gibt es zwei Neue: Celia und Marco wachsen getrennt voneinander auf, werden verschieden ausgebildet, gefangen in einem lebenslangen Spiel, dessen Regeln sie nie erfahren.

– The Circus arrives without warning.
No announcements precede it, no paper notices on downtown posts and billboards, no mentions or advertisements in local newspapers. It is simply there, when yesterday it was not.
The towering tents are striped in white and black, no golds and crimsons to be seen. No color at all … –
Anticipation, S. 3

Erin Morgenstern liefert mit ihrem Debütroman The Night Circus (Der Nachtzirkus) ein ungewöhnliches und nachhallendes Lesevergnügen ab. Zunächst erscheint einem die Entscheidung, im Präsens zu erzählen, sehr gewöhnungsbedürftig, doch nach einer Weile stellt sich dadurch verstärkt der Eindruck ein, das Ganze direkt mitzuerleben. Durch die episodenhafte Aufteilung der Kapitel und einer nicht chronologischen Erzählstruktur, die in der Zeit vor und zurück springt, erfährt man zunächst auch nur die grobe Rahmenhandlung und ist darüber hinaus als Leser ebenso ahnungslos wie die beiden Spielfiguren Celia und Marco. Die Autorin schildert die Welt dabei sehr plastisch und schafft es trotz einer wenig ausgefallenen Sprache, Leben in jedes Zelt und jeden Charakter zu hauchen. Als Freund bildhafter Beschreibungen ist man mit The Night Circus daher gut beraten. Doch auch die Ideen selbst verstehen zu faszinieren, es ist beinahe enttäuschend, dass man als Leser nicht die Chance hat, den Zirkus leibhaftig zu besuchen.

Anfangs bleibt lange unklar, was die eigentliche Handlung dieses Romans ist und was der Zirkus damit zu tun hat. Man entdeckt gerne jedes einzelne Zelt und kann sich als Leser an den wunderbaren Ideen und Beschreibung ergötzen, doch was der Zweck des Ganzen ist, wird nur vage angedeutet. Erst nach und nach setzen sich ab Buchmitte alle Episoden zu einem großen Puzzle zusammen. Die Handlung erstreckt sich über ca. 30 Jahre und wird durch die Sprünge in der Erzählung bereits komplex, doch auch die Beweggründe und das Verhalten der Protagonisten werden erst dann nachvollziehbar, wenn man sich immer mal wieder einen Moment Zeit nimmt, um sich in die Figuren hineinzuversetzen und über ihr Handeln und ihre Reaktionen nachzudenken. Das Buch macht einen traurig und glücklich zur selben Zeit, wenn man versteht, was das alles für die betroffenen Charaktere und ihr Leben bedeutet. Dieses Gefühl spiegelt auch perfekt wider, wie der Nachtzirkus – The Circus of Dreams – auf seine Besucher wirkt, und erklärt, weshalb ihm eine Schar von Menschen rund um den Globus folgt. Er berührt Sehnsüchte nach Geheimnissen, Magie und Mystik in der Welt.
Es erwarten einen hier keine großen Spannungsmomente, keine epischen Schlachten, nicht einmal aufgebauschte Dramatik oder ein fulminantes Finale. The Night Circus schafft es auf ganz alltägliche, sanfte Weise ergreifend und faszinierend zu sein, angereichert mit einem Hauch von Magie, die sich nicht in bombastischen Effekten zeigt, sondern im Erschaffen von Attraktionen. Für den Romantiker wird auch bald ersichtlich, dass … nein, das wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: das Verhältnis zwischen Celia und Marco entwickelt sich auf erwachsene und beiläufige Weise, vermag es aber trotz hintergründigem Ablauf, die Pläne der beiden Wettväter gründlich zu stören und den Wettstreit zu einem noch grausameren Akt zu machen, als er es ohnehin schon ist.

Neben stark gezeichneten Charakteren, die mit jedem Kapitel mehr Persönlichkeit bekommen und einen dazu bewegen, Interesse an ihrem Leben zu entwickeln, ist vor allem die Idee interessant, wahre Magie hinter technischen Konstrukten zu verstecken um sie glaubhaft zu machen. Der Roman spielt in unserer realen Welt um 1870 bis ca. 1900, später wird auch ein noch deutlich neueres Datum angedeutet – das einen von Schmunzeln begleiteten Aha-Effekt auslöst – und so bleiben die Magier selbstbestimmt unerkannt und verbergen ihre Talente hinter dem Scheinbild des Zirkus. Bei allem hat man stets eine gewaltige Welt aus feinen, detaillierten Scherenschnitten vor Augen, sobald man den Zirkus betritt, was sicherlich der reduzierten Farbgebung und künstlerischen Beschreibung zu verdanken ist.

The Night Circus ist keine schnell zu verschlingende Lektüre. Daher die Warnung: wer leichte Kost für zwischendurch sucht, wird mit diesem Roman sicher nicht glücklich werden. Allen, die Bücher vor allem emotional erleben und erfühlen wollen, ist dieser faszinierende, ruhige Roman dagegen dringend zu empfehlen. Ansonsten verhält es sich mit The Night Circus wie mit der Farbgebung der Zelte in schwarz oder weiß: Entweder man liebt es oder man hasst es, dazwischen dürfte es kaum Graustufen geben.

Cover des Buches "Prinzessin der Haie" von Thomas Burnett Swann Als Charlie auf einen Schlag Mutter und Bruder verliert, verfällt er in eine tiefe Depression. Damit endet sein bisher so glückliches und behütetes Leben. Er verlässt die Universität und bewirbt sich für eine Stelle als Hauslehrer auf einer einsamen Karibikinsel.
Dort findet er nicht nur einen guten Freund und seine erste große Liebe, sondern er begegnet auch dem seltsamen Mädchen Jill und Curk, einem mysteriösen Fremden, der der eigentliche Herr der Insel zu sein scheint. Während Charlie versucht, Jill ein wenig Benehmen und klassiche Bildung zu vermitteln, gerät er in große Gefahr.

