Rezensent: Katerchen

Cover von Cave Canem von Akif PirinçciDiesmal ist der samtpfotige Detektiv einem Mörder auf der Spur, der mit kräftigem Gebiß seine Opfer furchtbar übel zurichtet. Seltsam nur, daß die Verletzungen von nur zwei Zähnen zu stammen scheinen … Es sind diesmal auch nicht nur Opfer unter den Katzen zu beklagen, sondern auch unter deren Erzfeinden. Katzen und Hunde beschuldigen sich gegenseitig, und so wird bei einer großen Versammlung der beiden Parteien beschlossen, daß Francis, dessen kriminalistischer Spürsinn auch den Hunden zu Ohren gekommen ist, den Täter aufspüren soll. Doch ihm wird ein “Partner” in Gestalt des alten, vom Leben gezeichneten Schäferhundes Hektor zur Seite gestellt …

-Kommen Sie, folgen Sie mir; ich erzähle Ihnen eine Geschichte über Krieg und liebenswerte Feinde und darüber, warum Feinde für uns so lebensnotwendig sind wie die Luft zum Atmen.-
Erstes Kapitel

Dies ist der dritte Roman von Akif Pirinçcis Felidae-Romanreihe, die ich eigentlich eher in die Kriminal-Ecke einordnen würde, obwohl kein menschlicher “Sherlock Holmes” die Handlung trägt. Akif Pirinçci versteht es, Szenarien aufzubauen, die nach und nach immer bedrohlicher, schrecklicher und perfider werden, bis sie schließlich in der Perversion enden. Diese Perversion ist jedoch immer bei den Menschen und ihren Zielen zu suchen, und die Handlungsweise der Tiere geht direkt aus den Aktionen des Menschen hervor. Pirinçci hält uns mit seiner Felidae-Reihe einen Spiegel vor, der die Abgründe des menschlichen Denkens und Handelns ziemlich schonungslos zur Sprache bringt, doch weil er Grundprobleme der Menschheit über den Umweg des Tierreiches behandelt und nicht direkt anspricht, wirkt das Ganze ein wenig surreal – der Blickwinkel der Tiere, um menschliche Grausamkeit aufzudecken bzw. anzuprangern, lässt eine merkwürdig verzerrte Perspektive entstehen, mit der nicht jeder zurecht kommt.

In dem Roman Cave Canem beleuchtet der Autor die Auswirkungen von Kriegen auf Seele und Psyche. Es ist mithin kein Buch für schwache Nerven. Man bekommt einiges serviert, an dem man zu kauen hat, und der Inhalt ist nicht unbedingt leicht zu verarbeiten, darüber kann auch der lockere Sprachstil von Akif Pirinçci nicht hinwegtäuschen. Er hat dem Kater Francis wieder herrlichen Zynismus und Spitzen auf die menschliche Rasse (vor allem auf seinen “Dosenöffner” Gustav) zwischen die nadelspitzen Fangzähne gelegt, dass man sich oftmals das Lachen (über sich selbst) nicht verbeißen kann. Dennoch bleibt der Tenor des Romans ernst und vor diesem Hintergrund wirken Francis’ Äußerungen oftmals sarkastisch.

Der Handlungsverlauf ist straff gespannt: kaum hat man sich von dem Schrecken nach dem ersten Mord erholt, findet sich schon ein neues Opfer. Im Hintergrund lauert das namenlose Grauen, die Ungewissheit und die Angst machen die Katzen und Hunde des Viertels zu aggressiven Amokläufern. Jeder verdächtigt jeden und Francis, der eine offene Auseinandersetzung unbedingt verhindern will, gerät bald in Zeitnot …
In Cave Canem, wie auch in den anderen Büchern der Felidae-Reihe, werden Problematiken aufgearbeitet, die für einen Roman, der eigentlich der Unterhaltung dienen soll, zu “gewichtig” sind … (Tierversuche, Krieg, Gentechnik usw.) doch nun, bei diesem dritten Band der Reihe, kommt der Autor langsam zu einem Punkt, an dem alles irgendwie “an den Haaren herbeigezogen” wirkt, vor allem, wenn Francis sich an den Computer begibt und in die Tiefen des Internets vordringt. Hinzu kommt, dass Dimensionen und Lösung des Kriminalfalls dem Leser bald klar sind.

Cover von Endymion Spring von Matthew SkeltonMainz zur Zeit Johannes Gutenbergs: Im Dunkel der Winternacht schleift eine abgerissene Gestalt eine schwere Truhe durch den Schnee. Um den Deckel der Truhe winden sich Schlangen aus schwarzem Metall.
Jahrhunderte später streift Blake gelangweilt durch die Bibliothek des ehrwürdigen St. Jerome’s College in Oxford. Er zieht ein Buch aus dem Regal, und plötzlich ist ihm, als hätte ihn etwas in den Finger gestochen. Auf dem Einband des Buches steht, verblichen und kaum noch lesbar Endymion Spring. Er ist auf ein uraltes Geheimnis gestoßen.

-Jetzt erkannte ich das Verhängnisvolle meiner Handlungsweise. Ich hatte die ganze Welt des Wissens geöffnet – das Buch der Bücher, dessen Ende nicht vorstellbar war. Wie konnte ich es wieder schließen?-
(Mainz, Frühjahr 1453)

Das Buch der Bücher – jeder stellt sich darunter etwas anderes vor und es gibt so manche Bücher, die so genannt werden. In dem Debütroman von Matthew Skelton spielt ebenfalls ein solches Buch eine wichtige Rolle. Skelton hat mit Endymion Spring – Die Macht des geheimen Buches ein durchaus spannendes und anspruchsvolles Jugendbuch vorgelegt, das auch mit einer gehörigen Portion historischem Hintergrund aufwarten kann. Auf zwei Zeitebenen, schön voneinander durch eigene Titelblätter getrennt, in zwei Handlungssträngen, wird einem Krimi gleich erzählt, wie das Buch der Bücher entstand und wie es von Mainz nach Oxford gelangte.

Wie im Allgemeinen bei Jugendbüchern üblich, ist die sprachliche Gestaltung eher einfach und dem jugendlichen Leser angepasst. Die Sätze sind nicht zu lang, Begriffe und Ausdrücke aus der untersten Schublade werden vermieden und auf komplizierte Schachtelkonstruktionen wird ebenfalls verzichtet. Die Charaktere der Figuren sind nicht besonders tief sondern eher stereotyp angelegt, so dass die Figuren genaugenommen bestimmte menschliche Eigenschaften verkörpern. “Gut” und “Böse” werden klar definiert, was vor allem bei den Nebenpersonen deutlich wird, die  sich mehr oder weniger auf eine oder zwei Eigenschaften festnageln lassen.

