Der Artusstoff in der Literatur

Dieser Artikel befasst sich mit der literarischen Behandlung des Artusstoffs vom Hochmittelalter bis in die Neuzeit. Er kann als Ergänzung oder zweiter Teil des Artikels über die Herausbildung der Artussage , aber auch unabhängig davon gelesen werden.

Spätestens mit dem Hochmittelalter verließ die Artussage den Bereich des Bemühens um die Überlieferung eines im Kern historischen Geschehens und wurde zur Grundlage teilweise äußerst phantasievoll ausgeschmückter Fiktionen. Einen auch nur annähernd vollständigen Überblick über diese literarischen Bearbeitungen zu geben, ist im Rahmen des vorliegenden Artikels so gut wie unmöglich. Daher sollen nur schlaglichtartig einzelne wichtige Entwicklungen vorgestellt werden.

Die zunächst vielleicht entscheidendste bestand dabei in der Verlagerung des geographischen Schwerpunkts des Schreibens über Artus nach Frankreich, das schon im Mittelalter über lange Zeit kulturellen Einfluss auf ganz Europa entfaltete.

Die Vermittlung in den französischen Sprachraum erfolgte wohl teilweise über mündliche Erzählungen, nachweislich aber auch über den Roman de Brut (1155) des normannischen Dichters Wace, der die Historia Regum Britanniae des Geoffrey von Monmouth zu einer volkssprachlichen Reimchronik adaptierte. Neben der sprachlichen Übertragung nahm Wace dabei auch eine über Geoffrey hinausgehende Transponierung der Ereignisse um Artus in den höfischen Bereich vor.

Ihre eigentliche Kodifizierung als Rahmen ritterlicher Abenteuer in einer märchenhaft-ahistorischen Idealwelt erfuhr die Artussage jedoch im französischen höfischen Roman, dessen Herausbildung aufs Engste mit dem Dichter Chrétien de Troyes verknüpft ist, der in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wirkte. In Werken wie Erec et Enide, Le Chevalier de la Charrette, Le Chevalier au Lion oder Perceval prägte er das Prinzip, die abenteuerlichen Erlebnisse eines Artusritters ins Zentrum der Erzählung zu stellen, während der König selbst zur statischeren Figur wird, die eher ein Herrscherideal repräsentiert, als sonderlich aktiv ins Geschehen einzugreifen.

Charakteristisch ist dabei Chrétiens Anspruch, Bekanntes nicht einfach zu übernehmen, sondern aus dem überlieferten Stoff unter Rückgriff auf seine Gelehrsamkeit sinnstiftend eine bele conjointure (Erec et Enide, V. 14) – frei übersetzt: einen gelungen zusammengefügten Text – zu schaffen. Dieses Vorgehen eröffnete die Möglichkeit, die Sage mit Überlegungen zu Themen zu verknüpfen, die dem adligen Publikum am Herzen lagen: Das rechte Handeln als Ritter und Herrscher wird ebenso durchgespielt wie das angemessene Verhalten in der Liebe. Im Perceval tritt zudem der Versuch hinzu, die eher weltlich geprägten Lebensformen des Rittertums mit dem christlichen Glauben zu verbinden.

Diese im weitesten Sinne ethisch-moralische Komponente ist in den deutschen Adaptationen der französischen Artusdichtung womöglich noch verstärkt, etwa im Erec (ca. 1180/90) und Iwein (um 1200) Hartmanns von Aue und im Parzival (ca. 1200/1210) Wolframs von Eschenbach. Daneben entstanden aber auch Artusromane, in denen eher die Fabulierfreude zu überwiegen scheint, wie etwa Diu Crône (ca. 1230) Heinrichs von dem Türlin oder der Lanzelet (um 1200) Ulrichs von Zatzikhoven.

Dass auch in England das gesamte Mittelalter hindurch weiterhin eine lebendige Tradition der Artuserzählung bestand, beweisen nicht nur Einzeltexte wie etwa Sir Gawain and the Green Knight, sondern auch das Auftauchen von Artusepisoden in Werken mit anderer Thematik (so etwa The Wife of Bath’s Tale in Chaucers berühmten Canterbury Tales).

Ab dem 13. Jahrhundert entwickelte sich neben den Romanen in Gedichtform auch eine Tradition der verschriftlichten Prosaerzählung über Themen der Artussage (am Bekanntesten dürfte in diesem Kontext wohl der sogenannte Prosa-Lancelot sein).

Früh ist ein Übergreifen des Interesses an der Artusthematik auch auf andere Bereiche als die Literatur zu beobachten. Künstlerische Darstellungen von Episoden der Artussage beschränken sich nicht auf Illustrationen in Handschriften, sondern erscheinen auch als Wandfresken, so etwa auf mehreren Südtiroler Burgen (Rodenegg, Runkelstein).

