The Ladies of Grace Adieu

Unser Buch des Monats stammt von Susanna Clarke (die passenderweise am 1.11. ihren 55. Geburtstag feiert, zu dem wir ihr hiermit herzlich gratulieren). Anders als viele Fantasyautoren hat die lange als Lektorin und Englischlehrerin tätige Clarke kein umfangreiches Œuvre aufzuweisen, sondern ist nach der Veröffentlichung einzelner Kurzgeschichten (von denen immerhin Neil Gaiman sehr angetan gewesen sein soll) schlagartig durch einen einzigen ungewöhnlich erfolgreichen Roman bekannt geworden: Jonathan Strange & Mr Norrell, ein The Ladies of Grace Adieu von Susanna ClarkeBuch, das die Zeit der napoleonischen Kriege mit Magie und bedrohlichen Feen anreichert und eine anspruchsvolle, der zeitgenössischen Unterhaltungsliteratur eher ferne Spielart von Fantasy bietet.
Doch nicht dieser Bestseller soll im November bei uns im Vordergrund stehen, sondern Clarkes Kurzgeschichtenband The Ladies of Grace Adieu (ISBN: 978-0747589365; dt.: Die Damen von Grace Adieu, ISBN: 978-3827006882), der manche Züge mit dem bekannteren Werk teilt, aber aufgrund der Kürze der kleinen Erzählungen weit zugänglicher und schneller verschlungen ist als der in seinem Handlungsaufbau sehr gemächliche Roman.
Kulisse der von viel unterschwelligem, gelegentlich boshaftem Humor durchzogenen Geschichten ist ein alternatives und im wahrsten Sinne des Wortes zauberhaftes England, in dem gefährliche Kontakte mit der Feenwelt niemals fern sind und Magie auf durchaus unerwartete Art gewirkt werden kann (etwa durch Stickereien). Zeitalter und Genres sind dabei bunt gemischt: Von dem titelgebenden Gesellschaftsstück, das ohne die übernatürliche Würze auch eine ungewohnt düstere Episode aus einem Jane-Austen-Roman sein könnte, über eine schräge Rumpelstilzchen-Variante bis hin zur Persiflage einer mittelalterlichen Heiligenlegende ist alles vertreten.
Ein Thema kehrt allerdings immer wieder: Magie ist bei Clarke nicht zuletzt ein Mittel, mit dem sozial Benachteiligte (häufig Frauen) über Höhergestellte zu triumphieren vermögen. Ob Clarke hier bewusst ein Denkmuster aufgreift, das in den Hexenverfolgungen der frühen Neuzeit tragische Konsequenzen hatte, sei dahingestellt. Ihre Freude an Geschichtlichem spricht jedoch eindeutig daraus, dass sie historische Persönlichkeiten wie den Herzog von Wellington oder Maria Stuart auftreten lässt, und nicht zuletzt auch aus der stilistischen Gestaltung der einzelnen Texte, die oft Ausdrucksweise und Tonfall vergangener Epochen virtuos nachahmen. Wer Spaß an solchen Spielereien oder ganz allgemein an Kurzgeschichten hat, sollte den Ladies of Grace Adieu eine Chance geben – und das vielleicht selbst dann, wenn er an Jonathan Strange & Mr Norrell gescheitert ist.

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