Aus diesem Grund mag das Buch vor allem für den erwachsenen Leser keine besondere Herausforderung darstellen, und doch wäre es schade, würde man aus dieser oberflächlichen Beurteilung heraus auf die Lektüre verzichten bzw. das Buch ungelesen an seine halbwüchsigen Kinder weitergeben. Endymion Spring – die Macht des geheimen Buches ist ein Jugendroman mit einer schönen Idee, die der Autor wunderbar umgesetzt hat. In dem Katz-und-Maus-Spiel rund um das wertvolle Buch finden sich kleine Ausflüge in die Anfänge der Kunst des Buchdrucks und in die Geschichte der Universität Oxford. Dies und die kleinen geschickt eingestreuten Hinweise aus dem Faust sind wahre intellektuelle Leckerbissen für pfiffige junge Leser, aber auch für den Erwachsenen. Wenn man diese gelegten Spuren aufnimmt, stöbert man vielleicht in der nächstgelegenen Bibliothek nach dem Wappen Johannes Gutenbergs … oder nach Endymion Spring selbst … und man hat dann vielleicht ein bisschen das Gefühl, das Buch aus der Haut des geheimnisvollen Blätterdrachen hätte einen auserwählt und sich ein Stückchen weit für einen geöffnet …

-Jetzt erkannte ich das Verhängnisvolle meiner Handlungsweise. Ich hatte die ganze Welt des Wissens geöffnet – das Buch der Bücher, dessen Ende nicht vorstellbar war. Wie konnte ich es wieder schließen?-
(Mainz, Frühjahr 1453)

Cover von Der Funke des Chronos von Thomas FinnDer Medizinstudent Tobias bekommt die Möglichkeit, mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit Hamburgs zu reisen und gelangt ins Jahr 1842. Eine unheimliche Mordserie erschüttert gerade die alte Hansestadt, und Tobias stört durch sein plötzliches Auftauchen den Mörder bei der Beseitigung eines Opfers. Die Ereignisse überschlagen sich und Tobias muss die Zeitmaschine zurücklassen. Am nächsten Tag ist sie verschwunden. Auf der Suche danach gerät er ins Visier des Mörders und stößt bei seinen weiteren Nachforschungen auf den Dichter Heinrich Heine. Die beiden werden zu unfreiwilligen Verbündeten und jagen (jeder aus eigenen Motiven) den Mörder.

-Die Knochen splitterten wie brüchiges Glas, als die Droschke über den Katzenkadaver rollte. Soeben läutete das Uhrwerk der Michaeliskirche zur zwölften Nachtstunde. Mit dem zweiten Glockenschlag wurde der ausgedörrte Tierleib emporgewirbelt und landete auf dem schmalen Trottoir der Admiralitätsstraße, die bis hinunter zum Schaarthor mit Abfällen übersät war.-
(Menetekel, Hamburg 1842, Nacht des 2. Mai, 4 Minuten nach Mitternacht)

Thomas Finn arbeitet mit einem Handlungsstrang, der sich mit hohem Tempo vor dem Leser entrollt, und in zwei Zeitebenen unterteilt ist: Die Geschichte beginnt zunächst im Jahr 1842, danach wird Leser in den nächsten drei Kapiteln in die Gegenwart (in das Jahr 2006) versetzt, um dann mit der Feststellung Tempus fugit wieder ins Jahr 1842 zurückzukehren.
Finn ist es – vor allem auf Grund der gründlichen Recherchen in den Archiven und Bibliotheken seiner Wahlheimat Hamburg – sehr gut gelungen, ein stimmiges Bild der Hansestadt zur Biedermeierzeit zu zeichnen. Die Geschichte entführt den Leser in die Tage kurz vor und nach dem Ausbruch des Großen Brandes in der Nacht zum 5. Mai 1842. Dass die Ursache des Brandes bis heute nicht geklärt ist, nutzt der Autor geschickt, um seine Erklärung dafür zu finden und sie hier erzählen …

Das historische Hamburg mit seinen windschiefen Holz- und Fachwerkhäusern, seinen winkligen Gassen und verruchten Ecken ist äußerst lebendig gestaltet und die Menschen, die diese Straßen, Gassen und Marktplätze bevölkern, sind mit wenigen gut gewählten Worten treffend geschildert. Gerade an den Nebenfiguren merkt man, wie viel Liebe in der Gestaltung des Romans steckt: Der Autor gibt seiner Geschichte nämlich noch zusätzlich Authentizität, indem er vor allem in der wörtlichen Rede Dialekte benutzt, und da die Handlung in Hamburg und Umgebung angesiedelt ist, wird häufig das Hamburger Platt verwendet. Dadurch wirken die sozialen Milieus deutlich näher, als durch eine durchgängige Verwendung der hochdeutschen Schriftsprache.

Es kommen noch andere Dialekte vor und Leser, die mit ihnen nicht vertraut sind, könnten mit diesen Textpassagen evtl. Schwierigkeiten haben, aber geschriebenes “Platt” (oder die anderen Dialekte) lassen sich auch ohne “Sprachkenntnis” ganz gut entziffern und wenn Wörter wirklich für Außenstehende nicht mehr zu verstehen sind, werden sie vom Autor in einer kleinen Fußnote erklärt.

Thomas Finn scheint seine Wahlheimat wirklich zu lieben – denn dieses Buch ist eine einzige Liebeserklärung an die alte Kaufmannsstadt, aber auch eine Hommage an den britischen Schriftsteller H. G. Wells: Die Beschreibung der Zeitmaschine zu Beginn der Geschichte kommt jedem sofort bekannt vor, der den Film Die Zeitmaschine aus dem Jahr 1960 gesehen, oder vielleicht sogar Wells 1904 erstmals auf deutsch erschienenes Buch gelesen hat.

Cover von Katzenwinter von Wolfgang und Heike HohlbeinMit Beginn des Winters breitet sich langsam etwas Bedrohliches, Böses über der Stadt Crailsfelden aus. Es sind uralte, böse Kräfte, die ihren Ursprung in der alten, rußgeschwärzten Ruine des Klosters auf dem Hügel haben. Justin ist jetzt, an Stelle seiner Großmutter, dazu bestimmt, diesen Mächten Einhalt zu gebieten. Dabei stehen ihm die Katzen seiner Großmutter und ein seltsames Mädchen zur Seite. Aber die Tore der Hölle haben sich bereits aufgetan …

-Der Winter kam früh in diesem Jahr und als die erste Schneeflocke fiel, stürzte Justins Großmutter die Treppe hinunter und brach sich das Genick.-

Nun – ich mag Katzen, und deshalb lese ich Geschichten, die von Katzen handeln, oder in denen Katzen eine Rolle spielen, eigentlich ganz gern. So war es auch, als ich mir dachte: “Dieses Buch müsste wohl ganz passabel für mich sein …” Hatte ich mir gedacht …
Es war eine Enttäuschung. Es ist eben wieder ein typischer Hohlbein, gestrickt nach typischem Hohlbein-Konzept: Kleiner-Junge-rettet-die-Welt – und hat erst einmal keine Ahnung, wie und warum er zu dieser Ehre kommt. Da lebt ein kleiner Junge (diesmal heißt er Justin) in einem Städtchen irgendwo in Deutschland und um ihn herum versinkt alles nach und nach in immer mehr brutaler Rohheit, Mordlust und sonstiger sinnloser Gewalt. Ich hatte manchmal schon streckenweise das Gefühl, ins Horror-Genre gerutscht zu sein, und statt eines Fantasy-Romans, einen “Stephen King” zu lesen (in den jüngeren Ausgaben, gerade von Wolfgang Hohlbein, fällt mir eine gewisse Ähnlichkeit immer mehr auf …). Justin stolpert natürlich wieder darum in seine Bestimmung hinein, weil er “familiär vorbelastet” ist (bei Dreizehn und Unterland ist es ähnlich …), und weiß lange nicht wie, was, wer, warum miteinander zusammenhängt und welche Rolle eigentlich die zehn Katzen seiner Großmutter spielen. Die alte Dame hätte über die näheren Zusammenhänge bestens bescheid gewußt, wurde aber zum richtigen Zeitpunkt außer Gefecht gesetzt, so dass sie dem armen unwissenden Knaben fast keine Informationen mehr über seine Aufgabe zukommen lassen kann – und auch dem armen Leser nicht – der, zusammen mit Justin, erstmal von einem abgehackten Hinweis zum nächsten stolpert und schließlich, immer noch genauso unwissend wie unser bedauernswerter Weltenretter, mit (erst) Gemeinheiten, dann (etwas später) Grobheiten und am Ende (da hat man schon die Hälfte des Buches gelesen) mit offener roher Gewalt bis hin zu purer Mordlust konfontriert wird. Hier liegt meiner Ansicht nach eine große Schwäche dieses Buches: man wird viel zu lange im Unklaren gelassen, und deshalb weiß man nicht, warum man sich dieses ganze Szenario 417 Seiten lang antun muss.
Auch die Sprache des Werkes macht es einem nicht gerade leicht. Es nicht trivial, aber der Hochgenuss ist es auch nicht, und natürlich gibt es auch wieder einen Compagnon, (diesmal weiblich) der unserem kleinen Helden zur Seite steht, aber (wie in Drachenfeuer ein gewisser Llewellyen …) bleibt das Mädchen bis zum Schluß undurchsichtig, ist ziemlich mundfaul und auch nicht eben sympatisch. Alles in allem haben wir die bekannte Riege an Figuren, bei denen irgendwie, meines Erachtens, bloß die Namen geändert werden.