-Ich richte meine Geschichte nicht an meine Mitdelphine, obwohl ich sie natürlich, wie es bei meiner Rasse üblich ist, immer und immer wieder meinem erstgeborenen Sohn erzählen werde, bis er sie, Wort für Wort, einmal an seinen Erstgeborenen weitergeben kann.-
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In Prinzessin der Haie (The Goat without Horns) wendet sich Thomas Burnett Swann von der klassischen antiken Mythologie ab und verarbeitet Elemente aus der Sagenwelt der Karibik und der Seefahrt.
Gleich zu Beginn lernt der Leser “Grübler”, den Erzähler, kennen. Dessen Perspektive wechselt im Laufe der Geschichte mehrfach: so gehen Passagen, die in der ersten Person erzählt werden, nahtlos in Kapitel über, in denen Grübler eine reine Beobachter- oder Nacherzählerstellung einnimmt. Diese für Swann typische Art des Erzählens schafft eine fast authentische Atmosphäre, da sie das Gefühl vermittelt, die Geschichte von einem direkt Beteiligten zu hören.
Und wie für Swann auch typisch, ist Grübler nicht einfach ein Mensch, sondern diesmal lässt er die Geschichte von einem Delphin erzählen. Ähnlich wie Charlie, die Hauptperson der Erzählung, hat Grübler vor kurzem seine Mutter verloren und hat sich von seinen Artgenossen zurückgezogen. So ist es nur logisch, dass die Beiden gleich bei ihrer ersten Begegnung einen Seelenverwandten im jeweils anderen finden und sofort Freundschaft schließen. Nachdem Grübler kurz erzählt hat, wie er selber zur Insel “Oleandra” kam und den Leser bei dieser Gelegenheit mit der Welt der Delphine vertraut gemacht hat, wendet er sich bald Charlie und dessen Geschichte zu.

Charlie wirkt, aus Grüblers Sicht beschrieben, wie der perfekte Held einer romantischen Geschichte: gutaussehend, sportlich, empfindsam, bescheiden und klug. Auf Grund des Erzählstils wird aber schnell klar, dass Grübler ein sehr junger Delphin ist. So relativiert sich die beschriebene Perfektion zur Schwärmerei eines Jugendlichen, dessen fehlende Lebenserfahrung einen Großteil seines Urteilsvermögens ausmacht. Genauso unerfahren kommt auch Charlie auf die Insel. Bis zum gleichzeitigen Tod seiner Mutter und seines Zwillingsbruders wohlbehütet aufgewachsen, in einer Atmosphäre der Liebe und Harmonie, begegnet er seiner Umwelt mit einer Selbstgerechtigkeit, die nahezu kindlich wirkt und den Leser eher nachsichtig lächeln lässt, als dass er Charlies Verhalten übel nimmt.
Sicher trägt auch Swanns leichte und poetische Sprache zu diesem Lächeln bei, die gerade in den Begenungen Charlies mit Elisabeth, seiner Arbeitgeberin, so weit aufblüht, dass sie fast ironisch wirkt.

Elisabeth, um einiges älter als Charlie, doch in ewiger Jugend erstarrt, ist die Frau, in der Charlie seine erste große Liebe findet. Beide schwärmen für die gleichen Dichter und nehmen ihre Umwelt durch einen romantisch verklärten Schleier der Melancholie wahr. So erschafft Swann mit Elisabeth einen Charakter, der für Charlie tröstende Mutter, geheimnisvolle Fremde und romantische Geliebte zugleich sein kann.
Ihre Tochter Jill ist so ganz anders als Elisabeth. Ihre direkte, forsche Art des Auftretens, frei von jeglicher Konvention, wirkt fast brutal in diesem Umfeld und lässt Charlie anfangs heftig erschrecken. Da ihre Mutter gesundheitlich stark angeschlagen ist, wurde Jill von Curk erzogen.
Dieser wiederum ist ein Eingeborener, der fest in den Werten und Mythen seines Volkes verankert ist. Er besetzt für Jill die Vaterrolle und Elisabeth kann seiner kraftvollen und düsteren Ausstrahlung wenig entgegensetzen. Da erstaunt es den Leser wenig, dass Jill mit einer Art Geringschätzung auf ihre Mutter herabschaut und Curk nahezu vergöttert.

Erscheint Curk dem Leser geheimnisvoll und stark, so kommen seine Stammesgenossen gar nicht gut weg. Sie werden durchgehend als böse, faul und degeneriert dargestellt. Ob Swann mit dieser Art der Beschreibung provozieren wollte, ob er der Meinung war, dass diese Darstellung einer richtigen Abenteuergeschichte angemessen ist oder ob er wirklich in dieser typisch kolonialen Sichtweise gefangen war, muss wohl jeder Leser für sich selbst entscheiden.
Auch verlangt die Erzählung die Bereitschaft, sich auf die Idealisierung des viktorianischen Frauenbildes einzulassen: wunderschön, gebildet aber auch zurückhaltend und wohlerzogen soll SIE sein. Zwar wird dieses Idealbild zwischendurch gebrochen – erst durch die Grenzüberschreitung Elisabeths wird die Romanze zwischen ihr und Charlie möglich, und auch Jill fasziniert diesen anfangs mit ihrem betont “unweiblichen” Auftreten – doch am Ende unterwerfen sich beide Protagonistinnen wieder dem klassischen Frauenbild ganz bewusst und nahezu begeistert: “Auf dem Schiff werde ich mein Haar wachsen lassen. Es wächst sehr schnell. In ein paar Monaten müßte ich eigentlich präsentabel aussehen.” (Jill, Kap. 12) und können nur dadurch wieder in die Gesellschaft aufgenommen werden.

So begegnet dem Leser hier also eine Erzählung, die nicht frei von Ecken und Kanten ist. Doch hier ist es nun wieder Grübler, dessen ganz eigene Sicht auf das menschliche Verhalten die Ecken abmildert, der Geschichte ihre Unschuld bewahrt und ihr einen heiteren Nebenton verleiht. Grüblers jugendliche, ja fast kindliche Sicht auf die Geschehnisse, gepaart mit Swanns schon erwähntem blumigen Schreibstil und einem fast schwülen kolonialen Setting, machen aus Prinzessin der Haie das, was es ist: eine unterhaltsame Geschichte für Liebhaber poetisch-melancholischer Abenteuer mit einem Hauch Mystik.

Die Räder der Welt von Jay LakeDem jungen Uhrmacherlehrling Hethor erscheint ein Engel mit der Aufgabe, den drohenden Weltuntergang abzuhalten: Die Uhrfeder der Welt muß wieder aufgezogen werden, sonst läuft der Mechanismus aus, der die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne hält. Beherzt zieht Hethor los, als erstes zum Hof von Boston, um den englischen Vizekönig von seiner Mission zu überzeugen und um Hilfe zu bitten. Dort ist er aber leider an der falschen Adresse, wird verlacht und schließlich ins Gefängnis geworfen, denn manche erkennen in seiner Mission auch eine Gefahr. Doch so schnell gibt Hethor nicht auf, und er kann auch auf einige geheime Unterstützer zählen …

– Der Engel erstrahlte im Schein von Hethors Lesekerze so hell wie eine Messing-Maschine. –
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Zu Die Räder der Welt liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Rebel Angels von Libba BrayGemma versucht weiterhin ihr Schicksal zu verfolgen und die Magie des magischen Reichs wieder an den Orden zu binden. Sie und ihre Freundinnen sind plötzlich in der Lage, die Magie dieser anderen Welt mit in ihr viktorianisches London zu holen, wo sie die Weihnachtsferien bei ihren Familien verbringen. So gerne Gemma das Chaos der magischen Welt für eine Weile vergessen würde, so akut ist jedoch die Bedrohung durch Circe, und die Mädchen begeben sich auf die Suche nach dem verlorenen Tempel, dem Schlüssel zur Kontrolle der Magie. Unterdessen ist Gemma hin und her gerissen zwischen dem exotischen Rakshana Kartik und dem attraktiven, aber nicht sehr tiefgründigen Lord Denby, der ihr den Hof macht.

