Das erste Halbjahr 2012 – ein Rückblick in Zahlen

Wir wollen unsere Rezensententätigkeit und unser Leseverhalten hin und wieder auch kritisch beleuchten, und dazu haben vier unserer eab-Mitglieder eine Auswertung ihrer bisherigen Lektüre 2012 vorgenommen, diesmal nicht in Form von Bestenlisten oder Tops und Flops, sondern um euch eine kleine Statistik zu präsentieren.

Colophonius
colos Lesestatistik für das erste Halbjahr 2012

7 gelesene Neuerscheinungen! Diese Quote ist bei mir sensationell. Während meine prä-bp-Einkäufe von Blindgriffen in die Neuerscheinungskisten dominiert waren, lese ich seit mehreren Jahren beinah ausschließlich junggebliebene Lektüremethusalems auf Empfehlung. Neuerscheinungen reizen mich zum Großteil nicht mehr, die aus dem deutschsprachigen Raum erst recht nicht (das ist eindeutig ein Fall für ein beherztes “leider!”). Dieses Halbjahr war durch einige Geschenkbücher von der Neuerscheinungsfront (5 insgesamt) ein Sonderfall, doch im nächsten heißt es wieder: neue Eriksons, Ffordes, Scholes, Rothfusses und einige andere Kandidaten bilden die Ausnahme. Das Büchergeld, was dann noch übrigbleibt, wird in zeitlos-alte Werke investiert, denn während sich viele Neuerscheinungen für mich wie ausgetretene Schuhe lesen, die belanglose Wege wieder und wieder begehen, begeistern mich viele alten Eisen durch ihre Aktualität und Relevanz.

mistkaeferl
Kaeferl's Lesestatistik für das 1. Halbjahr 2012

Frappierend ist bei mir der geringe Anteil an Autorinnen, vor allem, da ich bis auf wenige Ausnahmen nicht sonderlich AutorInnen-fixiert lese, sondern es meist Inhaltliches ist, das mich zu einem bestimmten Buch greifen lässt. Ein Blick ins Regal zeigt, dass aber auch dort Autorinnen nicht gerade üppig vertreten sind. Das mag z.T. an meinen bevorzugten Subgenres liegen – die epische Fantasy ist z.B. bis auf wenige Ausnahmen immer noch Männerdomäne. Des weiteren wäre es eine interessante Frage, ob nicht teilweise Verlagspolitik (und LeserInnenwünsche) Autorinnen in Bereiche treiben, die ich eher uninteressant finde (Stichwort “Romance”). Dennoch mag ich nicht alles auf äußere Gründe schieben und denke, dass ich mich mit dieser Schieflage noch genauer auseinandersetzen muss. Höchste Zeit für ein Autorinnen-Special bei bp!

moyashi
Moyas Lesestatistik für das erste Halbjahr 2012

Nachdem ich mir meine persönliche Statistik angeschaut hatte, fiel mir zunächst auf, dass ich nur deutschsprachigen Bücher abgebrochen habe, wobei ich davon schon nur sehr wenige zur Hand genommen hatte. Bei näherer Überlegung dämmerte mir die so offensichtliche und doch überraschende Erkenntnis einer der Gründe dafür. Die simple Erklärung: das Sie. Siezen und gesiezt werden war mir noch nie sympathisch. Es wirkt auf mich, solange ich mich erinnern kann, unpersönlich und unfreundlich. Da ist das englische you mit seiner universellen Verwendbarkeit wesentlich zugänglicher, und es verrät auch nicht gleich, wie das Verhältnis zu der Person gegenüber tatsächlich ist, ermöglicht Spekulationen, und die Verlegenheit des Wechsels vom Sie zum Du entfällt. Im Deutschen ist dagegen schon mit der Ansprache geklärt, wo man steht, und es fühlt sich, gerade in der Fantasy, immer merkwürdig für mich an, ein Sie zu lesen. Das ist zwar nicht mein einziger Grund, ein Buch abzubrechen, doch wenn sich ein nicht wirklich fesselnder Plot mit diesem geschwollenen Sie paart, dann ist das der fehlende Nagel im Sarg des Buches.