Cover von Die Königin der Träume von Patricia A. McKillipAls Talis in einem versteckten Winkel der Zaubererschule von Chaumenard ein Buch mit magischen Anleitungen entdeckt, ahnt er noch nicht, dass es unberechenbare Kräfte in sich birgt. Als er dies erkennt, ist es zu spät und er ist bereits in den Bann der Königin des Waldes geraten, die ihn darum bittet, ihr bei der Suche nach ihren Angehörigen zu helfen, die vor zwanzig Jahren durch einen mächtigen Zauberbann in Talis’ Welt geraten sind …

-Er ließ die Feder fallen und stand auf. Bevor er sich bewegen konnte, hörte er im Nachbarzimmer Schritte auf ihn zukommen. Murehtrhekrev, sagte eine fremde Stimme. Und der Nachtjäger vom Jägerfeld stand auf der Schwelle.-
Kapitel 6

Als erstes: Punktabzug für die deutsche Übersetzung des Buchtitels. Die geht nämlich am Kern der Sache gründlich vorbei und die “Königin”, die hier gemeint ist, regiert mitnichten über irgendwelche Träume sondern über eine Art Feenreich, das durch die verquere Magie des Magiers Arun Wulf in eine andere Welt “geknotet” wird. Hätte man dem Buch einfach den Titel “Das Buch des Arun Wulf”, also gleichsam die 1:1-Übersetzung des englischen Originals gegeben, wäre der Sache mehr gedient gewesen. – Denn genau darum geht es in dieser Geschichte: Um das “Magie-Lehr-Buch” von Arun Wulf, das ein dunkles Geheimnis in sich trägt … denn alle Zaubersprüche, die in diesem Buch aufgeschrieben wurden, gehen entweder “nach hinten los” oder es kommt etwas ganz anderes dabei heraus. Die Magie dieses Buches ist “verdreht” und warum das so ist, ist die Handlung der Geschichte, in der die “Königin” zwar eine tragende und wichtige, aber keineswegs die ausschließliche Hauptrolle spielt.
Die drei wichtigsten Personen im Buch sind der bebrillte Prinz Talis, des Reiches von Pelucir und Chaumenard mächtigster Magier Arun Wulf und eine Topfwäscherin namens Trawa, die schlussendlich eine Schlüsselposition in der Handlung einnimmt.

Das Buch dreht sich wieder um Patricia McKillips Lieblingsthema Magie: Hier ist die Handlung allerdings gleichsam in zwei Teile geteilt. Der eine Handlungsstrang befasst sich mit den Versuchen des Prinzen Talis mit dem Buch Arun Wulfs. Diese Teile des Romans sind in der für Patricia McKillip typischen, kryptischen Sprache verfasst, die ein wenig Mitdenken und Aufmerksamkeit erfordert.
Der andere Teil spielt sich in der Schlossküche von Pelucir ab, in der das einfache Volk zu Wort kommt. Hier wird getratscht und geschwatzt, gelästert und gestritten. Diese Teile sind eine Erholung im Handlungsablauf, denn sie sind, eben weil das einfache Volk hier die Bühne betritt, auch in einfacher, klarer Sprache geschrieben.

Diese beiden Handlungsstränge gehören zusammen, was man aber nicht gleich auf den ersten Blick bemerkt. Sie werden im Lauf des Romans immer weiter miteinander verwoben und man versteht immer mehr, wie eigentlich alles zusammengehört. Am Ende der Geschichte wird buchstäblich alles “Verstrickte” (Königreiche und Magie) aufgelöst und “verkehrt herum” wird wieder “richtig herum”, wenn auch zu einem hohen Preis …

Cover von Der Prinz und der Feuervogel von Patricia A. McKillipDer Feuervogel ist ein prächtiges Wesen voller magischer Kräfte. Mit einem Schrei, der so schrecklich ist, daß kein menschliches Ohr ihn erträgt, verwandelt er alles, was ihm in die Quere kommt, in Gold und Edelsteine. Als aber der Mond über den Mauern von Ro Haus aufgeht, verwandelt sich dieser seltsame Vogel in einen jungen Mann, auf dem ein dunkler Fluch lastet. Fast zur selben Zeit stört noch jemand den Frieden von Ro Haus: Ein fremder Magier, der die Gestalt eines weißen Drachen annehmen und die Zeit anhalten kann. Er benötigt einen Schlüssel, der in Ro Haus versteckt gehalten wird, und will ihn unbedingt an sich bringen. Dazu entführt er Meguet, die Wächterin des Jungen Schwans, in seine Heimat, wo unsichtbare Drachen das Land beherrschen.

-“Ja”, flüsterte er. “Der Vogel schreit um Hilfe – er verwandelt seine Schreie in Edelsteine, Gold, in irgend etwas Wertvolles, das ins Auge fällt.” “Woher wußtest du, daß du hier Hilfe finden kannst?” “Der Vogel wußte es.”-
Kapitel 3