– »Do not tell her your aim. Gain her trust.« There was a pause . »Woo her, if necessary.«
I thought of the strong, powerful, stubborn girl I’d left behind. »She is not so easily wooed.«
»Any girl can be wooed. It is merely a question of finding the right tool. (…)« –
Kapitel 1, S. 10

Rebel Angels (Circes Rückkehr), der zweite Teil aus der Trilogie Gemma Doyle (Der geheime Zirkel), kommt ähnlich schleppend wie der Auftaktroman in die Gänge. Diesmal verschlägt es den Leser in die High Society Londons, wo so viel Oberflächlichkeit und falsche Loyalität herrschen wie sonst nirgendwo. Freunde viktorianischer Gepflogenheiten werden freilich ihre Freude an dem höflichen Geplänkel bei Tee und Kuchen haben, jedes dezente Kichern hinter vorgehaltener Hand begrüßen und die sauber gepflegten Intrigen der Damen genießen.
Außerhalb der Londoner Gesellschaft trifft der Leser dafür aber auch auf Sagengestalten aus keltischer, griechischer, orientalischer und anderer Mythologie. Rebel Angels, angelehnt an John Miltons Paradise Lost, ist ein wilder Mix durch alle Kulturen, der beinahe beiläufig die Problematik von Rassen- und Geschlechterkonflikten aufgreift. Es ist sehr realistisch geschildert, auf welch subtilen Ebenen diese Dinge existieren und oft ungeplant und unbewusst Einzug in das alltägliche Leben halten. Gorgonen, Nixen, Zentauren … all das und noch viel mehr sind nur schmückende Begleiterscheinung einer allzu vertrauten Welt.

Die Charaktere in Rebel Angels werden weiter ausgebaut, bleiben größtenteils aber so unvorhersehbar, wie sie es schon im ersten Teil waren. Gemma beweist einmal mehr ihre Ignoranz gegenüber Warnungen, vertraut sich leichtsinnig allen möglichen Personen an, geht eindeutigen Hinweisen häufig nicht nach und zu allem Überfluss scheint sie unschöne Wahrheiten auch oft nicht sehen zu wollen. Gemma jagt verschiedenen Ideen hinterher und verfolgt auch mal die ein oder andere Spur, insgesamt sind ihre Entscheidungen aber oft so fahrlässig oder unverständlich, dass man sie für ihre Naivität ohrfeigen möchte. Auf der anderen Seite versucht sie ihre Gabe dann auch mal zu nutzen, um anderen zu helfen, muss allerdings bald lernen, dass gute Absichten nicht immer zu guten, manchmal sogar zu noch schlechteren Ergebnissen führen.
Zwischen Felicity, Ann, Pippa und Gemma herrscht außerdem weiterhin ein eher befremdliches Verhältnis, das wenig mit Freundschaft zu tun hat. Trotz illusorischer Momente echter Freundschaft gibt es auch immer wieder Situationen, in denen man sich als LeserIn fassungslos an die Stirn greifen muss und nicht recht nachvollziehen kann, weshalb die Mädchen einander nicht schon längst den Rücken gekehrt haben. Dem entgegen gesetzt werden Entwicklungen, die das scheinbar inakzeptable Verhalten der Mädchen ein wenig erklären. Manch enthülltes Geheimnis kommt dabei so unerwartet und mit solcher Wucht, dass es einem zunächst die Sprache verschlägt und die beinahe unglaubliche innere Stärke dieser Mädchen erst wirklich zeigt. Einmal mehr verschleiert und verschönert Libba Bray die Härte der Realität nicht und deckt auf, dass hinter noch so edlen Türen schreckliche Dinge geschehen können.

Die Männerwelt muss in diesem Zusammenhang in Rebel Angels einiges an Federn lassen und sich mit ein paar der schlechtesten Aspekte ihres Daseins auseinandersetzen. Etwas relativiert wird dies durch Kartik, der schon im ersten Teil der Trilogie eine zwiespältige Rolle einnahm, hier jedoch zum Lanzenbrecher für seine männlichen Kollegen wird. Als einer der wenigen Charaktere schlüpft er nicht in das sexistische Rollenbild der geschilderten Gesellschaft und erhält den Hauch von Hoffnung auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Mann und Frau aufrecht. Auch Gemmas Vater beweist, dass Männer nicht ausschließlich die starken Machthaber sind, sondern ebenfalls unter der Last ihres Schicksals zerbrechen können und verwundbar sind. Es sind realistische Bilder, die Libba Bray von Mann und Frau zeichnet, beide kommen dabei mal besser, mal schlechter weg. Dennoch bleiben Frauen die heimlichen Herrscherinnen von Brays Welt. Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau. Sie fühlen sich freilich zu Männern hingezogen, lassen ihre Gedanken um ihn kreisen und genießen es auch begehrt zu werden, jedoch erlauben sie sich nicht, ihr Leben allein davon bestimmen zu lassen. Wieder sind es die Charaktere und ihr ambivalentes Verhalten, welche Libba Brays Roman so spannend und lesenswert machen. Fernab magischer Welten gibt es viel Menschliches zu entdecken, zu erfahren und zu erkennen.

Der Roman kommt leider nicht ganz so rebellisch daher wie man es dem Titel nach erwarten würde. Die Jagd nach Circe und die Suche nach dem Tempel stellt ein großes Thema dar und führt durch beide Welten, doch die Autorin legt mehrfach falsche Fährten, die leicht und früh durchschaut werden können. Dennoch liefert auch Rebel Angels wieder eine Geschichte, die den Leser auf schwer erklärbare Weise an das Buch fesselt und dabei neugierig auf die weitere Entwicklung macht. Wem also A Great And Terrible Beauty (Gemmas Visionen) stilistisch gefallen hat, der kann mit Rebel Angels nicht viel verkehrt machen.

The Rest Falls Away von Colleen GleasonMiss Victoria Gardella Grantworth ist die letzte der Gardella-Blutlinie und damit auch die letzte vom Schicksal bestimmte Vampirjägerin. Sie ahnt von ihrer Bestimmung nichts, bis sie immer wieder von dem gleichen Traum heimgesucht wird, in dem Vampire sie verfolgen. Unsicher, was dies bedeutet, fragt sie ihre Tante Eustacia um Rat. Als sich das Geheimnis offenbart, muss Victoria eine Entscheidung treffen, die ihr Leben für immer verändern wird.