Wulfila
Wulfilas Lesestatistik für das erste Halbjahr 2012

Mir ist in diesem ersten Halbjahr 2012 eines bewusst geworden: Ich habe trotz eines insgesamt recht ordentlichen Lektürepensums entsetzlich wenig Fantasy gelesen. Bei der Auswertung ist mir vor allem aufgefallen, dass die beiden Bücher, die ich mir selbst ausgesucht habe, von Autoren stammen, die ich bereits kannte (in einem Fall handelt es sich um eine Neuerscheinung von einem längst verstorbenen Autor, so dass sie womöglich auch eher unter die “älteren” Bücher fällt). Spontankäufe aktueller Fantasyromane sind bei mir in letzter Zeit kaum vorgekommen, sei es, dass ich kritischer geworden bin, sei es, dass das Angebot einfach weniger attraktiv geworden ist.

(*) Titel die innerhalb der letzten 3 Jahre erstmalig veröffentlicht wurden.

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Da wir uns unsere Lektüre meist rein nach Präferenz aussuchen, sind die Rezensionen, die ihr bei bp zu lesen bekommt, zum größten Teil durch unsere persönlichen Auswahlkriterien gefiltert. Wir würden aber trotzdem gerne erfahren, wo eure Präferenzen liegen, wovon ihr gern mehr oder weniger sehen würdet: Bei einem Blick in die Spalte mit den neuen Rezensionen stehen oft überwiegend englische Titel, hättet ihr gern mehr Übersetzungen? Mehr aktuelle Titel? Oder andere Wünsche, die wir in unseren Auswertungen gar nicht bedacht haben?

11 Kommentare zu Das erste Halbjahr 2012 – ein Rückblick in Zahlen

  1. Wurling sagt:

    Welche Rezensionen würde ich mir wünschen? Prinzipiell sind mir Übersetzungen oder generell Bücher in deutscher Sprache lieber. Bücher in englischer Sprache sind – sofern sie nicht als Übersetzung vorliegen, bzw. keine Übersetzung geplant ist – zwar durchaus interessant sind, aber bei halt auch leichte *hüstel* Verzweiflung hervorrufen können … (die fehlenden Englischkenntnisse…). Mich bringen die häufig nicht wirklich weiter. Aber mittlerweile nehmen die Englisch-Leser immer mehr zu, von daher … :nixweiss: bin ich da wohl nicht unbedingt ein Gradmesser.

    Rezensionen zu aktuellen Neuerscheinungen sind im Netz natürlich eher gesucht als die von älteren Büchern, aber da muss man als Rezensent auch Zeit und Muße für haben, sonst wird aus Spaß ganz schnell Frust. Eine Mischung ist mMn schon angebracht, denn ältere “Perlen” lassen sich halt oft nur durch solche Hinweise/Rezensionen entdecken.

    Was ich persönlich schön fände wäre so etwas wie ein persönliches Fazit am Ende der Rezension. Ich weiß, das verfälscht das Bild der eigentlichen Rezension, bringt aber mMn eine gewisse Nähe zum Buch und zum Rezensenten. Man kann das ja mit persönlichen Vorlieben begründen um dem Leser die Möglichkeit zu geben, die ganze Rezension einschätzen zu können.

  2. Wurling sagt:

    Ich sehe gerade, dass bei mir nicht nur die Englischkenntnisse problematisch sind … *hüstel* …

  3. moyashi sagt:

    Hallo Wurling!

    Erst einmal danke für deine Antwort (die Tippdingse werden einfach ignoriert 😀 ).