Man könnte den Roman Der Prinz und der Feuervogel (The Cygnet and the Firebird) durchaus unabhängig vom ersten Teil des Cygnet-Zyklus Die Zauberin und der Schwan (The Sorceress and the Cygnet) lesen. Die beiden Bände hängen nur relativ lose miteinander zusammen, und man dürfte kaum Verständnisschwierigkeiten haben, wenn man den ersten Band nicht gelesen hat.
Für den Lesegenuß und das Verständnis ist es jedoch besser, die chronologische Reihenfolge einzuhalten.
Die Geschichte wird vom englischen Originaltitel The Cygnet and the Firebird (“Der Junge Schwan und der Feuervogel”) wesentlich besser umrissen, der verwendete deutsche Titel ist etwas irreführend. Die kurze Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches ist ebenfalls verdreht und bringt Patricia McKillips poetischen Roman erheblich durcheinander. Genau genommen stimmt eigentlich gar nichts von dem, was da zusammenfassend auf der Buchrückseite vom Verlag geschrieben wurde, und man hat, wie auch beim ersten Teil, das Gefühl, dass dieser Band wohl eher für den Bahnhofsverkauf konzipiert wurde. Diese Ausgabe dürfte auch kaum von einem Lektor mit großem Aufwand nachbearbeitet worden sein, denn es häufen sich auch hier zum Teil gravierende Rechtschreibfehler. Darüber hinaus wurde qualitativ schlechtes Papier verwendet und auch das nicht eben gelungene Cover vervollständigen den Eindruck einer lieblosen Produktion.
So wenig das Äußere dieses Taschenbüchleins zum Schmökern und Lesen einlädt, so schade wäre es, ließe man es sich entgehen:
Die Handlung des zweiten Teils spielt in einem Land, das von seinen Gegebenheiten ein wenig an den vorderen Orient erinnert, und seine magische Natur, die sich vollständig von jener in Ro Holding unterscheidet, ist das zentrale Thema dieses Buches:
Es ist ein Roman voller Exotik, und dem Zauber, den eine Kultur auf einen fremden Besucher ausüben kann, nämlich die des Landes Saphier und der Wüste Luxour, in der immer wieder Schatten von Drachen beobachtet werden. Die geisterhafte Anwesenheit dieser legendären Geschöpfe macht die Luxour zu einem Ort voller traumgleicher, geheimnisvoller Magie.
Patricia McKillip beschreibt das Wesen der Drachen auf eine neue und eigentümliche Weise. Ihre Drachen sind keine “greifbaren” Geschöpfe, wie sie sonst in den Märchen, Sagen und Legenden der Welt vorkommen. Man ahnt hier lange Zeit nur ihre Präsenz, man glaubt zum Beispiel “aus dem Augenwinkel” hier mal eine Flügelspitze zu entdecken oder dort mal ein Auge oder eine Klaue aufblitzen zu sehen. Sie tauchen in den Träumen einiger weniger auf und hinterlassen geheimnisvolle Botschaften. Bei manchen ist es eine unbestimmte Sehnsucht – bei anderen eine namenlose Furcht. Bei McKillip sind sie sehr mächtige magische Wesen, die nicht eindeutig gut oder böse sind, und die sich nicht für die armseligen menschlichen Begierden und Leidenschaften interessieren oder gar benutzen lassen.
Auch das mystisch-mythische Moment der menschlichen Protagonisten bleibt in diesem Teil des Romans erhalten, so dass man die typisch menschlichen Regungen nach wie vor fast vergebens sucht. Viele Figuren bleiben unnahbar und deren Beweggründe für ihre Handlungsweise sind genauso selten wirklich zu verstehen, wie das bei den meisten Figuren des ersten Teils der Fall war.
Patricia McKillip versteht es, ihre Romane so zu schreiben, als erzähle sie einen Traum: Ihre menschlichen Figuren sind meist halb feenhafter Natur mit Fähigkeiten, die weit jenseits unseres alltäglichen Erfahrungshorizontes liegen, und ihre Drachen sind keine unförmigen, häßlichen und grünbeschuppten Ungeheuer. Ihre Drachen sitzen nicht Jungfrauen verspeisend, Feuer spuckend und Angst und Schrecken verbreitend groß und plump auf irgendwelchen unermesslichen Schätzen, sondern sie schafft es mit ihrem magisch-poetischen Stil, sogar solche riesigen und beeindruckenden Wesen wie die Drachen in gleichsam nebelhafte Magie zu verwandeln …

Cover von Reise durch das Sonnensystem von Jules VerneAls sich Hauptmann Hector Servadac und Graf Timascheff am Morgen des 1. Januar zu einem Duell gegenüberstehen, reißt ein Komet aus Gold ein Stück Algerien mit einem Teil des Mittelmeers und ein wenig Gibraltar aus der Erdkruste. Auf diesem Brocken treten nun die beiden Kontrahenten, zusammen mit einer handvoll Menschen, auf einer elliptischen Bahn die Reise durch das Sonnensystem an. Die äußeren Planeten Jupiter und Saturn rücken näher – es wird eiskalt. Die Menschen flüchten sich in das Höhlensystem eines aktiven Vulkans – sind Hauptmann Servadac und seine Schicksalsgenossen in der Tiefe des Weltraums verloren oder gibt es noch Hoffnung, zur Erde zurückzukehren?

-Gallia??? Ab sole, au 15. fév., dist. 236 000 000 km! Chemin parcouru de janv. à fév.: 128 000 000 km.
Va bene! All right! Parfait!!!-
Kapitel 12

Jules Verne gestaltet die Romanhandlung so, daß Hauptmann Servadac, der Held der Geschichte, seine Ordonnanz Ben-Zouf, der russische Graf und Servadacs Rivale Timascheff und all die anderen erst einmal keine Ahnung haben, was eigentlich passiert ist. Es wird lange herumgerätselt ob denn die Erde ihre angestammte Umlaufbahn verlassen habe, da jetzt die Sonne statt im Osten im Westen aufgeht… Ob die Erde durch den Zusammenstoß mit dem Kometen an Masse verloren habe, da man nun mit einem Sprung eine Höhe von bis zu 12 m erreichen kann …

Dieses Rätselraten bildet zunächst das Hauptmotiv des Romans – die Beschreibung und Erforschung des Himmelskörpers “Gallia” nimmt einen Großteil der Handlung in Anspruch. Dynamik wird dadurch ins Geschehen gebracht, daß sich der Komet in einer elliptischen Bahn zunächst zur Sonne hin (was die Temperaturen dramatisch ansteigen läßt) und dann sehr weit von der Sonne wegbewegt. Proportional zur Entfernung von der Sonne sinken die Temperaturen drastisch ab.

Die Originialausgabe erschien 1877 zweibändig in Paris unter dem Titel Hector Servadac. Voyages et aventures á travers le monde solaire, wovon der erste Band am 19. Juli 1877 und der zweite am 7. November des gleichen Jahres erschien. Der Verlag Bärmeier u. Nikel hat diesen Roman neu übersetzt und stark gekürzt, wobei besonders, wie der Verlag mitteilt, die allzu polemischen Äußerungen Vernes über den im Roman als Händler auftretenden Juden Hakhabut herausgestrichen bzw. abgemildert wurden. Doch auch in dieser überarbeiteten Ausgabe werden Vernes Meinungen zu politischen und gesellschaftlichen Themen seiner Zeit deutlich. Nicht nur bei dem jüdischen Händler wird mit antisemitischen Äußerungen nicht gespart – auch eine Begegnung von Hector Servadac mit ein paar Briten auf einem Reststück von Gibraltar läßt erahnen, wie der Autor zum “Empire” stand. Dementsprechend sind die auftretenden Figuren hauptsächlich kulturelle (und nationalchauvinistische) Stereotpye, von den untadeligen Franzosen über die machtgierigen Briten bis hin zum geldgierigen Juden.

In dieser Geschichte reihen sich Vermessungsdaten mit Berechnungen zu Masse und Gewicht, Beobachtungen zum Stand der Sterne, der Sonne und Planeten, der Beschaffenheit von Küstenlinien und Landschaften aneinander, ohne daß irgendetwas nennenswertes passiert. Der Verlag unterstützt diese an einen wissenschaftlichen Text erinnernde Erzählweise noch, indem er die Angaben zu Maßen und Gewichten, Zeit und Entfernungen mit ihren physikalisch-mathematischen Kürzeln versieht. Hinzu kommt noch, daß der Zusammenstoß des Kometen mit der Erde zu Beginn der Geschichte von niemandem bemerkt wird. Weder die herausgesprengten Teile von Algerien noch von Gibraltar werden vermißt, so daß man sämtlich glücklich Heimgekehrten ihre Abenteuer nicht glaubt. Es löst sich alles zuvor Beobachtete und Berechnete in einem bloßen Traumgespinst auf, daß nur der Phantasie der Heimgekehrten entsprungen zu sein scheint. Dieses Ende ist zu einfach und zu glatt, um glaubwürdig zu sein und ist deshalb auch leider nicht befriedigend.