Diese Nutzung der Artusthematik zu dekorativen Zwecken beschränkte sich nicht auf die adlige Lebenswelt, sondern erstreckte sich auch auf das städtische Bürgertum (so sind etwa Wandmalereien mit Motiven aus der Artussage aus den Häusern von Lübecker Kaufleuten bekannt). Prominentestes Beispiel für die außerliterarische Artusrezeption auch im Bürgertum dürfte dabei der sogenannte Artushof im damaligen Danzig (heute: Gdánsk) sein, ein im 14. Jahrhundert entstandenes Gebäude, das zunächst den Zusammenkünften einer Kaufleutebrüderschaft diente.

All dies spielt für die Übernahme des Artusstoffs in die Fantasy allerdings eine weit geringere Rolle als ein Werk des englischen Spätmittelalters: Thomas Malorys Le Morte d’Arthur (im Original zunächst: Le Morte Darthur, geschrieben wohl zwischen 1450 und 1470, gedruckt 1485). Malory bietet eine umfangreiche Kompilation von Geschichten aus der englischen und französischen Artustradition. Bis ins 17. Jahrhundert hinein erfreute sich Le Morte d’Arthur einiger Popularität. Die Bedeutung des Buchs liegt jedoch vor allem in seinem Einfluss auf spätere Nacherzählungen vom 19. Jahrhundert an, die bis heute unser Artusbild prägen.

In der frühen Neuzeit verlor die Artussage im Vergleich mit antiken Stoffen vorübergehend an Attraktivität, ohne allerdings völlig vergessen zu werden. Dennoch stellt eine Bearbeitung wie etwa King Arthur or the British Worthy (1691), eine semi-opera von John Dryden und Henry Purcell, aus heutiger Sicht eher einen Sonderfall der Artusdichtung da. Interessant daran ist jedoch, dass hier in bewusster Abkehr von der mittelalterlichen Artustradition der König selbst wieder eine tragende Rolle spielt und seine Kämpfe gegen die Sachsen sowie der Konflikt zwischen Christentum und Heidentum thematisiert werden.

Eine Wiederbelebung erfuhr die Artustradition mit der Mittelalterbegeisterung des 19. Jahrhunderts. Neben der Neuveröffentlichung von Le Morte d’Arthur (1816) waren dabei für den englischen Sprachraum die Gedichte Alfred Tennysons wegweisend, etwa The Lady of Shalott (1832/1842) und der Zyklus Idylls of the King (1859). Diese Werke riefen nicht nur ein verstärktes Interesse an literarischen Bearbeitungen des Artusstoffs hervor, sondern erwiesen sich auch als Inspiration für zahlreiche bildende Künstler.

Bis heute bildet diese Verortung der Artussage in der historistisch-unrealistischen Welt einer idealisierten höfischen Epoche eine der Spielarten der Umsetzung des Stoffs in der Fantasy, auch wenn diese Romantisierung z.T. schon Kritik und Parodien herausforderte (so etwa Mark Twains A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court 1889). Als modernere Variante dieses Stils ist Gerald Morris’ mit The Squire’s Tale beginnende Jugendbuchserie zu nennen, die sich inhaltlich eng an Malory orientiert und trotz eines teilweise ironischen Untertons in einem idealisierten Pseudomittelalter mit allerlei Ritterromantik angesiedelt ist. Auch T. H. Whites berühmtes Werk The Once and Future King ist wohl noch am Ehesten in diesen Bereich einzuordnen.

Daneben existiert weiterhin die schon mit der Einführung der christlich gefärbten Gralsthematik begonnene Tradition, die Artussage als Vehikel spiritueller und philosophischer Themen jeglicher Couleur zu nutzen (wie etwa in Marion Zimmer Bradleys Nebeln von Avalon).

Eine neuere Tendenz besteht in dem Versuch, die Geschehnisse der Sage in einer historisch glaubwürdigen Situation zu verorten, so etwa in Rosemary Sutcliffs Sword at Sunset, Jack Whytes Camulod Chronicles (die dem historischen Roman jeweils weitaus näher stehen als der Fantasy) oder in Gillian Bradshaws Down the Long Wind und Patrick McCormacks Albion-Reihe.

Daneben gibt es diverse Sonderfälle, die keine eigentliche Nacherzählungen des Sagenkreises um Artus bieten, sondern den Stoff eher als Motivreservoir für einzelne Elemente nutzen (etwa Guy Gavriel Kays Fionavar Tapestry, Tim Powers’ The Drawing of the Dark oder Susan Coopers The Dark is Rising).

Vielfach zeichnen sich modernere Bearbeitungen dadurch aus, dass Artus selbst wieder stärker in den Mittelpunkt der Erzählung rückt, in dem in der hochmittelalterlichen Artusepik häufig eher Angehörige seines Hofs standen.

Jenseits aller inhaltlichen Anregungen durch den extrem wandlungsfähigen Stoff sollte jedoch vor allem auch der indirekte Einfluss der Artussage auf die Fantasy nicht unterschätzt werden. Gerade die Mittelalterrezeption des 19. Jahrhunderts, die nicht nur in England immer auch bis zu einem gewissen Grade Artusrezeption war, dürfte bis heute im klassischen „Pseudo-Mittelalter“ der Fantasy unterschwellig nachwirken.