– His footsteps were soundless, but Victoria felt him moving. –
In Which Our Story Commences, S. 1

Auf den ersten Blick lässt das Zitat ja doch hoffen. Hoffen auf ein Buch mit Spannung, mit dunklen Ecken, in denen düstere Gestalten lauern, mit einer packenden Atmosphäre und einer starken Heldin, die eine Vorfahrin von Buffy sein könnte.
Könnte.
Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt …

The Rest Falls Away (Bleicher Morgen) verspricht erst einmal einen interessanten Ansatz. Nicht unbedingt eine neue Geschichte, aber es hätte, wenn es gut erzählt worden wäre, durchaus solide werden können. Leider mangelt es der Autorin an mehreren Dingen. Zum einen scheinen sich viele Gedankengänge zur Handlung ausschließlich in ihrem Kopf abgespielt zu haben, denn die Story holpert doch gewaltig von einer Aktion über eine plötzliche Schlussfolgerung bis hin zu einer längst überfälligen Erkenntnis der Protagonisten, stolpert zurück zum Anfang und springt wieder ans Ende der Charakterentwicklung. Es liest sich daher etwas sehr launisch. Die erzählerische Wirkung tendiert gegen Null, das häufige Problem ist eine in sich unschlüssige Handlung.

Sieht man darüber dennoch hinweg, wird man gleich von blassen Charakteren in Empfang genommen, die einem allesamt so gar nicht ans Herz wachsen wollen. Sie wollen einem auch sonst keine Regung abgewinnen, denn sie bleiben alle vollkommen oberflächlich gezeichnet, ohne die Möglichkeit irgendeinen wie auch immer gearteten Zugang zu ihnen zu finden. Es gibt bestimmte Attribute, welche die Autorin ihnen zuschreiben wollte: die schlagfertige und aufopfernde weibliche Heldin, der liebevolle, witzige, charmante, aber völlig ahnungslose Marquis, der die Heldin aufrichtig liebt, der arrogante, unnahbare und absolut unausstehliche Kollege unserer Heldin, der natürlich heimlich ein Auge auf sie geworfen hat, die mütterliche und weise Tante als Lehrmeisterin und diverse andere Stereotypen, die man in der Regel ohne weiteres erkennt und dennoch alle irgendwie mag, weil sie einem aufgrund dieser Merkmale sofort vertraut erscheinen. In diesem Fall jedoch lernt man die Personen nicht kennen, sie entwickeln sich nicht, stattdessen bekommt man von der Autorin gesagt, was man von ihnen halten soll.
Mit den Gegnern verhält es sich auch nicht besser. Sie stellen nie eine echte Gefahr dar und wirken daher auch nicht bedrohlich, infolge dessen erscheinen die Protagonisten wiederum nicht kompetent. Kurzes Beispiel gefällig? Aber gerne:
Gardist der Obervampirin Lilith und absolut ernst zu nehmender Vampir greift an! – (Achtung Zitat:) Poof! Asche. Drei der obersten, ältesten und mächtigsten Vampire, genannt Imperials, greifen gleichzeitig an! – Poof! Poof! Poof! Asche hoch drei! Wir kämpfen gegen mehrere Gardisten und Imperials auf einmal! – So oft kann man innerhalb weniger Sekunden gar nicht Poof! sagen …
Das geht so locker flockig vom Pfahl, da fragt man sich doch, wozu es noch ein Expertenteam zur Jagd von Vampiren braucht.

Auch der Weltenbau ist so uninteressant und detaillos wie die Charaktere. Angesiedelt in einer vermeintlich viktorianischen Epoche, liest man eigentlich nur von Korsetts, hin und wieder einem Tee, verschiedenen Bällen und ausgefallenen Kleidern, und damit ist nicht etwa eine Beschreibung der Kleider gemeint. Nein, es sind einfach nur ausgefallene Kleider, mit dem Rest verhält es sich genauso. Aha! Na dann ist doch schon alles klar, da formen sich fantastische Bilder vor dem geistigen Auge, da kommt Atmosphäre auf, die Haare sträuben sich vor Spannung, nicht wahr?
Die Handlung wiederholt sich im Übrigen mehrfach, mit den selben Personen, dem selben Ablauf, den gleichen wässrigen Ausreden, weshalb die Heldin mal wieder eben verschwinden muss … Zusammenfassend passiert also eigentlich fast nichts, man entdeckt nichts und die Story kommt nur schleppend voran. Dies in Kombination mit der inkonsequenten Charakterentwicklung und den unlogisch späten Erkenntnissen, macht die Lektüre zu einem äußerst zähen Stück blutlosem Schinken.

The Rest Falls Away gehört der Gattung Paranormal Romance an, aber aufgrund des Schreibstils mag kaum Romantik aufkommen. Auf den letzten Seiten soll es dann plötzlich erotisch werden, wovon man leider auch nicht viel mitbekommt, denn es fallen bloß ein paar eindeutige Wörter, die nicht zum bisherigen Stil passen wollen. Das ist nur der letzte einer Vielzahl von sprunghaften Richtungswechseln, die aus dem Nichts auftauchen, sich nicht fließend in die Handlung einfügen wollen und auch eigentlich keinen Sinn ergeben, ganz zu schweigen davon, dass es den Roman noch irgendwie retten könnte.

Beim Lesen dieser Lektüre gewinnt man vor allem einen Eindruck: Die Autorin ist eine Anhängerin der Gothic-Szene und sie hat eine Vorliebe für Korsetts und Piercings. Was sie leider nicht hat, ist das Talent, eine flüssige und überzeugende Geschichte zu schreiben. Wer nun denkt “Hey super! Ich gehöre auch zur Szene!”, der vergesse es besser gleich wieder. Dieser Roman bietet viele Ansätze und Versuche, die offen stehen bleiben wie eine unfertige Skizze, die man nun gerne ausarbeiten würde. Es gibt in diesem Buch neben sehr vielen Kopf-schüttel-Situationen lediglich zwei (unbeabsichtigte) Lacher, die mit den erwähnten Piercings zusammenhängen und die einzige Entschädigung für die investierte Lesezeit darstellen.
Wie es schon im Titel heißt: The Rest Falls Away.

Sengendes Zwielicht von Gail CarrigerZwei Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Töchterchens Prudence leben Alexia und Conall Maccon weiterhin im Ex-Kleiderzimmer des exzentrischen Vampirs Akeldama, als eine Einladung der Vampirkönigin Alexandrias die gefürchtete Badenacht unterbricht und die Familie zu einer Reise nach Ägypten nötigt. Da bei den Maccons nichts ohne fliegende Fetzen von Statten geht, wird die Reise selbst zum Auftakt abenteuerlichen Chaos, bei dem die anwesende Theatergruppe der Familie Tunstell selbstverständlich nicht zu einer Verbesserung der Ordnung beiträgt.