Cover von Salve Roma von Akif PirinçciAls Francis’ Herrchen Gustav nach Rom gerufen wird, um die Ausgrabungen in neu entdeckten Katakomben zu überwachen, denkt Francis gar nicht daran, in der Katzenpension zu bleiben, in welcher Gustav den Kater zurücklassen will. Kurzerhand schmuggelt er sich in den Rucksack seines “Dosenöffners”. Doch als er in der großen Kulturhauptstadt ankommt, muß er feststellen, daß sich seine Reise schnell in eine ganz andere als die ursprünglich von ihm geplante Richtung entwickelt. Eine rätselhafte Mordserie unter den streunenden Katzen verbreitet unter den Samtpfoten Roms Angst und Schrecken. Zusammen mit seinem neu gewonnenen Freund Antonio versucht Francis Licht in den unheimlichen Fall zu bringen.

-Das Leben ist schön – die Menschen sind häßlich.-
Unbekannter Philosoph

Salve Roma ist der fünfte Band aus der Felidae-Reihe und dem Autor gehen sichtlich die Ideen aus. Manches von dem, was in Salve Roma beschrieben und erzählt wird, ist in anderen Büchern der Reihe schon einmal vorgekommen bzw. in anderer Form schon einmal erwähnt worden, und der Aufbau und Ablauf der Handlung ist auch nur eine leicht veränderte Variante der vorherigen Bände. Wieder werden Katzen auf grausame Weise getötet – in diesem Roman wird ihnen ein Ohr mitsamt Gleichgewichtsorgan entfernt – wieder spielt eine geheimnisvolle Sekte eine tragende, aber nicht die entscheidende Rolle – und wieder steckt letztendlich ein größenwahnsinniger Zweibeiner dahinter. Auch bei den Protagonisten ist Akif Pirinçci leider nichts grundlegend neues eingefallen: Es gibt die geheimnisvolle Katzendame, es gibt einen gutmütigen Hund, ein paar Straßenkatzen und die schöne Fremde, in die Francis sich heftig “verliebt”, auch hilft ihm diesmal ein schwarzer, schlanker Kater bei seinen (wieder) unfreiwilligen Ermittlungen: Antonio, der Francis ein guter Freund wird, ihn in den lukullischen Katzenhimmel Italiens entführt und der eine Neigung zum gleichen Geschlecht hat. Diese Homosexualität und anderes aus dem Verhaltensrepertoire der Katzen , welche der Autor ins Spiel bringt, wird in Fußnoten am Ende des Roman ausführlicher beleuchtet und erklärt, und auch dies wurde in den vorhergehenden Bänden so gehandhabt, was für das bessere Verständnis einzelner Situationen durchaus von Nutzen sein kann.
Dennoch hatte ich nach der Lektüre das Gefühl, alles schon einmal gelesen zu haben, und auch das Ende der Geschichte wirkt “an den Haaren herbeigezogen”.
Die Serie ist schlicht ausgebrannt, die Vorgänger, vor allem Felidae und Francis warteten schon mit Superlativen an Lösungen auf, so daß es verständlicherweise schwer ist, wieder einen guten, stimmigen Plot aus dem Hut zu zaubern und damit eine packende Geschichte zu schreiben … Es ist wie bei Filmen, an die man aufgrund des Erfolgs des Ersten eine Fortsetzung dranhängt: Sie wirken wie ein fader Abklatsch des ersten Films. So ist es auch hier: Zumindest die Bände 3 bis 5 der Felidae-Reihe sind mehr oder weniger Plagiate der ersten beiden Bände …
Aus diesem Grund sollte man Francis die letzten Jahre seines Katzenlebens gönnen, ohne spektakuläre Serienmordfälle lösen zu müssen, und ihn in Ruhe in Gustavs miefigen Bett dösen und draußen im Garten einfach die Mäuse fangen lassen, die er in seinem Alter noch erwischt …

Cover von Schatten über Ombria von Patricia A. McKillipNach dem Tod des Fürsten von Ombria setzt sich die machthungrige, alte Hexe Domina Perle als Regentin für den kleinen Thronerben Kyel ein und reißt die Macht über die Stadt an sich. Um den Jungen zu kontrollieren, verjagt sie außerdem alle Menschen, denen wirklich etwas an ihm liegt. Nur Kyels erwachsener Cousin bleibt, doch der scheint ausschließlich mit seinen Kohlezeichnungen beschäftigt zu sein. Dabei entwickelt er eine besondere Faszination für Schatten und zeichnet immer wieder vom Licht vergessene Türen, Fenster und Durchgänge, die alle in die Schattenwelt Ombrias führen. Und auch in dieser Welt leben Wesen, die sich um die Zukunft des kleinen Prinzen und der Stadt sorgen.

-Während der Herrscher der uralten Stadt Ombria im Sterben lag, glitt seine Geliebte, verscheucht vom eisigen Blick der Domina Perle, wie ein Vogel auf einer Welle aus dem Raum, durch Kyel Greves unbewachte Tür, bis sie an sein Bett stieß, wo er mit seinen Puppen spielte.-
Eins- Rose und Dorn

Einfach zu lesen sind Patricia McKillips Geschichten nicht.
Ihre Sprache ist mehr Poesie denn simple Prosa und wie man bei Gedichten mehrmals hinschauen muß, um hinter die Worte zu sehen, so auch bei Patricia McKillips Romanen: Für ihre Bücher sollte man sich Zeit nehmen – man sollte die Worte und Sätze, die heraufbeschworenen Bilder in sich wirken lassen. Ich betone das absichtlich gleich zu Anfang, weil oftmals vor Beginn einer Lektüre das Lesen des Klappentextes steht, aber dieser ist schlicht mißlungen.
Da werden Tatsachen verdreht und es werden Figuren falsch dargestellt. Kaum ein Satz dieser kurzen Inhaltsangabe gibt den sehr poetischen Roman richtig wieder, so daß man sich die Frage stellen muß, ob das Buch vorher vom Verfasser aufmerksam gelesen wurde.

In Schatten über Ombria (Ombria in Shadow) geht es vor allem um Politik – um die häßliche Seite der Politik, die sich wohl überall im Verborgenen und Geheimen abspielt. Hier ist dafür von der Autorin ein recht greifbares Bild geschaffen worden: in Gestalt des Palastes, der sich hoch über der Stadt erhebt.
Es ist ein Gebäude, in das ein zweites hineingebaut wurde: Auf der einen Seite der offen zugängliche Palast, in dem sich das Leben abspielt, welches nach außen gezeigt werden soll. Hier gibt es weite Flure, helle und gepflegte Räume mit großen Fenstern, die auf den Garten oder das Meer blicken. Hier finden offizielle Ratssitzungen, aber auch rauschende Feste statt. Die Autorin versinnbildlicht hier, mit diesem schönen und sichtbaren Teil des Palastes, gleichsam die “Tag- oder Lichtseite” dieser Welt. Auf der anderen der verborgene Palast, dessen Zugänge nur wenigen bekannt sind. Dieser “unsichtbare” Palast, in den das Tageslicht niemals dringt und der nur über versteckte Türen zugänglich ist, stellt gleichsam die “Nacht- oder Schattenseite” dar. Auch die Stadt selbst ist in eine Tag- und Nachtseite, in eine Licht- und Schattenwelt geteilt, die Patricia McKillip mit fein gezeichneter Poesie wunderschön heraufzubeschwören versteht.

