Zum 120. Geburtstag von Thorne Smith

Bibliotheka Phantastika erinnert an Thorne Smith, der heute 120 Jahre alt geworden wäre. Schon die ersten literarischen Gehversuche des am 27. März 1892 in Annapolis, Maryland, geborenen James Thorne Smith jr. – zwei Romane, die in Tagebuchform die Erlebnisse eines reichlich tollpatschigen Rekruten in der US Navy schildern und bei denen Smith auf seine eigenen diesbezüglichen Erfahrungen während des Ersten Weltkriegs zurückgriff – weisen die starken humoristischen Elemente auf, die für seine besten und bekanntesten Romane typisch werden sollten. Und bereits in seinem nächsten Roman Topper: An Topper von Thorne SmithImprobable Adventure (1926; dt. Topper (1986)) finden sich alle Ingredienzen von Smith’ späterer Erfolgsformel: besagter – nicht nur in diesem Fall häufig bis zum Slapstick gesteigerter – Humor, eine phantastische Komponente, eine gewisse Frivolität … und jede Menge Alkohol. Topper erzählt die Geschichte des von seinem Leben gelangweilten und nicht sonderlich glücklich verheirateten Bankangestellten Cosmo Topper, der sich eines Tages ein Auto kauft – einen wieder hergerichteten Unfallwagen genauer gesagt, mit dem die Vorbesitzer tödlich verunglückt sind. Besagte Vorbesitzer (George und Marion Kerby, “das schnellste junge Paar der Stadt”) sind allerdings als Geister immer noch präsent, und sie sorgen recht schnell dafür, dass das ach so spießige Leben des armen Cosmo mehr und mehr aus den Fugen gerät. Nicht, dass er sich allzu sehr dagegen wehren würde, was wiederum an der auch als Geist immer noch überaus verführerischen Marion liegt …
Topper war ein großer Erfolg (ebenso wie die erste Verfilmung von 1937 mit Cary Grant als George Kerby); für Smith bedeutete dies in erster Linie finanzielle Unabhängigkeit, und an den Veröffentlichungen der folgenden Jahre lässt sich leicht ablesen, dass er keineswegs von Anfang an versucht hat, die mit Topper gefundene Erfolgsformel auszuschlachten. Doch Dream’s End (1927; eine alles andere als humoristische gothic romance), Did She Fall (1930; ein klassischer Krimi) und Lazy Bear Lane (1931; ein Kinderbuch, das Smith ursprünglich für seine Töchter geschrieben hatte) erwiesen sich als Flops bzw. als weit weniger erfolgreich als The Stray Lamb (1929; dt. Das verwirrte Lamm (1988)), ein Roman, der wieder deutlich in Richtung Topper geht: Lawrence T. Lamb, ein typischer amerikanischer Spießer mittleren Alters voller unterdrückter Sehnsüchte, die er aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen nicht ausleben darf, begegnet eines Tages einem seltsamen kleinen Mann, der anscheinend Wünsche wahr werden lassen kann – und Lamb verwandelt sich daraufhin in allerlei unterschiedliches Getier und lebt aus, was er schon immer ausleben wollte.

Topper und The Stray Lamb sind einerseits absurde Slapstick-Komödien, doch mit ihnen hat Smith dem spießigen, puritanisch engen Amerika der Prohibitionszeit auch einen Spiegel vorgehalten – und mit The Nightlife of the Gods (1931; dt. Das Nachtleben der Götter von Thorne SmithDas Nachtleben der Götter (1986)) hat er in dieser Hinsicht sein Meisterstück abgeliefert. Wobei der Ausgangspunkt der Geschichte angemessen absurd (und frei von jeglicher Logik) ist: Der Privatgelehrte Hunter Hawk entdeckt mehr oder weniger zufällig ein Verfahren, mit dem man Menschen versteinern – und unbelebte steinerne Statuen lebendig machen kann. Nachdem er seine Erfindung erfolgreich an ein paar ungeliebten Verwandten und unangenehmen Nachbarn ausprobiert hat, bricht er zusammen mit seiner gerade mal 900 Jahre alten Geliebten Megaera (der Tochter eines Leprachauns) und ein paar weiteren Begleitern nach New York auf, wo er ein ganzes Museum voller antiker Götterstatuen “belebt”. Griechische Götter im verklemmten Amerika der 30er Jahre, wo es noch nicht einmal Alkohol gibt – das muss einfach zu Komplikationen führen …
Verglichen mit dem wahren Slapstickfeuerwerk von Nightlife ist Turnabout (1931; dt. Das verzauberte Paar (1950) bzw. Verkehrte Welt (1987)) ein eher ruhiger, zurückgenommener Roman, in dem die ständigen Streitereien von Tim und Sally Willows Mr. Ram – einer kleinen ägyptischen Götterstatue, die das Paar zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte – so sehr auf die Nerven gehen, dass er sie in den Körper des bzw. der anderen zaubert. Mit entsprechenden Folgen. The Bishop’s Jaegers (1932) kommt ganz ohne phantastische Elemente – und ohne Alkoholexzesse – aus; nur von den Frivolitäten konnte Smith nicht lassen, denn die Geschichte spielt in einem Nudistencamp. Topper Takes a Trip (1932; dt. Topper geht auf Reisen (1986)) ist die einzige Fortsetzung eines Romans, die Smith jemals geschrieben hat, und in der er in erster Linie das allzu konventionelle Ende des Vorgängerbandes revidiert.
In Skin and Bones (1933) kommt der Photograph Quintus Bland in Kontakt mit chemischen Dämpfen, die ihn in ein lebendes Skelett verwandeln, was ihn allerdings nicht daran hindert, weiter herumzulaufen, zu sprechen, zu essen und natürlich auch zu trinken. In Rain in the Doorway (1933) gerät der typische Smith-Held Hector Owen in eine völlig chaotische Parallelwelt, die verglichen mit seinem bislang eher düsteren Alltag allerdings eine gewaltige Verbesserung darstellt. Und in The Glorious Pool (1934; dt. Der Jungbrunnen (1987)) erweist sich ein profaner Gartenteich als magischer Jungbrunnen. Smith’ letzter Roman, The Passionate Witch (1941; dt. Meine Frau, die Hexe (1989)) ist erst posthum erschienen, denn während der Arbeit an dem ursprünglich als Drehbuch gedachten Werk ist er am 21. Juni 1934 in Florida an einem Herzinfarkt gestorben. Das Skript wurde von Norman Matson zu Ende geschrieben, der darüberhinaus auch noch eine Fortsetzung verfasst hat.
Zweifellos wirken Thorne Smith’ Romane heutzutage ein bisschen angestaubt und altmodisch, seine mehr oder minder spießigen, von einer Midlife Crisis gebeutetelten Helden, die sich mit einer puritanischen Umwelt herumschlagen müssen bzw. gegen sie aufbegehren – häufig in Form von Trinkgelagen und “frivolem” Verhalten –, nicht mehr zeitgemäß. Andererseits vermitteln seine absurden Slapstick-Komödien eine Lebensfreude, die keineswegs an eine bestimmte Zeit gebunden und auch heute noch wahrnehmbar (und gelegentlich vielleicht sogar vonnöten) ist.

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