»Ich glaube, heute ist Badetag, Madam.«
Lady Maccon erbleichte vor Entsetzen. »O du liebe Güte! Dann ergreifen wir am besten schnell die Flucht, Conall, sonst werde ich es nie schaffen, rechtzeitig zu …«
Als hätte ihre Angst vor genau solch einer Verzögerung es heraufbeschworen, erklang ein Klopfen an der Tür von Lord Akeldamas drittbestem Schrankzimmer. –
1, Beinahe findet ein Bad und definitiv ein Besuch im Theater statt

Zu Sengendes Zwielicht liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Six Gun Tarot von R. S. BelcherMehr tot als lebendig kommt der junge Jim mit seinem treuen Pferd nach der Durchquerung der 40-Meilen-Wüste in Golgotha an, einem Western-Kaff, wie es im Buche steht. Oder vielleicht doch nicht ganz? Es ist auf jeden Fall einiges faul in dem Örtchen, in dem sich zwischen mormonischen Stadtvätern, einem offenbar unsterblichen Sheriff, einem Gemischtwarenhändler mit frankenstein’schen Ambitionen und einer Bankiersgemahlin mit eindeutig zu vielen Messer in der Tasche etwas Böses herumtreibt. Aber auch Jim schleppt ein magisches Artefakt (und ein hohes Kopfgeld, das auf ihn ausgesetzt ist) mit sich herum, und versucht kurzerhand Fuß zu fassen.

-The Nevada sun bit into Jim Negrey like a rattlesnake. It was noon. He shuffled forward, fighting gravity and exhaustion, his will keeping him upright and moving.-
The Page of Wands

Wenn die Fantasy den wilden Westen erobert und damit zwei bildgewaltige, abenteuerliche und kontrastreiche Genres aufeinandertreffen und in einer konzertierten Aktion Zombies, Viehbarone oder Aliens niedermachen, geht es meist ziemlich hoch her. Und wenn man schon mal dabei ist, den Western phantastisch aufzuladen, kann man ja auch gleich noch etwas mehr hinein packen. Und dann nochmal ein Schippchen obendrauf legen.
Das war wohl R.S. Belchers Devise für sein Romandebüt The Six-Gun Tarot, dem man locker eine ausufernde Genrebezeichnung überstülpen könnte, bei der EU-Gesetzgebungs-Bandwurmwörter im Längenvergleich beschämt von dannen ziehen müssten.
Der Roman empfängt Leser und Leserinnen zunächst mit charmant und stilvoll umgesetzten Western-Klischees und einem bunten Figuren-Ensemble, das trotz des rauen Tons, der in Golgotha mitunter angeschlagen wird, eine gewisse Wärme ausstrahlt. Es ist zwar nicht gerade ein idyllisches Western-Städtchen-Leben, aber ein mehr oder weniger respektvoller Umgang, was sich zwischen den Einwohnern abspielt … als da wären: Der junge Neuankömmling (mit finsterer Vergangenheit), der strahlend gute Sheriff (mfV), der zwielichtige Saloon-Betreiber (mfV), die Bankiersgattin (mfV), die Minenarbeiter (mfV), der Bürgermeister (mit Leiche im Keller), der Gemischtwarenhändler (mit Leiche im Speicher), der indianische Hilfsheriff (mit fragwürdiger, vierbeiniger Abstammung), die freundliche Witwe (völlig geheimnis- und leichenfrei). Und das, liebe Leserinnen und Leser, waren noch lange nicht alle Figuren, aus der Perspektive The Six-Gun Tarot erzählt wird.

Eine Weile funktioniert das sehr gut, die Spannung des Romans bezieht sich aus dem Setting und den Figuren. Doch die Masse an Personal und sonstigen Versatzstücken – denn jede Figur bringt eine eigene interessante Geschichte mit neuen Elementen mit – geht schnell auf Kosten der Tiefe und des Tempos.
Dabei machen viele der einzelnen Ideen großen Spaß: Mutt, der Hilfsheriff mit Coyotenverwandtschaft, ist eine gelungene (als Indianer doppelte) Außenseiterfigur, die mehr schlecht als recht in einer kleinen Nische der Gesellschaft zurechtkommt. Der Auftritt einer feministischen Super-Oma bringt die Lage von Frauen im 19. Jahrhundert (und weit darüber hinaus) perfekt auf den Punkt. Die mormonischen Stadtväter von Golgotha (durch deren Ränge sich einige hochinteressante Brüche ziehen) passen nicht nur zur religiös aufgeladenen Haupthandlung, sondern tragen mit dazu bei, aus Golgotha ein hyperamerikanisches Kaff zu machen, das nur von Leuten bewohnt wird, die sich schlicht weigern, aufzugeben.
Bisweilen stellt Belcher einen liebevollen Blick für Details und Charakterentwicklung zur Schau, aber eben nur punktuell. Er schafft es nicht ganz, alles zu einer Einheit zusammenzufügen. Im Gegenteil laufen viele Figurengeschichten ein bisschen ins Leere, während sie gleichzeitig aber auch die Haupthandlung sabotieren, die in ihrer schöpfungsgeschichtlichen Grundannahme eigentlich gewaltig genug ist, allein mehr als einen knapp 400seitigen Roman zu tragen. Der mythische Hintergrund der Geschehnisse in Golgotha ist eine spannende Sache, verliert sich aber im Kuddelmuddel aus Einzelideen.

Hinzu kommen ein paar kleinere Probleme technischer Natur – ob es nun die sich in mehreren Handlungssträngen schnell abnutzende Motivation durch die Kinder der Hauptfiguren ist, oder Dialoge, in denen Belcher seine Helden allzu sehr den Erklärbär geben lässt und dazu auch mal unschön aus der Perspektive fällt.
Inmitten der Infodumps und während das Ganze mit immer neuen Figuren in die Breite geht, flaut die Spannung schnell ab, und man braucht schon eine ausdauernde Freude an neuen Ideen, um am Ball zu bleiben.
The Six-Gun Tarot ist trotz allem ein Roman, den man nur ungern in die Pfanne haut, denn er krankt an einem Autor, der sich redlich bemüht und dabei vieles gut gemacht hat. Aber es sind genau jene vielen zu komplexen und differenzierten Geschichten, die fast alle lobenswert anders sein und ihre Klischees auf den Kopf stellen wollten, die das Debüt letztlich im Graben enden lassen.
R.S. Belcher ist aber trotzdem ein Autor, den man sich merken sollte – vielleicht, wenn er aus seinen hervorragenden Zutaten erst mal Bohnen mit Speck statt ein Zehn-Gänge-Menü kocht.