Die Geschichte beinhaltet nur einen Handlungsstrang, der sich im Palast, in den Straßen der Stadt bzw. darunter abspielt. Das umliegende Land wird ein ums andere Mal kurz erwähnt, aber die Handlung führt niemals dorthin. Der Roman ist in überschaubare Kapitel eingeteilt, in denen meist jeweils eine der Hauptfiguren im Vordergrund der Ereignisse steht. Die drei wichtigsten, Lydea, Ducon und Mag, begleitet man auf ihren Wegen durch Palast, Stadt und Geschichte. Man begegnet mit ihnen zusammen interessanten, bedrohlichen, gefährlichen und wichtigen Gestalten, die alle mehr oder weniger ihren Teil zum seltsamen Ende der Geschichte beitragen.
Es ist an einem selbst, die Rollen der Figuren zu interpretieren und an die “richtige” Stelle zu rücken. Jeder wird in dieser poetischen Geschichte etwas anderes lesen und jeder Leser wird seine Sichtweise dazu haben, denn es fällt schwer, sich mit einem oder mehreren der Protagonisten zu identifizieren. Einerseits liegt das an der Erzählweise der Autorin: man liest die Geschichte, als würde man einen Film oder ein Theaterstück ansehen. Man ist gewissermaßen nur Zuschauer und betrachtet alles von außen. Zweitens sind einige der Charaktere mit Fähigkeiten und physischen Eigenheiten ausgestattet, die es einem schwermachen, sich die betreffende Person bildlich vorzustellen und last but not least sind einige Vorgänge in der Erzählung einfach schwierig zu (be)greifen.
Licht und Schatten, Tag und Nacht werden als Metapher für zwei Welten gebraucht, die nebeneinander bzw. ineinander existieren, die sich gegenseitig im Gleichgewicht halten, sich aber niemals überschneiden dürfen. Beide Welten durchdringen sich gegenseitig mit Macht und Magie – sie sind davon durchwoben.

Es lohnt sich, Schatten über Ombria mehrmals zu lesen, denn erst dann werden die Poesie und der Sinn hinter den Worten der Geschichte deutlicher. Wenn man manche Konsequenzen im Handlungsverlauf erst einmal nicht verstanden hat, weil man beim ersten Lesen vielleicht ein wichtiges Detail überlesen hat, wird einem das beim zweiten oder dritten Mal eventuell klarer. Dennoch muß man sich die Erklärung für manche Dinge und Ereignisse aus zahlreichen Andeutungen und Anspielungen selbst zusammenreimen.
Das mag vielleicht der einzige Wermutstropfen in dieser wunderbaren Geschichte sein …

Cover von Die Seele der Nacht von Ulrike SchweikertAls Tahâmas Vater schwerverletzt von einer Mission zum Elfenbeinturm zurückkommt, ringt er Tahâma, bevor er stirbt, das Versprechen ab, ihrem Volk, das in das Land Nazagur aufgebrochen ist, nicht nachzufolgen. Tahâma macht sich jedoch trotzdem auf den Weg – soll dieses Land doch ausgesprochen gute Lebensbedingungen bieten und sich immer weiter ausbreiten, während die anderen Länder Phantásiens nach und nach vom Nichts verschlungen werden. Unterwegs in dies gelobte Land schließen sich Tahâma Céredas, ein junger Jäger, und Wurgluck, ein Erdgnom, als Reisegefährten an. Als die drei in Nazagur ankommen, ist das Land auf den ersten Blick tatsächlich ein Idyll – doch hinter dieser Fassade verbirgt sich ein schreckliches Geheimnis …

-“Auf nach Gwonlâ!”, hallten seine Worte bis zum Tor hinunter. “Heute Nacht werden wir im Tal des Wínolds unsere Gier stillen!”-
Prolog

Dieser zweite Band der Legenden von Phantásien nimmt kaum Bezug auf Die unendliche Geschichte, nur ein paar Dinge finden in Nebensätzen und beiläufigen Unterhaltungen Erwähnung. Auf diese Weise hat sich Ulrike Schweikert Raum geschaffen, in welchem sie ihre Erzählung frei entwickelt, hat sich bemüht, eine spannende Geschichte zu erzählen, nur leider ist dies nicht in allen Bereichen des Romans gelungen.
Die Geschichte dreht sich um das Mädchen Tahâma, das dem Volk der Tashan Gonár angehört. Die Tashan Gonár sind in ganz Phantásien für ihre einzigartige Musik berühmt, die heilen und trösten, aber auch verletzen kann.
Die Autorin beschreibt Tahâma und einige Vertreter des Volkes ausführlich und liebevoll. Sie zeichnet Tahâma klar und arbeitet ihren Charakter sehr deutlich heraus, so daß man sich das Mädchen gut vorstellen kann. Auch Wurgluck weiß sie sehr schön zu skizzieren. Doch bei den übrigen Figuren des Romans, die für die Handlung ebenfalls eine herausragende, wenn nicht gar entscheidende Rolle spielen, sind die Beschreibungen leider nicht so ausführlich und schön gediehen: Vor allem die Figuren auf der Seite des Bösen sind sehr oberflächlich skizziert. Sie machten auf mich allesamt den Eindruck von Schauspielern, die eine Rolle nur deshalb übernommen haben, weil die Gage stimmt … Ihre Motivation war unglaubwürdig – sie waren, oft nach halbherzig beschriebenen Konfrontationsszenen (von “Kämpfen” kann man hier kaum sprechen …) viel zu rasch besiegt, so daß der Eindruck entstand, sie wollten gern schnell besiegt sein, um das Set so schnell wie möglich wieder verlassen zu können. Überall geht Tahâma, meist nach von der Autorin ziemlich halbherzig ausgeführten Kampfszenen, Gefangennahmen und Versteckspielen, als strahlende Siegerin hervor. Alles ist vorhersehbar, denn die “gefährlichen” und “übermächtigen” Gegner setzen dem blauhaarigen Gör kaum Widerstand entgegen. Nicht einmal bei dem hier als all- bzw. übermächtig, abgrundtief böse und gierig beschriebenen Schattenlord hat Tahâma größere Schwierigkeiten, dem fiesen Kerl das Handwerk zu legen … viel zu schnell ist alles vorbei und sein … gebleichtes Gewand fiel leer zu Boden …
Auch bei Céredas, Tahâmas zweitem Weggefährten, fiel die Beschreibung des Charakters, seiner guten und schlechten Eigenschaften, eher sparsam aus. Für die wichtige Rolle, die ihm die Autorin ursprünglich zugedacht hatte, wird er nun zu stark an den Rand gedrängt und kommt, trotz aller für die Handlung wichtigen Details, nicht über das Schattendasein einer Nebenfigur hinaus.
So sind auch seine übrigen Eigenschaften eher schwach herausgearbeitet – die ganze Figur bleibt unnahbar und der Hauptzweck seiner Anwesenheit scheint ausschließlich darin zu bestehen, Tahâma in möglichst gutem Licht dastehen zu lassen …

