Schattenritter

Schattenritter von James ClemensTylar ist ein gefallener Schattenritter – einst war er einer der Ritter der Götter, nun lebt er als Krüppel in der Gosse. Eines Nachts aber wird er Zeuge der Ermordung einer Göttin – und mit ihrem letzten Atem haucht sie Tylar noch ein Geheimnis zu und verleiht ihm eine mysteriöse Gabe. In den Augen ihrer Schattenritter und Beschützer, die noch rätseln, wie ein unsterblicher Gott überhaupt getötet werden konnte, macht Tylar dies zum Schuldigen. Nur Delia, eine Dienerin der Göttin, hält zu Tylar und verhilft ihm zur Flucht. Tylar sieht nur einen Ausweg: Er muß seine Unschuld zu beweisen.
Derweil wird die junge Außenseiterin Dart an der Schule für angehende Götterdiener ausgebildet. Doch einige Lehrer und Schüler wollen ihr Böses.

-Es gleitet, ein Schatten sucht das Licht.
Sein wahrer Name bezeichnet ein Wesen jenseits von Fleisch und Atem.-
In der Dunkelheit…

Souverän wie eh und je erzählt James Clemens von einem gefallenen Ritter, einem Dieb, einer hübschen Alchimistin und dem unvermeidlichen Waisenkind mit magischen Fähigkeiten, die langsam eine weltumspannende Verschwörung aufdecken. Obwohl die Geschichte und Welt völlig unanbhängig von Clemens’ vorausgegangenen Fantasy-Zyklus sind, kann man einen hohen Widererkennungsfaktor nicht leugnen – es sind Motive und kleine Details, die alles vertraut machen und so manche Überraschung in der Handlung ein wenig schmälern, wenn man bereits ein versierter Clemens-Leser ist. Die Charaktere sind hier beispielsweise gewohnt detailiert und liebevoll entworfen, aber ein wenig erkennt man die Schablone, die Clemens benutzt hat. Zum Wiedererkennungswert kommt hinzu, daß Clemens sehr klassisch erzählt und dazu auf ausgetretenen Pfaden wandelt, und diese Überanpassung an Fantasy-Standards kommt der Spannung nicht gerade zugute.

Neues bietet dagegen die Welt Myrillia, in der sich hundert Götter in fleischlicher Form niedergelassen haben und mit ihren Gaben Magie ermöglichen und die Länder aufblühen lassen. Diese Gaben haben es in sich – dabei handelt es sich nämlich um (alle vorstellbaren) Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen der Götter. Das System ist gut durchdacht und im Grunde innovativ, aber der häufige Einsatz der Magie zur letzten Rettung und ihre letztendliche Form in Feuer, Frost oder vergleichbaren Effekten haben einen recht faden Beigeschmack.
Dieses Mal bekommt man auch kein ans Mittelalter angelehntes Setting geboten, sondern es gleiten U-Boote und Luftschiffe durch die Szenerie, magisch angetrieben, versteht sich. Manchmal verliert sich der Zauber der Welt leider in zu viel (Magie-)Technik.

Ohne Zweifel versteht Clemens sein Handwerk, kann den Leser fesseln und sorgt für eine flüssige Lektüre, die sich rasant weglesen läßt und dabei gut unterhält. Aber ein wenig kommt man sich so vor, als würde man – wie bei einem Action-Kracher im Kino – mit sehr einfachen Tricks gekonnt gefesselt. Eigentlich ahnt man in gewisser Weise voraus, was geschehen wird, daß sich Feinde als Freunde entpuppen können und schicksalshafte Verknüpfungen aus dem Boden schießen, denen man die Konstruktion hinter den Kulissen etwas zu deutlich ansieht. Um dem Anspruch der actionreichen Unterhaltung bis zum Ende gerecht zu werden, darf auch ein großer Endkampf nicht fehlen, bei dem es Effekte magischer Art regnet – bunt war es bei Clemens schon immer.
Aber so billig und ausgelutscht Clemens’ Tricks auch sein mögen, wenn man spannender, leichter und vor allem fesselnd erzählter Unterhaltung nicht abgeneigt ist, läßt man sich gerne davon ködern. Sprachlich liegt Clemens über dem Durchschnitt, und seine farbenfrohen und prägnanten Charaktere muß man geradezu mögen.
Die Reihe scheint allerdings mittlerweile auf dem Abstellgleis zu stehen – nach dem Erscheinen des zweiten Bandes Hinterland hat es keine Fortsetzung mehr gegeben, der Autor hat sich in der Zwischenzeit dem Thriller-Genre zugewandt.

Stand: 14. Oktober 2012
Originaltitel: Shadow Fall
Erscheinungsjahr: USA 2005, D 2005
Verlag: Heyne
Übersetzung: Siglinde Müller
ISBN: 3-453-01625-4
Seitenzahl: 671