The Sweet Far Thing von Libba BrayDie Lage ist ernst. Der Kampf um das magische Reich und die Magie spitzt sich zu, auch das Verhältnis zwischen Gemma und ihren Freundinnen ist angespannt. Jeder möchte die Magie kontrollieren und Gemma notfalls dazu zwingen, sie abzugeben. Die junge Frau muss sich entscheiden, wem sie die Magie überlässt und welchen Pfad sie in ihrem Leben einschlagen will. Doch wird sie lange genug leben, um diese Wahl zu treffen? Und wird sie mit ihrer Entscheidung das drohende Unheil verhindern oder entfesseln?

– There is a particular circle of hell not mentioned in Dante’s famous book. (…) But I can say with all certainty that walking the length of a ballroom with a book upon one’s head and a backboard strapped to one’s back while imprisoned in a tight corset, layers of petticoats, and shoes that pinch is a form of torture even Mr Alighieri would find too hideous to document in his Inferno. –
Kapitel 1, S. 7

Willkommen zum Finale von Gemma Doyle!
Entschuldigung, sagte ich Finale? Willkommen am nervtötenden Ende einer Trilogie, die gut begann, trifft es wohl leider besser. Doch fangen wir vorne an.

Das dritte Abenteuer  der Gemma Doyle-Trilogie The Sweet Far Thing (Kartiks Schicksal) beginnt einmal mehr schleppend langsam, und auch nach 350 Seiten ist noch nichts Nennenswertes passiert, was die Handlung irgendwie vorantreiben würde. Gemma glänzt deutlicher denn je durch blindes Vertrauen, dumme Entscheidungen, nahezu hirnloses Verhalten, ist planlos, sprunghaft und hat sich seit Band 1 kein bisschen weiter entwickelt. Mit beharrlicher Konsequenz ignoriert sie weiterhin sämtliche Warnsignale und vergangenen Ereignisse. Auch die immer wieder betonte drängende Zeit bewegt unsere Heldin nicht dazu, notwendige Entscheidungen zu treffen. Stattdessen ergeht sie sich in sinnlosen Abenteuern und Streifzügen durch die Londoner Society oder das inzwischen stark gefährdete magische Reich, mit einer Gruppe von Freundinnen, bei der noch immer keine der anderen traut (man bedenke noch einmal: wir sind schon im finalen Band drei …) und auch alle sich benehmen wie verzogene, egoistische Gören. Jawohl, Gören. Man möchte sie regelmäßig ohrfeigen und schütteln und einfach nur hassen.

Nach rund 350 Seiten ist dann ein Hauch von Freude beim Leser angesagt. Es tauchen tatsächlich ein paar bekannte Puzzleteile auf, die sich plötzlich zusammenfügen. Spurensuche, Abenteuer und gelüftete Geheimnisse machen einem Hoffnung auf ein ansteigendes Lesevergnügen, doch man muss weiterhin Geduld beweisen und darf nicht zuviel verlangen.
Hat man es dann mit Mühe und Not bis auf Seite 429 geschafft, gut die Hälfte dieses Wälzers, trifft man auf eine Stelle, an der man sich tatsächlich fragt, ob einen die Autorin verhöhnen möchte. Gemma, die gerade selbst ein eher langweiliges Buch konsumieren muss, kommentiert ihr Leseerlebnis folgendermaßen (und drückt damit wunderbar aus, wie es einem bei der Lektüre gerade selbst ergeht):

With a sigh, I resign myself to combing through it page by page, though 502 pages is so many to wade through, and I curse authors who write such lengthy books when a few neat pages of prose would do.

Für diesen tiefschwarzen Sinn für Humor muss man die Autorin fast schon wieder loben.

The Sweet Far Thing spielt sich innerhalb weniger Monate ab, doch durch die extrem langatmige Erzählweise gewinnt man den Eindruck, es zögen Jahre ins Land, in denen wirklich nichts Interessantes passiert. Als Ausgleich ist dafür alles recht vorhersehbar.

Die letzten Kapitel ziehen dann aber doch ordentlich mit der Action an und alles, was man schon die ganze Zeit erwartet oder erhofft hat, kommt endlich in Gang. Wenig überraschend kommt dann aber auch das Ende daher, das einen vor allem frustriert zurück lässt. Nichts von diesem Buch bleibt so deutlich hängen wie das Gefühl, allein zu sein und nirgendwo hinein zu passen, begleitet von dem Schmerz des Verlustes, der Hoffnungslosigkeit, und irgendwie klingt die Botschaft stark nach: “du kannst dich noch so abrackern, am Ende bringt es dir ja doch nichts als Enttäuschung”.
Auch wenn die Mädchen es immerhin schaffen, letztlich ihren eigenen Weg einzuschlagen, und die Möglichkeiten der anbrechenden Zukunft erst einmal positiv klingen, wird das alles von der trägen Erzählweise und dem wenig motivierenden Ausgang dieser Trilogie überschattet.

Um ein ganz eindeutiges Fazit zu ziehen: lasst die Finger davon. Diese Buchreihe, die im ersten Band mit recht vielversprechenden Ideen begann, ist letztlich eine große, Zeit verschwendende Enttäuschung und wird mit jedem Band schlechter. Zu empfehlen sind die Fortsetzungen vermutlich nur jenen, die nach A Great and Terrible Beauty (Gemmas Visionen) schon völlig begeistert von Schreibstil, Charakteren oder was auch immer waren, alle anderen investieren ihre Zeit lieber in Bücher mit der Aussicht auf Unterhaltungswert.

Timeless von Gail CarrigerZwei Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Töchterchens Prudence leben Alexia und Conall Maccon weiterhin im Ex-Kleiderzimmer des exzentrischen Vampirs Akeldama, als eine Einladung der Vampirkönigin Alexandrias die gefürchtete Badenacht unterbricht und die Familie zu einer Reise nach Ägypten nötigt. Da bei den Maccons nichts ohne fliegende Fetzen von Statten geht, wird die Reise selbst zum Auftakt abenteuerlichen Chaos, bei dem die anwesende Theatergruppe der Familie Tunstell selbstverständlich nicht zu einer Verbesserung der Ordnung beiträgt.

