Zum 70. Geburtstag von Chris Bunch

Bibliotheka Phantastika erinnert an Chris Bunch, der heute 70 Jahre alt geworden wäre. Auf sich aufmerksam machte der am 22. Dezember 1943 in Fresno, Kalifornien, geborene Christopher Renshaw Bunch zunächst als Autor mehrerer gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Allan Cole geschriebener Romane, womit die beiden eine Zusammenarbeit fortsetzten, die zuvor schon zu einer Vielzahl gemeinsam verfasster Drehbücher geführt hatte. Diese Bücher – oder genauer: die vier Bände der zur Fantasy zählenden Anteros Saga – wurden bereits im Text zu Allan Coles Geburtstag kurz vorgestellt, weshalb es an dieser Stelle nur um Chris Bunchs Autorenkarriere nach dem Zerbrechen der langjährigen Freundschaft mit Allan Cole und dem Ende der gemeinsamen Projekte gehen wird.
The Demon King von Chris BunchDenn fortgesetzt hat Chris Bunch seine Autorenkarriere durchaus und dabei allein deutlich mehr Bücher geschrieben als sein ehemaliger Kollege. Sein erstes im Alleingang realisiertes Projekt war eine SF-Trilogie mit dem Titel Shadow Warrior (1996/97), ehe er sich mit der Seer King Trilogy der Fantasy zuwandte. Auch in ihr erzählt ein alter Kämpe rückblickend sein Leben, doch wer auf Fantasy von der Qualität der Saga um die Fernen Königreiche gehofft hatte, sah sich rasch bitter enttäuscht, denn außer ihrer Struktur haben die beiden Werke wenig gemeinsam. In The Seer King und den beiden Fortsetzungen The Demon King (1998) und The Warrior King (1999) erzählt Damastes a Cimabue von seinem Aufstieg und Fall als rechte Hand, Freund, General und schließlich erbitterter Feind des Magiers und zeitweiligen Imperators Tenedos – nur leider bleibt der Ich-Erzähler dabei ein Unsympath, dessen viel zu häufige, detailliert geschilderte und nichts zur Handlung beitragende sexuelle Abenteuer ein zumindest fragwürdiges Frauenbild sichtbar werden lassen. Dass das Setting wie ein wahllos zusammengesuchtes Sammelsurium aus den unterschiedlichsten Epochen und Kulturen wirkt, trägt auch nicht unbedingt zur Lesefreude bei, da nützen noch nicht einmal Bunchs unbestreitbar vorhandene Fähigkeiten bei der Schilderung militärischer – auch taktischer – Aktionen und Kämpfe etwas. Von daher war die Trilogie, die auf Deutsch als Der Magier von Numantia mit den Einzeltiteln Der dunkle Thron (1999), Der Preis der Macht und Fluch der Wiederkehr (beide 2000) erschienen ist, eine herbe Enttäuschung, die von Locus-Rezensentin Faren Miller einst nicht zu Unrecht als “Jackie Collins for the epic-fantasy set” bezeichnet wurde.
Auch der zwergenhafte Juwelenhändler Peirol, der Held des Einzelromans The Empire Stone (2000; dt. Der Stein der Macht (2000)), ist ein ein bisschen zu sehr von sich selbst überzeugter großartiger Kämpfer, gewitzter und betrügerischer Händler und überragender Liebhaber, um so richtig sympathisch zu sein, weswegen seine Suche nach dem mächtigen, Empire Stone genannten Juwel, die den weitaus größten Teil des Buches einnimmt, den Leser trotz einzelner origineller Ideen kalt lässt.
Überraschenderweise findet sich im nächsten Einzelroman Corsair (2001; dt. Der Pirat von Saros (2001)) dann doch noch zumindest ansatzweise ein bisschen was von dem Zauber, der den Reiz der Romane um die Fernen Königreiche ausgemacht hatte. Was möglicherweise mit Setting und Plot zusammenhängt, ganz sicher aber auch damit, dass Chris Bunch in diesem Roman dankenswerterweise darauf verzichtet, die Handlung mit wahllos eingestreuten Sex-Szenen aufzupeppen. Held der Geschichte ist der junge Gareth, der zum Piraten wird, nachdem seine Eltern von geheimnisvollen Sklavenhändlern getötet wurden, und der nun vor Corsair von Chris Bunchallem die Schiffe der verhassten Mörder seiner Eltern ausraubt. Als er sich allerdings ihrer großen Schatzflotte bemächtigen will, muss er feststellen, dass sich hinter den Sklavenhändlern weitaus mehr verbirgt, als er geahnt hat … Corsair ist ein in weiten Teilen gelungener Entwicklungs- und Abenteuerroman, und Gareth die mit Abstand sympathischste Figur, die Chris Bunch für seine allein verfassten Fantasyromane geschaffen hat. Dass am Ende des Buches noch etliche lose Handlungsfäden übrig sind und ein paar Fragen allenfalls angerissen wurden, deutet darauf hin, dass Gareth nach dem Willen seines Schöpfers vielleicht noch weitere Abenteuer hätte erleben sollen, doch dazu ist es – und in diesem Fall kann man durchaus “leider” sagen – nicht gekommen.
Stattdessen folgte mit Storm of Wings (2002; dt. Herrscher der Lüfte (2004)), Knighthood of the Dragon (2003; dt. Dunkle Schwingen (2005)) und The Last Battle (2004; dt. Dämonenfänge (nur im Sammelband)) die Dragonmaster Trilogy (dt. Die Drachenkrieger (und unter diesem Titel 2007 auch als Sammelband mit den Teilen 1, 2 und 3)), in der der Bauernjunge Hal, der anfags davon träumt, eines Tages auf dem Rücken eines Drachen zu reiten, bei Ausbruch des Krieges die Chance bekommt, diesen Traum zu verwirklichen und zum Drachenreiter zu werden. Allerdings stimmt das, was er sich zuvor erträumt hat, nicht unbedingt mit der Wirklichkeit überein …
Außer diesen Fantasyromanen und -zyklen hat Chris Bunch noch zwei SF-Serien verfasst: The Last Legion (1999-2001) und Star Risk (2002-20005). Letztere ist nicht nur sein einziges SF- oder Fantasywerk, das nie auf Deutsch erschienen ist (was insofern bedauerlich ist, als Star Risk die beste seiner allein verfassten SF-Serien ist), sondern auch das einzige, das er nicht selbst zum Abschluss bringen konnte. Denn am 04. Juli 2005 ist Chris Bunch nach langer Krankheit gestorben, und zu diesem Zeitpunkt hatte er nur die Outline des geplanten fünften Bandes verfasst, der schließlich kurze Zeit später von Steve und Dal Perry auf der Basis dieser Outline geschrieben wurde.

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