    Bei der Frage englisch oder deutsch hätte ich noch eine Frage, da ich fast nur noch englische Titel lese und entsprechend rezensiere fände ich das ganz interessant zu erfahren.
    Wir führen in den Rezis ja auch immer den Titel der deutschen Übersetzung auf (sofern es einen gibt) für diejenigen, die tatsächlich nicht gerne im Original lesen. Die Frage die sich mir jetzt stellt ist, ob die Besucher der BP das überhaupt mitbekommen. Wenn du also eine Rezension zu einem fremdsprachigen Original siehst, schaust du da trotz deiner Abneigung rein oder fällt das für dich allein wegen der rezensierten Sprache schon raus?

  4. mistkaeferl sagt:

    Das wäre vielleicht auch eine geeignete Stelle, um auf unsere klammheimlich eingeführten Stöbereien zur Sprache hinzuweisen, wo man nicht nur auf den ersten Blick sehen sollte, ob eine Übersetzung vorhanden ist, sondern auch nach Übersetzungen und Originalen mit vorhandener Übersetzung suchen kann. Das aber nur nebenbei.

  5. Wurling sagt:

    @moyashi

    Ob ich mich wirklich für eine Rezension interessiere hängt grundsätzlich natürlich davon ab, ob das Buch/ die Geschichte in mein Beuteschema paßt, passen könnte oder mich aus einem anderen Grund reizt. Dabei fällt bei mir eine Rezension zu einem Buch, das es nur in einer Fremdsprache gibt sehr viel schneller raus. Bringt mir ja nix. Da muss das Buch dann schon ein sehr großes Interesse geweckt haben.

    Darauf, ob ein englisches Buch auch in der Übersetzung zu haben ist, schaue ich in der Regel eigentlich nicht, da ich das in den meisten Fällen (die mich interessieren) vorab schon weiß, ewiger Stöberer der ich bin (ok,in letzter Zeit wurde das mit dem Stöbern immer weniger). *g* Da bin ich vermutlich nicht der Richtige, um euch weiterzuhelfen. :nixweiss:

    @Käferl

    Die neue Sprach-Kathegorie beim Stöbern finde ich gut, hatte sie bis dato aber noch nicht entdeckt.

  6. Elric sagt:

    So, ich wollte mich ja auch mal äußern:
    1. Ich find es gut, dass ihr englische und deutsche Bücher gemischt rezensiert. Ich meine auch, dass gerade bei den Übersetzungen immer auch ein Kommentar über die Qualität der Übersetzung vorhanden ist. Das wird dann natürlich schwierig, wenn ihr “nur” Originale lest. Gerade dieser Hinweis ist doch durchaus hilfreich.
    2. Für englische Bücher wäre auch eine Meinung über die Schwierigkeit der englischen Sprache im Buch hilfreich – finde ich.
    3. Ich muss Wurling zustimmen: ich fände es total prima, wenn so eine kurze und persönliche Meinung zum Buch noch mit drin wäre. Einfach um ein bisschen zu erkennen, wie es so beim Rezensenten angekommen ist. Die persönliche Note also… 😉

    und jetzt so allgemein: ich les mir die meisten Rezis durch, einfach weil ich mich gerne etwas “inspirieren” lasse. (okay, “ködern” klappt genauso! :P) Auch eure Auswahl an und für sich finde ich prima, da lässt sich gar nicht jammern! 😀

  7. Colophonius sagt:

    Da muss ich mal kurz nachhaken: was meinst Du damit, wenn Du sagst, dass den Rezensionen die persönliche Note fehlt?

    Eine Rezension ist doch von Haus aus eine verschriftlichte eigene Meinung (wir sind ja hier nicht im Feuilleton mit Allgemeingültigkeitsanspruch ;-)). Natürlich kennzeichnen wir unsere persönlichen Fazits nicht extra, aber sie sind dennoch in jeder Rezension “versteckt”.
    Natürlich pflegt jede/r Rezensent/in einen anderen Stil, manche Texte lesen sich distanzierter als andere, aber im Grund ist jedes gewählte Wort eine persönliche Note. Ich denke, das lesen einer Rezension unter diesem Gesichtspunkt lohnt sich noch viel mehr. 🙂

  8. Fremdling sagt:

    Auch ich muss da mal eine Frage an euch richten Was stellt ihr euch denn unter so einem Fazit genau vor?