– »I believe that it is bath night, madam.«
Lady Maccon paled in horror. »Oh, goodness. We had best escape quickly, then, Conall, or I’ll never be able to get away in time for–«
Clearly summoned by her fear of just such a delay, a knock sounded at Lord Akeldama’s third closet door. –
Kapitel 1, S. 3

Willkommen zum Finale des Parasol Protectorates!
Um es gleich vorweg zu nehmen: Timeless (Sengendes Zwielicht) ist ein solider Abschluss, durchaus, jedoch kommt das Buch nicht mehr an die Genialität des Auftaktromans Soulless (Glühende Dunkelheit) heran und verliert, wie schon bei Heartless geschehen, noch einmal etwas von dem ursprünglichen Charme und Witz dieser Reihe, da es zu viele Baustellen bei gleichbleibender Seitenzahl gibt.
Doch sie tauchen zwischendurch immer mal wieder auf, die urkomischen Momente, in denen sich der geneigten Leserschaft herrliche Bilder absurdester Komik präsentieren. Das zeigt sich besonders in Tochter Prudence’ kindlichen Aktionen, sowie in ihren Auftritten als Mini-Vampir oder Mini-Werwolf, in Ivy Tunstell, die nicht nur eine Vorliebe für peinlich geschmückte Hüte hat, sondern auch für peinliche Namen, in miteinander flirtenden Werwölfen, luftkranken Alphas und lispelnden Jung-Vampiren.
Da hier aber sehr viele Charaktere ihr ganz persönliches (Happy-)End bekommen, treffen in Timeless viele, wenn auch zusammenhängende, Handlungsstränge aufeinander, bei denen die weitere Entwicklung der einzelnen Figuren zwangsläufig etwas auf der Strecke bleibt und so an Tiefe vermissen lässt. Deutlich wird dies insbesondere bei Conall Maccon und Alexia selbst, deren Entwicklung zum Stillstand gekommen ist, vielleicht auch, weil sie, zumindest in emotionaler Hinsicht, keine neuen Wege beschreiten können. Die Ereignisse zwischen ihnen sind so oder so ähnlich schon da gewesen und man ahnt als LeserIn sofort, dass da schon eine Lösung für das gerade entstanden Problem hinter der nächsten Ecke wartet. Ein Mitfiebern mit den Charakteren gestaltet sich daher eher schwierig.

Während sich jeder Charakter auf seinen persönlichen Abschluss zubewegt, bleiben viele Fragen der übergeordneten Handlung und Vergangenheit um Alexias Vater und der gemeinsamen Vergangenheit von Werwölfen, Vampiren und Seelenlosen ungeklärt. Somit liefert auch Timeless keine wirkliche Auflösung zu dem Gesamtthema, was sehr schade und leider auch enttäuschend ist, da man sich als LeserIn von dem Aufbruch nach Ägypten doch ein bisschen mehr Hintergrundgeschichte dieser Parteien und ein wenig archäologische Graberei verspricht.
Natürlich hält diese Auslassung für die Autorin aber auch die Option offen, beizeiten noch einmal zu dieser Serie zurückzukehren oder das Thema vielleicht in dem geplanten Sequel um Tochter Prudence fortzusetzen.

Ein großes Plus gewinnt Timeless dafür durch seinen ästhetischen und liebevollen Umgang mit der Homosexualität zwischen zwei männlichen Hauptfiguren des Parasol-Protectorate-Universums. Selten so selbstverständlich und alltäglich in das Gesellschaftsbild eingearbeitet, schafft Timeless es ganz problemlos, die gedankliche Hürde zu nehmen, die einen solche Entwicklungen häufig als ungewohnt und persönlich unzugänglich empfinden lassen. Die nunmehr deutlich vorhandenen Andeutungen homosexueller Interaktionen wirken jedoch zu keiner Zeit befremdlich. Im Gegenteil, man freut sich für das frische Paar und lächelt mit ihm.
Auch die Idee eines Nomadenvolks der Lüfte, mechanische Reitkäfer, die optische Rettung eines scheinbar hoffnungslos verunstalteten Sonnenschirms sowie die lebenserhaltende Apparatur einer Vampirkönigin mit Todeswunsch sorgen für Steampunk-Atmosphäre und wecken Erfinderlaune.

Am Ende von Timeless und damit auch am Ende des Parasol Protectorate angelangt, hat man gelacht, geweint, sich manchmal etwas mehr Spannung und mehr Antworten gewünscht, doch man wird die Serie vermissen und sich auf jeden Fall fragen, ob es in Prudence und Imprudence, welches im selben Universum spielen wird, ein Wiedersehen mit alten Bekannten in neuen Positionen geben wird. Verstärkt wird diese Frage durch verschiedene überraschende Entwicklungen, die die Londoner Gesellschaftsverhältnisse ordentlich aufmischen und sowohl große Veränderungen für das Werwolfsrudel, als auch für die örtliche Vampir- und Modeszene bedeuten. Mit möglicherweise fatalen Folgen für letztgenannte …
Im Zuge dieser Entwicklungen jedenfalls fällt die Angabe eines Zeitraums “in 15-20 Jahren vielleicht”, was sich mit dem Alter der Protagonistin deckt, das sie, ersten Angaben der Autorin zufolge, in Prudence und Imprudence haben wird.

Timeless ist vielleicht nicht das beste Buch in dieser Reihe und bietet auch keinen Abschied mit fulminantem Abgang, doch es schließt die Reihe würdig und rechtzeitig ab und lässt darüber hinaus Raum für Spekulationen.

Praise the ruffled parasol!

Die Vampire von Kim NewmanDie Vampire ist ein Sammelband der die ersten drei Bücher aus Kim Newmans Reihe Anno Dracula zusammenfasst.
Schauplatz ist eine alternative Realität in der Graf Dracula überlebt hat und Vampire nicht länger im Schatten leben, sondern Teil der Gesellschaft geworden sind.

– Die Entbindung der vergangenen Nacht ging leichter als die anderen. Viel leichter als die der vergangenen Woche. Mit ein wenig mehr Übung und Geduld geht womöglich alles leichter. Wenn auch niemals leicht. Niemals … leicht. –
Im Nebel, Dr. Sewards Tagebuch

1. Buch: Anno Dracula
Es ist 1888 und Königin Victoria von England hat sich einen neuen Gemahl gewählt: den Grafen Dracula. Täglich wächst die Gemeinde der Vampire, mal mehr, mal weniger freiwillig und so spalten sich bald die Gruppen derer, die den Vampirismus begrüßen, und derer, die sich auf eine Rebellion vorbereiten. In diese sensiblen Situation einer Gesellschaft, die mit der Veränderung noch nicht ganz zurecht kommt, mischt sich nun auch ein Serienkiller ein, der es mit seinem Silbermesser auf Vampirhuren abgesehen hat.

Zu Anno Dracula liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

2. Buch: Der Rote Baron
Nach seiner Schreckensherrschaft über Großbrittanien und seiner Vertreibung vom Thron, hat sich Dracula nun mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II. verbündet und entfesselt den Ersten Weltkrieg. Eine seiner wichtigsten Waffen dabei ist der untote Manfred Freiherr von Richthofen – der Rote Baron.