Cover des Buches "Sommer der Zwietracht" von Daniel AbrahamDas Wirken der magischen Kreatur Samenlos garantiert der blühenden Handelsmetropole Saraykeht Wohlstand und Macht, doch es wird allein durch den Zauberdichter Heshai erzwungen, an den Samenlos nicht länger gebunden sein möchte. So wird Heshai zur Zielscheibe, als äußere Feinde auf den Untergang der Stadt hinzuarbeiten beginnen – denn wenn der Dichter stirbt, ist auch Saraykeht verloren …

-“Tahi-kvo hat mir gezeigt, daß mein Urteil mein Kompass ist, und Milah-kvo hat mir vermittelt, daß halb gelernte Lektionen nichts wert sind. Ich hatte mich entschieden, die Schule zu verlassen, und mit dieser Entscheidung lag ich richtig. Ich hätte mich nicht dazu verleiten lassen sollen, zurückzukehren. Mehr, ehrwürdiger Dai, habe ich hier nicht gelernt.”-
Prolog

“Saraykeht ist die bedeutendste der großen Sommerstädte: vor Leben pulsierend, ein Hort des Friedens und des Fortschritts. Doch leider hat Saraykehts sagenhafter Reichtum den Neid seiner Nachbarn geweckt, die skrupellos auf den Sturz der mächtigen Metropole hinarbeiten …”
Liest man auf der Buchrückseite diesen Text, glaubt man im Inneren des Buches einiges an Kriegswirren und Schlachtengetümmel vorzufinden, doch es wird bald klar, dass man sich auf eine hinterhältige aber dennoch äußerst kunstvoll eingefädelte Intrige eingelassen hat. Intrigen – eigentlich nicht mein bevorzugtes Terrain – weder im wirklichen Leben noch in Romanen. Trotz meiner Vorbehalte habe ich mich auf Daniel Abrahams Sommer der Zwietracht (A Shadow in Summer), dem Beginn der Geschichten um die Magischen Städte, eingelassen und erlebte eine angenehme Überraschung: je weiter ich in die Geschichte vordrang, desto mehr sorgfältig, ja liebevoll beschriebene Details, z.B. zu Personen, Schauplätzen und Handlungsverlauf, konnte ich entdecken. Interessant ist die Gesellschaftsstruktur, die Abraham für die Magischen Städte gewählt hat und die auf asiatisch anmutenden Lebens- und Arbeitsverhältnissen basiert. Das gesellschaftliche Miteinander wird von komplizierten Gesten bestimmt, die das Gesagte entsprechend untermauern. In der Übersetzung wurde leider ein wenig zu oft und damit eintönig der Begriff “Gebärde” verwendet, sodass er einem mit der Zeit ein wenig lästig wird. Es wäre schön gewesen, wenn man noch ein oder zwei Synonyme für diesen Begriff gefunden hätte.
Trotz dieses kleinen Mankos war ich von dieser gesellschaftlichen Besonderheit fasziniert, denn das Zusammenspiel von Gestik, Mimik und Sprache ist so gestaltet, dass sich die handelnden Figuren bei allem Respekt die ein oder andere Unverschämtheit zu verstehen geben können, ohne sich – beispielsweise bei heftigeren Konflikten – einer plumpen Fäkalsprache bedienen zu müssen. Die Geschichte der Sommerstadt Saraykeht wird in locker-flockiger Art erzählt, die sich entspannt lesen lässt. Die Sätze sind nicht zu lang und auf überflüssige Information wird verzichtet. Alles wird so beschrieben, dass man ein klares Bild des gerade Geschilderten vor Augen hat, ohne dass sich der Autor in zu genauen Detailbeschreibungen verliert. Die Handlung wird sehr zügig vorangetrieben, sodass keine Langeweile aufkommt.

Tumbe Gewalt ist in Sommer der Zwietracht (A Shadow in Summer) nicht zu finden, obwohl durchaus Gewalt vorkommt. Abraham hält sich jedoch nicht länger als unbedingt nötig mit der Beschreibung solcher Passagen auf. Er schildert nur, was zum jeweiligen Verständnis der Situation unbedingt notwendig ist. Diese Balance zu finden und zu halten ist nicht einfach, doch Abraham ist dies hervorragend gelungen. Nicht nur bei der Schilderung von Gewaltszenen hat der Autor bewiesen, dass er mit Bildern und Sprache umzugehen weiß – gleiches gilt auch für die lebendige Beschreibung seiner Figuren, denn Abraham gelingt es vortrefflich, dem Leser die Gefühlswelt seiner Charaktere nahezubringen. Gleichzeitig offenbart sich deren Facettenreichtum erst im Laufe der Geschichte.

Nachdem aus den Magischen Städten eine Tetralogie werden soll, gibt es in Sommer der Zwietracht auch Figuren, bei denen abzusehen ist, dass eine Weiterentwicklung des Charakters geplant ist. Dies gilt vor allem für den Sohn des Khai Machi, den Dichterschüler Maati, die angehende Verwalterin Liat und das Inselmädchen Maj, die Hauptrollen in dieser Geschichte innehaben und sicher noch eine Rolle zu spielen haben werden.

Kein Fantasy-Roman ohne ein wenig Magie – doch das magische Element ist hier genauso ungewöhnlich wie die Geschichte selbst. Magie im eigentlichen Sinn kommt nicht vor, sondern nur in Form eines Geschöpfes, einem sogenannten “Andaten”. Die “Andaten” sind zu menschlicher Gestalt geformte Gedanken und Ideen, mächtig, ja nahezu gottähnlich, die allerdings fast wie Sklaven unter der Herrschaft des Menschen stehen, der sie kraft seiner Vorstellungen erschaffen hat. Nun ist es aber nicht ganz einfach ein solches Wesen zum Dasein zu erwecken, geschweige denn, es unter Kontrolle zu halten. Das Wissen, das dazu notwendig ist, wird streng gehütet und nur an Auserwählte weitergegeben. Diese Ideen sind neu und man möchte so bald wie möglich mehr über diese faszinierenden Wesen erfahren, die so gar nichts mit den bekannten Feen, Elfen und Kobolden gemein haben.
Sommer der Zwietracht
arbeitet mit dem uralten Erfolgsrezept der Intrige in den höchsten (und damit entscheidungsbefugten) Kreisen, dennoch liest man hier keine abgedroschene “Königshausintrigengeschichte”, wie man sie schon zum wiederholten Mal in anderen Büchern (und Filmen) vorgefunden hat, sondern bewährte Zutaten in neuer Komposition. Erfrischend anders in der Zusammensetzung mit menschlichen Figuren, deren Gedanken und Gefühle dem Leser hier sehr nahe gebracht werden, sodass man auch für die “andere Seite” Mitgefühl und Verständnis aufbringt und die Grenzen von Gut und Böse verschwimmen.
Ich hoffe, dass Daniel Abraham mit seinem Winter des Verrats an diesen starken Auftakt anknüpfen kann.