    Denn eigentlich ist der letzte Absatz der meisten neuen Rezensionen bereits wie ein Fazit aufgebaut er enthält nicht nur das finale “Urteil”, sondern bringt auch die jeweiligen Vor- und Nachteile des besprochenen Titels auf den Punkt. Wir heben ihn nur nicht gesondert hervor, um den Textfluss nicht zu zerstören.

  9. Wulfila sagt:

    Wie genau das mit der “persönlichen Note” gemeint ist, interessiert mich jetzt auch, denn eigentlich fließt die doch durchaus in jede Rezension mit ein (aber eben aufgrund der Textgattung auf etwas andere Art als in einem Forenbeitrag – ein Hinweis wie “der letzte Band war so spannend, dass ich bis Mitternacht gelesen und die Zeit vergessen habe” gehört aus meiner Sicht z.B. eher in die informelle Welt des Forums als in eine Rezension).

  10. Wulfila sagt:

    @Elric: Nein, das ist schon verständlich, aber die Frage ist eben, inwieweit ganz ureigenste Vorlieben in einer Rezension weiterhelfen. Du bringst ja folgendes Formulierungsbeispiel:

    Das Buch hat mich gerade wegen XYZ beeindruckt. Ich würde es jederzeit weiterempfehlen, weil ich mich wegen XYZ besonders gut angesprochen gefühlt hab.

    Nun kann ich zwar durchaus bei den allermeisten Büchern benennen, was mich unabhängig von der allgemeinen Qualität des Texts ganz persönlich angesprochen hat, aber – und das ist für mich der springende Punkt! – diese sehr speziellen Details sind für mich nur in den seltensten Fällen ein Grund, ein Buch jederzeit und an jeden beliebigen Leser weiterzuempfehlen. Denn natürlich teilt nicht jeder meine Vorlieben.

    Daher versuche ich in meinen Rezensionen lieber, Einzelheiten, die mich besonders ansprechen, so allgemein wie möglich zu fassen (“Wer sich für XY interessiert, wird sicher viel Freude an dem und dem Aspekt des Romans haben”), da eine solche Buchbesprechung ja auch für fremde Leser, die von außerhalb des Forums auf die Seite kommen, verständlich bleiben soll. Jemandem ohne das Vorwissen, mit dem z.B. du an unsere Rezensionen herangehen kannst, ist doch wahrscheinlich nicht damit gedient, wenn ich bloß “Ich fand die Szenen mit dem Bären richtig toll. Lest das Buch!” schreibe. “Wer Bären mag, wird begeistert sein, wie überzeugend der Autor ihr typisches Verhalten schildert” sagt einem doch im Zweifelsfalle mehr darüber, was die Besonderheit ausmacht.

    Und darum geht es für mich bei meinen Rezensionen letztendlich: Ich will einer Leserschaft, die ich nicht im Voraus kenne und einschätzen kann, ermöglichen, zu einem Urteil darüber zu gelangen, ob das Buch auch für sie infragekommen könnte. Wovon ich ganz persönlich an dem Roman begeistert war, ist für mich in diesem Kontext nur in dem Maße relevant, wie es übertragbar und verallgemeinerbar ist.

  11. Elric sagt:

    Hm, sehr gutes Argument, Wulfila!
    Das kann ich auch sehr gut nachvollziehen! Ich hab jetzt – da bin ich ehrlich – nicht an “Forenfremde” gedacht. Für mich ist es halt noch eine zusätzliche Einschätzung bzw. ein Richtwert, wenn ihr, die ich euch kenne, solche Sachen dazu schreiben würdet.
    Aber ich nehme hiermit meinen Antrag zurück und gebe dir vollkommen Recht, dass du das richtig und mit “globalerer Brille” gesehen hast! 😀
    Zur Not frag ich euch halt! 😉

    Danke für deine Einschätzung des Ganzen!

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