3. Buch: Dracula Cha Cha Cha
Es ist 1959 und wir befinden uns in Rom. Gerade ist Graf Dracula dabei seine sechste Frau zu heiraten, die Prinzessin Asa Vajda. Man vermutet hinter der Hochzeit einen erneuten Versuch Draculas sich eine Machtposition als Herrscher über Rumänien anzueignen.
Derweil reist die Journalistin Kate Reed nach Rom um ihren alten Freund Charles Beauregard und dessen Vampir-Partnerin Geneviève Dieudonné zu besuchen. Dabei stößt sie zufällig auf eine blutige Mordreihe an Vampirältesten, denen bereits 17 Vampire zum Opfer gefallen sind. Gemeinsam mit Geneviève, Hamish Bond und dem Paparazzi Marcello macht sie sich daran die Hintergründe aufzudecken.

Cover des Buches "Zeppelins West" von Joe R. LandsdaleBullen, Pferde, Planwagen und hunderte von Statisten verschiedener Nationen befinden sich an Bord einer Staffel von Zeppelinen, mit denen Buffalo Bills Wild West Show gen Japan schwebt, um dort vor dem Shogun aufzutreten. Buffalo Bill Cody selbst war allerdings schon einmal besser in Schuss: Nach einem fatalen Zwischenfall ist von ihm nur noch ein Kopf in einem Einweckglas voller Schweine-Urin geblieben, an dem gelegentlich eine Kurbel bedient werden muss, um Cody wach zu halten. Davon lässt er sich jedoch nicht abhalten, nebst der Show noch einen Geheimauftrag bei den Japanern auszuführen.

-If viewed from below, the twelve of them appeared to be brightly colored cigars. It seemed God had clumsily dropped them from his humidor. But fall they didn’t. They hung in the sky, floated on, and from time to time, as if smoked by invisible lips, they puffed steam.-

Zeppelins West stammt aus der Zeit vor der Steampunk-Schwemme, als noch nicht auf jedem dritten Cover ein Luftschiff prangte, und es zelebriert das Genre auf eine Weise, wie es kaum ein aktuelles Werk wagt: Joe Lansdale stürzt sich auf alles, was die Ära hergibt, schert sich nicht um Konventionen oder gutes Aussehen und nimmt seine LeserInnen mit auf eine Achterbahnfahrt, bei der die ganze Maschinerie ein dampfgetriebenes Ungetüm ist, und nicht nur ein paar steampunkige Kulissen herumstehen.
Lansdale beginnt – für die Begriffe dieses Romans noch völlig harmlos –, indem er die ganze Kuriosität der ohnehin schon überkandidelten Wild West Show auf Zeppeline packt und damit auf die Spitze treibt (aber gar nicht mal so sehr, wenn man sich die Dimensionen dieses Spektakels im historischen Kontext zu Gemüte führt). Stück um Stück eröffnet sich alsbald, wie sehr das Szenario von der realen Geschichte abweicht, und über die immer kühneren Entwürfe und Verflechtungen historischer, literarischer und neu erfundener Figuren und Ereignisse wird man Seite um Seite mehr ins Staunen geraten. Bis in kleinste Nebenrollen hinein begegnet man mehr oder weniger bekannten Gestalten, und keine Ikone der Ära ist davor sicher, von Lansdale mitgerissen und auf eine Art präsentiert zu werden, wie man sie bestimmt noch nie erlebt hat: Stoker, Wells, Verne, Shelley und Baum sind die bekanntesten Beiträger für die Episoden von Zeppelins West.

Nur ein famoser Erzähler wie Lansdale kann ein solches Konglomerat sämtlicher Steam-Fantasien durchziehen, ohne den Faden der Erzählung, die in schneller Folge von einem Abenteuer ins nächstgrößere stolpert, gänzlich zu verlieren. Die Wild West Show wird schnell zum Nebenereignis, und nur bei den perfekt sitzenden Dialogen zwischen der Action am laufenden Band und den stetigen Schauplatz- und Perspektivwechseln kehrt manchmal ein Hauch von Ruhe ein.
Mit den Helden der Erzählung – vor allem den Stars der Wild West Show – pflegt Lansdale einen erdig-dreckigen Umgang – Buffalo Bill Codys in Schweinepisse und Whisky eingelegter Kopf ist bei weitem nicht die größte Absurdität des Romans. Nicht nur diesbezüglich, sondern auch in der Bandbreite der Anspielungen und der (wenn auch nicht geographischen) Verortung der Handlung im wilden Westen könnte Zeppelins West ein Seelenverwandter von Jack Yeovils Dark-Future-Romanen sein.

Star des Romans ist neben dem herrlich wortkargen und nur manchmal fragwürdige indianische Weisheiten von sich gebenden, aber stets pragmatischen Sitting Bull vor allem Ned der Seelöwe, ein tierischer Gefährte von Kapitän Bemo (mit solcherlei gutgelaunt-saloppen Verfremdungen ist jederzeit zu rechnen), ein eigenwilliger Charakter, der nicht zuletzt dank der wunderbaren Illustrationen von Mark A. Nelson (die dem Band überhaupt ein sehr gediegenes Äußeres geben) Lesern und Leserinnen schnell ans Herz wachsen wird.
Mit einem guten Schuss Horror sollte man leben können, wenn man Zeppelins West genießen will – es werden mitunter Leute verspeist, zerlegt oder anderweitig unschön aus dem Dasein befördert, aber stets mit einem Hang zum Bizarren statt zum Bösartigen. Der Body-count ist allerdings von Anfang an hoch, und auch sonst geht es immer wird derb zur Sache – im Bett, bei Tisch und an ungewöhnlicheren Orten. Dem gegenüber steht eine der sicher ungewöhnlichsten Romanzen der phantastischen Literatur, die nicht weiter von heteronormativen Zuschreibungen entfernt sein könnte.

Nach x Abenteuern wird es jedoch sichtlich schwer, Zeppelins West mit einem adäquaten Ende auszustatten – irgendwann lassen sich die sich überschlagenden Ereignisse nicht mehr toppen, noch können sie auf simple Weise zum Abschluss gebracht werden; das relativ desolate Finale erscheint jedoch (auch wenn es in Teilen für die Fortsetzung Flaming London revidiert wurde) nach den rauen, aber beinahe naiv übersteigerten Ereignissen zuvor ein wenig hart.
Insgesamt kann aber auch diese Einschränkung nur ein klein wenig an den herrlich bizarren Abenteuern kratzen, die die ohnehin übertrieben-heroischen Lebensläufe der Wild-West-Stars krönen – Freunde des Steampunk und der viktorianischen Abenteuerliteratur sollten also zusehen, ob sie eine Ausgabe auftreiben können (wenn nicht die illustrierte limitierte, dann vielleicht die Gesamtausgabe beider Bände der Reihe, die unter dem Titel Flaming Zeppelins erschienen ist).