Cover des Buches "Winter des Verrats" von Daniel AbrahamKlirrend kalt sind die Winter in Machi, der nördlichsten der unermeßlich reichen Sommerstädte. Und eiskalt sind auch die Intrigen, die in diesen Tagen und Wochen die Stadt zu vergiften drohen. Denn der Herrscher von Machi liegt im Sterben, und gemäß der Tradition kämpfen seine ältesten Söhne unerbittlich um die Nachfolge. Doch was noch niemand ahnt: in den Schatten der Stadt formieren sich bislang unbekannte Kräfte. Und sie schrecken vor keiner noch so abscheulichen Tat zurück, um den Winter des Verrats zu ihrem ganz persönlichen Vorteil zu nutzen…

– Als sie sich ausgeweint hatte, sammelte Idaan die Fetzen des Briefes sorgfältig auf und legte sie unter ihr Kissen. Dann senkte sie den Kopf und betete aus ganzem Herzen zu allen Göttern, dass ihr Vater sterben möge – und zwar rasch und ohne die wahre Natur seiner Tochter entdeckt zu haben.-
Kapitel 5

… Ich hoffe, dass Daniel Abraham mit seinem Winter des Verrats an diesen starken Auftakt anknüpfen kann …
Mit diesen Worten hatte ich meine Besprechung zu Sommer der Zwietracht, dem ersten Band des Zyklus um die Magischen Städte, beendet. Nun weiß ich mehr, und soviel sei vorne weg verraten: Er kann.
Die Intrigen gehen weiter, und langsam werde ich wirklich neugierig… Was will das Volk der Galten eigentlich? Bis jetzt wird eigentlich nur von ihnen gesprochen. Sie agieren im Hintergrund und kaufen sich – wahrscheinlich mit Unsummen – in entscheidungsbefugte Kreise ein. Aber welchem Zweck dient das Ganze? Liest man Winter des Verrats, beginnt man die Zusammenhänge ein wenig zu erahnen: Der Herrscher der Winterstadt Machi liegt im Sterben, und gemäß der Tradition kämpfen nun dessen drei älteste Söhne um die Nachfolge. Ein barbarischer Brauch – nebenbei bemerkt – wobei derjenige als nächster den Thron besteigt, dem es gelingt, beim Kampf um die Nachfolge am Leben zu bleiben… Hmm… ich weiß nicht, ob es so gut für eine Stadt, ein Volk oder ein Reich ist, jemanden zum König haben, der am gewieftesten seine Familie umzubringen weiß… aber sei’s drum…
In diesem Kampf mischt diesmal jemand mit, der dafür eigentlich nicht vorgesehen ist und Hilfe vom Volk der Galten erhält. Die Galten betreiben eine hinterhältige Politik, die darauf abzielt, die Vormachtstellung der Khaistädte zu untergraben, und auch deren Reichtum – der auf den von den Dichtern des Reiches beschworenen Andaten beruht – sticht ihnen in die Augen. Es scheint wohl eines ihrer wichtigsten Ziele zu sein, das Wissen um das streng gehütete Geheimnis der Andatenbeschwörung ohne große Aufmerksamkeit an sich zu bringen.

Daniel Abraham gelingt es abermals mit seinen detailreichen Beschreibungen, die Figuren sehr lebendig wirken und deren Konflikte, Leidenschaften und inneren Sehnsüchte den Leser miterleben zu lassen. Eine der faszinierendsten Figuren des zweiten Bandes ist Idaan, die Tochter des sterbenden Herrschers von Machi. Sie ist im Grunde eine unspektakuläre Erscheinung: nicht besonders hübsch, aber auch nicht ausgesprochen hässlich. Sie versteht es allerdings meisterhaft, sich mit Lidschatten, Make-Up und Kajal gebührend in Szene zu setzen. Diese Kunst ist durchaus von Vorteil, und sie weiß ihre dadurch erreichte äußere Erscheinung geschickt für ihre Ziele einzusetzen. Sie hasst die Konventionen, in die sie als Frau und Herrschertochter hineingeboren wurde, und kämpft auf ihre Weise dagegen an. Sie weiß genau, was sie will, und spinnt – mit Hilfe mächtiger Verbündeter … – eine folgenschwere Intrige…
Obwohl sie einen anderen Mann heiraten soll, teilt Idaan mit Chemai, dem Dichter der Stadt, das Bett, und man wird beim Lesen den Eindruck nicht los, dass sie ihn ziemlich zum Narren hält. Sie sucht seine Nähe zunächst auch nur, um sich nicht mit ihren schweren Schuldgefühlen herumplagen zu müssen, doch bald wird aus dieser anfänglichen Zerstreuung Liebe – oder sagen wir: Leidenschaft, und das wiederum bringt sie bald arg in Bedrängnis. Idaan ist eine Figur, die mit ihren psychischen und charakterlichen Abgründen vom Autor am genauesten ausgearbeitet wurde. Da gibt es den – verständlichen – Wunsch, etwas darzustellen, jemand zu sein und beachtet zu werden. Diese Bedürfnisse setzt sie allerdings äußerst rücksichtslos durch. Ihr Geltungsbedürfnis und Machtstreben geht auf Kosten anderer, ohne dass sie selbst dazu bereit wäre, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen. Andererseits empfindet sie Reue, sie sehnt sich nach der Unschuld ihrer Kindertage und würde am liebsten alles ungeschehen machen. Diese Beschreibung der Figur der Idaan ist Daniel Abraham so gut gelungen, dass man ohne Schwierigkeiten nachvollziehen kann, was in ihr (und – nebenbei bemerkt – auch in den anderen Figuren des Romans) vorgeht.
Gleiches gilt für Chemai: Der Autor beschreibt ihn als Menschen, dem es aufgrund seiner Jugend an Reife und Abgeklärtheit fehlt. Idaan ist seine erste große Liebe, und das trübt nicht nur sein Urteilsvermögen, sondern lässt ihn auch einen Fehler begehen: er schwört, sie bedingungslos vor allem zu beschützen. Dieser Schwur hat bei seiner besonderen Stellung auch ein besonderes Gewicht und Chemai gerät dadurch auch bald in eine besondere Zwickmühle… Sein Andat Steinerweicher meint es erstaunlich gut mit ihm, obwohl er natürlich – wie alle Andaten – in erster Linie um jeden Preis seine Freiheit herbeiführen will. Steinerweicher gibt Chemai – für lediglich gestaltgewordene Gedanken und Ideen – erstaunlich pragmatische Empfehlungen im Umgang mit sich und seinen Gefühlen. Diese Passagen lesen sich recht amüsant, vor allem, weil Steinerweicher mit seinen lakonischen Bemerkungen den Nagel oftmals auf den Kopf trifft. Doch nicht nur bei der Beschreibung der Figuren beweist Abraham einmal mehr, dass er mit Sprache umzugehen weiß, sondern auch die Schauplätze, Szenen und Situationen sind wieder in wunderbarer Klarheit umrissen. Da findet sich kein überflüssiges Wort und kein langatmiges Abgleiten in allzu genaue Detailbeschreibungen. Die Handlung wird einmal mehr rasch vorangetrieben, so dass keine Langeweile aufkommt, und es finden sich überall die passenden Worte, um etwas so darzustellen, dass man es sich deutlich vorstellen kann.
Alles in allem ein Band, in dem die Karten im Machtgefüge der Magischen Städte neu gemischt werden, und der einen die Vorgehensweisen der mächtigen Kreise erahnen lässt. Ein wesentlicher Aspekt der Handlung in Winter des Verrats ist, dass Otah, der nie der Tradition gemäß auf den Thron verzichtet hat, nun als brudermordender Teufel an die Wand gemalt wird, um dahinter die wahren Machenschaften um die Thronfolge zu verbergen. Das alles kommt einem irgendwie bekannt vor, und auch die Tatsache, dass der Einzige, der an die Unschuld des Angeklagten glaubt, mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen hat, als er sich daran macht dessen Unschuld zu beweisen…
Es bleibt also spannend im Reich der Magischen Städte